DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-01-2021 18:01
SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 12.01.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Aktuell in den süddeutschen Mittelgebirgen und am Alpenrand teils kräftige
Schneefälle, dabei Verwehungs- und Schneebruchgefahr. Im Bergland, an einigen
Küstenabschnitten sowie im Alpenvorland Sturmböen Bft 8/9, auf exponierten
Gipfeln schwere Sturmböen.
In der Nacht zum Mittwoch an den Alpen und im Schwarzwald andauernde
Schneefälle. Meist abflauender Wind, an der Küste aber erneut auflebend mit Böen
bis Sturmstärke. Verbreitet Glätte, vor allem durch überfrorene Nässe oder
Schneematsch.
Am Mittwoch Sturmböen Bft 8/9 an der Küste und im höheren Bergland, exponiert
schwere Sturmböen, stürmischer Böen Bft 8 bis weit ins Binnenland hinein.
Wiederholt Schauer als Schneeregen, später vermehrt als Schnee, in Staulagen
mehr als 10 cm Schnee. Zudem mit Passage einer Kaltluftstaffel im Nordosten und
in Teilen der Mitte kurze Graupelgewitter mit der Gefahr von Sturmböen.
In der Nacht zum Donnerstag im Nordosten zunächst weiterhin stürmische Böen bis
in tiefe Lagen. Auch an der See sowie im nördlichen und östlichen Bergland sowie
auf Alpengipfeln Sturmböen Bft 8/9, exponiert schwere Sturmböen. Wind bis
Donnerstagfrüh in tiefen Lagen abflauend. Im östlichen Bergland jedoch weiterhin
Sturmböen. In den Staulagen der östlichen Mittelgebirge, im Hochschwarzwald
erneut 10 bis 15, an den Alpen auch deutlich über 20 cm Neuschnee. Schneefälle
dort am Donnerstag mit abnehmender Tendenz noch andauernd, sonst
Wetterberuhigung.
In der Nacht zum Freitag im Schwarzwald weitere Schneefälle, bis aufs Allgäu
ausgreifend, mit 10 bis über 20 cm Neuschnee. In der Mitte und im Süden mäßiger,
bei Aufklaren über Schnee strenger Frost. Am Freitag ruhiges Winterwetter und
wahrscheinlich auch im äußersten Südwesten nachlassende Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Südflanke eines Kaltluftkörpers über
Skandinavien, der sich gemäß der energiereichsten Strömung an dessen Rande
süd-südostwärts geführt wird und bis Mittwochfrüh den Skagerrak erreicht. Der
von diesem Kaltluftkörper ausgehende Trog weitet sich zum östlichen Alpenraum
aus und regeneriert den zur Ägäis reichenden Trog. Mit der sich hierdurch
einstellenden nord-nordwestlichen Strömung wird auf zusehends kürzerem Wege
arktische Polarluft herangeführt. Das Frontensystem, das aktuell noch über
Deutschland liegt, überquert die Alpen rasch südwärts und sorgt staubedingt im
Schwarzwald (dort mit nachlassender Tendenz) und an den Alpen noch für länger
andauernde Schneefälle, wobei am Alpenrand 10 bis über 20 cm Neuschnee
hinzukommen können. Dabei besteht weiterhin Verwehungsgefahr.
Das mit dem Kaltluftkörper korrespondierende Bodentief wird in das südliche
Kattegat gesteuert, woraus sich im Norden und Nordosten eine erneute
Gradientzunahme ergibt. Hierdurch beginnt ab dem Abend der Wind an der Nordsee
und mit leicht verzögert auch an der Ostsee erneut aufzufrischen, so dass Wind-
und stürmische, über der Nordsee auch Sturmböen auftreten. Der im Süden kräftige
westliche Wind (mit Windböen bis in tiefe Lagen und Sturmböen Bft 8/9 im
Bergland und im Alpenvorland und schweren Sturmböen auf exponierten Gipfeln)
flaut hingegen weiter ab, in der zweiten Nachthälfte sind dann nur noch auf
höheren Gipfeln der nördlichen und östlichen Mittelgebirge zu erwarten.
Abgesehen vom Nordwesten und vom Küstenbereich stellt sich leichter Frost ein.
Daher ist verbreitet Glätte durch überfrorene Nässe, zum Teil auch durch
Schneematsch, zu erwarten.

Mittwoch ... verlagert sich der Kaltluftkörper nebst zugehörigem Bodentief
weiter südwärts, etwa in den Raum Oderhaff - Rügen, wobei die genaue Position
des Bodentiefs wie auch dessen Intensität noch unsicher ist. Zumindest dürfte
sich das Bodentief, dem der latente Wärmestrom von der Ostsee her gut bekommt,
nicht gerade abschwächen. Bedingt durch die Südverlagerung des Tiefs legt im
Norden, Osten und in der Mitte Deutschlands der Gradient weiter zu, so dass
verbreitet Wind- und in freien Lagen (auch im Binnenland) stürmische Böen
auftreten. An der Küste und in höheren Berglagen der nördlichen und östlichen
Mittelgebirge sind Sturmböen bis Bft 9, exponiert durchaus auch schwere
Sturmböen (Brocken orkanartige Böen) vorstellbar. Von Norden her dringt im
Tagesverlauf staffelartig ein weiterer Schwall Kaltluft bis in die mittleren
Teile Deutschlands vor. Mit dieser gehen die Schauer vermehrt in die feste Phase
über, durch wiederholte Schauer können einige, in Staulagen der nördlichen und
östlichen Mittelgebirge auch mehr als 10 cm Neuschnee zusammenkommen, wobei in
Hochlagen mit Verwehungen gerechnet werden muss. In den Nordosten gelangt dabei
labil geschichtete Polarluft (mit Temperaturen im 500 hPa-Niveau bis -38 Grad),
wodurch auch kurze Graupelgewitter möglich sind, die bis weit ins Binnenland mit
Böen bis Sturmstärke einhergehen können.
In der steilen nordwestlichen Strömung läuft eine schwach ausgeprägte
Warmfrontwelle über Ostfrankreich hinweg nach Süden ab. Deren
Niederschlagsgebiet streift den äußersten Südwesten. Dort steigt die
Schneefallgrenze auf etwa 800 m, so dass nur oberhalb davon im Schwarzwald etwas
Schnee hinzukommt.
Dazwischen ergibt sich ein breiter Streifen, der vom Niederrhein und der Eifel
bis zu den Alpen reicht und der durch kompensierendes Absinken Niederschläge
weitgehend unterbindet. Dort und auch in den nordseenahen Gebieten sind ein paar
Auflockerungen am ehesten vorstellbar. Ansonsten hält sich rasch wechselnde bis
starke Bewölkung. Die Höchsttemperaturen erreichen 0 bis 4, vom Emsland bis zum
Niederrhein 6 Grad. Oberhalb von etwa 600, im Südwesten etwa 800 m hält sich
meist leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Donnerstag wird der Kaltluftkörper sowie das mit diesem
korrespondierende Bodentief über Westpolen hinweg zu den Beskiden geführt.
Wenngleich sich das Bodentief allmählich auffüllt, so bleibt doch im Osten
Deutschlands ein kräftiger Gradient bestehen. Hierdurch kommen bis ins östliche
Binnenland hinein in der ersten Nachthälfte noch Wind- und stürmische Böen
zustande, an der Küste und im nördlichen und östlichen Bergland sowie auf
Alpengipfeln treten Sturmböen Bft 8/9, exponiert auch schwere Sturmböen auf. In
der zweiten Nachthälfte flaut der Wind in tieferen Lagen ab, so dass allenfalls
Donnerstagfrüh an der Ostseeküste noch Windböen auftreten. In den Hochlagen der
östlichen Mittelgebirge sowie auf Alpengipfeln muss aber bis Donnerstagfrüh noch
mit Sturmböen Bft 8/9 gerechnet werden.
Bedingt durch die nahezu nördliche Strömung kommen durch Stau weitere
Schneefälle zustande. Im Erzgebirge wie auch an den Alpen können noch einmal um
10 cm Schnee (mit der Gefahr von Verwehungen) hinzukommen. Ansonsten (und auch
an der Ostseeküste) reicht es bis in den zentralen Mittelgebirgsraum hinein
wahrscheinlich nur für wenige Zentimeter.
Die über Ostfrankreich nach Südosten ablaufende Warmfrontwelle ist im äußersten
Südwesten Deutschlands nach wie vor wetterwirksam. Diese Welle beschert dem
Hochschwarzwald und dem Allgäu bei einer bis in tiefere Lagen absinkenden
Schneefallgrenze weitere 10 bis 20 cm Neuschnee.
Zwischen diesen Aufgleitniederschlägen im äußersten Südwesten und der regen
Schneeschauertätigkeit im Nordosten bleibt ein Bereich kompensierenden Absinkens
bestehen, was durch eine meridionale Hochbrücke, die, ausgehend von einem Hoch
über Skandinavien bis zu den Westalpen reicht, gestützt wird. Dies lässt die
eingeflossene Luftmasse zur Ruhe kommen, so dass, abgesehen vom Küstenstreifen
und vom südlichen Oberrhein, leichter und im Bergland mäßiger Frost zu erwarten
ist. Von Norden her erneut einsetzende Warmluftadvektion verhindert größere
Wolkenlücken. Ansonsten würde sich in größeren Gebieten mäßiger Frost
einstellen. Hierdurch könnten gebietsweise auch markante Warnungen erforderlich
werden.

Donnerstag ... verlagert sich der Kaltluftkörper, der zusehends eine dipolartige
Struktur annimmt, nach Südosteuropa. Diesem folgt ein Höhenkeil, der sich von
den Britischen Inseln über das Nordmeer hinweg bis nach Ostgrönland erstreckt.
An dessen Ostflanke bleibt eine nördliche Strömung bestehen, die zunächst im
Bodendruckfeld und später auch in mittleren Troposphärenschichten zusehends
schwächer wird. Während in der ersten Tageshälfte an der Ostseeküste noch
Windböen und in den Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge Sturmböen
vorstellbar sind, ist der Wind ab dem Nachmittag deutschlandweit wahrscheinlich
nicht mehr warnrelevant. Bis dahin sollten auch die schauerartigen Schneefälle
im Erzgebirge nachlassen, die nochmals einige, im Westerzgebirge auch mehr als 5
cm Neuschnee ergeben können.
Der über den Britischen Inseln ansetzende Keil wird durch einen Kurzwellentrog
überlaufen, wodurch sich die Frontalzone über Frankreich hinweg ins westliche
Mittelmeer durchsetzt. Der Keil wird hierdurch faktisch abgeschnürt, im 700
hPa-Niveau ist bereits ein abgeschlossenes Hoch erkennbar. Durch diesen Trog
wird eine schwache Zyklogenese induziert. Das resultierende Bodentief wird nach
Nordfrankreich gesteuert und beginnt sich dort aufzufüllen. Die Warmfront dieses
Tiefs lässt auf den äußersten Südwesten Deutschlands erneut Niederschläge
übergreifen. Ob diese um Schwarzwald und im Allgäu zu weiteren 10 bis 20 cm
Neuschnee führen (ICON) oder ob diese Niederschläge nur weiter westlich zu
erwarten sind (EZMW) ist noch unsicher. Genauso wenig lässt sich die Zugbahn
dieses Tiefs abschätzen.
Großräumiges Absinken im Bereich der sich noch etwas kräftigenden meridionalen
Hochbrücke lässt vermehrt die Wolken auflockern. Im Süden und in Teilen der
Mitte sowie oberhalb 600 m hält sich meist leichter, in den Hochlagen der
östlichen Mittelgebirge mäßiger Dauerfrost. Ansonsten sind in tieferen Lagen 0
bis 4 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Freitag läuft an der Ostflanke des Höhenkeils ein weiterer Trog
nach Süden ab. Positive Vorticityadvektion lässt die Schauertätigkeit (in Form
von Schneeschauern) im Norden und Nordosten Deutschlands nicht so recht
abklingen. Im Bodendruckfeld hält sich eine Hochbrücke, die von der Iberischen
Halbinsel nach Skandinavien reicht. Zwischen dieser Brücke und einem
Tiefdruckkomplex über Südosteuropa bleibt eine nord-nordöstliche bodennahe
Strömung bestehen, mit welcher weiterhin arktische Polartluft advehiert wird.
Absinken im Randbereich dieser Brücke lässt den Himmel verbreitet aufklaren, so
dass durchweg leichter bis mäßiger, bei Aufklaren über schneebedeckten Gebieten
strenger Frost zu erwarten ist.
Etwas unsicher ist die Entwicklung noch im äußersten Südwesten Deutschlands.
Bedingt durch das über Ostfrankreich hinweg in Richtung Westalpen ablaufende
flache Tief können sich die Schneefälle in diesen Gebieten ein wenig nach
Nordosten ausweiten, wobei von ICON weiterhin ein "Extremszenario" mit 10 bis 15
cm Neuschnee im Schwarzwald und im Allgäu präsentiert wird.

Freitag ... schwenkt der von dem nunmehr über Osteuropa legenden
Höhentiefkomplex ausgehende Trog in den Nordosten Deutschlands. In der Mitte und
im Osten gehen die Temperaturen im 500 hPa-Niveau wieder auf -30 bis -35 Grad
zurück, was von der Ostsee bis in den östlichen Mittelgebirgsraum hinein die
Schneeschauertätigkeit erneut aufleben lässt. Allerdings reicht es selbst im
Erzgebirgsraum wahrscheinlich nur für wenige Zentimeter Neuschnee. Ansonsten
hält sich der Einfluss der von der Iberischen Halbinsel nach Skandinavien
reichenden Hochbrücke. Deutschlandweit bleiben geringe Luftdruckgegensätze
bestehen. Mit dem über die Westalpen hinweg südostwärts abziehenden und sich
weiter auffüllenden Tief lassen auch ganz im Südwesten die Schneefälle nach bzw.
ziehen in Richtung Westalpen ab, wobei hierin noch Unsicherheiten bestehen. Vom
Westen Deutschlands bis zu den Alpen dürften sich größere Auflockerungen
einstellen; auch längere sonnige Abschnitte sind vorstellbar. Im Norden reicht
es zwischen den Schauerwolken nur für Wolkenlücken. Geschlossene Bewölkung hält
sich dagegen in den mittleren und östlichen Landesteilen sowie im äußersten
Südwesten. Meist ist auch tagsüber leichter, im Süden und im östlichen Bergland
auch mäßiger Dauerfrost zu erwarten. Im Norden, Nordosten, in tieferen Lagen im
Westen sowie am südlichen Oberrhein steigt die Temperatur auf Werte knapp über
dem Gefrierpunkt an.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Unsicherheiten bestehen hauptsächlich hinsichtlich des am Mittwoch zum Oderhaff
bzw. zur Vorpommerschen Ostseeküste ziehenden Bodentiefs sowie des mit diesem
Tief verbundenen Starkwindfeldes sowie der Ausprägung der Kaltluftstaffel, die
an der Westflanke dieses Tiefs nach Süden vordringt. Dass mit Passage dieser
Staffel Böen bis Sturmstärke bis weit ins Binnenland auftreten können, wird auch
von anderen hochauflösenden Modellen gezeigt.
Weitere Unsicherheiten bestehen bzgl. der über Ostfrankreich nach Süden
ablaufenden Warmfrontwellen und der damit auf den äußersten Südwesten
übergreifenden Niederschläge, was bereits weiter oben ausführlich beschrieben
wurde. Letztere Struktur gilt es, nicht aus den Augen zu verlieren.
Probabilistische Verfahren (vor allem COSMO-LEPS) zeigen Signale, dass diese
Schneefälle durchaus auch weiter östlich, bis etwa zu einer Linie Eifel -
Bayerischen Alpen, übergreifen können, wodurch dann auch im Saarland, in der
Pfalz, in den gesamten südwestdeutschen Mittelgebirgen und in weiten Teilen des
Alpenvorlandes mehr als 10 cm Schnee zusammenkommen könnten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann