DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-01-2021 08:30
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.01.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
B M
Zunächst noch winterlich kalt. Heute im Nordwesten und Norden, am Montag auch in
der Mitte und auf den Süden übergreifend Milderung. Ab Montag an der Küste und
auf höheren Berggipfeln der nördlichen und westlichen Mittelgebirge Gefahr von
Sturmböen Bft 8/9. In der Nacht zum Dienstag bei gefrorenem Boden örtlich
Glatteis nicht auszuschließen.
Am Dienstag weiter südostwärts übergreifender Niederschlag, im Bergland in
Staulagen der östlichen und süddeutschen Mittelgebirge teils mehr als 10 cm
Schnee und Gefahr von Schneebruch. Außerdem auf höheren Berggipfeln und an der
Küste Sturmböen Bft 8/9, auf dem Brocken schwere Sturmböen bis Bft 10.
In der Nacht zum Mittwoch im Schwarzwald und an den Alpen 10 bis über 20 cm
Schnee, in den östlichen Mittelgebirgen und zum Teil auch an den Alpen mit der
Gefahr von Verwehungen. Lage aber noch unsicher. An der Küste und auf höheren
Berggipfeln weiterhin Sturmböen Bft 8/9.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland unter einem Trog, der sich von Westrussland mit
seiner Achse über Süddeutschland hinweg bis zur Iberischen Halbinsel erstreckt,
so dass sich eine Verbindung zu dem dort liegenden Höhentief ergibt. Die
Frontalzone verläuft von Algerien über die Ägäis und das Schwarzmeergebiet
hinweg ins Wolga-Don-Gebiet. An der Nordflanke des Troges erstreckt sich ein
Keil vom mittleren Nordatlantik bis nach Polen. Durch diesen wird eine
ausgedehnte Hochbrücke gestützt, die vom Seegebiet nördlich der Azoren über
Süddeutschland hinweg zur Ukraine reicht. Geringe Luftdruckgegensätze haben die
eingeflossene arktische Polarluft zur Ruhe kommen lassen, so dass vor allem in
schneebedeckten Gebieten eine Abkühlung in den Bereich mäßigen bis strengen
Frostes erfolgte.
Im Tagesverlauf weitet sich vom Nordmeer ein markanter Trog bis nach
Südskandinavien aus. Das vorgelagerte, bis dahin längst okkludierte
Frontensystem greift mit Niederschlägen auf die Küste und den Nordwesten
Deutschlands über. Während an der See diese Niederschläge als Regen und nur
anfangs vorübergehend als Schnee fallen, dürfte weiter landeinwärts die feste
Phase überwiegen, ohne dass aber eine nennenswerte Schneeauflage zu erwarten
ist. Zuvor konnte bei einsetzender südwestlicher Windkomponente bereits eine
deutliche Erwärmung in den positiven Temperaturbereich erfolgen. Mit dem
zunehmenden Gradienten kommen an der Küste Windböen bis Bft 7 auf.
In der Mitte und im Süden, d.h. unter der Hochbrücke, dauert typisches ruhiges
Winterwetter an. Teils halten sich Hochnebelfelder längere Zeit, teils gibt es
auch größere Auflockerungen. In diesen Gebieten bewegen sich die Temperaturen um
den Gefrierpunkt. Im Südosten sowie im Bergland herrscht ganztägig leichter
Frost. Nördlich der Mittelgebirge sowie im Westen sind dagegen 0 bis 4 Grad zu
erwarten.

In der Nacht zum Montag schwenkt ein erster kurzwelliger Anteil des über
Skandinavien liegenden Troges über den Norden und Nordosten Deutschlands hinweg
nach Polen. Dieser überläuft das okkludierte Frontensystem, so dass weiter zur
Mitte hin hiervon keine nennenswerten Niederschläge mehr ankommen. Dennoch kann
örtliche Glätte nicht ganz ausgeschlossen werden. Zudem flaut auch an der Küste
der Wind weitgehend ab. Kräftige Warmluftadvektion, die in der zweiten
Nachthälfte von Nordwesten her einsetzt und in die in Verbindung mit einer
Warmfront über der Nordsee steht, lässt in Nordseenähe erneut Niederschlag
aufkommen, der durchweg als Regen fällt. Mit der Annäherung der Warmfront
frischt der Wind an der Nordsee mit Böen bis Bft 7, über der offenen See bis Bft
8, wieder auf.
Südlich der Mittelgebirgsschwellen hält sich die Hochbrücke, so dass sich
bereits vorhandene Nebel- oder Hochnebelfelder verdichten bzw. sich erneut Nebel
bilden kann. In diesen Gebieten ist mäßiger bis strenger Frost zu erwarten,
wogegen es im Nordwesten und ganz im Norden weitgehend frostfrei bleibt.

Montag... weitet sich der über Skandinavien liegende Trog in Richtung Nordsee
etwas nach Süden aus, was die Strömung über dem Norden Deutschlands auf West
drehen lässt. Durch diesen Trog wird an der Südspitze Norwegens eine Zyklogenese
induziert. Das resultierende kräftige Tief gelangt in den Skagerrak, dessen
Warmfront streift den Norden Deutschlands, wobei sich der Warmsektor relativ
rasch verengt. Frontale Niederschläge bleiben auf den Nordwesten und Norden (und
vielleicht die Staulagen der nördlichen Mittelgebirge) beschränkt, wobei kaum
mehr als 3 mm Niederschlag zusammenkommen. Allerdings kann mit dem Einsetzen der
Niederschläge weiter im Binnenland örtliche Glätte nicht ganz ausgeschlossen
werden. Mit dem Übergreifen des Frontensystems legt im Norden der Wind zu. Bis
ins küstennahe Binnenland hinein sind Windböen bis Bft 7, an der See stürmische
Böen und exponiert (sowie auf dem Brockenplateau) Sturmböen bis Bft 9 zu
erwarten.
Ganz im Süden hält sich noch der Einfluss der Hochbrücke, deren Achse nunmehr am
Alpennordrand liegt. Dort dauert das ruhige und teils sonnenscheinreiche
Winterwetter noch an. In diesen Gebieten sowie im Bergland hält sich auch
leichter Dauerfrost, allenfalls in Rheinnähe kann der Gefrierpunkt etwas
überschritten werden. Im Norden und in der Mitte steigt in tieferen Lagen die
Temperatur auf 0 bis 5 Grad, an der Nordsee auf Werte etwas darüber.

In der Nacht zum Dienstag gelangt das Tief unter weiterer Intensivierung nach
Mittelskandinavien. Hebung, die aus einem Zusammenspiel von kräftiger
Warmluftadvektion und positiver Vorticityadvektion resultiert, lässt von der
Nordsee her kräftigere Niederschläge auf den gesamten Norden, Westen und Teile
der Mitte übergreifen. Im Südosten und im östlichen Mittelgebirgsraum bleibt es
wahrscheinlich noch weitgehend niederschlagsfrei. In den Staulagen der
nördlichen und westlichen Mittelgebirge können 15 bis 20 mm zusammenkommen.
Dabei fällt zunächst Schnee, bedingt durch die Niederschlagsabkühlung kann die
feste Phase längere Zeit andauern, so dass in den Staulagen der nördlichen
Mittelgebirge durchaus um 10 cm Schnee zusammenkommen können. Allerdings steigt
die Schneefallgrenze rasch auf etwa 800, im Westen auf über 1000 m, was die
Niederschläge bis in die Hochlagen in Regen übergehen lässt. Da generell der
Gradient zunimmt (mit Sturmböen Bft 8/9 im höheren Bergland, Brocken schwere
Sturmböen bis Bft 10), dürften sich kaum Kaltluftreste halten, so dass die
Wahrscheinlichkeit für die gefrierende Phase gering ist. An der Küste treten
weiterhin Sturmböen bis Bft 9 auf, bevor in der zweiten Nachthälfte von der
Nordsee her der Wind abzuflauen beginnt. Im Norden und zumeist auch in der Mitte
bleibt es frostfrei, von der Mittelgebirgsschwelle aus südwärts ist leichter bis
mäßiger Frost zu erwarten. Ganz im Süden und im Südosten dürften sich Reste der
Hochbrücke halten, so dass es dort aufklart. In diesen Gebieten muss noch einmal
mit strengem Frost gerechnet werden.

Dienstag... wandelt sich das über Mittelskandinavien liegende Tief in ein
Zentraltief um und beginnt sich allmählich aufzufüllen. Dessen Kaltfront greift
von Norden her auf Deutschland über und arbeitet sich schleifend und unter
fortwährender Okklusion bis in den Mittelgebirgsraum vor. Rückseitig lockern im
Norden und Nordwesten die Wolken auf, bevor von der Nordsee her eine rege
Schauertätigkeit einsetzt. Hierdurch frischt der Wind mit Böen bis Bft 7 im
küstennahen Binnenland und Sturmböen Bft 8/9 an der Nordseeküste auch wieder
auf.
Bedingt durch die schleifende Front sind in den Staulagen der Mittelgebirge 10
bis 20, im Schwarzwald bis über 25 mm Niederschlag zu erwarten. Die
Schneefallgrenze liegt im westlichen Mittelgebirgsraum deutlich oberhalb von
1000 m und steigt auch in den zentralen Mittelgebirgen auf etwa 800 m. In den
östlichen und süddeutschen Mittelgebirgen und an den Alpen fällt noch meist
Schnee. Dort ist der Schnee noch relativ trocken, so dass Verwehungen auftreten
können. In Staulagen sind mehr als 10, im Schwarzwald bis über 20 cm Neuschnee
möglich. Dabei wird der Schnee zusehends nasser, in Verbindung mit dem kräftigen
Wind (Bft 7 im Bergland, auf Gipfeln Sturmböen Bft 8/9) besteht die Gefahr von
Schneebruch.
Leichter Dauerfrost beschränkt sich dann auf die Gipfellagen der zentralen
Mittelgebirge sowie das östliche Bergland und den Alpenrand. Ansonsten steigt
die Temperatur auf 0 bis 5, im Nordwesten und bis zum Niederrhein bis 7 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch weitet sich, ausgehend von dem o.g. Zentraltief,
dessen Kern sich ein wenig nach Süden verlagert, ein Trog nach Polen aus. Mit
der nordwestlichen und etwas aufsteilenden Strömung kommt die Kaltfront dieses
Tiefs daher schleifend und wahrscheinlich unter Wellenbildung weiter nach Süden
voran. Dabei verläuft die Schleifzone von den westlichen Mittelgebirgen hin zum
östlichen Alpenrand. Da auch weite Teile Süddeutschlands in den Bereich der
Warmluft gelangen, steigt dort die Schneefallgrenze auf deutlich mehr als 1000 m
an, so dass die Niederschläge bis in die Hochlagen in Regen übergehen. Unterhalb
davon dürfte Tauwetter einsetzen. Allerdings ist bzgl. der Schneefallgrenze die
Entwicklung noch unsicher (Details weiter unten). Am Alpenrand und in den
Staulagen der südwestdeutschen Mittelgebirge kommen mehr als 30 mm Niederschlag
zusammen; auch unwetterartige Mengen sind nicht auszuschließen. Zudem sind in
den südwestdeutschen Mittelgebirgen und bedingt durch den Leitplankeneffekt auch
an den Alpen Wind- und stürmische Böen, in Gipfellagen Sturm- und schwere
Sturmböen zu erwarten.
Die östlichen Mittelgebirge verbleiben jedoch in der Kaltluft, in Staulagen
ergeben sich mehr als 10 cm Neuschnee. In den nördlichen Mittelgebirgen sinkt
rückseitig der Kaltfront die Schneefallgrenze wieder bis in Lagen um 400 m.
Allerdings lassen dort alsbald die Niederschläge nach, so dass es nur für wenige
Zentimeter Neuschnee reicht. An der Küste zeichnet sich eine rege
Schauertätigkeit ab. Zudem sind an der See Wind- und auch stürmische Böen zu
erwarten. Bei Tiefsttemperaturen zwischen +3 und -3 Grad besteht verbreitet
Glättegefahr.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bis einschließlich Dienstag stützen die verfügbaren Modelle weitgehend die oben
beschriebene Entwicklung. Prognoserelevante Unterschiede lassen sich bis dahin
nicht ableiten. Allerdings beginnen die Modelle bereits im Laufe des Dienstags
zu divergieren. Nach EZMW weitet sich der von dem Zentraltief über
Mittelskandinavien ausgehende Trog nicht nach Südosten (wie bei ICON), sondern
steil nach Süden aus. GFS stützt eher die Version des EZMW als die Variante von
ICON. Das Modell des kanadischen Wetterdienstes ist zwischen beiden Versionen zu
finden. Demzufolge dringt die Kaltluft rascher und auf steilerem Wege nach Süden
vor. Für die westlichen und südwestdeutschen würde demnach nur tagsüber am
Dienstag die Schneefallgrenze vorübergehend auf etwas über 1000 m ansteigen, ab
dem Abend aber von Norden her rasch wieder absinken, so dass in der Nacht zum
Mittwoch bis in Lagen zwischen 400 und 600 m in den westlichen und
südwestdeutschen Mittelgebirgen die Niederschläge wieder in Schnee übergehen. In
den zentralen und östlichen Mittelgebirgen liegt die Schneefallgrenze ohnehin
höher. Nach der EZ- und GFS-Version wäre die Gefahr von Verwehungen ebenfalls
auf die östlichen Mittelgebirge und später, d.h. ausgangs der Nacht zum
Mittwoch, auf den Alpenrand beschränkt. Diese Modellunterschiede waren bereits
anhand der Simulationen des Vortages erkennbar.
Diese Modellunterschiede werden in der Nacht zum Mittwoch auch bei der
Niederschlagsverteilung sichtbar. Nach der Lesart der externen Modelle dürften
an den Nordrändern vor allem der östlichen Mittelgebirge noch einige bis etwa 5
mm Niederschlag zusammenkommen (die als Schnee fallen), bevor die Niederschläge
nachlassen. Für die Alpen und deren Vorlands wären demnach noch 5 bis 15,
unmittelbar in Staulagen bis über 20 mm zu erwarten. ICON erwartet dagegen ein
Niederschlagsmaximum in den westlichen und südwestdeutschen Mittelgebirgen mit
Niederschlagssummen zwischen 15 und 30, im Schwarzwald und Allgäu bis über 40 mm
(Unwetter). Dabei wird das Verhalten der deterministischen Modelle durch die
jeweilige Probabilistik gestützt. COSMO-LEPS, das bislang eher die
Niederschlagsmaxima von ICON bestätigt war, folgt nunmehr eindeutig dem
EZMW-Szenario.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann