DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

31-01-2021 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 31.01.2021 um 10.30 UTC



Weiterhin Grenzwetterlage mit winterlichem Nordosten und mildem Südwesten
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 07.02.2021


Am kommenden Mittwoch, dem Übergang zur Mittelfrist, befindet sich Deutschland
zwischen dem Höhentiefkomplex über Skandinavien und einem Rücken über dem
zentralen Mittelmeer in einer westlichen Höhenströmung. Ein weiteres Höhentief
lagert mit positiver Achsenneigung bei den Azoren. Auf dessen Vorderseite läuft
ein Kurzwellentrog in den Englischen Kanal hinein, der starke Diffluenz über dem
linken Ausgang des Jetstreaks mit über 150 kt aufweist. Kurz und gut: günstige
Voraussetzungen, um ein Bodentief zu generieren, das am Abend etwa südlich des
Großraums London zu verorten ist. Limitierend wirken allerdings die thermischen
Gegensätze. So wird das im Tagesverlauf von Südwesten übergreifende
Frontensystem über Deutschland rasch okkludieren, aber selbst präfrontal fällt
bei T850 um 0 Grad bis in die Kammlagen Regen. Entlang der Donau liegt im noch
flach aufgespannten Warmsektor gar die +5 Grad Isotherme "herum". Mit
Frontpassage sind im Südwesten Windböen, exponiert auch Sturmböen zu erwarten.

Ausgehend vom angesprochen Bodentief erstreckt sich zudem noch die aus den
Vortagen bekannte Tiefdruckrinne über Norddeutschland hinweg ostwärts bis nach
Belarus. An dessen Nordflanke strömt mit östlichen Bodenwinden erst die wirklich
winterlich geprägte polare Luftmasse aus dem Bodenhoch über Skandinavien aus mit
T850 unter -5 Grad. Stand heute ist an der nördlichen Luftmassengrenze die
Wetteraktivität aber limitiert, da eine Welle bis zum Mittag über Vorpommern
rasch nach Polen abläuft und nachfolgend leichtes Absinken in der Höhe die
bodennahe Konvergenz überlagert. Nichtsdestotrotz muss man von Schleswig bis
nach Vorpommern länger anhaltende Schneefälle auf der Rechnung haben, die vor
allem mit Wellenpassage über Vorpommern Neuschneemengen bis in den markanten
Bereich (> 5cm binnen 6 Stunden) produzieren können. Auf Rügen und eventuell
auch an Flensburger und Kieler Förde drohen bei frischem bis starken Ostwind
Schneeverwehungen. Die bereits vorhandene Schneedecke und teils strengen
Nachtfröste in der Kurzfrist sind da sicherlich hilfreich, dass der Schnee kaum
wegtaut und die Welle eventuell doch etwas südlicher ansetzen lässt. Hamburg und
Berlin müssen sich wahrscheinlich aber von der festen Niederschlagsphase wohl
(vorerst) verabschieden.

Die Temperaturen liegen im Schneefall bei 0 Grad, südlich angrenzenden davon
rasch bei 5 bis 10 Grad, in der Südhälfte bei sehr milden 10 bis 15 Grad. Auch
wenn die Regensummen im Süden mit hoher Wahrscheinlichkeit unterhalb der
Warnschwellen bleiben, so setzt sich dennoch das Tauwetter fort und verbreitet
fallen um 10 l/qm, im Schwarzwald 20 bis 30 l/qm binnen 24 Stunden.

Am Donnerstag wird der Kurzwellentrog in der westlichen Höhenströmung rasch
ostwärts gesteuert und liegt bis zum Mittag bereits über Ostpolen. Von Westen
folgt ein flacher Rücken nach, der ein Zwischenhoch über Frankreich induziert.
Übrig bleibt eine Tiefdruckrinne, die laut neuestem IFS Lauf in etwa von der
Neiße bis zum Harz reicht. Damit gewinnt die Kaltluft an der Nordflanke der
Rinne wieder etwas Raum nach Süden und die Niederschläge gehen von Hannover bis
Berlin wieder zunehmend in Schnee über. Entlang des Mains fällt noch etwas
Regen. Im Übergangsbereich ist vereinzelt Glatteis durch gefrierenden Regen
nicht ausgeschlossen. Im Süden Deutschlands zeigt sich unterdessen zeitweise die
Sonne und das anhaltende Tauwetter nebst Hochwasser wird nicht mehr zusätzlich
durch weitere Regenfälle befeuert. Allerdings nimmt mit Druckanstieg von
Südwesten an der Südflanke der Rinne der Gradient etwas zu, so dass zeitweise
Windböen, wenn's dumm läuft auch Sturmböen aus West bis in tiefe Lagen
auftreten. In den Gipfellagen der süddeutschen Mittelgebirge ist dies ohnehin
der Fall. An der Temperaturverteilung ändert sich wenig.

Am Freitag beruhigt sich das Wettergeschehen, indem sich die Achse des
Mittelmeerrückens ostwärts nach Deutschland verlagert. NVA-bedingt weitet mündet
der Druckanstieg über Deutschland (Verlagerung des Zwischenhochs über Frankreich
ostwärts) in der Konsequenz dahin, dass sich ausgehend von der Hochdruckzone
über Skandinavien ein Keil mit über 1025 hPa nach Polen ausweitet. Da
gleichzeitig der nachfolgende Druckfall einer flachen Frontalwelle über
Frankreich, die den Rücken überläuft ausbleibt, ergibt sich daraus keine
allgemeine Gradientverschärfung. Dennoch dreht der schwache Wind auch über der
Mitte und dem Süden vielfach auf östliche Richtungen, so dass es bodennah etwas
kälter wird, auch ohne die polare Kaltluft im Nordosten Deutschlands anzuzapfen.
So ziehen sich die zweistelligen Höchstwerte auf die (prall gefüllten)
Flussläufe von Rhein, Neckar und Mosel) zurück. Im Nordosten bleibt es tagsüber
bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Die Warmfront der Welle über Frankreich
erreicht zum Nachmittag die Gebiete zwischen Main und Donau, allerdings ohne
nennenswerte Regenfälle.

Am kommenden Wochenende tropft der einstige positiv geneigte Ostatlantiktrog
unter Verkürzung der Wellenlänge über Portugal und Marokko ab und das nördliche
Residuum schwenkt über die Britischen Inseln nach Mitteleuropa. Damit
wird(werden) die Luftmassengrenze(n) über Deutschland wieder aktiviert und es
kommt zur Wellenbildung. Auch wenn genaue Details (Lage der LMG, Intensität der
Wellen/Wetteraktivität) noch sehr unsicher sind, so kristallisiert sich dennoch
die etablierte Zweiteilung deutlich heraus. Während es grob gesagt östlich der
Elbe weiterhin winterlich kalt bleibt mit zeitweiligen Schneefällen, herrscht im
Rest des Landes eher mildes Winterwetter mit zeitweiligen Regenfällen. Ebenso
abzuwarten bleibt, ob ein Schwall maritimer Polarluft die Schneefallgrenze auch
in den westlichen Mittelgebirgen nicht mal wieder bis in mittlere Lagen drücken
kann. Eine erneute Verschärfung der Hochwassersituation im Südwesten durch
anhaltende Regenfälle ist vorstellbar und muss in den nächsten Tagen weiter
"gemonitort" werden.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Dass Grenzwetterlagen (gerade im Winter) die Modelle vor große Probleme stellen,
ist nichts Neues. Und so ist auch bei der Konsistenzbetrachtung des IFS
allenfalls ein befriedigend auszustellen. Es beginnt bereits am kommenden
Donnerstag, an dem die Rinne nach dem neusten Lauf noch weit von Polen nach
Deutschland hineinragt und es so noch längere Zeit zu Niederschlägen kommt. Der
12z Lauf hatte das Zwischenhoch schon um die Mittagszeit quer über Deutschland
simuliert. Ebenso variiert die Lage der Luftmassengrenze im Norden mal mehr, mal
weniger von Lauf zu Lauf.

Im Gegensatz zum gestrigen 0z Lauf wird nun der antizyklonale Einfluss am
Freitag stärker betont. Das bedeutet zum einen, dass die Warmfrontwelle, die
sich in den Süden schiebt, kaum wetterwirksam ist. Zum anderen ist die
Grundströmung statt S/SW nun eher auf östliche Richtungen gekippt, was
erheblichen Einfluss auf die 2m Temperaturen hat. Somit dürfte die milde Luft
weit in den Südwesten abgedrängt werden und im Nordosten könnte es auch knapp
dauerfrostig bleiben. Zur vorhandenen Schneedecke, die die Ausprägung der LMG
noch befeuert, gesellt sich zudem die im Detail noch unsichere Ausprägung des
durchschwenkenden Trogresiduums und der damit angefachten Wellenneubildungen.
Während der 12z Lauf für kommenden Samstag kurzzeitig landesweit mild mit
Südwestwind am Randes eines Sturmtiefs über der Nordsee bei T850 von -2 Grad
war, geht die Tendenz aktuell eher wieder zur südlichen Abspaltung einer Welle
mit beständigen Ostwinden über Nord- und Ostdeutschland. Eins steht fest:
langweilig wird es nicht.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Analog zur Konsistenzbetrachtung treten Modellunterschiede bereits zu Beginn der
Mittelfrist auf. So will ICON den Kurzwellentrog am Mittwoch deutlich schneller
und flacher durchlaufen lassen, was dazu führt, dass die Tiefdruckentwicklung
über dem Englischen Kanal, das in der Folge Wind- und Sturmböen an der Südflanke
über der Südhälfte Deutschlands produziert, vollkommen ausbleibt. Für den zu
erwartenden Schnee im äußersten Norden und Nordosten hätte das aber keine
Folgen. Für das kommende Wochenende sieht ICON Deutschland (analog zum 12z IFS
Lauf) vollständig auf der milden Seite, GFS bei strammem Ostwind eher auf der
kalten Seite (IFS Mittelding). Das kanadische GEM tendiert wie GFS ebenfalls zur
kalten Variante mit der -10 in 850 hPa über dem Nordosten und einer landesweit
mehrheitlichen Ostströmung. Insofern wird auch nach Durchsicht weiterer
Globalmodelle mehrheitlich eher der kalten Variante der Vorzug gegeben.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen der Temperatur streuen zunächst mittelmäßig, aber Freitag stark
mit einem Spread von 15-20 K! Gerade im Nordosten liegen Haupt- und Kontrolllauf
eher auf der warmen Seite - ohne jedoch Ausreißer zu sein. Die Mehrheit der ENS
verbleibt eher bei -10 Grad oder kälter. Auch im Südwesten ist zum kommenden
Wochenende ein Abwärtstrend zu erkennen, der allerdings auch aus dem Einfließen
der maritimen Polarluft von Westen resultieren kann und nicht zwingend mit
Verschiebung der LMG aus Norden. Allerdings ist dort keine Bündelung der ENS zu
erkennen, weshalb die Entwicklung dort noch vollkommen offen ist.

Die Clusteranalyse verdeutlicht, dass die Hauptschwierigkeit im Abtropfprozess
verborgen liegt. Dem Hauptlauf wird eine rund 40%ige Zustimmung zugesprochen.
Einen milden Südwestdurchbruch bis in den Norden des Landes sieht keines der
Cluster.

Die erweiterte Mittelfrist tendiert in den Clustern zu einer hochdruckgeprägten
kalten Nordostlage mit verbliebener Tiefdruckaktivität im Grenzbereich zu
Frankreich und an den Alpen.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


SCHNEE/VERWEHUNGEN:
IFS-EPS zeigt immerhin 20% für mehr als 10 cm Neuschnee über Teilen
Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns am Mittwoch. Zusammen mit dem
vor allem in Küstennähe frischen bis starken Ostwind muss örtlich mit
Schneeverwehungen gerechnet werden.

STURM:
Die Anzeichen für stürmische Böen bis in tiefe Lagen im Süden Deutschlands am
kommenden Donnerstag, wie es der deterministische Lauf des IFS simuliert, sind
in der Probabilistik nur gering. COSMO-LEPS zeigt kaum einmal 10% hierfür.
Gleiches gilt für exponierte Küstenabschnitte. Für die Kammlagen der
Mittelgebirge sollte das aber eine sichere Nummer sein.

GLATTEIS:
Im Übergangsbereich der Luftmassengrenze (LMG) ist zeit- und gebietsweise
gefrierender Regen nicht ausgeschlossen - insbesondere in den Nachtstunden.
Überbordende Signale hierfür lassen sich aber (noch) nicht in der Modellwelt
finden. Zum Großteil wird der Wechsel wohl erneut bei 0 Grad und Schneefall zu
leicht positiven Temperaturen und Regen stattfinden, da die Schichtung im
Bereich der LMG hochreichend gesättigt ist.

STRENGER FROST:
Sobald es über Schnee im Nordosten einmal aufklart, sind Temperaturen unter -10
Grad nicht weit.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen