DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

01-02-2021 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.02.2021 um 10.30 UTC



Im Nordosten winterlich, im Südwesten sehr mild, zur neuen Woche überall kälter.

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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 08.02.2021


Schauen wir auf den kommenden Donnerstag, dem Beginn des aktuellen
Mittelfristzeitraums. Dann erstreckt sich ausgehend vom komplexen Höhentief über
Skandinavien ein recht schmaler Langwellentrog dicht westlich der Britischen
Inseln weit nach Süden bis zu den Kanaren. Die schmale langgestreckte Form
deutet bereits an, dass ein Abtropfprozess unmittelbar bevorsteht. Flankiert
wird der Langwellentrog nach Osten von einem Rücken, der nahezu den gesamten
Mittelmeerraum umspannt und dessen flache Keilachse nach Ostfrankreich und
Benelux gerichtet ist. Deutschland liegt damit auf der Keilvorderseite in einer
westlichen Höhenströmung.

In dieser hat ein flacher Randtrog Ostdeutschland Richtung Polen passiert und so
zieht sich auch das damit verbundene Bodentief immer mehr in die Ukraine und
Weißrussland zurück. Was bleibt ist die nach wie vor vorhandene Luftmassengrenze
über Norddeutschland, die arktische Polarluft (T850 < -10 Grad) über
Skandinavien von milder Subtropikluft (T850 > 0 Grad) über Süddeutschland
trennt. Diese Luftmassengrenze bleibt nahezu stationär, da sie als Kaltfront auf
der Rückseite des abgezogenen Tiefs in ein flaches Tief über der Nordsee mündet
und dadurch rückläufig wird. Dazwischen stellt sich schwacher
Zwischenhocheinfluss ein, aber ohne dass sich die Hochs über Skandinavien und
der Adria verbinden können.

In etwa auf einer Linie Hamburg-Berlin treten noch leichte Niederschläge auf,
die an der Nordflanke als Schnee (ein paar Zentimeter), im Südteil als Regen
fallen. Im Übergangsbereich ist vereinzelt Glatteis durch gefrierenden Regen
nicht ausgeschlossen. Im Süden Deutschlands zeigt sich unterdessen zeitweise die
Sonne und das anhaltende Tauwetter nebst Hochwasser wird nicht mehr zusätzlich
durch neue Regenfälle befeuert. Nach nächtlichen Sturmböen über Sachsen fächert
der Gradient rasch auf und der Wind lässt deutlich nach. Die
Temperaturverteilung ist weiterhin sehr divers mit Werten um den Gefrierpunkt
auf der kalten Seite ganz im Norden und Nordosten, in der Mitte werden 5 bis 10
und im Süden Deutschlands für die Jahreszeit erneut sehr milde 10 bis 15 Grad
erreicht.

Am Freitag erreicht der spitz zulaufende Langwellentrog Marokko und Portugal und
die Vorderseite wird zunehmend diffluent. Dadurch fällt der Druck über der
Iberischen Halbinsel und davon ausgehend wird die von Südwesten auf Höhe des
Mains hineinragende Warmfront etwas aktiviert (bis 5 l/qm binnen 12 Stunden).
Auch an der Nordsee fällt im Randbereich der Warmfrontwelle etwas Regen oder
Schnee. Mit dem Gegenpart des hohen Bodenluftdrucks über dem Nordmeer und
Skandinavien, das NVA-bedingt einen Keil (1025 hPa) nach Polen ausweitet, ergibt
sich eine frontogenetische Strömungskonfiguration. Da der schwache Wind aber
auch über der Mitte und dem Süden vielfach auf östliche Richtungen dreht, wird
es bodennah nicht mehr ganz so mild, auch ohne dass die polare Kaltluft im
Nordosten Deutschlands angezapft wird. So ziehen sich die zweistelligen
Höchstwerte auf die (prall gefüllten) Flussläufe von Mosel, Rhein, Neckar und
Isar zurück. Im Nordosten bleibt es tagsüber bei Temperaturen um den
Gefrierpunkt.

Am Wochenende tropft der Trog über der Iberischen Halbinsel ab. Insbesondere
durch das langlebige frontogenetische Setup gelangt die skandinavische Kaltluft
(auf Umwegen) über die Britischen Inseln südwärts und verschärft so im Verbund
mit der Advektion der fast schon tropischen Luftmasse aus Nordafrika (T850 > 15
Grad! über Sardinien) die thermischen Gegensätze, wovon das Tief im Raum
Bordeaux profitiert. So kann es sich fortwährend auf unter 990 hPa vertiefen,
was im Kontrast zu 1030 hPa und mehr über Südnorwegen zu einem anständigen
Druckgradienten führt.

Für Deutschland würde dies bedeuten:

- Zusammenfuhr von Subtropik- und Polarfront und damit Verschärfung der
Temperaturgegensätze auf engstem Raum

- an Nord- und vor allem Ostsee Schneeschauerstraßen durch Lake-Effekt

- eine stramme und kalte Ost-/Nordostströmung etwa nördlich der
Mittelgebirgsschwelle mit teils kräftigen Schneefällen und Schneeverwehungen bei
Dauerfrost

- südlich davon (wie gehabt) mild und etwas Regen, an den Alpen einsetzender
Föhn mit Temperaturen bis nahe 20 Grad

Bei aller gebotenen Sachlichkeit, aber das wäre ein absolutes meteorologisches
Highlight. Allerdings sei auch erwähnt, dass je nach Lage der Luftmassengrenze
(LMG) eine erneute Verschärfung der Hochwassersituation im Südwesten durch
anhaltende Regenfälle vorstellbar und damit für manche Regionen fatal wäre. Dies
muss in den kommenden Tagen weiterhin "gemonitort" werden.

Zum Übergang in die erweiterte Mittelfrist deutet sich in der kommenden Woche
immer mehr die Abspaltung eines Randtiefs an, das über die Alpen hinweg ostwärts
zur Ukraine zieht. Damit wäre der Weg für einen Kaltluftvorstoß bis zu den Alpen
frei, womit nahezu das ganze Land mit T850 unter -10 Grad geflutet wäre. Auch
wenn diesbezüglich die Unsicherheiten noch groß sind, langweilig wird es beim
Wetter weder kurz- noch mittelfristig.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Dass Grenzwetterlagen (gerade im Winter) die Modelle vor große Probleme stellen,
ist nichts Neues. Dafür muss anders als am gestrigen Tag allerdings festhalten,
dass das IFS einen zufriedenstellenden Job macht. Ok, die Rolle rückwärts ist
zwar am onnerstag erfolgt, der nun doch größtenteils antizyklonal und damit
vielfach trocken verlaufen sollte, aber die grobe Richtung stimmt jedenfalls.

Zünglein an der Waage ist nun nicht mehr die Lage der Luftmassengrenze im Norden
und der Abtropfvorgang (als wenn das nicht schon genug wäre), sondern vielmehr
auch das "Nachtropfen". So kündigt sich in den jüngsten 2 Läufen zum Sonntag der
südwärtige Vorstoß eines weiteren Höhentiefs vom Nordmeer über die Britischen
Inseln an. Bleibt es über Schottland liegen - wie im gestrigen 0z Lauf (keine
südwärtige KLA simuliert), so bleibt die Lage der nördlichen LMG relativ stabil.
Rutscht es aber in den vorgebetteten Trog südwärts, so steigen die Chancen, dass
die Kaltluft auf dessen Rückseite in einem weiten Bogen auch in den Süden
Deutschlands gelangt. Davon hängt letztendlich auch ab, wie stark sich das Tief
über Frankreich entwickeln kann und wo/ob die Randtiefentwicklung ostwärts
ablaufen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Ob der komplexen Lage ist es umso erstaunlicher, als dass die gängigen
Globalmodelle in den synoptischen Basisfeldern bis zum Wochenende in etwa auf
einer Linie liegen. Wohlgemerkt sind hier subskalige Prozesse, was
Niederschlagsintensität und -phase an der nördlichen LMG betrifft, bewusst
ausgeklammert.

Die flache Warmfrontwelle über der Nordsee am Freitag bügelt ICON weg und betont
dafür stärker den antizyklonalen Einfluss des Skandinavienhochs.

IFS betont sehr lange noch das Tief über Irland, das bei den anderen
Globalmodellen im Zuge der Zyklogenese über Spanien und später Südfrankreich
rasch dissipiert. Behielte IFS Recht wäre jedoch die einzige Konsequenz, dass
der Wind am Wochenende in der Mitte langsamer in die Gänge kommen würde und
Wind-/Sturmböen sehr lange auf den Nordosten beschränkt blieben.

GEM zeigt die Randtiefs auch zu Beginn der kommenden Woche eher über der Mitte
Deutschlands. Dadurch würde im Süden gerade mal noch ein Schwall der erwärmten
Polarluft einfließen mit T850 um -5 Grad, was bei guter Durchmischung für die
tiefen Lagen nicht für eine Winterrückkehr ausreichen würde.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen der Temperatur gehen im bundesweiten Schnitt ab Freitag deutlich
auseinander und erreichen dann Spreads von 15-20 K! Zum Wochenwechsel zeichnet
sich eine leichte Mehrheit im EPS zur kalten Seite mit T850 von -10 oder
darunter ab, die vom HL/CL gefolgt wird. Im Geopotential allerdings und
teilweise auch in der Meteogrammeinzeldarstellung der 2m Temperatur muss man von
einem Hauptlauf am unteren Ende der Verteilung sprechen. Dazu finden sich auch
immer wieder diffuse Niederschlagssignale, die erst im Übergang zur erweiterten
Mittelfrist allmählich abebben.

Die 5 gebildeten Cluster unterstützen in der Mehrheit die Lösung der meisten
Globalmodelle. Cluster 2 (10 von 51 Membern) erinnert noch an den gestrigen 0z
IFS Lauf, bei dem das Frankreichtief nicht so recht in Gang kommen will und das
Tief über den Britischen Inseln die Oberhand behält, der Gradient über
Deutschland damit noch vergleichsweise flach bleibt und die Kaltluft auf den
Nordosten beschränkt. Cluster 4 (9 Member) schiebt zum Montag rasch einen
Nordmeerhochkeil nach Deutschland. Die Kaltluft flöße demnach bis in den Süden
und geriete anschließend rasch unter Absinken. In den übrigen Clustern (32
Member) und damit bei knapp 2 Dritteln bildet sich das erhöhte Potential für
markante Schneefälle samt Verwehungen über Teilen der Mitte und des Nordens ab.


Bei der Mehrheit der Cluster in der erweiterten Mittelfrist bleiben die
Vorzeichen auf Winterwetter bei einer östlichen Strömung. Allenfalls in den
äußersten Süden und Südwesten könnte rasch wieder mildere Luft einfließen.

FAZIT:

Über Skandinavien, dem Baltikum und Westrussland etabliert sich ein massiver
Kaltluftkörper, dessen Ausläufer abgemildert in den Nordosten Deutschlands
hereinreichen. Die Vereisung der Ostsee sollte ebenfalls Fortschritte machen
(wie die Vegetation im Südwesten Deutschlands im Übrigen auch). Der Polarwirbel
schaut recht gesund aus, ist aber stark nach Süden verschoben. Ein Abebben der
atlantischen Tiefdruckaktivität ist daher auf Sicht nicht zu erwarten. Insofern
ist Frontenfriedhof über Deutschland und die Fortsetzung der LMG Lage bis weit
in den Februar hinein das wahrscheinlichste Szenario. Es verdichten sich jedoch
die Anzeichen, dass zum Start in die neue Woche vorübergehend mal das ganze Land
auf die kalte Seite rutscht, begleitet von teils länger anhaltenden
Schneefällen. Allen voran im Norden und Osten Deutschlands stehen die Zeichen
klar auf Winter.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


SCHNEE/VERWEHUNGEN:

Für das kommende Wochenende sind die Unsicherheiten noch zu groß, so dass beim
EWI und in den sonstigen probabilistischen Verfahren noch keine Signale für ein
markantes Schneefallereignis auftauchen.

STURM:

COSMO-Leps zeigt ausgangs der Nacht zum Donnerstag noch Signale (30-50%) für
Sturmböen in Thüringen und Sachsen sowie generell in den Hochlagen der
Mittelgebirge. Auch für Samstag lassen sich an der Küste bereits deutlich
Signale bis 50% für Sturmböen finden.

GLATTEIS:

Im Übergangsbereich der Luftmassengrenze (LMG) ist zeit- und gebietsweise
gefrierender Regen nicht ausgeschlossen - insbesondere in den Nachtstunden.
Überbordende Signale hierfür lassen sich aber (noch) nicht in der Modellwelt
finden. Zum Großteil wird der Wechsel wohl erneut bei 0 Grad und Schneefall zu
leicht positiven Temperaturen und Regen stattfinden, da die Schichtung im
Bereich der LMG hochreichend gesättigt ist.

STRENGER FROST:

Sobald es über Schnee im Nordosten einmal aufklart, sind Temperaturen unter -10
Grad nicht weit. Im EWI sieht man sehr schön den Motor der Zyklogenese über
Spanien und Frankreich mit umfangreichen positiven Temperaturanomalien über dem
nahezu gesamten Mittelmeerraum und unterdurchschnittlichen Temperaturen über
Norwegen und der nördlichen Nordsee, die sich zu den Britischen Inseln
ausweitet.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GFS, GFS-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen