DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-02-2021 09:01
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.02.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Ws (südliche Westlage)
Im Norden aktive Luftmassengrenze mit Regen und Schnee, im Übergangsbereich bis
zum Mittag und eventuell am Abend erneut Glatteis (UNWETTER). Zudem in der
Südhälfte zeitweise Sturmböen, im Westen vereinzelt Gewitter. Am Donnerstag
vorübergehend Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich Deutschland zwischen dem Höhentiefkomplex über
Skandinavien und einem Rücken über dem zentralen Mittelmeer in einer westlichen
Höhenströmung. Diese kippt in den kommenden Stunden auf Südwest, da sich am
Rande eines weiteren Höhentiefs westlich von Irland ein positiv geneigter Trog
südwärts bis ins Seegebiet westlich von Madeira ausweitet. Auf dessen
Vorderseite läuft aktuell ein Kurzwellentrog in den Englischen Kanal hinein, der
bis zum Abend die Mitte Deutschlands erreicht. Dieser weist starke Diffluenz
über dem linken Ausgang des Jetstreaks mit über 150 kt auf, so dass sich bereits
ein "giftiges" Bodentief mit Kerndruck nahe 990 hPa über der Bretagne formiert
hat. Ebenfalls eindrücklich ist die Dry Intrusion, bei der sehr trockene Luft
auf aus der Stratosphäre an der Südflanke des Tiefs ostwärts vorstößt (hohe
IPV). Im aktuellen Radarfilm sieht man bereits, wie die Kaltfront aus der Höhe
abgetrocknet wird und dafür immer mehr Warmfront und rumgeholte Okklusion auf
der Rückseite des Tiefs betont werden. Etwas limitierend wirken allerdings die
thermischen Gegensätze um Umfeld des Tiefs (alles brühwarm bei Temperaturen um
10 Grad).
Im Zuge kräftiger WLA hat bereits weit im Vorfeld des Tiefs schauerartig
verstärkter Regen auf den Südwesten Deutschlands übergegriffen, der im Laufe des
Nachmittags auch die östlichen Landesteile erreicht. Bei T850 um 0 Grad, entlang
und südlich der Donau gar bei +5 Grad in 850 hPa fällt dabei bis in die
Kammlagen Regen. Mit Niederschlagsmengen von rund 10 l/qm, in den westlichen und
südlichen Mittelgebirgen von rund 20 l/qm wird zum einen das Tauwetter in den
Hochlagen, aber auch die Hochwasserlage im Südwesten und Westen weiter befeuert.
Auch wenn bezüglich des Regens die Hinweise auf Übertreten der Warnschwellen nur
gering sind (COSMO-LEPS maximal 35% im Südschwarzwald), so werden zuzüglich der
Schneeschmelze im Schwarzwald sowie im Thüringer Wald und Bayerischen Wald
Abflussmengen von etwa 40 l/qm erreicht, was die ausgegebenen Warnungen
rechtfertigt. Bevor die rumgeholte Okklusion in den Abendstunden von Westen
übergreift, treten infolge der Labilisierung die Schichtung (IPV Maximum) vom
Westen bis in die Mitte am Nachmittag lokal auch kurze Gewitter auf (ICON EU
sogar mit 100-200 J/kg CAPE über dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Südhessen),
die bei Höhenwinden von rund 50 Knoten in 850 hPa teils mit schweren Sturmböen
einhergehen. Aber auch abseits davon frischt der Wind an der Südflanke des Tiefs
über der Südhälfte des Landes mit starken bis stürmischen Böen auf. Kurzzeitige
Maxima von Bft 9 bis 10 treten auf den Bergen, bei Durchgang von kräftigen
Schauern oder Gewittern und voraussichtlich - lokal zumindest - ebenfalls am
Abend von der Eifel bis zum Neckar unmittelbar an der Südspitze der rumgeholten
Okklusion auf. Im Schwarzwald treten in den Hochlagen Böen bis Orkanstärke auf.
Auch wenn es wohl keine klassische Shapiro-Keyser-Zyklone mit Sting Jet ist, so
lassen sich gewisse Ähnlichkeiten beobachten und die synoptischen
Randbedingungen geben eine doch recht markante Sturmlage her - zumal gerade in
den Gebieten die Böden durch die anhaltenden Regenfälle der letzten Tage
aufgeweicht sind und daher vermehrt Bäume umfallen könnten. Entsprechend
offensiv sollte das Warnmanagement diesbezüglich ausfallen.

Als wäre das alles noch nicht genug, so erstreckt sich ausgehend vom nahezu
stationären Tief bei Irland zudem noch die aus den Vortagen bereits bestens
bekannte Tiefdruckrinne über Norddeutschland hinweg ostwärts bis nach Belarus.
An dessen Nordflanke strömt mit östlichen Bodenwinden erst die wirklich
winterlich geprägte polare Luftmasse aus dem Bodenhoch über Skandinavien aus mit
T850 um -5 Grad. Entlang der Luftmassengrenze fällt an der Südflanke Regen mit
aktuellen Raten bis zu 3 mm pro Stunde, der auf teils gefrorene Böden trifft.
Dies betrifft vor allem einen Streifen von Ostfriesland über den Hamburger Raum
hinweg bis zur Uckermark. Auch wenn die Temperaturen "nur" um den Gefrierpunkt
liegen, schaut man in 10 Zentimeter Tiefe erkennt man hier und da auch ein paar
"0er", kurzum lokal liegt der Frost noch gut in den Böden drin. Auch wenn es
vielleicht nicht überall spiegelglatt ist, so bleibt einem angesichts dieser
Umstände fast nichts Anderes übrig, als auf Unwetter zu setzen. Im Tagesverlauf
wird die Rinne mit Annäherung des Tiefs von der Bretagne etwas nach Norden
gedrückt. Entsprechend verlagert sich auch das potentielle Glatteisgebiet ein
Stück nordwärts. Eine warme Nase ist in den Temps zwar erkennbar, mit jedem
Kilometer nach Norden befindet sich diese aber komplett "links" der 0
Grad-Isotherme. Allerdings sollte der Tagesgang die benötigten 1 bis 2 Grad
liefern, so dass sich die Unwetterlage vorübergehend etwas entspannt. Von
Schleswig bis nach Vorpommern sollte die feste Niederschlagsphase vorrangig
bleiben. Bis zum Abend fallen dort ein bis 5 Zentimeter Neuschnee, der bei
zunehmend starken, an der See stürmischen Böen (Gradientverschärfung mit
Annäherung des Tiefs) eher ungleichmäßig liegen bleiben wird.

Die Temperaturen liegen im Schneefall bei 0 Grad, südlich angrenzenden davon
rasch bei 5 bis 10 Grad, in der Südhälfte bei sehr milden 10 bis 15 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Kurwellentrog weiter nach Ostpolen und
mit ihm auch das Bodentief, das bis zum Morgen die Neiße ostwärts überquert. Ihm
folgt von Westen ein flacher Rücken nach. So kommt es am längsten über Franken,
Thüringen und Sachsen noch zu Sturmböen, im Bergland schweren Sturmböen bis
orkanartigen Böen aus West. Anfangs kann auch noch das ein oder andere Gewitter
dabei sein. Nachfolgend lockert es von Südwesten zeitweise auf. Bei längeren
Auflockerungen und rasch nachlassendem Wind kann in der sehr durchfeuchteten
Grundschicht rasch Nebel bilden.

Der Fokus bleibt neben dem abziehenden Sturmfeld aber weiter auf dem Norden des
Landes, wo eingangs der Nacht die Niederschläge der Warmfront erneut von Süden
die Grenze zur Frostluft erreichen. Insofern kann man sich gut vorstellen, dass
sich die Glatteislage in einem Streifen von der Elbmündung bis zur Uckermark
erneut verschärft, so wie es auch COSMO-D2, Super HD und Arome beispielsweise
andeuten. Da jedoch unsicher ist, wie sich die Belagstemperaturen bis dahin bei
immerhin komplett geschlossener Bewölkung verhalten, wird wohl auf die
Verlängerung beziehungsweise erneute Ausgabe einer Vorabinformation verzichtet
werden können. Aufgrund der hohen Niederschlagsraten im einstelligen
Millimeterbereich ist erneutes Unwetter sehr gut vorstellbar.
Mit Abzug des Tiefs nach Polen dreht der Wind im Osten auf Nord bis Nordost,
weshalb die Kaltluft ein wenig Boden nach Süden gutmacht. Daher gehen die (meist
nur noch leichten Niederschläge auch bis nach Bremen und Berlin zunehmend wieder
in Schnee über. Für viel mehr als etwas Schneematsch wird es aber wohl nicht
reichen. Dort liegen die Tiefstwerte um 0 Grad, sonst bleibt es +1 bis +7 Grad
frostfrei. An der See bleibt der Wind die ganze Nacht hindurch frisch mit
starken, exponiert stürmischen Böen.

Donnerstag... weitet sich der schmale Ostatlantiktrog noch etwas nach Süden bis
zu den Kanaren aus. Dadurch steilt die Strömung über Westeuropa etwas auf und
die vorderseitige WLA begünstigt den Aufbau eines Keils, dessen Ursprung im fast
vollumfänglich das Mittelmeer umspannenden Höhenhochs über Südeuropa und
Nordafrika ist. Das Hoch über Skandinavien baut infolge des NVA-generierten
Druckanstiegs sogar eine zarte Brücke zum Hoch über der Adria auf, die nur noch
durch die schwache Rinne/Luftmassengrenze entlang der Elbe unterbrochen wird.
Immerhin sorgt das überlagerte Absinken aber dafür, dass die Wetteraktivität
weiter zurückgeht und so fallen meist nur noch 1 bis 3 l/qm binnen 12 Stunden -
über Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern meist als Schnee, sonst als
Regen oder Schneeregen. Im Übergangsbereich ist vor allem in den Früh- und
Abendstunden eine geringe Glatteisgefahr nicht wegzudiskutieren, tagsüber
sollten die Beläge jedoch durch die Bank weg positiv sein.

Im Rest des Landes zeigt sich bei kurzen Auflockerungen auch gelegentlich mal
die Sonne, bevor die Ausläufer einer Warmfrontwelle, die den Rücken überläuft,
auf den äußersten Südwesten mit leichten Regenfällen übergreift. Das ist aber
glätte- bzw. phasentechnisch unkritisch angesichts weiterhin vorfrühlingshafter
Temperaturen von 10 bis 14 Grad. Nordöstlich der Elbe bleibt es dagegen bei 0
bis 5 Grad, im Übergangsbereich entsprechend dazwischen.
Auch der Wind lässt nach Abzug des Tiefs immer mehr nach, so dass auch die
Sturmböen im östlichen Bergland, sowie Windböen an exponierten Küstenabschnitten
im Tagesverlauf der Vergangenheit angehören.

In der Nacht zum Freitag liegen wir zwar in der Höhe noch unter der breiten
Keilachse, allerdings greift auf der Vorderseite des stationären Tiefs über den
Britischen Inseln Warmluftadvektion von Westen auf Deutschland über. Zudem wird
mit der niedertroposphärisch, südwestlichen Strömung die warme Luftmassengrenze
im Süden, die erwärmte Meeresluft (T850 um 0 Grad) von warmer Subtropikluft über
Südfrankreich (T850 >5 Grad) trennt, bis zum Morgen in etwa bis auf Höhe des
Mains gedrückt. Südlich davon fällt gebietsweise Regen, der lokal auch knapp
zweistellige Summen binnen 12 Stunden bringen kann. Insofern dauert die
kurzzeitige Entspannung in den Hochwasserregionen nur etwas mehr als einen Tag
an.

Im Zuge der WLA treten auch in Schleswig-Holstein (Aktivierung der kalten LMG)
und im Nordwesten zum Morgen leichte Niederschläge auf. Von der Dänischen Grenze
bis nach Lübeck fällt dabei etwas Schnee, sonst teils gefrierender Regen. Die
Wahrscheinlichkeit für örtliches Glatteis nimmt damit wieder etwas zu, zumal
nach Auflösung der einstigen Rinne auch die bodennahe Winde in Niedersachsen
eher auf östliche Richtungen drehen. So gibt es in der Nordosthälfte vielfach
leichten Frost, in Vorpommern bei Auflockerungen auch mäßigen Frost. Im Süden
und Westen bleibt es wie gehabt bei bis zu +6 Grad frostfrei.

Freitag... schwenkt die Keilachse zur Odermündung und Deutschland gelangt auf
die Vorderseite des Tiefs über den Britischen Inseln respektive des inzwischen
abgeschnürten Cut-Offs vor der Westküste Portugals. Damit greift die bereits
o.e. WLA auch nach Ostdeutschland aus und verstärkt sich nach etwas. Aus
mehrschichtiger Bewölkung kann zeitweise nun überall mal etwas Regen fallen.
Schwerpunktmäßig konzentrieren sich die Niederschläge aber nach wie vor auf den
unmittelbaren Bereich der Luftmassengrenzen (zwischen Weser und Elbe sowie
entlang von Mosel und Main). Von Schleswig-Holstein bis nach Nordbrandenburg
fällt etwas Schnee. Allerdings hält dort der Ostwind mit trocken-kalter
Kontinentalluft, so dass am Boden nicht viel ankommt. Über Rügen ist die -10
Grad Isotherme in 850 hPa nicht mehr weit und unter Berücksichtigung der flachen
Kaltluftschicht am Bodenreicht es im Nordosten nun schon vermehrt für leichten
Dauerfrost. Im Zuge der sich annähernden Luftmassengrenzen nimmt auch der
Gradient wieder zu, so dass insbesondere an der Nordsee Windböen, auf den Inseln
später auch erste stürmische Böen aus Ost auftreten. Für Schneeverwehungen sind
die Neuschneemengen mit nur wenigen Zentimetern aber weiterhin zu gering.

Im Tagesverlauf setzt zudem in den Alpen Föhn ein, wobei der Gradient
voraussichtlich noch nicht ausreicht (4-6 hPa zwischen Bozen und Innsbruck), um
in die Täler durchzubrechen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der Problematiken im Nowcasting (Sturmfeld Südhälfte, Glatteis/Schnee
Norden) liegen die vorligenden Lokalmodelle weitestgehend auf einer ähnlichen
Linie. Im weiteren Verlauf lassen sich auch bei den Globalmodellen keine
prognoserelevanten Unterschiede ausmachen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen