DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-01-2021 09:30
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 15.01.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von NEa (Nordost antizyklonal) über BM (Brücke Mitteleuropa) hin
zu SWz (Südwest zyklonal)

Im Südwesten nachlassender Schneefall, sonst noch Schneeschauer, vor allem in
der Osthälfte. Kalt.
Nach kurzem Zwischenhocheinfluss ab der Nacht zum Sonntag von Westen her wieder
zyklonaler mit Schneefällen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung nach wie vor ein stark
meridional geprägtes und somit blockierendes Muster. Die für uns relevanten
Protagonisten dabei sind ein mit reichlich höhenkalter Luft angefüllter LW-Trog,
der Barentssee bis hinunter nach Südosteuropa reicht, sowie ein nicht minder
prominenter Höhenrücken über dem nahen Ostatlantik respektive dem Europäischen
Nordmeer. Deutschland liegt genau dazwischen unter einer nördlichen
Höhenströmung, mit der heute ein Randtrog über uns hinweg nach Süden geschleust
wird. Entsprechend zyklonal gestaltet sich die Anordnung Isohypsen, die sich
erst im Tagesverlauf von Norden her beginnt zu glätten.
Norden ist auch das Stichwort, wenn wir uns in die unteren Sphären der
Troposphäre begeben. Die Druckverteilung wartet dabei mit einer umfangreichen
Hochdruckzone auf, die bogenförmig vom Azorenraum über UK und die Nordsee bis
hoch zum Nordmeer bzw. nach Norwegen reicht. Auf seiner Ostabdachung wird eine
schwache bis mäßige nördliche Grundströmung erzeugt, mit der eine Portion
zunehmend trockener (man beachte den aktuell im Norden schon in Gang gekommenen
Taupunktrückgang von Südskandinavien her auf Werte unter -5°C) Polarluft
arktischen Ursprungs nach Deutschland gelangt. Zwischen -7 und -11°C liegt die
850-hPa-Temperatur heute Mittag, lediglich im Südwesten halten sich noch Reste
etwas weniger kalter Polarluft (T850 um -6°C). Die dort aktuell noch immer
auftretenden Schneefälle, die seit Mittwoch in Teilen des Schwarzwaldes sowie am
Alpenrand z.T. über einen halben Meter Neuschnee gebracht haben, aber auch tiefe
Lagen mehr als reichlich zugeschneit haben, ziehen sich in den nächsten Stunden
nach Süden zurück, so dass das Ereignis spätestens in den Mittagstunden beendet
ist. Grund dafür ist die Tatsache, dass sich das verantwortliche Tief über der
Schweiz kurz vorm Karriereende befindet. Sein Kerndruck war bis in die frühen
Morgenstunden auf fast 1015 hPa angestiegen und wird sich in den nächsten
Stunden auflösen. Dahinter wird dann auch in den Südwesten trockenere
Skandinavienluft gespült, in der die Wolkendecke von Norden her teilweise
aufreißt.
Und was passiert sonst noch so? - Mit Annäherung der Hochdruckzone setzt
Absinken ein, der zur Folge sich eine Inversion ausbildet. Sie konnte in den
Nachtaufstiegen schon ganz gut detektiert werden, wird sich im Laufe des Tages
aber noch klarer strukturieren. Dabei dürfte sie sich nach Westen zu zwischen
800 und 850 hPa, nach Osten zu zwischen 750 und 800 hPa etablieren. Die
darunterliegende Grundschicht ist labil geschichtet und kalt, verdammt kalt. An
der Inversionsuntergrenze liegt die Temperatur dicht bei -15°C (im Westen etwas
höher), kurzum, in den sich bildenden CU-/SC-Wolken sind ausreichend Eiskeime
vorhanden, um leichte Schneefälle respektive Schneeschauer zu generieren. Diese
treten vor allem zwischen Küste und dem zentralen Mittelgebirgsraum auf, wobei
sie aufgrund der Rahmenbedingungen nach Osten hin zahlreicher und auch etwas
intensiver sind als im Westen. Der meiste Schnee bis heute Abend akkumuliert
sich im Nordstau des Erzgebirges, wo durchaus rund 5 cm zusammenkommen können.
Ansonsten sind die Raten geringer, trotzdem kann sich bei Temperaturen um den
Gefrierpunkt bzw. leichtem Dauerfrost hier und da eine dünne Schneedecke bilden
mit entsprechender Glätte auf Straßen und Wegen.
Während es im zentralen Mittelgebirgsraum und vielfach auch im Osten stark
bewölkt bis bedeckt bleibt, lockert es im Norden teilweise auf und die Sonne
zeigt sich mitunter. Am "mildesten" wird es im Westen und Nordwesten sowie im
Rhein-Main-Neckar-Raum mit +2 oder +3°C, ansonsten liegen die Temperaturen dicht
am Gefrierpunkt, vornehmlich im Süden sowie im Bergland oberhalb 300-400 m im
leichten, lokal auch mäßigen Dauerfrostbereich.

In der Nacht zum Samstag steigt der Luftdruck noch etwas an, die Divergenzachse
der Hochdruckzone verbleibt aber westlich von uns. Insbesondere in die Osthälfte
wird noch etwas kältere Luft gesteuert, dort geht T850 auf -9 bis -14°C zurück.
Das Absinken dauert an, so dass die Inversion auch in der Osthälfte langsam aber
kontinuierlich weiter nach unten gedrückt wird auf etwa 800 bis 850 hPa.
Aufgrund der sehr niedrigen Temperaturen und weiterhin vorhandener
Grundschichtlabilität kommt es zu weiteren Schneeschauern, vornehmlich vom
östlichen Mittelgebirgsraum bis hinunter zum östlichen Alpenrand. Im Stau von
Erzgebirge sowie der Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen können bis oder rund 5
cm Neuschnee fallen, sonst liegen die Mengen darunter.
Auch an der Küste ist der eine oder andere Schneeschauer drin und ausgehend vom
Kattegat bzw. dem Seegebiet "Belte und Sund" simulieren einige Modelle gar eine
Schauerstraße, die direkt über Fehmarn und die Mecklenburger Bucht auf
Westmecklenburg bzw. den Grenzbereich zu SH gerichtet ist - keine große Sache,
zumindest nicht nach numerischer Lesart, aber vielleicht reicht es ja für einige
Zentimeter. Die notwendigen Bedingungen - Grundschichtlabilität, großer (über 13
Kelvin) Temperaturunterschied zwischen Oberfläche und Wolkenobergrenze sowie
keine oder nur eine marginale vertikale Richtungsscherung des Windes - sind
jedenfalls in dem genannten Strich gegeben.
Ansonsten gilt es nur noch festzuhalten, dass die Temperatur je nach Bewölkung
verbreitet in den mäßigen (im Nordwesten eher in den leichten) Frostbereich
zurückgeht. Im Bergland sowie im Süden tritt bei längerem Aufklaren (tendenziell
bleibt es eher stark bewölkt bis bedeckt) und vorhandener Schnee örtlich
strenger Frost unter -10°C auf.

Samstag... gelangt Deutschland vollends in die weiterhin bogenförmig konturierte
Hochdruckzone und auch der Rücken rückt uns noch etwas dichter auf die Pelle, so
dass die Zeichen voll und ganz auf Hochdruck stehen. Unter dem Strich bedeutet
das für weite Landesteile einen zwar kalten, im Grunde aber nicht unfreundlichen
(wobei diesem Attribut zugegeben ein Maß Subjektivität anhaftet) Samstag, weil
die Bewölkung zeitweise auflockert. Die besten Karten in puncto längeren
Sonnenschein haben die Schleswig-Holsteiner, aber auch am westlichen Alpenrand
bzw. im Allgäu könnte sich "Klärchen" ins Gespräch bringen. Von den östlichen
Mittelgebirgen über Franken bis hinunter zum östlichen Alpenrand hingegen
überwiegt starke Grenzschichtbewölkung (Inversion weiterhin zwischen 800 und 850
hPa), aus der es hin und wieder ganz leicht schneit. Für wesentlich mehr als 1-3
cm dürfte es aber selbst in Staulagen nicht reichen, nicht zuletzt auch
deswegen, weil der Schnee sehr fluffig ist mit großen Lufteinschüben.
Mit Ausnahme tiefer Lagen West-/Nordwestdeutschlands und des
Rhein-Main-Neckar-Raum sowie des unmittelbaren Küstenstreifens herrscht
leichter, im Bergland z.T. sogar mäßiger Dauerfrost.

Spätestens ab den Abendstunden gilt es unseren Blick schon wieder gen Westen zu
richten, weil unser schönes Hoch zwar ganz hübsch aussieht, auf der anderen
Seite aber alles andere als verlässlich ist. Bereits am Nachmittag fängt der
Luftdruck von Westen her zu fallen, ein untrügliches Zeichen, dass was im Busche
ist. Und tatsächlich, ein zwischen Island und Schottland positioniertes Tief mit
einem Kerndruck um 990 hPa meldet Ansprüche auf Beeinflussung an, auch wenn der
Kern des Tiefs weit von uns entfernt bleibt. Entscheidender ist der weit nach
Süden ausgreifende schmale Bodentrog (man möchte fast von einer Rinne sprechen),
in den ein weitgehend okkludiertes Frontensystem eingelagert ist. Trog und Front
erreichen im Laufe der Nacht die Nordsee und Benelux, von wo aus sie
hervorragend mit einem unmittelbar nachfolgendem KW-Trog in der Höhe interagiert
(vorderseitige PVA).
Ab den Abendsunden gelangt zunächst mehrschichtige Bewölkung in die westlichen
Landesteile, aus der es nachfolgend beginnt leicht, vor allem in den
west-südwestlichen Mittelgebirgen auch mäßig zu schneien. Bis zum Morgen
arbeitet sich das stratiforme Schneefallgebiet etwa bis zu einer Linie
Wangerooge-Rhön-Chiemgau, wobei sich die aus Modellunterschieden resultierende
Varianz dieser Linie inzwischen erfreulicherweise verkleinert hat. Die
Neuschneemengen liegen zwischen 1 und 5 cm, in den angesprochenen Mittelgebirgen
z.T. auch darüber, aber wohl nicht mehr als 10 cm. Zwar gelangt in den Westen
und Südwesten niedertroposphärisch mildere Luft (Anstieg T850 auf -6 bis
-3°C), trotzdem dürfte der meiste Niederschlag in fester Form fallen. Das
Hauptargument dafür liefert der Wind, der lange Zeit relativ schwach bleibt (nur
über der Nordsee und in einigen Hochlagen ist ein Auffrischen erkennbar) und
dabei noch aus Südost bis Süd kommt (also Kaltluft advehiert). Erst am frühen
Morgen dreht er ganz im Westen, also im Grenzbereich zu Benelux, auf West bis
Nordwest, wobei er leicht auflebt. Erst dann ist ein Übergang in Schneeregen
oder Regen denkbar, lokales Glatteis nicht ganz ausgeschlossen.
Östlich des Schneefallgebietes bleibt die Nacht weitgehend niederschlagsfrei,
lediglich im Grenzbereich zu Polen sowie anfangs im südöstlichen Bayern kann es
geringfügig schneien. Ansonsten steht verbreitet leichter
(west-nordwestdeutsches Tiefland) bis mäßiger, im Bergland sowie im Süden teils
strenger Frost auf der Karte.

Sonntag... kommt die Okklusion noch etwa bis zu einer Linie
Wesermündung-Osthessen-Mangfallgebirge voran, bevor sie gleich in mehrfacher
Hinsicht ausgebremst wird. Im Osten blockt das inzwischen mit seinem Zentrum zum
Baltikum vorangekommene Hoch, im Süden bremst ein neues Tief über dem
Tyrrhenischen Meer und im Westen läuft die ganze Geschichte aus der Frontalzone
heraus, die nordwest-südost-exponiert von Südgrönland über UK/Irland bis
hinunter zum zentralen Mittelmeer verläuft.
So bekommen die Regionen von Sachsen und Ostthüringen (vielleicht auch noch
Oberfranken) bis hoch zur Ostsee bzw. SH kaum etwas mit von der Okklusion, sieht
man mal von einigen im Tagesverlauf hereinziehenden hohen oder mittelhohen
Wolken ab. Zuvor ist es aber gebietsweise aufgelockert und die Sonne zeigt sich
zeitweise. In den übrigen rieselt es zunächst mal munter weiter mit einigen
Zentimetern Neuschnee. Im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb sowie im
südlichen Alpenvorland sind gar bis zu 10 cm, in Staulagen 15 bis 20 cm
Neuschnee drin. Im Tagesverlauf steigt die Schneefallgrenze in der postfrontal
einfließenden milderen Atlantikluft im Westen und Südwesten auf rund 400 m an,
bei allerdings nachlassender Niederschlagsneigung. Ganz trocken bleibt es aber
nicht, hier und da fällt noch ein bisschen was, wobei nach dem Motto
"Phasenlotto" verfahren wird. Von Regen/Nieselregen über Schnee bis hin zu -
lokal - gefrierendem Regen mit Glatteis ist quasi alles drin, je nach
geografischer Exposition und Vorgeschichte.
Der Wind kommt über eine Komparsenrolle weiterhin nicht hinaus, lediglich im
äußersten Südwesten und Süden könnte der Druckanstieg ein Auffrischen des
westlichen Windes mit einzelnen Böen 7 Bft, in höheren Lagen auch etwas darüber,
bewirken. Während im Westen und Südwesten die Temperatur bis in mittlere Lagen
auf 0°C oder etwas darüber steigt (in einigen Tälern und Mulden hält sich aber
noch Frost), wird sonst der Sonntag weitgehend im dauerfrostigen Bereich
verbracht.

In der Nacht zum Montag fällt im Süden und Südosten sowie in der östlichen Mitte
etwas, an den Alpen auch mäßig und länger andauernd Schnee. Zwischen Ostsachsen
und Vorpommern bleibt es wahrscheinlich noch niederschlagsfrei. In der
Westhälfte kommt es zu schauerartigen Mischniederschlägen. Zwischen Niederrhein
und Nordsee bleibt es meist frostfrei, sonst steh 0 bis -5°C, im Osten und
Südosten -5 bis -12°C auf dem Zettel.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich und haben sich auch in Bezug
auf die in der Nacht zum Sonntag von Westen einsetzenden Schneefälle angepasst.
Die Phasenbestimmung im Westen am Sonntag sowie in der Nacht auf Montag
gestaltet sich diffizil.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann