DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

07-01-2021 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 07.01.2021 um 10.30 UTC



Nach überwiegend antizyklonalem Wochenende (BM => Brücke Mitteleuropa) Übergang
zu einer zyklonalen Nordwestlage (NWz).
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 14.01.2021


Sollte es unter den treuen Leserinnen und Lesern dieses Bulletins Leute geben -
der Verfasser ist sicher, es gibt sie -, die von der nun schon einige Zeit
andauernden Troglage die Nase voll haben: Bald ist erst mal Schluss damit. Schon
ein flüchtiger Blick auf die Wetterkarten der kommenden Woche lässt einen
erahnen, in welche Richtung der Hase läuft. So ist die Wahrscheinlichkeit immens
hoch, dass sich eine zyklonale West-Nordwestlage einstellt. Die derzeit weit
südlich verlaufende Frontalzone baut sich nord-nordwestlich des Vorhersageraums
neu auf und übt ab Wochenbeginn zunehmenden Einfluss auf das hiesige
Wettergeschehen aus.

Bevor es aber soweit ist, startet der mittelfristige Prognosezeitraum am
kommenden Sonntag mit Hochdruckeinfluss. Dabei stützt ein vom Ostatlantik bis
nach Mitteleuropa gerichteter Höhenrücken eine zonal exponierte, vergleichsweise
schmale Hochdruckzone, die das Aussehen einer Brücke hat. Die Divergenzachse
verläuft Sonntagmittag mitten über Deutschland. Damit kann die zuvor
eingeflossene feuchte-kalte Polarluft (T850 zwischen -3°C im Emsland und -10°C
in Ostsachsen) etwas abtrocknen, was sich in niederschlagstechnischer Unlust
sowie Auflockerungen oder gar längerem Sonnenschein widerspiegelt. Allerdings
stehen gebietsweise auch zähe Nebel- oder Hochnebelfelder auf der Karte.
Ausgenommen vom Hochdruckeinfluss ist der Norden des Landes, wo die Ausläufer
eines Sturmtiefs ost-nordöstlich Islands auf der Lauer liegen und neben dichten
Wolken auch gebietsweise Niederschlag bringen. Direkt an der Küste dürfte dieser
meist als Regen fallen, während es etwas landeinwärts schneien kann.

Zu Beginn der neuen Woche zieht besagtes Sturmtief unter Abschwächung zur
nördlichen Nordsee. Auf der Südflanke des Tiefs zieht eine flache Welle in die
Nordsee bzw. bildet sich ein Teiltief über Südnorwegen, während bei uns die
Hochdruckzone nach Süden gedrückt wird. Sie bestimmt das Montagswetter in der
Südhälfte des Landes, wohingegen im Norden der zyklonale Einfluss zunimmt.
Niederschlagstechnisch macht sich das zunächst wenig bemerkbar, fällt doch nur
gelegentlich und wohl auch nur gebietsweise etwas Regen/Nieselregen, im Bergland
etwas Schnee. Dafür nimmt der Südwest- bis Westwind zu, mit dem etwas mildere
Meeresluft advehiert wird (T850 um
-3°C).

Am Dienstag wird die Hochdruckzone weiter eingeengt respektive in die Alpen
"abgeschoben". Gleichzeitig entwickelt sich aus der o.e. Welle ein kleines
knackiges Tief, das um 12 UTC nicht weit von Stockholm entfernt ist. Zwischen
dem Tief und der Hochdruckzone etabliert sich eine nicht unflotte westliche
Bodenströmung, mit der ein Schwall milderer Atlantikluft herangeführt wird (T850
um 0°C, nur im Süden noch leichte Minusgrade). Auch in der Höhe verdrängt die
von der Nordsee übergreifende Frontalzone (west-nordwestliche Höhenwinde)
zunehmend den im Süden zunächst noch präsenten Höhenrücken bzw. "hobelt" diesen
mehr und mehr ab. Schlussendlich lässt IFS die sich intensivierenden
Niederschläge weit nach Süden ausgreifen (grob bis an die Donau heran), wo sie
im Bergland, anfangs wohl aber auch in tieferen Lagen als Schnee fallen.
Nördlich der Mittelgebirgsschwelle sorgen die thermische Qualität der maritimen
Luftmasse sowie ausreichend Durchmischung dafür, dass die flüssige Phase Trumpf
ist.

Im weiteren Verlauf zieht das Tief unter vorübergehender Intensivierung (am
Mittwoch Kerndruck nahe 980 hPa) in Richtung Baltikum. Die zugehörige Kaltfront
greift auf dem Norden und Osten über, von wo aus sie aufgrund ihres schleifenden
Charakters respektive Wellenbildung zunächst aber nicht so recht weiterkommt.
Immerhin, rückseitig wird ein Schwall maritimer Polarluft (T850 -4 bis -8°C) in
den Norden und Osten eingesteuert, so dass die Niederschläge - nicht zuletzt
auch wegen des deutlich nachlassenden Windes und damit limitierter Durchmischung
sowie starker Hebungsabkühlung an der Welle - bis ganz runter als (nasser)
Schnee oder Schneeregen fallen können.
Der Süden und Westen verbleiben am Mittwoch noch auf der milderen präfrontalen
Seite (T850 -3 bis +1°C), wo der westliche Wind aufgrund steigenden Luftdrucks
über Frankreich vorübergehend auffrischt. Niederschläge fallen unten überwiegend
als Regen, im Bergland bei uneinheitlicher, heute noch nicht klar bestimmbaren
Schneefallgrenze als Schnee.
Am Donnerstag "rutscht" die Kaltfront dann nach Süden bzw. Südwesten durch und
es setzt sich landesweit maritime Polarluft durch (T850 um -2°C im Südwesten, um
-7°C im Norden und Osten), die von Norden her u.a. durch die Überströmung der
skandinavischen Gebirge abtrocknet.

In der erweiterten Mittelfrist deutet IFS eine zyklonale Nordwestlage mit
weiteren Niederschlägen an, die im Bergland als Schnee, in tiefen Lagen
"teils-teils" der Marke nasskalt fallen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Das IFS-Model (ECMF) bleibt insofern seiner Linie treu, als dass in der nächsten
Woche nach dem Zwischenhocheinfluss am kommenden Wochenende (vor allem am
Sonntag) eine zyklonale West- bis Nordwestlage ins Haus steht.
Witterungstechnisch bedeutet das wiederholte Niederschläge, die im Bergland
häufig als Schnee, in tiefen Lagen tendenziell (aber nicht ausschließlich) als
Regen fallen (Stichwort "nasskalt"). Dazu weht mitunter ein lebhafter westlicher
Wind, der vornehmlich an der Küste sowie in den Mittelgebirgen auch mal
stürmisch sein kann.
Was derzeit überhaupt noch nicht passt (gilt übrigens auch für den Vergleich mit
anderen Globalmodellen), sind die genauen zeit-räumlichen Abläufe der
beteiligten Wellen, Tröge, Tiefs, Fronten etc. Diesbezüglich wartet jeder
Modelllauf mit einer neuen Variante auf, was eine detaillierte Wettervorhersage
- insbesondere im Hinblick auf den Niederschlag (Phase, Intensität, räumliche
Verteilung, Timing) - nahezu unmöglich macht.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Zusammenfassend lässt sich beim Modellvergleich eine ähnliche Aussage treffen
wie im Abschnitt zuvor bei der Konsistenzbetrachtung. So sind sich die für
gewöhnlich begutachteten Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO) dahingehend einig,
dass die sonntägliche Hochdruckzone nach Süden abgedrängt und durch eine
zyklonale West- bis Nordwestlage abgelöst wird. Uneinigkeit herrscht aber über
das genaue Wie und Wann. Um ein Beispiel herauszupicken: Während bei IFS die
"richtige" Kaltfront erst am Donnerstag vollständig (und im Südwesten mit
angezogener Handbremse) durchgeht, deuten die anderen Vertreter ihrer Zunft eine
frühere Passage an. Vor allem die für Mittwoch im Norden und der nördlichen
Mitte von IFS simulierten kräftigen Niederschläge (flache Welle) werden
deterministisch nicht bestätigt.
Es ließen sich noch weitere Unterschiede anführen, deren Beschreibung aufgrund
der Volatilität der Vorhersagen müßig erscheint. Kurzum, die Richtung passt, die
Details noch nicht.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die EPS-Rauchfahnen von IFS für ausgesuchte deutsche Städte zeigen bis
einschließlich Montag einen gutmütigen Verlauf mit relativ geringer Streuung.
Lediglich im Süden (Referenz Ulm) fängt die 850-hPa-Temperatur bereits am
Sonntag zu divergieren. Im weiteren Verlauf ab Dienstag nimmt der Spread
allgemein zu. Während die Kurvenverläufe beim Potenzial (500 hPa) einen
vergleichsweise ungeordneten, unstrukturierten Eindruck hinterlassen, ist beim
Parameter T850 im Süden (Ulm), Westen (Essen) und in der Mitte (Offenbach; für
Kassel gilt aber das Gleiche) eine gewisse Bifokalität erkennbar. Während der
eine, etwas schwächere Ast incl. des Hauptlaufs relativ mild bleibt (in
Offenbach etwa 0 bis -4°C), lässt es der zweite, etwas stärker ausgeprägte Ast
bereits ab Mittwoch abkühlen (etwa -4 bis -8°C). Einerseits wird damit
demonstriert, dass das Temperaturniveau per se nächste Woche noch mit
Fragezeichen behaftet ist. Andererseits zeigt sich, dass eine bereits am
Mittwoch einsetzende Abkühlung wie von den anderen Modellen "gefordert" nicht
unwahrscheinlich scheint. Tatsache ist, dass die Niederschlagssignale ab
Dienstag (im Norden schon etwas eher) deutlich zunehmen.
Angesichts des beschriebenen Kurvenverlaufs verwundert es nicht, dass die
Clusterung von IFS-EPS für den Zeitraum T+120...168h (Dienstag bis Donnerstag)
sechs verschiedene Cluster aufs Tableau zaubert. CL1 folgt mit 15 Ensembles dem
Hauptlauf, während die anderen fünf Cluster allesamt eher auf eine nordwestliche
Strömung umstellen. So oder so, alle Muster werden dem Kliamregime "Atlantic
Ridge" zugeordnet. Das trifft übrigens auch auf die erweiterte Mittelfrist ab
Freitag zu (T+192...240h), wo nur noch drei Schubladen geöffnet werden. CL1 (23
Fälle + HL/KL) setzt auf NWz, CL2 (18) auf NWa (Nordwest zyklonal/antizyklonal),
CL3 (10) zumindest in der Höhe auf eine glatte Nordlage.

FAZIT: Die Richtung passt, die Details noch nicht. Mehrheitlich wird eine
frühere Kaltfrontpassage gerechnet als vom Hauptlauf anvisiert.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Aus der Probabilistik zeichnen sich keine klaren Signale für
überdurchschnittliche Niederschlagsmengen im Laufe der kommenden Woche ab.
Gleichwohl birgt die Lage genügend Überraschungspotenzial, um zumindest in den
Mittelgebirgen stellenweise mehr als 10 cm Neuschnee innert 12 h
zusammenzubekommen. Schaun mer mal...
Beim Wind zeichnet sich zwar nicht ganz große Sause ab, an der See sowie in
höheren Lagen dürfte es dennoch zeitweise stürmisch werden. Auf zeitliche
Eingrenzungen wird an dieser Stelle aus bekannten Gründen verzichtet.
Die Tatsache, dass es zu Beginn der Mittelfrist im Süden mal strengen Frost
gibt, verdient eigentlich keiner besonderen Erwähnung, schon gar nicht im
Kontext "signifikante Wettererscheinungen". Der Verfasser würde eher zu der
Aussage neigen "schön, dass es irgendwo noch mal strengen Frost gibt".
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und etwas früherer Kaltfrontpassage als von IFS propagiert.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann