DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-01-2021 19:01
SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.01.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sturm über West- und Norddeutschland.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Mitteleuropa im Einfluss eines breiten Rückens, der
sich von Griechenland über Polen bis nach Estland erstreckt. Im Laufe des Abends
bzw. in der Nacht zu Donnerstag wird der Rücken durch ein nach Osten
übergreifenden Trog über Groß Britannien in Richtung Belarus bzw. Ostrussland
abgedrängt. Eingelagert in den Trog befinden sich 2 Drehzentren, eins über der
nördlichen Nordsee und eins über Wales. Mit Kernisobaren um 975 hPa steht da ein
schöner Sturm vor unserer Haustür. Vorderseitig dieses hochreichendem
Tiefdruckkomplexes wird bei einer süd- bis südwestlichen Anströmung recht milde
Luftmassen nach Deutschland advehiert. In 850 hPa befinden sich die +4 bis +6
Grad Isothermen. Die Nachttemperaturen bleiben in der Mitte und im Norden meist
positiv, während sie nach Süden hin in den leichten Frostbereich hineinragen. Im
äußersten Südosten gibt es in einigen Tälern des Bay. Waldes und der Alpen auch
mäßigen Frost bis -5 Grad.
Im Alpenraum kommt bei der südlichen Anströmung der Föhn bzw. der Föhnsturm zum
Tragen. In höheren Lagen der Alpen muss mit 70 bis 90 km/h, in Föhntälern um 60
km/h gerechnet werden. Im Laufe der Nacht nähert sich die Kaltfront des
Britischen Tiefs Deutschland an, dabei verstärkt sich der Föhnsturm noch etwas.
Auf den Gipfellagen der Alpen werden 80 bis 100 km/h, exponiert auch bis 115
km/h erwartet. In den Föhntälern sind 60 bis 70 km/h wahrscheinlich. Im Laufe
der Nacht sorgt die sich annähernde Front und die damit verbundene
Druckgradientverschärfung und Labilisierung auch im Westen und Nordwesten für
einen zunehmenden Südwestwind. In der ersten Nachthälfte sprechen zunächst die
typischen Südwestlagen wie die Eifel bzw. Aachner Raum sowie die südwestlichen
Mittelgebirge und deren Leelagen mit Böen zwischen 60 und 80 km/h an (Harz bis
100 k/m). Ab der zweiten Nachthälfte werden auch in den weniger exponierten
Lagen (Tieflagen) stürmische Böen und Sturmböen zwischen 65 und 80 km/h
erwartet. Erst ausgangs der Nacht greift die Kaltfront auf den Nordwesten
Deutschlands über und sorgt dann auch im Küstenumfeld für Sturm- bzw. schwere
Sturmböen.

Donnerstag ... vertieft sich das Zentraltief (GORAN) bis 12 UTC auf 955 hPa,
bleibt aber quasistationär über der nördlichen Nordsee liegen. Nach Süden hin
sorgen mehrere teils schwache Randtröge zu Wellenentwicklungen entlang der
Luftmassengrenze über dem Atlantik. Die erste Wellenentwicklung greift gegen 12
UTC auf die Bretagne über.
Im Vorfeld dessen, verlagert sich die Kaltfront unter Abschwächung weiter nach
Südosten. Das Windfeld frischt im Vorfeld und vor allem mit der Frontpassage
verbreitet stürmisch, im Norden auch mit Sturmböen auf. An der Nordseeküste sind
auch schwere Sturmböen bis 100 km/h wahrscheinlich. Auf dem Brocken werden auch
Orkanböen bis 125 km/h erwartet. Postfrontal flaut der Wind rasch ab und es
strömen wieder etwas kühlere Luftmassen nach Deutschland. 12 UTC liegt die
Kaltfront etwa in einer diagonalen Linie von Rügen bis Karlsruhe. Nach Osten hin
werden die flächigen, stürmischen Böen immer unwahrscheinlicher. Auf den Bergen
und in entsprechenden Leelagen sind aber auch weiterhin stürmische oder auch
Sturmböen wahrscheinlich. Auch der Föhn an den Alpen bleibt bei der anhaltenden
Südströmung im Alpenraum weiterhin erhalten. Die Niederschläge entlang der
Kaltfront werden als schauerartig verstärkter Regen fallen. Warnschwellen werden
voraussichtlich nicht überschritten, jedoch muss in Verbindung mit der
Schneeschmelze im Bergland mit leichtem Tauwetter gerechnet werden. Bei
kleineren Flüssen und Bächen könnte leichtes Hochwasser auftreten. Liegen die
850 hPa Temperaturen vor der Front zwischen 2 und 6 (Föhn) Grad, gehen sie
hinter der Front auf Werte um -2 Grad zurück. Die Luft erwärmt sich am Tage
verbreitet auf Werte um 10 Grad, im Südosten jedoch nur um 6 Grad.

Während die Kaltfront nach Osten rasch abziehen kann, gerät der westliche Teil
in den Einflussbereich der sich von Frankreich her nähernden Welle bzw.
Kurzwellentrogs und verlagert sich retrograd nach Norden, dabei entwickelt sie
sich zur Warmfront. Somit gelangen die Niederschläge nicht sehr weit nach
Südosten. Dafür kann es längere Zeit im Südwesten regnen (flächig bis 10, in
Staulagen bis 20 l/qm in 24 h).
Am Abend bzw. in der Nacht zu Freitag greift der erste Kurzwellentrog auf
Deutschland über. Damit greift erneut von Westen her ein Starkwindfeld auf den
Westen und Südwesten über. Im Laufe der Nacht verlagert sich das Starkwindfeld
über die Mitte nach Nordosten. Nach dem aktuellen ICON-Nest Lauf wird
Nordwestdeutschland ausgespart, jedoch ergeben sich durch unterschiedliche
Verlagerungen der sich abschwächenden "Welle" auch gewisse Unsicherheiten. Auf
den Mittelgebirgen sind erneut Sturm evtl. auch schwere Sturmböen
wahrscheinlich. Für eine kurze Zeit gelangen erneut milde Luftmassen bis in den
Norden von Deutschland. Ausgangs der Nacht jedoch, wenn der erste Randtrog über
der Ostsee nach Schweden abzieht, greift erneut die Kaltfront von der Nordsee
auf den Nordwesten über. Freitag 06 UTC liegt die Kaltfront etwa diagonal von
Lübeck bis Karlsruhe über Deutschland. Postfrontal fließen kühlere Luftmassen
mit 850 hPa Temperaturen um -3 Grad ein. Damit sinken auch die Schneefallgrenzen
wieder auf 300 bis 500 m. Da aber Postfrontal kaum noch Niederschläge fallen,
ist dies vorerst irrelevant. In der Nacht bleibt es in weiten Teilen
Deutschlands frostfrei, nur im äußersten Südosten sinken die Temperaturen in den
leichten Frostbereich.
Indes hat sich vom Atlantik her der zweite Kurzwellentrog Europa angenähert.
Jedoch im Unterschied zum ersten Randtrog/Welle verlagert sich dieser auf einer
etwas südlicheren Zugbahn. Das Kerntief befindet sich um 06 UTC mit 990 hPa etwa
bei Nantes (Frankreich).

Freitag ... verlagert sich das Sturmtief GORAN unter Abschwächung entlang der
Westküste Norwegens in Richtung europäisches Nordmeer. Die Kaltfront des ersten
Randtrogs/Welle kann im Norden am Vormittag rasch ostwärts abziehen. Nach Süden
hin gelangt die Kaltfront erneut in dem Einflussbereich des zweiten Randtrogs
und kommt kaum noch nach Süden voran.
Mit Kaltfrontpassage und vor allem mit dem entsprechenden Druckgradientfeld
ausgehend von der nach Nordosten abziehenden Welle, werden im Norden flächig
Wind, exponiert auch stürmische Böen erwartet. Im Laufe des Tages fächert der
Gradient auf und auch im Norden lässt die Böigkeit nach.
Im Laufe des Tages nähert sich der zweite Randtrog mit entsprechenden Bodentief
von Frankreich her an und greift am Abend auf Süddeutschland über. Dabei sorgt
er im Alpenraum und im Alpenvorland für strake bis stürmische Böen. Auf den
Gipfel auch bis Orkanstärke. Im Norden hält sich derweil die eingeflossene
"Kaltluft" mit 850 hPa Temperaturen um - 3 Grad. Im Süden hingegen liegen die
850 Temperaturen um +5, mit Föhnunterstützung auch bis +10 Grad. Im Vorfeld des
Randtrogs wird kräftige Hebung generiert, die zeitweise kräftige Niederschläge
verursachen. Da der Trog bereits in der zweiten Nachthälfte nach Osten
(Tschechen) abzieht, lässt zum einen der Wind im Süden wieder nach und es gibt
keine Hinweise auf Dauerregen. Auf der Nordflanke des Tiefs liegt die
Schneefallgrenze bei etwa 200 bis 400 m. In diesen Regionen kann aufgrund der
kräftigen Hebung auch kräftiger Schneefall einsetzen. Aber auch da gibt es
gewisse Unsicherheiten. Nach Abzug des Troges bricht auch der Föhn ein und in
ganz Deutschland fließen postfrontal kühlere Luftmassen um -5 Grad im 850 hPa
Temperaturfeld.
Am Tage liegen die Höchstwerte zwischen 7 und 11 Grad, nachts liegen die
Tiefstwerte verbreitet um 0 Grad. Dabei wird sich wohl auch eine interessante
Glätteproblematik einstellen.
Währenddessen nähert sich ausgehend von einem 3. atlantischen Kurzwellentrog ein
weiteres Tiefdrucksystem Mitteleuropa an. Mit einer ähnlichen Zugbahn wie der 2.
Randtrog greift es in der Nacht zu Samstag auf Frankreich über. Zwischen dem 2
und 3. Randtrog bildet sich ein schwacher Rücken aus.
Samstag ... Verlagert sich der 2. Randtrog mit Bodentief von Tschechen über
Polen in Richtung Estland. Vor allem in Ostdeutschland könnte es dabei zu
stärkerer Bewölkung und zu Niederschlägen führen, die teils als Schnee fallen.
Der 3. Kurzwellentrog greift im Laufe des Tages langsam auf
West/Südwestdeutschland über und sorgt ebenfalls für teils kräftige Schneefälle.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Verlagerung der 1 Welle und damit auch die Verlagerung des Starkwindfeldes
in der Nacht zu Freitag ist mit gewissen Unsicherheiten verbunden und auch
nachfolgend gibt es größere Unsicherheiten wann und wie genau ein Randtrog vom
nächsten abgelöst wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christina Speicher