DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

29-01-2021 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.01.2021 um 10.30 UTC



Nordhälfte eher kalt mit kurzen Unterbrechungen, mehr Niederschläge in der
Südhälfte und dort deutlich milder. An der Luftmassengrenze Potenzial sowohl für
Schneezuwachs als auch für gefrierenden Regen. Um die Wochenmitte Dauerregen im
Süden/ Südwesten.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 05.02.2021


Über den gesamten und eventuell auch erweiterten Mittelfristzeitraum verbleibt
Mitteleuropa im Bereich einer dynamischen Luftmassengrenze, in die atlantische
Tiefdruckgebiete bzw. Wellentiefs eingebettet sind, die diesen baroklinen
Bereich deformieren. Die Frontalzone ist besonders über Europa teils deutlich
nach Süden verschoben, wohingegen letztere über dem Nordatlantik relativ weit
nach Norden ragt. Dementsprechend belegt die gemischte Geopotenzialverteilung
über dem europäisch-atlantischen Raum in der nächsten Woche den Trend zu NAO
neutral. Anders sieht es über dem arktischen Raum aus, dort überwiegt hohes
Geopotenzial und entsprechend ist AO negativ (ggf. aber ebenso mit der Tendenz
zu eher neutralen oder leicht negativen Verhältnissen).

Zum Thema rege Tiefdruckaktivität auf dem Nordatlantik soll nochmals auf die
Ausführungen in der Übersicht vom 12. Januar 2021 hingewiesen werden,
insbesondere der Bezug zur andauernden Kaltphase La Nina (und damit häufig hohem
Geopotenzial über dem Nordwestpazifik und so indirekte Belebung auch der
atlantischen Frontalzone bzw. des Jet-Streams in den mittleren, teils auch hohen
Breiten).

Der stratosphärische Polarwirbel (SPV) hingegen wird nach kurzer Erholung (zonal
gemittelter zonaler Wind in 60 Grad N und 10 hPa) Anfang Februar erneut deutlich
geschwächt (nahezu erneut Windumkehr auf östliche Winde in 10 hPa). Dafür könnte
ein anderer globaler Player, die Madden-Julian-Oszillation (MJO)
mitverantwortlich sein. Geht diese doch im Bereich Westpazifik in die Phase 6
bis 7 über. Damit wird der vertikale Wellenenergiefluss (durch verstärkte
Konvektion) in die Stratosphäre im Bereich Nordpazifik deutlich zunehmen und für
eine erneute Erwärmung in der mittleren und oberen Stratosphäre sorgen. Ein
dauerhaft angeschlagener SPV verstärkt das Potenzial für meridionales Ausfließen
arktischer Luftmassen auch im europäischen Bereich. So nimmt laut Übersicht des
IFS für Großwetterlagen (Weather regimes) so ab 06./07.02. die
Wahrscheinlichkeit einer Blocking-Lage (Skandinavien Blocking) deutlich zu. Die
Unsicherheiten bis dahin sind allerdings recht groß und der weiterhin aktive
Atlantik hält mächtig dagegen.

Synoptisch gesehen stellt sich in der nächsten Woche großskalig gesehen eher ein
Vierergeopotenzialfeld ein mit hohem Geopotenzial über der Arktis und im
zentralen Mittelmeerraum sowie tiefem Geopotenzial vom Atlantik bis nach
Nordosteuropa und über Grönland. Aufgrund der beteiligten verschiedenartigen
Luftmassen und deformativen Eigenschaften wirkt solch eine Konstellation immer
frontogenetisch, gerade im baroklinen Übergangsbereich der Luftmassen. Ein
solcher Bereich liegt mehr oder weniger quasistationär über Mitteleuropa. Gerade
stark deformative Felder (auch in der Höhe in 500...300 hPa) bereiten den Modellen
bei einem quasigeostrophischen Ansatz (also weitgehend ohne Berücksichtigung von
Vergenzen des (Höhen-)windes oder Deformationen des Druckfeldes) Probleme und
erhöhen die Modellunsicherheit zusätzlich.

Nun noch kurz konkret zur Mittelfrist, einschl. Trend für die erweiterte
Mittelfrist:

Am Montag zieht ein Kurzwellentrog (mit Bodentief) über Südskandinavien hinweg
ostwärts und drängt die Luftmassengrenze bis nahezu an die Alpen. Rückseitig
strömt maritime Polarluft (850 hPa Temperatur im Norden -6 bis -8 Grad) ein. Im
Südwesten wird die Kaltfront in der Nacht zum Dienstag teils wieder rückläufig.

Am Dienstag schwenkt ausgehend vom Tiefdruckkomplex westlich der Britischen
Inseln ein Randtrog mit zugehörigem Bodentrog und -tief nach Westeuropa und
drängt somit die Luftmassengrenze nordostwärts. Gleichzeitig zieht der
Kurzwellentrog von Südskandinavien in Richtung Baltikum. Dadurch steigen die
Temperaturen in 850 hPa bis Mittwochfrüh von Südwest nach Nordost auf +2 bis -4
Grad an.

Am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag bildet sich aus dem Randtrog ein
eigenständiger Kurzwellentrog, der nebst Bodentief über Norddeutschland hinweg
nach Polen zieht. Auf der Rückseite wird am Rande eines sich über dem
Ostatlantik allmählich konturierenden Höhenrückens und weiterhin tiefem
Geopotenzial über Nord- und Nordosteuropa erneut maritime Polarluft vor allem in
den Norden und Nordosten des Landes befördert. Dabei sinken dort die
Temperaturen in 850 hPa erneut auf Werte zwischen -6 und -9 Grad, wohingegen im
Süden die Werte etwa bei 0 bis +2 Grad liegen.

Am Donnerstag und Freitag verschärfen sich die Gegensätze am Boden und in der
Höhe (500 hPa). Nun erkennt man deutlich das deformative Geopotenzialfeld:
Trogvorderseitig eines Langwellentroges von den Britischen Inseln bis zu den
Pyrenäen wölbt sich ein veritabler Höhenrücken über dem zentralen Mittelmeerraum
auf. Dem steht tiefes Geopotenzial in Nord- und Nordosteuropa sowie hohes
Geopotenzial (Höhenrücken mit Schwerpunkt bei Island) gegenüber. Das verschärft
auch die Luftmassengrenze über Deutschland und führt zu massiven
Hebungsvorgängen (baroklinine Zone mit starken Vergenzen des Windes, am Boden
und in der Höhe), vor allem im Süden und Südwesten (ausgehend von Mittwoch bis
in den Donnerstag hinein). Die Temperaturgegensätze indes über Deutschland sind
recht beeindruckend - während in den Norden im Verlauf arktische Luftmassen über
Skandinavien herangeführt werden mit 850-hPa-Temperaturen zwischen -7 und -10
Grad, liegen diese Werte im Süden weiter bei 0 bis +3 Grad. Am Freitag kommt die
Kaltluft voraussichtlich etwa bis zur Mitte Deutschlands voran, könnte
allerdings aufgrund der beschriebenen Pattsituation der Druckgebilde auch
statisch stabil bleiben. Einzig der Höhenrücken über dem Ostatlantik sollte sich
laut ICON mehr in Richtung Nordmeer bewegen. Dabei wird die Zufuhr arktischer
Luftmassen in den Norden und Nordosten voraussichtlich noch verstärkt.

In der erweiterten Mittelfrist deutet erhöhtes Geopotenzial im Bereich
Ostatlantik/ Skandinavien auf eine Blockinglage hin, bei der arktische
Luftmassen aus Norden/ Nordosten zunächst antizyklonal, im Verlauf ggf. auch
zyklonal nach Mitteleuropa geführt werden. Die beschriebenen Unsicherheiten nach
Süden hin bleiben jedoch bestehen. Möglich ist so auch weiterhin eine
Zweiteilung beim Wetter in eine kalte Nordosthälfte und mildere Südwesthälfte.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der aktuelle Lauf des IFS weist bis etwa Wochenmitte eine relativ gute
Konsistenz in Bezug auf die Vorläufe auf. So wird einerseits weiterhin eine
dynamische Luftmassengrenze quer über Deutschland (zonal orientiert) gerechnet,
in der atlantische Tiefdruckgebiete eingebettet sind, die je nach Zugbahn die
Luftmassengrenze meridional variieren lassen. Nach Wochenmitte nehmen die
Unsicherheiten weiter zu, voraussichtlich bleibt aber die Zweiteilung beim
Wetter zwischen Nord- und Südhälfte bestehen, wobei zumindest der Norden
zunehmend in den Bereich eines Hochs über dem Nordmeer/ Skandinavien gelangen
könnte.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die großräumige synoptische Entwicklung wird von den drei Globalmodellen IFS,
GFS und ICON recht ähnlich gesehen, wobei ICON in der nächsten Woche (vor allem
nach Wochenmitte) eher bzw. schneller auf der kalten Seite liegt, wohingegen GFS
den Höhenrücken über dem westlichen Mittelmeer weiter nach Norden aufwölben
lässt (damit mildere Lösung). Auch diese Variante scheint aufgrund des Gesagten
weiter oben plausibel und damit nicht ausgeschlossen zu sein.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Cluster des IFS gehen so ab Mittwoch/Donnerstag (t+120...168h) stärker
auseinander. Diese beinhalten dann Teillösungen gemäß Deformation des
Vierergeopotenzialfeldes wie oben beschrieben. Das hohe Geopotenzial über dem
Ostatlantik zeigt sich dagegen in allen Clusterlösungen. Bei den Clustern von
Samstag bis Montag (t+192...240h) gibt es die angesprochenen Lösungen mit dem
antizyklonalen Blocking, mehr über Skandinavien (teils positiv geneigte
Achsneigung), andererseits auch Ansätze mit Grenzlage über Deutschland bis hin
zu zyklonal geprägtem Wetter.

In den Meteogrammen spiegelt sich diese Unsicherheit deutlich wieder:
Temperaturen in 850 hPa im Norden zunächst leicht ansteigend, nach
Wochenmitte/Ende der Woche mit deutlichem Trend nach unten, teils unter -10, im
Nordosten bis -15 Grad.
In der Mitte und im Süden zunächst Werte zwischen +2 (Stuttgart, München) und -3
Grad (Offenbach), in der zweiten Wochenhälfte/ zum Wochenende dann im Süden
zunächst teils über +5 Grad (München), in der Mitte dagegen allmählich sinkende
Temperatur auf Werte um -5 Grad. Am Wochenende dann generell auch im Süden teils
unter -5, in der Mitte sogar -8 bis -10 Grad.

Beim Niederschlag bleibt auch eher die Zweiteilung - in der Mitte und im Süden
beständige Niederschlagssignale, auch für kräftige Niederschläge
(Dienstag/Mittwoch), im Norden hingegen ein Peak der Niederschlagssignale um die
Wochenmitte, danach in Richtung Wochenende deutlich abnehmend.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Montag/ Nacht zum Dienstag vor allem im Süden teils gefrierender Regen mit
zumindest markanter Glättesituation. Im Norden in der Nacht zum Dienstag
strenger Frost nicht ausgeschlossen.

Am Dienstag und der Nacht zum Mittwoch im Süden stürmische Böen gering
wahrscheinlich, in Gipfellagen teils schwere Sturmböen. Im Schwarzwald und
Allgäu Erreichen der Kriterien für markanten Dauerregen (um 30 l/qm/24 h)
wahrscheinlich, im Bayerischen Wald gering wahrscheinlich.

Am Mittwoch im Schwarzwald und Allgäu weiterhin Signale für markanten
Dauerregen, ebenso stürmische Böen im Süden gering wahrscheinlich, auf den
Gipfeln orkanartige Böen. An der Nordsee stürmische Böen gering wahrscheinlich.
Vor allem im Bergland der Mitte 10 bis 15 cm Neuschnee möglich.

Am Donnerstag zunächst vor allem in der Mitte (bevorzugt Bergland) nochmals 10
cm Neuschnee, in der Nacht zum Freitag dann voraussichtlich auch im südlichen
Bergland 10 bis 20 cm Neuschnee gering wahrscheinlich. Vor allem in Gipfellagen
der Südhälfte weiter stürmisch.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GFS-EPS, MOSMIX, ICON
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz