DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-02-2021 09:01
SXEU31 DWAV 050800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 05.02.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W s

Am Wochenende, hauptsächlich von Samstagabend bis Sonntagabend, extreme
Unwetterlage durch heftigen Schneefall und sehr starke Verwehungen über
Norddeutschland und nördliche Mitte mit Schwerpunkt im Nordwesten. Im
Übergangsbereich zum Regen gefrierender Regen wahrscheinlich. Auch hier Unwetter
durch extreme Glätte und Eisansatz durch mehrstündigen, teils kräftigen
gefrierenden Regen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Freitag... wird zwischen einem Hoch über dem Nordmeer und tiefem Luftdruck über
dem Nordwesten Russlands eine hochreichend sehr kalte arktische Luftmasse ins
nordöstliche Europa geführt. In 850 hPa ist dabei die Temperatur über weiten
Regionen auf -10 bis unter -15 Grad abgesunken, stellenweise bis -20 Grad, wobei
die -10-Grad-Isotherme zum Abend die vorpommersche Ostseeküste touchiert.
Gleichzeitig stößt Warmluft auf der Vorderseite eines Troges westlich der
Iberischen Halbinsel über Südeuropa nach Norden vor. Die Druckverteilung in der
Höhe spiegelt in erster Linie die Temperaturverteilung wider, so dass über
Europa derzeit eine recht kräftige westliche Höhenströmung zu finden ist, die
über unserem Land um einen flachen Rücken läuft.
Über dem Nordosten Deutschlands liegt dabei schon seit einer Weile eine
markante, aber aktuell durch die leicht antizyklonale Höhenströmung eher
inaktive Luftmassengrenze, während die Warmfront, die sich von einem Tief über
Spanien aus nordostwärts erstreckt, auf der Trogvorderseite immer aktiver wird.

Zu dem Trog gehört ein Tief bei Irland, das sich langsam auffüllt, während sich
das Spanientief nach Nordosten ausdehnt. Da sich gleichzeitig die Hochdruckzone
mit ihrem ins östliche Mitteleuropa gerichteten Keil kräftigt, verstärkt sich
über Norddeutschland der Druckgradient, was den Ostwind aufleben lässt.
An der westlichen Ostsee und der Nordsee kommen vermehrt steife Böen aus Ost, in
exponierten Lagen stürmische Böen auf. Ansonsten bleibt es weiter schwachwindig.

Die Luftmassengrenze verändert ihre Lage kaum, wird aber mit Annäherung der
südlichen Warmfront durch Warmluftadvektion und durch kurzwellige Tröge, die den
Rücken überlaufen aktiviert. Ab den Mittagsstunden kommt somit von Ostfriesland
und der Deutschen Bucht bis zur Lausitz leichter Schneefall auf, bei tendenziell
aber noch knapp über 0 Grad sollte sich die Glättegefahr in Grenzen halten.
Südlich davon regnet es zeitweise, meist aber nur leicht.

Leicht föhnig wird es an den Alpen, dort sollten im Tagesverlauf die Wolken
etwas auflockern. In 850 hPa steigt dort die Temperatur auf 8 Grad. Im Süden und
Westen gibt es wieder Höchstwerte teils über 10 Grad, in Vorpommern und im
Norden Schleswig-Holsteins kann es dagegen (örtlich) bei leichtem Dauerfrost
bleiben.

In der Nacht zum Samstag ändert sich an der Druckkonstellation nicht sonderlich
viel. Während sich die Hochdruckzone etwas verstärkt, fällt von Südwesten her
der Druck mit Annäherung des Tiefs über Frankreich. Der Wind nimmt im Norden
langsam weiter zu, an den Küsten häufiger mit 7er bis 8er Böen. Auf der
Nordostseite der Luftmassengrenze kommt zudem mit dem unvermindert starken
Ostwind aber die Kaltluft etwas näher, so dass sich der Temperaturgradient
verschärft. Gleichzeitig steigt die Temperatur an den Alpen in 850 hPa auf nahe
+10 Grad, über dem Nordosten sind in diesem Niveau dann -12 Grad zu finden.
Zwischen Wesermündung/Schleswig-Holstein und Ostsachsen kommt es zu leichten
Niederschlägen, auf der Südwestflanke zu Regen, auf der Nordostflanke zu Schnee,
wobei maximal wenige Zentimeter fallen sollten. Im Übergangsbereich besteht die
Gefahr gefrierenden Regens. Südlich der Luftmassengrenze, die im Verlauf der
Nacht leicht nach Süden vorankommt, bleibt es stark bewölkt und ein neues
Regengebiet zieht vom Süden in die Mitte, wo teils über 5 l/qm Regen fallen
können.

An den Alpen bleibt es föhnig mit Auflockerungen und auf den Gipfeln Sturmböen
aus Südwest. Für Föhndurchbruch in die Täler sollte es eher nicht reichen. Mild
mit Tiefstwerten über dem Gefrierpunkt bleibt es in der Südwesthälfte. Im
Nordosten gibt es dagegen wieder Frost, nordöstlich der Luftmassengrenze, wo es
teils auch klar sein kann, durchaus auch mäßigen Frost.


Samstag... verschärfen sich die Druck- und Temperaturunterschiede über
Deutschland weiter. In der südlichen Strömung über Südwesteuropa bildet sich
nördlich der Pyrenäen ein Leetief, das sich bis zum Abend nach Zentralfrankreich
verlagert. Deutschland liegt nach wie vor unter einem von Südosten zu uns
gerichteten Höhenkeil, so dass über dem Norden des Landes die Strömung auf West
dreht. Bodennah weitet sich das Hoch nach Skandinavien und in den Ostseeraum
aus. Zwischen diesem und dem Tief über Frankreich nimmt der Gradient weiter zu,
so dass in weiten Teilen Deutschlands der Ostwind auffrischt. An den Küsten muss
mit starken bis stürmischen Böen gerechnet werden, in Ostfriesland zunehmend
auch mit Sturmböen. Auch über dem nördlichen Binnenland kann es steife Böen
geben.
In Kammlagen der Mittelgebirge kann es ebenso steife bis stürmische Böen geben
und in den Alpen legt der Föhn
zu. Auf den Alpengipfeln kann es dann zunehmend schwere Sturmböen oder
orkanartige Böen geben. Zudem sorgt eine Druckdifferenz von 6 bis 8 hPa zwischen
Bozen und Innsbruck wohl auch für einzelne steife oder sogar stürmische
Böen in den Föhntälern. Der Föhn sorgt dann auch für Auflockerungen von den
Alpen her und weiter vorfrühlingshafte Temperaturen, denn in 850 hPa breitet
sich die 10-Grad-Isotherme im Alpenvorland aus.

Deren Gegenspieler, die -10-Grad-Isobare kommt dank dem frischen Ostwind in
Norddeutschland südwestwärts voran und erreicht fast Hamburg. Dort im Nordosten
gibt es Dauerfrost immerhin etwas Sonne, wobei aber über der Ostsee mit
Schneeschauern gerechnet muss. Entlang der Luftmassengrenze, die vom nördlichen
NRW nach Westsachsen reicht, fällt zunächst kaum Niederschlag. Vielmehr muss an
der über der Mitte Deutschlands angekommenen Warmfront, die stationär wird und
mit der alten Luftmassengrenze beginnt zu verschmelzen, mit weiteren
Niederschlägen gerechnet werden. Diese fallen mit Schwerpunkt in etwa in einem
Streifen zwischen NRW und Rheinland-Pfalz bis Sachsen. An der Nordflanke schiebt
sich kalte Luft unter die darauf aufgleitende Warmluft und es fällt Schnee,
zunächst mit eher geringer Glättegefahr und kaum Neuschneeakkumulation. Nach
Süden zu regnet es. Auch wenn ICON-EU Schlangen zeigt, sollte tagsüber
gefrierender Regen keine große Rolle spielen. Allerdings ist sicherlich noch
etwas unsicher, wie sehr sich die Kaltluft von Osten her unter dem
Niederschlagsgebiet durchsetzen kann.

In der Nacht zum Sonntag wird es spannend: Das Tief über Frankreich zieht nach
Belgien, ein Leetief an den Alpen nach Osten. An der Ostflanke und Nordflanke
der Tiefs wird bodennah Kaltluft angesaugt, während darüber kräftige
Warmluftadvektion zu finden ist. Dies führt über Westdeutschland, im weiteren
Verlauf auch nach Ostdeutschland hin zu sich deutlich intensivierenden
Niederschlägen, wobei bis Sonntagfrüh vor allem im Norden NRWs und im Süden
Niedersachsens über 10 l/qm, im Münsterland in Spitzen bis zu 20 l/qm
Niederschlag simuliert werden. Nach Osten hin, Richtung Sachsen, ist es deutlich
weniger.
Diese Niederschläge fallen meist als Schnee, so dass bis zum Morgen im
nördlichen Münsterland bis über 20 cm Neuschnee fallen könnten, je nach
Temperaturniveau sogar deutlich mehr. Dies allein reißt schon das
Unwetterkriterium, aber es kommt noch der Wind dazu:
Dieser frischt an der Nordostflanke des Tiefs noch weiter auf und vor allem über
NRW und dem Westen Niedersachsens muss verbreitet zumindest mit stürmischen Böen
gerechnet werden, aber auch einzelne Sturmböen sind möglich.

Auch weiter nach Norden und Osten hin kann es steife Böen geben, was bei
lockerem Schnee für teils unwetterartige Schneeverwehungen reicht. Vor allem im
Süden Niedersachsens könnte es nicht nur sehr große Schneemengen, sondern auch
sehr starke Verwehungen geben, was hier ein extremes Unwetter ergibt.
Nach Süden zu geht der Schneefall in Regen über, wobei durchaus auch
mehrstündiger gefrierender Regen ein Thema ist. Da wir auch von großen
Niederschlagsmengen reden, besteht Unwettergefahr durch Glatteis, wobei eine
Glatteislage mit Schäden auch durch Eisbruch wahrscheinlich ist. Hier ist der
wahrscheinlichste Bereich vom südlichen NRW/Eifel bis Thüringen
Oberfranken/Oberpfalz.

An der Ostsee sind ebenfalls noch einige Schneeschauer möglich, die diabatisch
vom "warmen" Wasser mit +3°C bei T850 -13°C ausgelöst werden.

Der Wind weht auch ganz im Norden stark aus Ost, wo es noch meist trocken
bleibt. An den Küsten treten stürmische Böen oder Sturmböen aus Ost auf, über
der Nordsee schwere Sturmböen. Ruhiger ist es im Süden, dort fällt nach Westen
hin etwas Regen. Noch kurz zum Temperaturniveau: Von Osten dringt die bodennahe
Kaltluft massiv nach Westen vor, so dass im Bereich der kräftigen Niederschläge
die Temperatur durchaus bis -5 Grad absinken kann, ganz im Nordosten auch bis
-10 Grad. Dagegen bleibt es im Süden weiter frostfrei. Der Föhn schwächt sich
von West nach Ost ab.


Sonntag... schwächt sich das Tief über Belgien langsam ab und zieht sich etwas
nach Westen zurück. An seiner Südflanke gelangt von Westen her etwas kältere
Luft in den Süden Deutschlands, dort fällt aber abgesehen vom höheren Bergland
oberhalb von 800 bis 1000m weiterhin Regen.
Der Föhn an den Alpen bricht zusammen. Weiterhin kräftige Niederschläge gibt es
in einem breiten Streifen vom Westen/Nordwesten bis in den Osten und Nordosten,
mit Schwerpunkt vom Emsland bis zur Altmark. Dort kann es gebietsweise weitere
10 bis 15 l/qm Niederschlag geben, an der Nordflanke und bis in die Mitte dieses
Gebiets hinein fällt bei Dauerfrost weiter durchweg Schnee. In den südlichen
Bereichen geht der Regen im Tagesverlauf von Westen in Schnee über, was auch die
Glatteisgefahr verringert.
Südlich einer Linie Eifel-Oberfranken bleibt es wohl in den tieferen Lagen bis
zum Abend noch frostfrei. Ganz im Süden regnet es bei +5 bis +10 Grad
gebietsweise. Die Windsituation in der gesamten Nordhälfte ändert sich zunächst
kaum, erst zum Nachmittag kommt es zu einer deutlichen Abschwächung durch den
deutlich abflauenden Gradienten.

Vor allem vom Emsland bis zur Altmark dürften weitere 10 bis 20 cm Neuschnee
fallen, die stark verweht werden. Nach Norden hin nehmen die Neuschneehöhen ab,
aber auch dort wird alles, was fällt, stark verweht. Das wird dadurch
unterstützt, dass die Tagestemperaturen im Norden deutlich im Frostbereich
(gebietsweise mäßiger Dauerfrost) verharren. Ganz im Norden bleibt es zwar
weiterhin niederschlagsfrei, aber auch dort sorgt Dauerfrost und strammer
Ostwind für zumindest sehr ungemütliches Sonntagswetter.

In der Nacht zum Montag dreht die Strömung bis in den Süden auf östliche bis
nordöstliche Richtungen. Die kalte Luft kann aber ganz im Süden noch nicht
Fußfassen. Dabei kommen im Südosten vor der von Westen hereinschwenkenden
Trogspitze teils kräftige Niederschläge auf, die durch das Einsickern der
kälteren Luft bis auf 500m hinab in Schnee übergehen. Über dem Norden und der
nördlichen Mitte schneit es noch zeitweise, aber mit abnehmender Tendenz. Im
Nordwesten sind noch einmal 5 bis stellenweise 10 cm Neuschnee in 12 Stunden
möglich. Auch ganz im Norden lässt der Gradient nach, so dass Montagmorgen vor
allem noch die Küsten von steifen bis stürmischen Böen aus Ost betroffen sind.
Während der Südwesten teilweise frostfrei bleibt, sinkt die Temperatur im Norden
gebietsweise auf -10°C oder etwas darunter.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle sind sich über die Entwicklung im Großen und Ganzen einig,
Unterschiede beschränken sich im Wesentlichen auf Details. An der (extremen)
Unwetterlage am Wochenende (Sa.18 Uhr bis Sonntagabend) führt wohl kein Weg
vorbei, die entsprechenden Vorabinformationen werden im Laufe des Vormittags
ausgegeben. Akkumuliert sind 20 bis 40 cm Schnee, vereinzelt auch noch mehr,
möglich, die extrem verweht werden. Auch der gefrierende Regen wird
unwetterartig, die Bereiche wurden im Text erwähnt. In einigen Landesteilen geht
wohl im Laufe des Wochenendes nicht mehr viel, auch Schäden an der Infrastruktur
sind möglich.

Die Warnlageberichte sollten dies extreme Ereignis widerspiegeln und mit den
heutigen Aktualisierungen das Gesamtereignis bis Sonntag abdecken.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner