DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

30-01-2021 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 30.01.2021 um 10.30 UTC



Weiterhin Luftmassengrenze: Norden eher kalt mit Schnee, strichweise Glatteis,
Süden mild mit Regen, Wind/Sturm und Tauwetter. Dazwischen große Unsicherheit!
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 06.02.2021


Die Mittelfrist steht zunächst ganz im Zeichen einer dynamischen
Luftmassengrenze über Mitteleuropa. Ein sich zunehmend herauskristallisierendes
Vierdruckfeld (Tief Südwesteuropa/Nordwestrussland vs. Hoch
Nordostatlantik/Südosteuropa) forciert auf der einen Seite nochmal eine
Verschärfung der Temperaturgegensätze, auf der anderen Seite aber auch für eine
zunehmende Vorhersageunsicherheit. Atlantische Tiefs und Frontalwellen, die
entlang der Luftmassengrenze ostwärts gesteuert werden, sorgen indes für die
Aktivierung der Luftmassengrenze und somit bei uns für einen unbeständigen
Wettercharakter. Es erübrigt sich fast, zu erwähnen, dass damit wieder eine
breite Palette an Warnereignissen auf der Agenda stehen: Markante Schneefälle
auf der kalten Seite, viel Regen, Wind oder gar Sturm auf der warmen Seite sowie
etwaige, eher kleinräumige Glatteisereignisse im Übergangsbereich.

Am Dienstag liegt Deutschland zwischen einem zur mittleren Ostsee schwenkenden
Kurzwellentrog und einem sich Westeuropa nähernden Trogkomplex in einer
westlichen Höhenströmung. Nach Abzug des Kurzwellentroges schwenkt dabei ein
flacher Rücken herein. Die Luftmassengrenze kommt zwischen einem von
Norddeutschland zum Baltikum ziehenden Tief und einem Sturmtief westlich von
Irland vorübergehend vom Norden bis zur Mitte Deutschlands voran, wird dann aber
bereits wieder rückläufig. In den Norden und Nordosten kann sich in der
rückseitig des Tiefs einfließenden trockene Polarluft ein (T850 zwichen -2 und
-7 Grad) leichter Hochdruckeinfluss durchsetzen. Ansonsten fallen Niederschläge
mit durch aufkommende WLA zunehmender Intensität. In der Warmluft im Süden und
in der Mitte (T850 zwischen +2 und +5 Grad) fällt durchweg Regen. In Staulagen
der Mittelgebirge sind dabei Mengen zwischen 20 und 30 l/qm in 24h
wahrscheinlich. In Hochlagen setzt sich, auch unterstützt durch einen in Böen
stürmischen Westwind, das Tauwetter mit stellenweisen markanten Abflussmengen
(>30 l/qm) fort. Auf der kalten Seite der Luftmassengrenze fällt in den
nördlichen Mittelgebirgen sowie im Tiefland nördlich der Mittelgebirgsschwelle
Schnee. Im Übergangsbereich ist in einem schmalen streifen gefrierenden Regen
nicht ganz ausgeschlossen, vor allem in den Frühstunden und ab dem Abend. Das
Temperaturgefälle zwischen Südwesten (Tmax bis +12 Grad) und Nordosten (um 0
Grad) bleibt veritabel, strenge Nachtfröste treten wahrscheinlich aber nicht
mehr auf.

Am Mittwoch schwenkt der o. e. Rücken über Deutschland ostwärts, gefolgt von
einem aus dem westeuropäischen herauslaufenden Kurzwellentrog. Dieser stützt ein
Tief, das den Nordwesten Deutschlands erreicht. Mit der leicht aufsteilenden
Strömung wird die Luftmassengrenze wieder etwas nach Nordosten gedrückt. WLA und
später auch PVA stützen verbreitete Niederschläge. Trocken bleibt es allenfalls
in Teilen Vorpommerns. Im Norden und Nordosten überwiegt weiter die feste Phase,
wobei strichweise markante Neuschneemengen (>10 cm) zu erwarten sind. Über der
nördlichen Mitte ist beim Übergang von Schnee zu Regen erneut Glatteis möglich,
wobei eine unwetterartige Ausprägung nicht ausgeschlossen ist. Ansonsten ist es
natürlich weiterhin der Regen, der in Staulagen der Mittelgebirge knapp an die
Warnschwellen (30 l/qm in 24 h) herankommen könnte. In jedem Fall warnwürdig
bleibt das Tauwetter in Mittelgebirgshochlagen, sowie der Wind, der im höheren
Bergland, an der Südflanke des Tiefs eventuell auch in tiefen Lagen
vorübergehend Sturmstärke erreicht. Während es im Südwesten tendenziell noch
etwas wärmer wird (die 15-Grad-Marke wird wohl nur knapp verfehlt), ändert sich
im Norden und Nordosten bei Temperaturen um 0 Grad nur wenig.

Am Donnerstag schwenkt der Kurzwellentrog mitsamt Tief ostwärts. Ihm folgt ein
Rücken, der sich vorderseitig des stark positiv geneigten westeuropäischen
Troges aufwölbt. Die Luftmassengrenze bleibt zwischen dem abziehenden Tief und
dem Tief bei den Britischen Inseln quasi stationär über dem Norden und Nordosten
Deutschlands. NVA-bedingt setzt sich schwacher Zwischenhocheinfluss durch,
sodass die Niederschlagstätigkeit von Westen her nachlässt. Damit schwächt sich
auch das Tauwetter in den Mittelgebirgen vorübergehend ab. Nur im Osten sowie im
Umfeld der Luftmassengrenze im Norden und Nordosten ist noch mit nennenswerten,
wenn auch meist nur noch leichten Niederschlägen (mit dem "üblichen"
Phasenmischmasch: Schnee/Regen/Glatteis) zu rechnen. Am Temperaturniveau und
-gefälle ändert sich nur wenig.

Am Freitag tropft der Westeuropatrog vor Portugal und Marokko ab, das Residuum
schwenkt zu den Britischen Inseln. Davor bleibt Deutschland unter einer leicht
antizyklonal konturierten westsüdwestlichen Höhenströmung, durch die die
Luftmassengrenze zumindest nach IFS-Lesart vorübergehend auch aus dem Norden und
Nordosten verdrängt wird. Die frontalen Niederschläge, die den Norden zeitweise
erfassen, gehen folglich auch dort eher in Regen über, wobei beim Übergang
erneut zumindest örtliches Glatteis wahrscheinlich ist. Auch im Süden regnet es
WLA-bedingt wieder häufiger, sodass das Tauwetter in Hochlagen wieder "Fahrt"
aufnimmt.

Nachfolgend wird die Prognose zunehmend unsicher, da Deutschland direkt unter
den Sattelpunkt des eingangs angesprochenen Vierdruckfeldes kommt. Konkrete
Aussagen scheinen so nicht mehr zielführend. Vorderseitig eines sich zunehmend
aufplusternden Rückens oder Höhenhochs über Nordwesteuropa deutet sich
allerdings ein markanter Trog- und Kaltluftvorstoß an. Ob die Schussrichtung von
Skandinavien in zentrale oder eher ins östliche Mitteleuropa erfolgt ist völlig
unklar. In jedem Fall macht sich die Luftmassengrenze auf, wieder Boden nach
Süden gut zu machen und das Tauwetter dort zu beenden. Da sie zu Wellenbildung
neigt, sind strichweise markante Schneefallereignisse ins Kalkül zu ziehen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zu Beginn der Mittelfrist (Dienstag bis Donnerstag) sind die IFS-Berechnungen
einigermaßen konsistent. Tendenziell wird die Luftmassengrenze in den beiden
neusten Simulationen durch die atlantischen Tiefs etwas schneller und etwas
weiter nach Norden verdrängt. Wesentliche Prognoseunterschiede ergeben sich für
Deutschland aber noch nicht.
Das ändert sich dann aber im weiteren Verlauf. Im gestrigen IFS00Z-Lauf sollte
sich die Luftmassengrenze bis zum Wochenende in die Südhälfte verlagern und dort
für ergiebige Regen- und Schneefälle sorgen. Im IFS12Z-Lauf sollte Deutschland
sogar komplett von Kaltluft geflutet werden und sich vorübergehend
Zwischenhocheinfluss einstellen. Im neusten IFS00Z-Lauf sind die atlantischen
Tief dominanter, sodass die zonal orientierte Luftmassengrenze bis zum Samstag
weiterhin über dem äußersten Norden bzw. der Nord- und Ostsee gehalten wird.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Alle vorliegenden Globalmodelle haben die Luftmassengrenze im Programm. Dabei
zeigen sich bis einschließlich Donnerstag erfreulich geringe Unterschiede. In
allen Modellen liegt sie irgendwo über dem Norden und Nordosten Deutschlands mit
leichten Variationen in Lage und Orientierung.
Ab Freitag divergieren die Berechnungen. ICON (00Z) simuliert den Vorstoß der
Kaltluft bis in den Süden Deutschland, was der IFS-Berechnung von gestern 12Z am
nächsten kommt. Bei GFS (00Z) legt sich die Luftmassengrenze am Wochenende quasi
stationär uns sehr aktiv mit ergiebigen Regen- und Schneefällen über die Mitte,
was sehr an die gestrige IFS00Z-Lösung erinnert.
In der erweiterten Mittelfrist simuliert GFS einen markanten Trogvorstoß ins
östliche Mitteleuropa, wobei Deutschland in eine stramme Nordströmung in den
Zustrom sehr kalter Arktikluft kommen würde. Bei IFS00Z erfolgt der Trogvorstoß
abgeschwächt und östlicher.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


In den Rauchfahnen des IFS-EPS spiegeln sich die Unsicherheiten ab Do/Fr
deutlich wieder. Tatsächlich simuliert die Mehrheit der EPS-Member einen
Kaltluftvorstoß zumindest für die Nordhälfte schon ab Donnerstag/Freitag (T850
von knapp unter 0 Grad auf -9 bis -12 Grad sinkend). Der deterministische Lauf
ist am obersten Rand der Range zu finden. In der Südhälfte verlaufen die
Rauchfahnen für T850 gebündelter. Nur wenige Member rechnen mit einem
Kaltluftvorstoß schon zum Freitag, die Mehrheit (inkl. det. Lauf) erst am
Samstag/Sonntag.
Ab Sonntag nimmt der Spread landesweit zu (bei T850 bis zu 20 K!), sodass kaum
mehr haltbare Aussagen möglich sind. Während der det. Lauf in der Nordhälfte den
verzögerten Kaltluftvorstoß vollzieht, sehen anderen Member schon wieder eine
Erwärmung. In der Südhälfte findet sich tendenziell eine kleine Mehrheit für
eine rasche neuerliche Erwärmung nach noch kurzem, sehr abgeschwächtem
Kaltluftvorstoß.

FAZIT: Entgegen des deterministischen IFS-Laufes ist ein Verschieben der
Luftmassengrenze zur Mitte schon ab Donnerstag das wahrscheinlichere Szenario.
Das IFS-EPS folgt also eher der Berechnung von GFS in seinem 00Z-Lauf. Folglich
würde man den Übergang von Regen zu mitunter markanten Schneefällen und Glatteis
eher über der Mitte als dem Norden erwarten. Im Süden scheint die Fortsetzung
des Tauwetters dagegen relativ wahrscheinlich.
Ab Sonntag wird die Wetterentwicklung zunehmend diffus. Dass es auch im Süden
vorübergehend mal kälter wird und das Tauwetter eine Pause einlegt, scheint aber
zumindest im Bereich des Möglichen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


SCHNEE:
Am Dienstag in Staulagen der nördlichen/zentralen Mittelgebirge markante
Neuschneemengen nicht ausgeschlossen.
Zwischen Mittwoch und Donnerstag im Norden und Nordosten markante
Neuschneemengen strichweise wahrscheinlich.
Ab Freitag Verschiebung des größten Potenzials für markante Neuschneemengen zur
Mitte.

DAUERREGEN/TAUWETTER:
Am Dienstag und Mittwoch in Staulagen der Mittelgebirge (vor allem Schwarzwald
und Bayerwald) sowie am Alpenrand (vor allem Allgäu) markanter Dauerregen bzw.
markantes Niederschlagsdargebot zwischen 30 und 50 l/qm je 24 h wahrscheinlich.

Nach vorübergehender Abschwächung am Freitag wieder verstärkende
Niederschlagstätigkeit und Tauwetter.

GLATTEIS:
Am Dienstag vor allem über der nördlichen Mitte, am Mittwoch und Donnerstag eher
im Norden und Nordosten bei Übergang von Schnee zu Regen Glatteis
wahrscheinlich, Unwetter vor allem am Mittwoch nicht ausgeschlossen.

STURM:
Von Dienstag bis Donnerstag in Hochlagen des süddeutschen Berglandes zeitweise
Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen wahrscheinlich. Am Mittwoch und
Donnerstag in tiefen Lagen in der Südhälfte vorübergehend stürmische Böen nicht
ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GFS det. (siehe ENS-Betrachtung), EZ-MOS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser