DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

08-01-2021 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 08.01.2021 um 10.30 UTC



Wechselhaft und teils windig mit vorübergehender leichter Milderung. Zum
übernächsten Wochenende deutliche Abkühlung möglich bei nachlassenden
Niederschlägen.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 15.01.2021


Durchaus spannend, wenn man mit der Erwartungshaltung des gestrigen
Mittelfristtextes und der darin angekündigten Milderung vor allem zum Ende der
kommenden Woche hin in die heutigen Karten schaut und sich das Blatt wieder
deutlich wendet. So bietet die heutige Kartenschau ab Freitag sogar Optionen mit
der direkten Zufuhr arktischer Kaltluft mit Temperaturen landesweit unter -10
Grad in 850 hPa an... Aber der Reihe nach.

Zum Beginn der Mittelfrist am Montag wölbt sich vom Atlantik her in zonaler bzw.
östlicher Orientierung ein Rücken in Richtung Mitteleuropa auf. Am Boden wird
dadurch eine schwache Hochdruckbrücke gestützt, die vom Azorenhoch über
Süddeutschland bis zu einem Hoch über der Ukraine reicht. Gleichzeitig
amplifiziert ein Trog über dem Nordmeer mit höhenkalter Luft unter -40 Grad in
500 hPa bis zum Dienstag über Skandinavien bis nach Norddeutschland und bis zur
Ostsee. Mit ihm verbunden ist ein Tiefkomplex mit mehreren Kernen, wovon einer
von der Ostsee in den Bottnischen Meerbusen zieht. An dieses Tief wiederum ist
ein Frontensystem gekoppelt, das von Norden bzw. Nordwesten her nach Deutschland
vordringt und so auch die Hochdruckbrücke nach Süden abdrängt. Mit der Warmfront
wird vorübergehend etwas mildere Luft mit T850 hPa bis etwa -1 Grad
eingesteuert, mit der nachfolgenden Kaltfront gehen diese bis Dienstag im Norden
aber schon wieder auf unter -5 Grad zurück.

Am Mittwoch amplifiziert der Trog rasch bis zum Schwarzen Meer weiter, wobei er
sich ein wenig nach Osten bewegt und so eine nordwestliche Strömung, in der auch
die Frontalzone eingebettet ist, hinterlässt. Dabei wird im Südwesten die
Kaltfront rückläufig bzw. geht in die Warmfront eines Tiefs bei den Britischen
Inseln über. So pirscht sich die mildere Luft mit T850 bis nahe 0 Grad wieder
ein wenig weiter an unser Vorhersagegebiet heran.

Am Donnerstag setzt sich von Norwegen her ein Randtrog des von der Ukraine bis
zum Schwarzen Meer amplifizierten Troges nach Süden in Bewegung. Am Freitag
erreicht er Norddeutschland. Die im Südwesten Deutschlands befindliche Warmfront
wird damit nach Süden abgedrängt. Zudem zieht der Trog vom Schwarzen Meer nun
etwas nach Norden in Richtung Weißrussland. Er ist dann außerdem verbunden mit
einem Tief mit Zentrum über der Nord- Ukraine. Am Boden wird dadurch eine
nordöstliche bis nördliche Strömung bei uns induziert, sodass zunehmend
arktische Kaltluft auf direktem Wege über Skandinavien zu uns strömt. Die T850
hPa sinken folglich wie bereits eingangs erwähnt auf unter -10 Grad. Leichte
Niederschläge (wahrscheinlich dann bis "ganz nach unten" als Schnee) können
einerseits durch den Randtrog, der sich zu einem Höhentief mausert, andererseits
aber auch durch Feuchtigkeitsfelder, die im weiten Bogen um das Tief der
Nord-Ukraine herumgeführt werden, ausgelöst werden.

In der erweiterten Mittelfrist ab Samstag kommender Woche bleibt die arktische
Luft unter zunehmenden Hochdruckeinfluss zunächst erhalten, bereits am Sonntag
versucht die milde Luft aber mit einem neuen Tiefdruckgebiet westlich der
Britischen Inseln nach Abzug des Höhentiefs zur Adria von Südwesten her erneut
bei uns Fuß zu fassen.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der heutige 0 UTC IFS-Lauf des EZMW weist bereits ab Montag Unterschiede zum
gestrigen 0 UTC-Lauf auf, die im Wochenverlauf immer größer werden und für
Deutschland durchaus relevant für die Vorhersage sind. So amplifiziert der Trog
vom Nordmeer her ab Montag rascher und stärker zunächst nach Deutschland und bis
zum Mittwoch dann zum Schwarzen Meer. Im gestrigen 0 UTC-Lauf sollte er dagegen
das Baltikum ansteuern. Dadurch wird auch die Kaltfront schneller nach Süden
geführt und die rückläufige Warmfront stärker zurückgehalten. So dringt die
mildere Luft nur noch in den äußersten Südwesten Deutschlands ein. Ab Donnerstag
ist die Entwicklung des Randtrogs/Höhentiefs über Skandinavien neu. Ebenso neu
ist, dass der Trog vom Schwarzen Meer wieder nach Norden zieht und eine
nördliche/nordöstliche Strömung bei uns generiert. Das Temperaturniveau dürfte
damit am Freitag (und auch am Wochenende) vermutlich um bis zu 10 Kelvin
niedriger liegen als gestern noch angedacht. Dass es dann nur noch eine geringe
Niederschlagsneigung gibt, zeigte bereits der gestrige 0 UTC-Lauf.
Der gestrige 12 UTC-Lauf des IFS stellte eine Zwischenlösung dar, der dem
heutigen Lauf quasi den Weg ebnet.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


GFS zeigt im Prinzip (noch) die Lösung des gestrigen 0 UTC-IFS-Laufs des EZMW.
ICON hingegen ist eher bei der EZMW-Variante, das kleine Höhentief zum Ende der
Woche ist aber nur als flacher Randtrog zu erkennen. Die Strömungskonstellation
ist trotzdem ähnlich der des EZMW's, sodass ebenfalls arktische Kaltluft bei uns
einströmen würde. Dabei sind die Niederschlagssignale noch geringer als beim
EZMW. GEM teilt im Wesentlichen die Meinung des ICON. NAVGEM wiederum folgt
zunächst dem EZMW, lässt im Wochenverlauf jedoch den Randtrog/das Höhentief
komplett aus. Infolgedessen wäre es im Westen milder mit T850 hPa bis 0 Grad, im
Osten etwas kühler bei -4 bis -6 Grad. Zudem gibt es bei diesem Modell ein paar
mehr Niederschlagssignale.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


RAUCHFAHNEN:
Bis zum Montag sind die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles für diverse deutsche
Städte eng gebündelt, danach öffnen sich die Kurven. Haupt- und Kontrolllauf
sowie der Median laufen bei T850 hPa dann an den untersten Rand der Schar, womit
die Milderung des gestrigen 0 UTC-Lauf noch nicht ganz vom Tisch ist. Beim
Geopot 500 hPa hält sich der Median meist etwa in der Mitte der Streuung. Der
Randtrog/das Höhentief Ende kommender Woche zeichnet sich dabei nur schwach ab,
weshalb diesem vorerst wohl kein großes Vertrauen geschenkt werden kann.

CLUSTERANALYSE:
6 Cluster für Montag (0 UTC) bis Dienstag (12 UTC) zeugen von der
Vorhersageunsicherheit, die sich bereits in den vorherigen Abschnitten finden
ließen. Immerhin sehen die Muster für Mitteleuropa ähnlich aus, sodass es
zunächst eher Detailfragen zu klären gibt.
Von Mittwoch (0 UTC) bis Freitag (0 UTC) werden ebenfalls 6 Cluster angeboten,
die bis auf wenige Ausnahmen das Regime des atlantischen Rückens beibehalten.
Die Ampliflizierung des Trogs bis zum Schwarzen Meer haben dabei alle Cluster
auf dem Zettel, was der Glaubwürdigkeit des Hauptlaufs in dieser Sache größere
Sicherheit verleiht. Höhentief/Randtrog zum Ende der kommenden Woche gehen in
der Clusteranalyse allerdings erwartungsgemäß größtenteils unter.
Von Samstag (0 UTC) bis Montag (0 UTC) werden nur noch drei Cluster analysiert,
die ebenfalls alle das Regime atlantischer Rücken aufweisen. In C1 zeichnet sich
sogar besagtes Höhentief ab, zudem ähnelt es für Mitteleuropa am meisten dem
Hauptlauf, obwohl dieser in C3 zu finden ist. C3 ist allerdings auch noch recht
ähnlich, C2 dagegen lässt einen Rücken in die Nordsee aufwölben und verdrängt
den Trog bei Strömungsdrehung auf Südwest und einer daraus abzuleitenden
wahrscheinlichen Milderung.

FAZIT:
Bis zum Mittwoch ist es wechselhaft bei vorübergehend etwas ansteigenden
Temperaturen, sodass es im Tiefland eher nasskalt ist, während in höheren Lagen
Schnee fällt. Ab Donnerstag könnte eine Abkühlung einsetzen, wobei die
Niederschlagssignale abnehmen. Die Betonung liegt allerdings auf "könnte", da
die Modell- und Ensembleergebnisse genug Zweifel am Verlauf streuen. Vor allem
das Höhentief könnte noch zur "Zünglein an der Waage" werden. Sollte es nicht
kommen, stünde sogar einer Milderung, die westlich von uns nicht weit weg
lauert, nicht mehr viel im Wege.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WIND:
EFI zeigt am Montag an der Ostsee Signale für starken Wind. Das wird von den
Ensembles mit hohen Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen quittiert. Zudem
gibt es in den Ensembles Signale für stürmische Böen an der See und im Bergland,
exponiert für Sturmböen und auf den höchsten Gipfeln für schwere Sturmböen bis
zum Mittwoch. Abgeschwächte Wahrscheinlichkeiten sind dann noch am Donnerstag
vorhanden.

NIEDERSCHLAG:
Am Dienstag deutet EFI etwas höhere Niederschläge in Norddeutschland an, was von
den Ensembles aber bisher nicht bestätigt wird.

SCHNEEFALL/VERWEHUNGEN:
Am Dienstag lassen sich EFI-Schneefall-Signale über dem zentralen, am Mittwoch
über dem südlichen Bergland finden. Die Ensembles belegen das durch erhöhte
Wahrscheinlichkeiten für jeweils mehr als 10 cm in 12 Stunden. Im Allgäu werden
am Mittwoch auch um 15 cm Neuschnee simuliert. Bei solchen Neuschneemengen muss
im Zuge der Böigkeit in höheren Lagen mit Schneeverwehungen gerechnet werden.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EZMW-MOS. Nach "hinten heraus" MOSMIX aufgrund der schwierigen Vorhersage
des kleinen Randtrogs/Höhentiefs.
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler