DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-01-2021 18:30
SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 09.01.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Aufatmen in Berlin - Tasmania behält exklusiv den Looserrekord. Beim Wetter
tendenziell eher Zwischenhocheinfluss ohne großes Tamtam. Nur im Norden schon am
Sonntag zyklonal, ab Wochenbeginn südwärts ausweitend.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... läuft die Wettermaschinerie in Richtung "leichter
Zwischenhocheinfluss", wenn auch mit geringer Drehzahl. Von der Nordsee und
UK/Irland her steigt das Potenzial in Form eines nach Osten gerichteten
Höhenrückens langsam an, wodurch sich auch das korrespondierende Hoch ANTJE
ermutigt fühlt, ganz zaghaft mitteleuropäisches respektive deutsches Terrain zu
betreten. Konkret baut das umfangreiche Hoch über dem Atlantik seien bereits
bestehende, west-ost-exponierte und einer Brücke ähnelnden Hochdruckzone aus
bzw. kräftigt diese. Um Mitternacht verläuft die zonale Divergenzachse mitten
über Deutschland, so dass im Norden westlicher, im Süden nordöstlicher und in
der Mitte gar kein Wind weht. Die Luftbewegung ist alles andere als forsch,
lediglich im Hochschwarzwald sorgt die Bisenströmung für einzelne Böen 8 bis 9
Bft auf exponierten Kuppen und Gipfeln.
Ansonsten gestaltet sich der Ablauf so, dass die im Süden und Südosten zunächst
noch präsente Potenzialrinne (oder schmaler Trog, je nach dem wie man möchte)
mehr und mehr abgedrängt wird, so dass auch die damit in Verbindung stehenden
Niederschläge immer schwächer werden. Genau genommen treten diese in Form
leichten Schneefalls nur noch im Erzgebirge sowie nördlich davon auf, Tendenz
wie gesagt abnehmend.
Etwas aufpassen muss man in den westlichen Landesteilen, wo von den Niederlanden
her ein flacher Bodentrog übergreift, der insbesondere in NRW und dem nördlichen
RP für ein paar schwache Schneeschauer ohne nennenswerten Neuschneezuwachs gut
ist. Ob in den Mittelgebirgen irgendwo auch mal gefrierender Nieselregen
auftritt - es ist lediglich die Grundschicht bis 850 hPa einigermaßen
durchgefeuchtet, darüber nimmt der Spread deutlich zu -, ist zwar nicht ganz
ausgeschlossen, insgesamt aber wenig wahrscheinlich. Als Basis wurde eine
"gelbe" Glättewarnung geschaltet, die auch eigentlich ausreichen sollte. Glatt
werden, sei es durch Reif oder gefrierende Nässe, kann es gebietsweise auch in
anderen Regionen, insbesondere dort, wo vom Tage noch Restnässe/-feuchte übrig
ist. Mit Ausnahme des unmittelbaren Küstenstreifens sowie punktuell im
Nordwesten und Westen (die MOS-Mix-Werte weisen wie schon häufig in diesem
Winter beobachtet tendenziell einen negativen Bias auf) stellt sich leichter,
nach Süden zu mäßigen, an den Alpen sowie in einigen Schwarzwaldtälern sogar
strengen Frost geben. Allerdings kann es passieren, dass der Nordostwind im
Süden die hochnebelartige Bewölkung aus dem Alpenvorland in einige Alpentäler
drückt, was die Temperaturamplitude dämpfen würde.

Sonntag ... wird der Rest der o.e. Potenzialrinne endgültig in Richtung
Österreich und Tschechien verabschiedet, wodurch sich der nachfolgende Rücken
noch etwas besser in Szene setzen kann. Dass es sich dabei aber auch nicht um
den ganz großen "Brüller" handelt wird dadurch deutlich, dass von Norden her
bereits wieder kräftig "geknabbert" wird. Oder um es synoptisch korrekt
auszudrücken, ein veritables und bis in die obere Troposphäre reichendes
Sturmtief über dem Europäischen Nordmeer (Kerndruck am Mittag zwischen 985 und
980 hPa, Name CEMAL) zieht langsam aber sicher östlich an Island vorbei gen
Süden, nicht ohne über Mittelskandinavien eine kleines, Richtung Bottenbusen
ziehendes Teiltief zu generieren. Wichtiger aber ist, dass in Norddeutschland
nicht nur der Druck, sondern auch das Potenzial beginnt zu fallen.
Entsprechend wird die Divergenzachse der schmalen Hochdruckzone peu a peu in den
süddeutschen Raum gedrückt, während im Norden ein okkludierendes Frontensystem
um Einlass bittet und diesen auch gewährt bekommt. Mit Unterstützung von WLA
gelangen erst mehrschichtige Bewölkung und gegen Mittag von der Nordsee und
Dänemark her dann auch leichte Niederschläge in den Norden und Nordwesten. Diese
erreichen in den Abendstunden etwa eine Linie Osnabrücker-/Münsterland-Wismarer
Buch (+/-), wobei die maximale 12h-Menge auf rund 2 l/qm ganz im Norden taxiert
wird. Auch wenn im Landesinnern in der einströmenden maritimen Polarluft (T850
um -5°C) die feste Phase überwiegen dürfte, für eine wirkliche Schneedecke
reicht es aufgrund der positiven Luft- und Belagstemperaturen sowie der
schwachen Niederschlagsintensität sehr wahrscheinlich nicht. Je dichter man der
Küste ist, desto eher fällt Regen. Außerdem frischt dort der Südwest merklich
auf, allerdings sollten Böen der Stärke 7 Bft die Ausnahme bleiben bzw. nur in
exponierten Lagen zutage treten.
Im großen Rest der Nation dümpelt der Sonntag vergleichsweise ereignisarm vor
sich hin. Insbesondere im Süden und Südwesten, bedingt aber auch in der Mitte
reißt die Wolkendecke auf und die Sonne zeigt sich, wenn auch unterschiedlich
lang. Zum Teil verdeckt aber dichte, teils hochnebelartige Bewölkung die Sonne,
wobei weiterhin die Gefahr besteht (ohne dass es wirklich gefährlich wäre), dass
der Nordostwind den Hochnebel bis weit ins südliche Alpenvorland respektive in
einige Alpentäler drückt.
Apropos Wind, die Bise bleibt im südlichen und südwestlichen BW prominent
unterwegs, wobei es am Bodensee und am Hochrhein wohl aber nicht mehr als Böen 6
Bft gibt. Auf den Höhen des Schwarzwalds hingegen reicht es je nach Exposition
für stürmische Böen oder Sturmböen 8-9 Bft.
Die Temperatur macht in der gealterten und vor allem im Süden nachtgekühlten
polaren Luftmasse keine großen Sprünge nach oben. Vor allem südlich der Donau
steht ein Eistag ins Haus mit Höchstwerten zwischen -4 und -1°C. Dauerfrost auch
oberhalb 300-400 m, sonst -1 bis +3°C, im Westen sowie zur Nordsee hin örtlich
um +4°C.

In der Nacht zum Montag verlagert sich die Achse des Höhenrückens nach
Süddeutschland und auch die Bodenhochdruckzone macht noch einen kleinen Satz
südwärts. Rückseitig setzt sich im Norden und zunehmend auch in der Mitte eine
leicht diffluente West-Nordwestströmung in der Höhe durch, während der Bodenwind
aus Südwesten kommt. Nur kurzzeitig dreht er in den Abendstunden an der Nordsee
mal auf Nordwest, wenn nämlich die Kaltfront übergreift. Richtig vorankommen
kommt die Front aber nicht, weil sie alsbald in die Warmfront eines südlich von
Island auftauchenden kleinen Tiefs (die aus einer flachen Frontalwelle
hervorgeht) übergeht und dadurch ausgebremst wird. Die Warmfront es
Frontensystems hingegen schafft es bis in den zentralen und westlichen
Mittelgebirgsraum, ohne dabei aber eine nennenswerte Erwärmung zustande zu
bringen (T850 im Warmsektor bei -3/-4°C).
Wettertechnisch bedeutet die geschilderte Entwicklung, dass die Niederschläge
aus dem Norden und Nordwesten noch etwas landeinwärts vorankommen, dabei aber
immer schwächer werden bzw. ganz aufhören. Meist fällt Schnee, hier und da aber
auch Regen oder Nieselregen, der lokal gefrieren kann. Nach einer kurzen Pause
setzen im Laufe der zweiten Nachthälfte mit Annäherung besagter Warmfront im
Nordwesten neue schwache Niederschläge ein, im Wesentlichen als Regen oder
Nieselregen. Für den Fall, dass diese die westlichen Mittelgebirge erreichen,
kann stellenweise auch Schnee oder gefrierender Regen/Nieselregen nicht
ausgeschlossen werden.
Im gesamten Süden, größtenteils aber auch in der Mitte verläuft die Nacht
trocken. Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die tiefen Wolken
im Süden auflösen oder zumindest größere Lücken offenbaren. Entsprechend kann es
in den schneebedeckten Tälern und Senken der süddeutschen Mittelgebirge ebenso
wie an den Alpen und im Alpenvorland strengen Frost unter -10°C geben. Ansonsten
reicht es verbreitet für leichten bis mäßigen Frost, wohingegen sich der Norden
und Nordwesten bei Wind und unter Wolken meist frostfrei präsentiert.
Thema Wind: Während die Bise im Südwesten vor dem Aus steht, versucht sich im
Norden ein mäßiger Südwestwind, ohne dabei Warnschwellen zu reißen - außer auf
dem Brocken, wo vielleicht mal ´ne "8" aufgerufen wird.

Montag ... halten sich bei uns zyklonal und antizyklonal - noch - einigermaßen
die Waage. So sich im Süden der vom Atlantik nach Osten gerichtete Rücken
respektive Höhenkeil nebst korrespondierender Hochdruckzone robust gegen die
zyklonalen Attacken aus dem Norden. Belohnt wird das mit trockenen und vielfach
sogar sonnigen Bedingungen, vor allem in höheren Lagen. Weiter unten hält sich
gebietsweise zäher Nebel oder Hochnebel, wenn auch nicht überall.
Die mittleren Landesteile markieren so etwas wie die Übergangszone zum
zyklonalen Norden. Im Klartext bedeutet das mehr Wolken als im Süden, aber nur
wenig bis gar kein Niederschlag. Und insbesondere in der östlichen Mitte darf
berechtigterweise auf die eine oder andere Auflockerung spekuliert werden.
Norddeutschland hingegen gelangt in den Warmsektor des o.e. kleinen Tiefs, das
unter leichter Intensivierung knapp nördlich an Schottland vorbei gen Norwegen
zieht. Es weist rückseitig eine schmale, zonal orientierte Rinne auf, in die
eine Kaltfront eingebettet ist. Diese trennt relativ milde atlantische
Meeresluft im Süden von kälterer Nordmeerluft im Norden. Obwohl der Norden des
Landes in den Warmsektor gelangt, hält sich die niedertroposphärische Abkühlung
zunächst noch in Grenzen. Am Abend werden immer noch rund -4°C in 850 hPa
registriert, während der auflebende südwestliche Wind am Boden nicht nur
advektiv, sondern auch mischungstechnisch Spuren hinterlässt. So steigt die
2m-Temperatur im Nordwesten auf 5-6°C plus, während der Süden und Südosten den
nächsten Lockdown fast schon sinnbildlich im Dauerfrost beginnen.
Zwar hat die Sonne im gesamten Norden und auch im Westen kaum eine Chance, sich
gegen die kompakte und weitgehend geschlossene Wolkendecke durchzusetzen, viel
Niederschlag fällt aber nicht. Ein paar Tropfen Regen oder Nieselregen an der
See sowie im Norddeutschen Tiefland, ein paar Flocken im nördlichen
Mittelgebirgsraum, das war´s dann tagsüber schon. Immerhin frischt der
Südwestwind im nördlichen Drittel des Landes soweit auf, dass an der Küste sowie
im küstennahen Binnenland vermehrt Böen 7-8 Bft, auf dem Blocksberg bis zu 9 Bft
auftreten.

In der Nacht zum Dienstag kommt dann mehr Stimmung in die atmosphärische Bude.
Hauptimpulsgeber ist ein relativ knackiger, weil scharf ausgeprägter KW-Trog,
der von der Nordsee und den Niederlanden kommend auf West-Nordwestdeutschland
übergreift. Seine Vorderseite ist wunderbar diffluent konturiert und obwohl dort
KLA wirksam ist, leistet er einen gewissen Hebungsantrieb, der wunderbar mit
einer Okklusion interagiert, die - ebenfalls von Nordwesten kommend - den
Vorhersageraum erreicht. Dabei handelt es sich übrigens nicht um die o.e.
eigentliche und möglicherweise okkludierte Kaltfront des nach Mittelschweden
ziehenden Tiefs, sondern um ein in den Warmsektor eingebettetes, selektives
System.
Komplizierte Synoptik, scheinbar einfache Wirkung - vorderseitig der Front und
des Troges intensivieren sich die Niederschläge, die bis zum Morgen etwa eine
Linie Kraichgau-Vorpommern erreichen, was dicht an der vom 00-UTC-Lauf
simulierten Vorderkante liegt. Nach wie vor ist die Bestimmung der
Niederschlagsphase, vor allem aber die Höhe der Schneefallgrenze schwer zu
prognostizieren, weil sich mehrere spielentscheidende Faktoren multispektral
überlagern: Advektion niedertroposphärisch milderer Luft (Anstieg T850 im Westen
und Norden auf -1/-2°C, dazu auffrischender Südwestwind (=> Durchmischung) sowie
unterschiedliche Niederschlagsintensitäten, um nur einige zu nennen. In tiefen
Lagen West- und Norddeutschlands dürfte die flüssige Phase überwiegen, lediglich
nach Osten hin kann anfangs etwas Nassschneefall dabei sein. Mit Erreichen der
Mittelgebirge wird es diffiziler, weil vermehrt die feste Phase ins Spiel kommt.
Je weiter nach Osten, desto tiefer die Schneefallgrenze. Nach Westen hin steigt
sie auf rund 400 m, vielleicht auch noch einen Ticken höher. Insbesondere in den
Staulagen der westlichen Mittelgebirge (von der Eifel bis hinüber zum
Vogelsberg) können durchaus 5 bis 10 cm Neuschnee fallen, wobei hinsichtlich
Modellkonsistenz als auch im Modellvergleich noch Unsicherheiten gegeben sind.
Das trifft auch auf mögliches Glatteis zu, das derzeit im westlichen
Mittelgebirgsraum aber nur punktuell angeboten wird (Regen auf noch gefrorenen
Boden). Summa summarum also ein spannendes Gleichungssystem mit noch einigen
Unbekannten, die es mit den nächsten Läufen hoffentlich zu knacken gelingt.
Weniger Gedanken muss man sich über den Süden und Südosten machen, wo
wahrscheinlich noch kein oder wenn, nur ganz wenig Niederschlag ankommt.
Teilweise wird es sogar eine klare Nacht mit mäßigem, über Schnee stellenweise
auch strengen Frost. Frostfrei bleibt es hingegen in weiten Teilen Nord- und
Westdeutschlands.
Ach ja, fast vergessen. Der auf Südwest bis Süd rückdrehende Wind frischt
präfrontal im Norden und Westen sowie in Teilen der Mitte soweit auf, dass in
tiefen Lagen Böen bis zu 7 Bft (wahrscheinlich aber nicht verbreitet), an der
Küste sowie im höheren Bergland 8 Bft, exponiert 9 Bft und auf dem Brocken sogar
bis 11 Bft erwartet werden dürfen.

Dienstag ... schwenkt der KW-Trog weiter ost-südostwärts, wobei er
augenscheinlich an Kontur verliert. Dahinter stellt sich eine nordwestliche
Höhenströmung ein, die von einem bis nach Grönland reichenden Rücken über dem
nahen Ostatlantik und einem hochreichenden Tief über Skandinavien generiert
wird. Am Boden geht erst die selektive Okklusion durch, bevor von Norden her die
Kaltfront übergreift. Sie führt einen neuen Schwall maritimer Polarluft erst in
den Norden, später auch in die Mitte, in der T850 auf -5 bis -7°C zurückgeht.
Präfrontal liegen die Werte meist zwischen -1 und -5°C.
Wie auch immer, mit den Fronten greifen die Niederschläge auf den gesamten Süden
über, nur südlich der Donau gibt es anfangs noch ein paar Auflockerungen. Nach
wie vor ist die Bestimmung der Schneefallgrenze schwierig, in Lagen oberhalb 300
bis 500 m dürfte aber die Schneephase überwiegen. Im Süden kann es zumindest
anfangs auch noch weiter runter schneien, wobei es dort immer schwieriger wird,
Lagen darunter zu finden. Sollte sich irgendwo das unangenehme Pärchen
"gefrorener Boden unten, Regen von oben" treffen, dann ist natürlich auch ganz
schnell mal Glatteis am Star. Derzeit halten sich die Modelle diesbezüglich aber
noch zurück. Auf alle Fälle trocknet es in der postfrontal einfließenden
Kaltluft ab, so dass die Niederschläge abgesehen von einzelnen Schauern an der
Küste von Norden her nachlassen bzw. aufhören.
Zu beobachten bleibt der südwestliche, später West bis Nordwest drehende Wind,
der nun auch im Süden hin und wieder aufmuckt. In exponierten Hochlagen bleibt
es stürmisch, während die Wahrscheinlichkeit für Böen 8 Bft an der Küste
abnimmt.
Im Süden wird der Dauerfrost zumindest teilweise getilgt (Tmax um den
Gefrierpunkt), im Westen und Nordwesten wird es trotz Kaltfront mit bis zu 7°C
am mildesten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen ziehen die Modelle an einem Strang. Wie so oft gibt es aber
noch genügend Unschärfen beim Niederschlag (Phase, Intensität, Verteilung).
Langeweile sollte in der nächsten Woche auf jeden Fall nicht aufkommen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann