DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-01-2021 17:01
SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 31.01.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Neuerliche Milderung von Südwesten, beim Übergang von Schnee zu Regen Glatteis.
Ab Dienstag Grenzwetterlage: Neuschnee und Glatteis im Norden, sonst sehr mild
mit Tauwetter im Schwarzwald und Allgäu. In Kammlagen zeitweise stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... reicht ein mit reichlich Kaltluft angefüllter Höhentiefkomplex vom
Nordmeer über Skandinavien bis Nordwestrussland und ein umfangreicher, sich
aufgrund eines Kaltluftausbruchs von Neufundland her zunehmend amplifizierender
Höhentrog liegt über dem Nordatlantik. Dazwischen wölbt sich zwar großräumig
betrachtet ein breit angelegter Rücken auf, der aber von einem Kurzwellentrog
überlaufen wird. Dieser schwenkt in der nordwestlichen Höhenströmung im Laufe
der kommenden Nacht bis nach Westdeutschland und weitet sich zugleich bis in den
zentralen Mittelmeerraum aus. Dadurch bildet sich nach Interaktion mit dem über
der Adria befindlichen Cut-Off de facto ein vom Höhentiefkomplex ausgehend bis
nach Nordafrika reichender Trog aus. Vorderseitig der Kurzwelle fällt der
Luftdruck über Westeuropa, infolgedessen sich ein kleines Tief über
Nordfrankreich bildet.
Vorderseitig wird die schwächelnde Luftmassengrenze über dem äußersten Südwesten
Deutschlands durch WLA, später PVA wieder regeneriert und langsam wieder
nordostwärts geführt. Die 0 Grad Isotherme greift bis zum
Morgen etwa bis zu den mittleren Landesteilen aus. Auch die bereits im Südwesten
und Westen aufgekommenen leichten Niederschläge weiten sich in der Nacht bis zur
Mitte aus. An der Nordostflanke fällt etwas Schnee mit bevorzugt im zentralen
Mittelgebirgsraum geringfügigen Neuschneemengen. Ansonsten dominiert zunehmend
die flüssige Phase. Im Südwesten sowie am Niederrhein ist dies bei leicht
positiven Temperaturen unkritisch, ansonsten besteht vor allem in geschützten
Lagen des Berglandes vorübergehend Glatteisgefahr. Aufgrund er geringen
Niederschlagsmengen und der nicht allzu kalten Vorgeschichte in den betroffenen
Regionen stehen wahrscheinlich nur markante Warnungen an.
Im Norden und Osten verläuft der Abend und die Nacht ruhig. Zwar greifen
WLA-bedingt hohe Wolkenfelder von Südwesten her über, es dürfte bei
windschwachen Bedingungen dennoch wieder kräftig auskühlen. Über Schnee muss wie
schon in der Vornacht gebietsweise mit strengem Nachfrost bis knapp unter -15
Grad gerechnet werden. Auch sonst tritt fast überall zumindest mäßiger Frost
auf. Aufgrund der trockenen Luftmasse spielen sowohl Nebel als Reifglätte nur
eine untergeordnete Rolle.



Montag ... schwenkt der Kurzwellentrog langsam nach Ostdeutschland. Das
korrespondierende Randtief erreicht die nördliche Mitte. Während nördlich und
östlich des Tiefs östliche Winde vorherrschen und kalte Luft wetterbestimmend
bleibt, setzt sich südlich und westlich mit westlichen Windes eine weitere
Milderung durch. Die 0-Grad-Isotherme auf 850 hPa verläuft quer über der Mitte.
Im Norden bleiben die Temperaturen auf 850-hPa durchweg negativ, im Süden
steigen sie auf +1 bis +3 Grad. Entsprechend werden im Norden und Osten
Höchstwerte nur um 0 Grad erreicht, teils herrscht Dauerfrost, nach Süden und
Westen wird es mit zunehmend guter Durchmischung rasch milder, am Oberrhein wird
die 10-Grad-Marke knapp erreicht.
Im Küstenumfeld und nach Nordosten steht in trockener Luft ein teils
freundlicher Tag ins Haus, ansonsten sorgt die WLA- und PVA-bedingte Hebung für
dichte Bewölkung und verbreitete, wenn gleich auch meist nur schwache
Niederschläge. Lediglich in den Staulagen des Schwarzwaldes fällt der
Niederschlag ergiebiger und länger anhaltender aus, vor allem ICON und Euro4
simulieren markante Mengen zwischen 30 bis 40 l/qm in 24 h, im Allgäu immerhin
noch bis knapp 30 l/qm bis Dienstagfrüh. Unterhalb 1200 m ist das dort durchweg
Regen, sodass das Tauwetter im Bereich des noch schneebedeckten
Hochschwarzwaldes und Oberallgäus wieder Fahrt aufnimmt.
An der Nordflanke des Tiefs dominiert dagegen die feste Phase, wobei besonders
im südlichen Norddeutschen Tiefland wenige Zentimeter Neuschnee fallen können.
Auch im nördlichen, zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum ist anfangs teils
geringer Schnee möglich, der aber zunehmend in Regen übergeht und vor allem in
geschützten Lagen im Bergland bei anfangs noch leichtem Frost gefrieren kann. Am
größten ist die Glatteisgefahr vom Fichtelgebirge bis zum Vogtland, später im
gesamten ostbayerischen Bergland, wo auch Unwetter nicht ausgeschlossen werden
kann.
Das Tief kommt zwar alles andere als monumental daher, dennoch frischt der Wind
an der Südflanke etwas auf, sodass in Kammlagen des Schwarzwaldes und auf
Alpengipfeln Böen Bft 8 auftreten, die zwar nur bedingt warnwürdig sind, aber
das Tauwetter nochmal forcieren.

In der Nacht zum Dienstag zieht der Kurzwellentrog nebst Bodentief ostwärts ab.
Ein Randtrog des nordatlantischen Höhentroges nähert sich derweil Großbritannien
und stützt auf seiner diffluenten Vorderseite ein Sturmtief mit etwa 970er
Kernisobare nordwestlich von Irland. Dazwischen konturiert sich die
westnordwestliche Höhenströmung über Deutschland vorübergehend neutral, nach
Südwesten zu gar leicht antizyklonal, sodass sich am Boden vorübergehend
leichter Hochdruckeinfluss durchsetzt. Rückseitig des abziehenden Tiefs kommt
die Kaltluft vorübergehend wieder etwas nach Süden voran. Da der Luftdruck durch
aufkommende WLA im Westen rasch wieder fällt, wird sie aber über der südlichen
Mitte aufgehalten und im Westen gar wieder rückläufig.
Die Niederschläge ziehen ostwärts ab bzw. lassen durch den schwachen
Hochdruckeinfluss nach. In der Kaltluft im Nordosten und Osten sowie im
östlichen Bergland fällt noch etwas Schnee, nennenswerte Neuschneemengen treten
allerdings nicht auf. Eventuell tritt in geschützten Tälern der östlichen
Mittelgebirge anfangs noch gefrierender Regen auf. Das Tauwetter im Schwarzwald
legt eine Pause ein und auch im Allgäu werden die Abflussmengen nicht zuletzt
auch wegen des wieder zunehmenden Schneeanteils in den Alpen gebremst. Oberhalb
von 1000-1200 m sind dort bis Dienstagfrüh rund 5, in hochgelegenen Staulagen um
10 cm Neuschnee möglich.
Im Westen verdichten sich die Wolken mit aufkommender WLA, die Niederschläge
erreichen Deutschland wahrscheinlich aber noch nicht.
Der Wind bleibt in Kammlagen des Schwarzwaldes und in den Alpen lebhaft mit Böen
Bft 8-9.
In der Südwesthälfte bleibt es frostfrei, auch in der Nordosthälfte entschärfen
sich bei oft bewölktem Himmel die Nachtfröste zumindest etwas. Gebietsweise muss
aber mit mäßigem, im am ehesten gering bewölkten Norden (Schleswig-Holstein)
eventuell nochmal mit strengem Frost gerechnet werden.



Dienstag ... weitet sich der nordatlantische Höhentrog südwärts aus, der o. e.
Kurzwellentrog bleibt, blockiert durch ein Höhenhoch bei Island, mitsamt
Bodentief westlich Irland quasi stationär. Stromab dreht die etwas an Fahrt
gewinnende, durch kurzwellige Anteile teils zyklonal konturierte Höhenströmung
dadurch mehr auf Westsüdwest. Kräftige WLA lässt den Luftdruck weiter fallen,
sodass sich, ausgehend vom Tief bei Irland, eine Rinne bis nach Deutschland
ausbilden kann. Sie verlagert sich von der Mitte zögerlich nach Norden und
schiebt die Luftmassengrenze vor sich her. Bis zum Abend liegt die
0-Grad-Isotherme auf 850 hPa schon etwa auf einer Linie Emsland-Oberlausitz,
wobei die Modelle dahingehend noch etwas (50-100 km) differieren. Die
Temperaturgegensätze nehmen dabei zu, die Range bei T850 reicht von -7 oder -8
Grad über Schleswig-Holstein bis +6 oder +7 Grad ganz im Süden.
WLA und PVA und nicht zuletzt auch zunehmende Baroklinität sorgen für kräftige
Hebung und entsprechend auch kräftige, rasch nordostwärts ausgreifende
Niederschläge. Später nehmen sie im Westen und Südwesten mit einfließen etwas
labilerer Luft eher schauerartigen Charakter an. Wo die Schwerpunkte liegen,
lässt sich aufgrund der Modellunterschiede noch nicht abschließen klären,
gebietsweise dürften aber 5 bis 10 l/qm, strichweise und in Staulagen auch bis
15 l/qm auf dem Programm stehen. Trocken bleibt es allenfalls im
Ostseeküstenumfeld.
Am Nordrand der Niederschlagsaktivitätszone (unter gebührender Berücksichtigung
der Unsicherheiten etwa ein Sektor von Niedersachsen und Schleswig-Holstein bis
Brandenburg und Vorpommern) fällt Schnee. Neuschnemengen bis 5 cm sind
wahrscheinlich, markante Neuschneemengen von mehr als 10 cm durchaus nicht
auszuschließen. Der Schneefallzone schließt sich ein schmaler Streifen an (der
Bereich, wo die Kaltluft bodennah südlicher ausgreift als die 0-Grad-Isotherme),
wo wieder gefrierender Regen auftritt. Unwetter durch überregionales Glatteis
ist möglich, auch wenn es nicht die "klassische" Glatteislage ist.
Ansonsten bleibt es selbstverständlich bei Regen, der an sich zwar (noch) nicht
warnwürdig ist, aber für die schneebedeckten Gebiete insbesondere des
Schwarzwaldes und Alpenrandes eine wahrscheinlich mehrtägige Tauwetterperiode
einläutet. Die Niederschlagsentwicklung mag zwar unsicher sein,
Unwetterwarnungen muss man - Stand jetzt - zumindest für Hochschwarzwald und
Oberallgäu ins Kalkül ziehen.
Auch Wind ist erneut ein Thema. Sowohl an der Südflanke der Rinne mit Wind- und
Sturmböen im höheren Bergland, auf den Schwarzwald- und Alpengipfeln auch
schwere Sturmböen aus Südwest, als auch an der Nordflanke mit starken bis
stürmischen Böen an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste und an der Nordsee
aus Ost bis Südost.
Die Zone mit Temperaturen um oder knapp unter dem Gefrierpunkt verschiebt sich
mit der Luftmassengrenze in den Norden, ansonsten stehen milde, im Süden und
Südwesten gar außergewöhnlich milde Höchsttemperaturen an. Am südlichen
Oberrhein sind nahe 15 Grad möglich.

In der Nacht zum Mittwoch wird ein etwas markanterer Kurzwellentrog in der
westsüdwestlichen Höhenströmung nach Deutschland geführt. Die Rinne nebst
vorgelagerter Luftmassengrenze werden dadurch noch ein kleines Stück nach Norden
gedrückt, wahrscheinlich liegen nur noch der äußerste Norden und Nordosten (S-H,
HH, M-V) bodennah in Kaltluft (ICON), ansonsten verstärkt sich die WLA sogar
nochmal etwas.
Im Norden fällt entlang der LMG länger anhaltender Niederschlag (vor allem GFS
und IFS strichweise um 10 mm), mit bekannter Phasenverteilung: auf der kalten
Seite als Schnee mit erhöhtem Risiko für markante Neuschneemengen, auf der
warmen Seite Regen, im Übergang mit schmalen "Glatteisstreifen". Es muss an
dieser Stelle aber betont werden, dass die Lage der LMG weiter unsicher bleibt
(Versatz um 50-100 km nach Norden und Süden sind in jedem Fall möglich).
Ansonsten nehmen die Niederschläge zunehmend schauerartigen Charakter an.
Eventuell labilisiert der neuer KWT die Luftmasse sogar soweit, dass
insbesondere im Westen sogar ein einzelnes Gewitter auftreten könnte.
Im Schwarzwald und an den Alpen setzt sich das Tauwetter fort mit weiter
ansteigender Nullgradgrenze.
An der Südflanke bleibt der Wind lebhaft, vor allem im Süden und Westen mit
Windböen im Bergland, (schwere) Sturmböen in Kammlagen. IFS simuliert Windböen
mit etwas schärferem Gradienten auch im westdeutschen Tiefland.
Nachtfrost beschränkt sich auf den Norden.



Mittwoch ... steilt die Höhenströmung über Mitteleuropa vorderseitig des sich
weiter nach Süden ausweitenden, positiv geneigten Trog über dem Nordatlantik und
Nordwesteuropa noch etwas auf. Nach IFS und GFS soll im Verlauf ein markanter
Randtrog auf Westeuropa, später auch auf Westdeutschland übergreifen, der am
Boden ein kleines, aber recht intensives Tief stützt (IFS sieht es am Abend mit
Kern über dem Ärmelkanal, GFS vor der niederländischen Küste). Bei ICON sind nur
flache Kurzwellen in der Höhenströmung auszumachen.
Nach ICON wäre die LMG quasi stationär über dem Norden mit markanten
Schneefällen vor allem über S-H sowie Glatteis bis in den Unwetterbereich im
Übergangsbereich, nach IFS und GFS würde die LMG nach Norden abgedrängt werden,
sodass auch im Norden eher der Regen überwiegen würde.
In den übrigen Regionen würde es nach allen Modellen zu zeitweiligen,
schauerartigen Regenfällen (vereinzelt auch Gewittern) kommen, wenngleich
natürlich mit unterschiedlichen Schwerpunkten. ICON beton den Norden und
Nordwesten sowie die gesamte Südhälfte mit verbreitet 10-25 mm in 12 h, im
Schwarzwald auch mehr, GFS und IFS eher den Westen und Südwesten mit etwas
geringeren Mengen. So oder so, in Staulagen der Mittelgebirge ist Dauerregen
nicht auszuschließen. Noch wichtiger aber: Mit den Niederschlägen steht und
fällt auch die Intensität des Tauwetters im Schwarzwald und in den Alpen.
Solange nicht sicher ist, was ab Mittwoch wirklich passiert, lässt sich schwer
sagen, ob es für eine Unwetterwarnung reicht.
Unsicher ist auch die Windentwicklung im Süden und in der Mitte. Gemäß IFS und
GFS müsste man Böen Bft 7-8 auch für das Tiefland auf die Agenda schreiben,
gemäß ICON beschränken sich warnwürdige Böen eher auf das Bergland (Bft 8-9,
exponiert 10). Recht sicher sind Böen Bft 7-8 aus Ost entlang exponierter
Küstenabschnitte.
Bemerkenswert dürften derweil die Höchsttemperaturen sein: +15 oder +16 Grad am
Oberrhein! Auch sonst ist es verbreitet sehr mild, nur im Norden bleibt es bei
einstelligen Höchstwerten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Großräumig betrachtet sehen die Simulationen der vorliegenden Modelle recht
ähnlich aus.

Die Unsicherheiten bezüglich der exakte Lage der Luftmassengrenze ab Dienstag im
Norden sowie die divergierenden Berechnungen bezüglich Wind und Niederschlag am
Mittwoch in der Südwesthälfte wurden im Text erwähnt.

Entsprechend sind Warnungen vor etwaigen markanten Neuschneemengen sowie
markantem bis unwetterartigem Glatteis nur relativ zeitnah herauszugeben.

Vor allem die Niederschlagsentwicklung im Süden sollte in den Folgeläufen
genauer verfolgt werden, denn mit ihr steht und fällt die Ausprägung des
Tauwetters im Schwarzwald und Allgäu (markant oder Unwetter?). Nicht zuletzt
deswegen hat man sich im Schwarzwald zunächst für eine kurze Laufzeit der
Tauwetter-Warnung entschieden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser