DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-01-2021 18:30
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 16.01.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Von Westen her Schneefall, am Alpenrand sowie im Schwarzwald bis Montag erneut
´ne ordentliche Hucke von 30 bis 50 cm. In der nächsten Woche schubweise
Durchbruch atlantischer Luftmassen => Milderung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... zeigt landesweiter Druckfall, in welche Richtung der Hase läuft. Das
zuständige Hoch CHANA, ein Ableger des Azorenhochs und stark verbandelt mit
einem weiteren Hoch über Skandinavien (BOZENA), verlagert seinen Schwerpunkt peu
a peu in Richtung Polen. Auch der in der Höhe supportende Rücken, der sich
bogenförmig vom Seegebiet westlich Iberiens bis hoch nach Skandinavien
respektive zum Nordmeer erstreckt, wird von einem von der Irminger See
südostwärts vorstoßenden Trog erheblich attackiert. Damit bröckelt der Rücken in
seinem Mittelteil, was am Ende der Frontalzone zum Durchbruch verhilft. Diese
verläuft am Sonntagmorgen nordwest-südost-exponiert vom nahen Ostatlantik via
UK/Irland und Frankreich bis hinunter zum zentralen Mittelmeer. Der Trog selbst
korrespondiert mit dem Bodentief FLAVIU, das sich knapp südöstlich von Island
positioniert kaum vom Fleck bewegt. Dass der Druck trotzdem fällt, geht auf den
langgestreckten Trog zurück, der sich weit nach Süden erstreckt und in dem eine
weitgehend durchokkludierte Kaltfront eingelagert ist.
Trog und Front nähern sich kontinuierlich dem Vorhersageraum an und damit auch
das zugehörige Schneefallgebiet, das mit Unterstützung von WLA sowie einem sich
in der zweiten Nachthälfte von UK/Irland nähernden KW-Trog generiert wird. Es
kommt bis zum Morgen etwa bis zu einer Linie
Jadebusen/Wesermündung-Rhön-Chiemgauer Alpen voran. Akkumuliert über 12 h fallen
1 bis 5 cm, zwischen Schwarzwald und Allgäu stellenweise auch etwas mehr (aber
nicht über 10 cm). Im äußersten Westen kann der Schneefall mit
niedertroposphärischer Erwärmung (Anstieg T850 auf -4/-3°C) sowie Drehung des
Windes von S/SO auf westliche Richtungen zum Morgen hin die flüssige Phase
übergehen. Die Prognosetemps signalisieren eine kleine Schmelzfläche, die von
knapp über dem Boden bis etwa 900 hPa reicht. Trotzdem, eine "große"
Glatteislage wird daraus nicht resultieren. Erstens sind die Böden kaum und auch
nicht tief genug gefroren, zweitens fällt der Regen vielfach auf zuvor
gefallenen Schnee und drittens dauert die Schneephase relativ lange an.
Abseits des Schneefalls sorgt die abwandernde CHANA für ruhige und weithegend
trockene Verhältnisse (die anfänglich im Südosten und der östlichen Mitte noch
auftretenden leichten Schneefälle klingen ab). Dabei sinkt die Temperatur trotz
vorhandener Bewölkung (nur gebietsweise klart es auf) vielfach in den mäßigen,
lokal auch in den strengen Frostbereich. Im Norden und Westen tritt meist nur
leichter Frost auf, wobei ganz im Westen die Temperatur zum frühen Morgen hin
sogar leicht ansteigt. Der Wind schläft mit der Menschheit mit, lediglich in den
Höhen des Schwarzwalds, der Alpen und des Bayerischen Waldes frischt er aus
unterschiedlichen Richtungen kommend stark bis stürmisch auf mit der Gefahr von
Schneeverwehungen.

Sonntag ... verbleiben wir auf der kalten Seite der Frontalzone, die ihre
Position kaum verändert. Es kristallisieren zwei geopotenzielle Drehzentren
heraus, von denen das eine zwischen Island und Schottland (korrespondierend zu
FLAVIU), das andere im Bereich Rumänien/Ukraine liegt. Getrennt werden die
Potenzialminima durch den o.e. Rücken über Skandinavien, der auch dem Osten und
Nordosten unseres Landes noch die Treue hält. So bleibt es von Sachsen und
Ostthüringen bis hoch zur Ostsee und SH noch weitgehend niederschlagsfrei
(allenfalls ein paar lockere "Krümel"), z.T. lockert die Wolkendecke sogar auf.

Die Okklusion kommt morgen nur noch sporadisch nach Osten voran, bevor sie vom
vorgeschalteten Hoch (Zentrum morgen Mittag über dem Baltikum), aber auch durch
ein Tief über den Tyrrhenischen Meer ausgebremst wird. Das Schneefallgebiet
kommt so gerade noch bis etwa zu einer Linie Nordfriesische
Küste-Westharz-Berchtesgadener Land voran, wobei sich die Niederschläge
tendenziell abschwächen. Meist reicht es nur noch für 1 bis 3 cm Neuschnee,
lediglich im Schwarzwald und auf der Alb sowie im südlichen Alpenvorland sind
weitere 5 bis 10 cm drin. Am stärksten schneit es jedoch im Stau der Alpen, wo
mit 10 bis 20 cm, im Allgäu punktuell vielleicht um 25 cm innert 12 h wieder
ordentlich abgeladen wird. Grundsätzlich fällt am westlichen Alpenrand mehr
Schnee als im Osten.
Obwohl die 850-hPa-Temperatur im Westen postfrontal wieder etwas sinkt auf rund
-5°C, steigt die Schneefallgrenze in der maritim geprägten Luftmasse auf etwa
400 m an bei allerdings nachlassender Niederschlagsneigung (Abtrocknung der
mittleren Troposphäre). Im Übergangsbereich vom Schneefall in den Regen ist
örtlich gefrierender Regen/Nieselregen nicht ausgeschlossen, was warntechnisch
aber nur in situ abgearbeitet werden kann.
Der Wind spielt weiterhin nur eine Nebenrolle, einzig im Hochschwarzwald und den
Alpengipfeln setzt er aus westlichen Richtungen kommend nennenswerte Akzente mit
Spitzen 8 bis 9 Bft, Schneeverwehungen inklusive. Während die Osthälfte den
Sonntag größtenteils im negativen Temperaturbereich zwischen 0 und -5°C (im
Bergland lokal noch etwas darunter) verbringt, steigt sie nach Westen hin auf -1
bis +4°C, am Niederrhein sogar auf +5 oder +6°C.

In der Nacht zum Montag kommen die Okklusion und der zugehörige Schneefall -
angetrieben durch rückseitigen Druckanstieg - noch etwas ostwärts voran. Viel
Schnee fällt aber nicht: 1-2 cm maximal im Osten und Nordosten (wobei die
Oder-Neiße-Region wahrscheinlich noch gar nicht erfasst wird), wenige Zentimeter
im zentralen Mittelgebirgsraum und 1 bis 5 cm in Teilen Süddeutschlands. Einzig
am Alpenrand sowie im südlichen Alpenvorland sind die Intensitäten deutlich
höher mit 5 bis 10 cm, in Staulagen um oder etwas über 15 cm, wobei sich der
Schwerpunkt ganz allmählich vom westlichen zum östlichen Alpenrand verlagert.
Nach Westen hin lassen die Niederschläge bei einer Schneefallgrenze von
weiterhin rund 400 m nach. Ob es, wie von einigen Modellen prognostiziert, im
Backstagebereich des Schneefalls zu gefrierendem Regen mit Glatteis kommt, ist
freilich nicht ausgeschlossen. Eine überregionale Glatteissituation ist aber
nicht zu erwarten. Gegen Morgen setzt im Vorfeld einer flachen Welle an der
Nordseeküste leichter Regen ein.
Die Temperatur geht von West nach Ost auf +1 bis -8°C zurück, ganz im Osten ist
bei teils aufgelockerter Bewölkung sogar strenger Frost unter -10°C drin. Auf
einigen Alpengipfeln sind nach wie vor Böen 8-9 Bft aus Nordwesten zu erwarten.


Montag ... rückt die Frontalzone etwas dichter an den Vorhersageraum heran und
nimmt dabei eine leicht antizyklonale Kontur an. Im Norden und Nordosten
schwenkt allerdings ein flacher Randtrog durch, der mit der o.e. Welle
korreliert. Diese schwenkt über den Skagerrak ostwärts und lenkt dabei einen
Schwall milderer Meeresluft (T840 um -4°C) in die nördlichen Landesteile. Die
Regenfälle aus der Nacht breiten sich von der Nordsee ost-südostwärts aus, wobei
sie nach Osten hin in Schneefall übergehen. Gut möglich, dass es von Vorpommern
bis fast hinunter zum Spreewald für eine dünne Neuschneeauflage reicht, auch
wenn die Tageszeit "ungünstig" ist. Nicht ausgeschlossen, dass im
Übergangsbereich von Regen in Schnee lokal auch mal Glatteis auftritt. Fakt
ist, dass der Südwestwind im Norden soweit auffrischt, dass zumindest an und auf
der Nordsee vorübergehend steife Böen 7 Bft, exponiert stürmische Böen 8 Bft
auftreten.
Zur Mitte hin nimmt die Niederschlagsneigung ab, gleichwohl fällt hier und da
etwas Regen, oberhalb 200 bis 400 m, nach Osten hin bis ganz runter Schnee. Im
Süden steigt der Luftdruck und von Frankreich her schiebt sich ein Hochkeil vor,
der die Schneefälle im Tagesverlauf in Richtung Salzburger Land, Oberösterreich
und Tschechien abziehen lässt. Vor allem am östlichen Alpenrand können am
Vormittag aber noch mal rund 5 cm Neuschnee zusammenkommen. Chancen auf ein paar
Auflockerungen haben vor allem die Regionen zwischen dem südlichen
Oberrheingraben und dem Werdenfelser Land. Abseits der Küstenregion macht der
südwestliche Wind vornehmlich in höheren Lagen auf sich aufmerksam, wo je nach
Exposition Böen bis zu Stärke 9 Bft auftreten können.
In der einfließenden Meeresluft macht die Milderung weitere Fortschritte. So
steigt die Temperatur auf rund 0°C im Grenzbereich zu Polen, Tschechien und
Oberösterreich sowie über einigen Schneeflächen Süddeutschlands und bis zu 7°C
im magischen Dreieck Duisburg-Ruhrort (wer erinnert sich nicht an den
gleichnamigen ersten "Schimanski")/Heinsberg-Schleiden/Holzbuettgen. Leichter
Dauerfrost hält sich in den mittleren (Osten) und höheren Lagen der
Mittelgebirge.

In der Nacht zum Dienstag beginnt die Frontalzone stärker zu "kippen", indem
sich ein breiter Rücken mit mäßiger Amplitude von Iberien und der Biskaya
ostwärts ausweitet. Dabei beginn die Höhenströmung über dem Vorhersageraum
rückzudrehen in Richtung West.
Leichtes Rückdrehen ist auch bei der bodennahen Strömung angesagt, die am Morgen
teilweise aus fast glatt Süd kommt. Von Westen her nähert sich eine flache
Welle, der kräftige WLA weit nach Osten vorauseilt. Sie induziert stratiforme
Niederschläge, die im Laufe der Nacht (wahrscheinlich 2. Hälfte) auf die
westlichen Landesteile übergreifen. Dabei fällt in tiefen Lagen überwiegend
Regen, in den Mittelgebirgen zunächst Schnee bei allerdings steigender
Schneefallgrenze (Anstieg T850 auf 0 bis +2°C). Begleitet wird das Ganze von
einem auffrischenden Wind, der im Bergland sowie in einigen Leelagen Böen 7 Bft,
in exponierten Hochlagen 8 Bft, auf dem Brocken bis 10 Bft zustande bringt.
Während also im Westen neuer Niederschlag ankommt, zieht der alte im Norden und
Osten in Richtung Polen ab. In weiten Teilen West- und Norddeutschlands bleibt
es frostfrei, sonst stehen Tiefstwerte von 0 bis
-5°C, ganz im Süden und Südosten lokal bis zu -10°C auf der Karte. Streckenweise
kann es glatt werden durch gefrierende Nässe.

Dienstag ... wird das Südwestgebläse angeschaltet, wodurch der fast komplette
Milddurchbruch erfolgt. Fast deswegen, weil sich nach Osten hin noch Rest
kälterer Luft halten, allerdings steigt die 2m-Temperatur auch dort auf rund
+3°C. Ansonsten wird zwischen mehreren Tiefs/Wellen über dem Ostatlantik und
hohem Luftdruck im Mittelmeerraum eine flotte südwestliche Grundströmung
generiert, mit der milde, in 850 hPa positiv temperierte Biskayaluft advehiert
wird. Dabei überquert uns eine Warmfront bzw. Warmfrontwelle ostwärts, wodurch
großräumig Niederschläge ausgelöst werden. Die Schneefallgrenze steigt bis zum
Abend auf 800 bis 1000 m, im Südwesten noch darüber. Punktuell ist beim Übergang
von Schnee in Regen Glatteis möglich. Unklar sind derzeit noch Intensität und
räumliche Ausdehnung der Niederschläge. So simuliert ICON im Süden gebietsweise
größere Mengen (Nieder-/Oberbayern, Schwarzwald), während IFS und GFS die
südlichen Landesteile von Bayern und BW völlig aussparen.
Tatsache ist, dass der Südwestwind zeitweise merklich auffrischt mit Böen bis zu
7 Bft, im Bergland auch darüber. Im Westen steigt die Temperatur z.T. auf 9 oder
10°C plus, sonst stehen 4 bis 8°C auf dem Zettel.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die bevorstehende Umstellung der Großwetterlage ist unstrittig. Gleichwohl
nehmen die Unterschiede mit zunehmendem Vorhersagehorizont zu, insbesondere beim
Parameter Niederschlag. Mögliche Glatteiswarnungen können jeweils nur in situ
ausgegeben werden (keine klassische Glatteislage).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann