DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

03-02-2021 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.02.2021 um 10.30 UTC



Kräftiger Schneefall und starke Verwehungen über Norddeutschland mit
Unwetterpotential vor allem am Wochenende.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 10.02.2021


Das Wochenende steht möglicherweise im Zeichen einer denkwürdigen
Wetterentwicklung mit extremen Gegensätzen über Deutschland und unwetterartigen
Schneefällen und Verwehungen im Norden. Die Lage ist angesichts der großen
Gegensätze durch die scharfe Luftmassengrenze über Nord- oder Mitteldeutschland
und natürlich auch durch den Prognosezeitraum noch mit einigermaßen großen
Unsicherheiten behaftet.

Am Samstag erstreckt sich ausgehend von einem Hoch über dem Nordmeer ein
blockierender Hochkeil ins östliche Mitteleuropa, aus dem sehr kalte Luft nach
Westen ausfließt, während vor einem Trog über Westeuropa ein Tiefdruckgebiet
über Frankreich nach Nordosten zieht. Damit stellt sich eine stark
frontogenetische Situation über Mitteleuropa ein und die Temperaturkontraste
verschärfen sich noch einmal deutlich.
Auf der Vorderseite des Tiefs gelangt sehr milde Luft in den Süden unseres
Landes, in der verbreitet mehr als 10 Grad erreicht werden. Im Südwesten sind 15
Grad zu erwarten und am Alpenrand, wo föhnig erwärmt in 850 hPa mehr als 10 Grad
auf Karte stehen, sind in 2m Höhe bei Föhn sogar nahe 20 Grad nicht
ausgeschlossen. Dagegen wird in den Norden zunehmend kältere polare
Festlandsluft angesaugt. Hier geht die Temperatur in 850 hPa auf teilweise unter
-10 Grad zurück und bei auffrischendem Ostwind gibt es gebietsweise Dauerfrost.
Gleichzeitig kann es länger anhaltend und teilweise kräftig schneien, im
Übergangsbereich zur Warmluft ist gefrierender Regen zu erwarten. Beides kann
unwetterartige Ausmaße annehmen und der auffrischende Wind kann
Schneeverwehungen zur Folge haben. Die Luftmassengrenze dürfte in etwa vom
Nordwesten in den östlichen Mittelgebirgsraum verlaufen, wobei deren genaue
Lage, aber auch die Ausbreitung und Intensität der Niederschläge noch sehr
unsicher sind.
Am Sonntag schwenkt der Trog zu den Alpen und das Tief füllt sich allmählich
über Benelux auf, während aus einem Leetief nördlich der Alpen und einem Tief
über Oberitalien eine Rinne entsteht, die sich nach Osten verlagert. Die
Luftmassengrenze ändert ihre Lage nur wenig. Während im Norden die Zufuhr der
Kaltluft sogar noch zunimmt, die Maxima liegen im Nordosten nur bei -5 Grad,
sickert auch in den Süden eine frischere Meereskaltluft ein, so dass die extrem
hohen Werte des Samstags nicht mehr zu erwarten sind. Trogvorderseitig weiten
sich die Schneefälle noch nach Norden aus und sind gebietsweise weiterhin
ergiebig und bei steifen bis stürmischen Böen sind teils starke
Schneeverwehungen möglich. Auch der Glatteisregen nahe der Luftmassengrenze ist
mit vertreten. Das Unwetterpotential besteht somit weiter. Die Föhnlage an den
Alpen wird durch eine Kaltfront beendet, die mit Gewittern und Sturmböen
Süddeutschland ostwärts überquert.
An den Küsten sind an beiden Tagen Sturmböen möglich, exponiert auch schwere
Sturmböen.
Am Montag schwächt sich der Hochkeil im Norden ab und da auch die Tiefdruckrinne
im Süden zunächst abzieht und erst durch ein neues Tief von Frankreich her
ersetzt werden muss, schwächt sich zum einen der Wind im Norden ab und zum
anderen lassen auch die Schneefälle dort nach. Die Zufuhr der sehr kalten
Polarluft in den Norden dauert aber an, verbreitet gibt Dauerfrost, nach
Nordosten auch im mäßigen Frostbereich. An den Küsten ist der Ostwind weiter zum
Teil stürmisch unterwegs mit der Gefahr von Verwehungen. Die Mitte und der Süden
liegen her im Zustrom stark erwärmter Meeresluft von Südwesten her mit einigen
Schauern und Temperaturen zwischen +5 und +10 Grad. Die Luftmassengrenze kommt
vor allem nach Osten hin leicht südwärts voran, im Wesentlichen bleibt die Lage
aber nahezu konstant.
Am Dienstag zieht das Tief von Frankreich her nach Benelux, flankiert von einer
Bodenrinne mit der eingelagerten Luftmassengrenze über Nord- bzw.
Mitteldeutschland. An der grundsätzlichen Lage ändert sich nicht viel, der
Norden liegt im Zustrom kalter Frostluft von Osten her, während südlich der
weiter sehr markanten Luftmassengrenze eine erwärmte Meereskaltluft einfließt,
vorübergehend kann im Südosten auch mal milde Meeresluft mit einem neuerlichen
Anflug einer Föhnlage an den Alpen fußfassen. Im Süden bringt das wieder
Temperaturen bis nahe +10 Grad, nach Nordosten hin steht eher teils mäßiger
Dauerfrost an. Das Wesentliche sind für diesen Tag eher die wieder steigende
Niederschlagswahrscheinlichkeit mit neuen Schneefällen und Glatteisregen in der
Kaltluft.
Am Mittwoch zieht das Tief unter Abschwächung über Norddeutschland nach Osten,
womit sich die mildere Luft vorübergehend etwas nach Norden ausbreiten kann. Die
Grenzwetterlage geht aber weiter mit Frost und Schnee im Norden und milden
Regenfällen im Süden. Dazwischen ist auch wieder Glatteisregen möglich. Windig
mit stürmischen Böen oder Sturmböen ist es an den Küsten und auf den Bergen im
Süden.

Auch in der erweiterten Mittelfrist geht der Großwetterlagentyp in Richtung
"südliche Westlage". Die Tiefs könnten weiter über Mitteleuropa nach Osten
ziehen, womit auch die Grenzwetterlage mit scharf ausgeprägter Luftmassengrenze
über uns ihren Fortgang finden könnte.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des europäischen IFS Modells ist zwar im groben Maßstab gut, da
es aber bei der Grenzwetterlage auf die Details ankommt, wird die Prognose
dennoch unsicher. Der gestrige 00z Lauf ließ die kalte Polarluft ab nächsten
Montag über Deutschland nach Süden vorstoßen, der Vorlauf und auch die aktuelle
Version lassen die Luftmassengrenze über Norddeutschland und verschieben sie zur
Mitte der nächsten Woche sogar noch etwas weiter gen Küsten.
Spannend bleibt es allemal, die Grenzwetterlage geht sehr wahrscheinlich weiter,
mit einem Maximum der Gegensätze wohl am kommenden Wochenende.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen globalen Modelle haben auch keine alternativen Entwicklungen zu
bieten. Sie zeigen am Wochenende die Grenzwetterlage, auch mit ähnlichen
Auswirkungen, wie das IFS. Die Details werden aber auch hier mit leichten
Unterschieden simuliert, was regional aber entscheidend sein kann. Das ICON und
GFS haben die Schneefälle rascher bis zu den Küsten ausgreifend im Programm und
regional auch bis 30 mm im 24 Stunden Zeitraum am Sonntag. Die Schwerpunkte
liegen aber immer unterschiedlich. Danach lassen GFS und ICON die kalte Luft
nach Süden vorankommen, während die europäische Lösung die Grenze mit dem neuen
Tief ja sogar noch nach Norden verschiebt.
Dass sich für das Wochenende eine möglicherweise extreme Lage andeutet, zeigen
aber auch ICON und GFS.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die schon genannten Unsicherheiten spiegeln sich auch bei den
Ensemblevorhersagen wider. In den Rauchfahnen beginnt, an den Orten wo die
Luftmassengrenze ins Spiel kommt, der Spread in der 850 hPa Temperaturkurve ab
dem Wochenende stärker zu steigen. Gleichwohl deutet sich ein
Niederschlagsmaximum an, was auf die Aktivierung der Luftmassengrenze
zurückzuführen ist, wobei diesmal der meiste Niederschlag wohl im Bereich der
Luftmassengrenze und auf deren kalter Seite zu finden ist.
Die Ensemblelösungen zeigen geringe Wahrscheinlichkeiten für mehr als 15, bzw.
20 cm Schneeanteil über Norddeutschland, die sich im Laufe des Wochenende nach
Norden verschieben, gepaart mit hohen Wahrscheinlichkeiten für Bft 7 aus Ost und
geringen Probs für Bft 8.

Insgesamt fächern die Kurven für Geopotential und Temperatur ab dem Beginn der
nächsten Woche stärker auf, ein Großteil der Lösungen scharrt sich aber um den
Hauptlauf, auch wenn beispielsweise auch für die Mitte und den Süden ab Dienstag
auch einige sehr kalte Lösungen mit Temperaturen von -10 bis -15 Grad in 85ß hPa
vorhanden sind.
Die Clusterung liefert im ersten Zeitschritt 3 Cluster, die sich nicht viel für
Mitteleuropa unterscheiden.
Im Zeitraum für 120 bis 168h werden 6 Cluster gebildet, der Hauptlauf in Cluster
1, die alle als Großwetterlage eine südliche Westlage aufweisen und der
negativen NAO zugeordnet sind. Ein starkes Blocking findet über dem
Nordatlantik, Nordmeer und Grönland, was eine (überall) milde Westlage sehr
unwahrscheinlich macht.
Daraus lässt sich zwar Ableiten, dass die Grenzwetterlage auch aus dieser Sicht
Bestand haben kann, weiter ins Detail gehen, lässt sich dadurch aber nicht.
Die 3 Cluster der erweiterten Mittelfrist weisen dann größere Unterschiede auf,
der erste und dritte Cluster tendieren aber weiter zu einer südlichen Westlage,
im zweiten Cluster schwenkt ein kräftigerer Höhenrücken nach Deutschland.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Im mittelfristigen Zeitraum steht über Norddeutschland, Schwerpunkt am kommenden
Wochenende, ein wenigstens markantes, möglicherweise unwetterartiges
Schneefallereignis mit starken Verwehungen an. Im jeweiligen 24h Intervall sind
10 bis 20 cm Neuschnee möglich, die stark verweht sein können. Welche Regionen
betroffen sind, ist noch unsicher.
Daran südlich anschließend gibt es einen Streifen mit teils unwetterartigem
Glatteisregen. An den Küsten kommt es zu teils schweren Sturmböen aus östlichen
Richtungen, in den Alpen anfangs zu Sturmböen (Föhn), die von Gewittern mit
Sturmböen beendet werden.

EFI zeigt mit den Temperaturanomalien (zu warm im Süden, zu kalt im Norden) den
sich verschärfenden Temperaturgegensatz bei uns. Dazu kommt, dass vor allem am
Sonntag im Norden bei negativer Temperaturanomalie ein gegenüber dem Modellklima
signifikantes Niederschlagsereignis angedeutet wird, mit kräftigem Wind.
Ein Vergleich mit dem Ereignis zum Jahreswechsel 1978/79 bietet sich nicht
unbedingt an. Die Temperaturgegensätze über Deutschland sind geringer und ins
"milde" verschoben, Wind und Niederschläge deutlich weniger extrem. Die Lage
dauert auch nicht so lange an.

Die Grenzwetterlage kann sich in der nächsten Woche fortsetzen, mit dem Norden
in kalter Frostluft mit Schneefällen, eventuell auch wieder mit Verwehungen. Die
Hinweise auf kräftige Schneefälle sind aber seitens der Probabilistik im Norden
nicht mehr gegeben. Im Süden geht es mild bis sehr mild weiter mit Regenfällen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Mos Mix, IFS, IFS EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Bernd Zeuschner