DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-01-2021 18:01
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 03.01.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Andauer der zyklonalen Nordostlage mit halbgarem Winter und Bayern kurz vor
Halbzeit 0:1 hinten gegen das "Goldische Meenz" von 05. Schau her, schau her...

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland nicht nur am Ende eines langen
Wochenendes, nein, wir befinden uns auch zwischen hohem Luftdruck über
Nordeuropa und tiefem Luftdruck südlich der Alpen. Das Hoch - es handelt sich um
den Kollegen ALEXANDER, der den Jahreswechsel überstanden hat (normalerweise
bekommen Hochdruckgebiete in diesem Jahr weibliche Namen) - erstreckt sich vom
Europäischen Nordmeer bis hinüber nach Fennoskandien, während das Tief LISA -
ebenfalls ein Übrigbleibsel aus 2020 - leicht diffus und mehrkernig vom
Löwengolf über das Ligurische Meer bis hinüber zur nördlichen Adria reicht.
Unter dem Strich entspricht diese Konstellation dem Großwetterlagenmuster HNFz
(Hoch Nordmeer Fennoskandien zyklonal), einst ein Garant für "Winter". Mit
nordöstlichen Wind gelangen zu Jahresbeginn normalerweise kalte, also wirklich
kalte Luftmassen aus dem Osten bzw. Nordosten Europas zu uns, die Schlagworte
wie "knackige Kälte, eisiger Wind, strenger Frost etc.pp." assoziieren. Aber was
ist schon normal in der heutigen Zeit. Statt echter Frostluft strömt aktuell
eine "nasskalte Pampe aus Rudis Resterampe" zu uns, bei der man froh sein kann,
wenn die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt. Okay, ein wenig Winterstimmung
kommt zumindest in einigen Regionen Deutschlands auf, hat es doch vergangene
Nacht und auch tagsüber geschneit (vor allem Osten, Mitte, Südwesten). Aber wenn
man in den Senken des Rhein-Main-Gebiets bei 2-3°C plus Tag ein, Tag aus eine
meist geschlossene, mit "traumhaften" Grautönen kolorierte Wolkendecke bestaunen
darf, verwundert es nicht, dass einem ein mögliches Winterfeeling doch gehörig
abgeht. Nun gut, wenn wir alle etwas gelernt haben, dann das, dass Wetter kein
Wunschkonzert ist. Nehmen wir´s also sportlich nach dem Motto "et kütt wie et
kütt", was anderes bleibt uns nicht übrig.
In der Nacht zum Montag verbleiben wir unter einem großräumig angelegten
Höhentrog, dessen Drehzentrum sich in aller Gemütlichkeit über der Biskaya dicht
an der französischen Küste in Richtung Pyrenäen hangelt. Zwischen dem
Drehzentrum und einem vom Ostatlantik bis zum Europäischen Nordmeer reichenden
Höhenkeil wird bei uns eine schwache östliche Höhenströmung induziert, in der
kurzwellige Troganteile westwärts gesteuert werden. Einer dieser Anteile - es
handelt sich um das Exemplar, das im Potenzialfeld am augenscheinlichsten
daherkommt - nächtigt im Bereich RP/Saarland/Luxemburg, so dass man auf die Idee
kommen könnte, das dort sowie in der Nachbarschaft wettermäßig was geht.
Allerdings geben weder die Diagnosekarten irgendwelche Hinweise auf nennenswerte
Hebung, noch reagieren die Niederschlagsprognosen besonders auffällig.
Nichtsdestotrotz fällt im Südwesten noch etwas Schnee, der oberhalb rund 200 m
auch liegenbleibt, letztlich aber nur eine dünne Neuschneedecke von wenigen
Zentimetern generiert. Der Hauptniederschlag der kommenden Nacht tritt in einem
ost-west-orientierten Korridor auf, der vom Norddeutschen Tiefland bis in den
nördlichen Mittelgebirgsraum reicht. Akkumuliert über 12 h kommen dabei bis zu 5
l/qm zusammen, im Nordoststau des Harzes etwas mehr. Oberhalb 200-300 m bedeutet
das 2 bis 5 cm, im Harz bis zu 10 cm Neuschnee, aber auch weiter unten reicht es
gebietsweise für etwas Schnee oder Matsch. Am Nordrand des Niederschlagsgebiets
bleibt es aufgrund guter Durchmischung sowie des zunehmenden maritimen
Einflusses von der Ostsee her relativ warm, so dass es überwiegend regnet oder
nieselt. Auch die Schauer, die von der Ostsee her nach Ostholstein reindriften,
fallen in flüssiger Form. Zur Erinnerung, bei vergleichbaren Wetterlagen in der
Vergangenheit haben eben solche Schauerstraßen SH strichweise regelrecht mit
Schnee überhäuft, so dass die Schneehöhen mitunter höher waren als in Zermatt
oder Lech am Arlberg.
Okay, zurück zur Realität, und die besagt, dass es in Süddeutschland weitgehend
niederschlagsfrei bleibt, während es im Mittelgebirgsraum hier und da noch etwas
flöckelt oder nieselt (man bedenke, dass die Mitteltroposphäre von Süden her
mehr und mehr abtrocknet, was zumindest lokal die Gefahr von gefrierendem
Nieselregen birgt). In der Mitte und im Süden stellt sich leichter, im südlichen
Bergland auch mäßiger Frost ein, wohingegen es im Norden und Nordwesten, teils
aber auch im Osten frostfrei bleibt.
Nebel spielt aufgrund der weitgehend geschlossenen Wolkendecke keine große
Rolle, dafür gilt es noch den Wind anzusprechen, der an der See aus Nordosten
kommend weiterhin lebhaft unterwegs ist mit Böen 7-8 Bft, in Vorpommern
exponiert sogar mal 9 Bft.

Montag ... erreicht das Drehzentrum des Höhentrogs den Nordrand der Pyrenäen.
Auf der Nordostflanke schwächt sich die östliche Höhenströmung bei uns weiter
ab, so dass der o.e. Randtrog nur langsam in Richtung Benelux abzieht. Derweil
setzt sich über Nordeuropa der Druckanstieg fort, wodurch dem fennoskandischen
Hoch der Anschluss zum fetten Sibirienhoch gelingt. Mit etwas über 1035 hPa
verbleibt das Zentrum über Mittelnorwegen/-schweden. Ihm gegenüber steht nach
wie vor eine mehrkernige Tiefdruckzone gegen, die von Südwestfrankreich bis zur
Ägäis reicht. Interessanter und leicht pikanter, für uns aber eher irrelevanter
Nebenaspekt: Über Griechenland wird das erste "männliche" Tief 2021 geboren, das
den türkischen Vornamen AHMET trägt. Naja...
AHMET hin, ALEXANDER her, High-over-Low oder gerne auch HNFz bleiben Trumpf,
heißt, die Zufuhr mäßig kalter und feuchter Luftmassen von Nordosten her (T850
-3 bis -8°C) dauert an. Da aus dem Hoch geringfügig kältere Luft ausströmt,
steigen die Chancen, dass aus der weiterhin über der Ostsee aktiven
Schauerstraße auch mal ein Schneeschauer rausspringt. Wenn, dann wird es aber
sehr nasser Schnee sein, weil die Ostsee einfach zu warm ist.
Abgesetzt von den Schauern fällt auch zwischen Norddeutschem Tiefland und dem
nördlichen bzw. westlichen Mittelgebirgsraum zeitweise Niederschlag, der
tendenziell aber immer schwächer wird. Antreibendes Element ist leichte WLA,
induziert durch graduelles Rechtsdrehen des Windes von Nordost unten auf Ost bis
Südost oben. Anfangs fällt zumindest gebietsweise bis ganz runter Schnee, bevor
die Schneefallgrenze im Tagesverlauf auf 200 bis 300 m ansteigt. Darüber kommen
noch mal 1 bis 4 cm, im Harz punktuell vielleicht um 5 cm Neuschnee zusammen.
Weitgehend trocken bleibt es im äußersten Nordwesten sowie in weiten Teilen
Süddeutschlands, etwa südlich der Mainlinie. Lediglich vereinzelt fällt aus der
bis etwa 850 hPa (Inversion) reichenden tiefen Bewölkung etwas Schneegriesel
oder Nieselregen mit lokaler Glättegefahr. Während an der Nordsee die eine
Aufhellung oder andere Auflockerung möglich erscheint, muss man im Süden schon
hoch hinaus, um die Sonne zu Gesicht zu bekommen. Der Nordostwind bleibt an der
Küste prominent unterwegs mit Böen 7 Bft, anfangs exponiert 8 Bft. Wenig Neues
auch bei der Temperatur, die in den meisten Regionen die Spanne zwischen 0 und
+4°C abdeckt. Oberhalb 400 bis 600 m sowie punktuell im Süden herrscht leichter
Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag ändert sich die Großwetterlage kaum. Der Gradient im
Norden fächert etwas auf, so dass 7er-Böen an der Küste seltener werden. Im
Norden und in der Mitte kommt es noch zu zeitweiligen schwachen Niederschlägen
respektive von der Ostsee Schauern, die teils als Regen, teils als Schnee
fallen. Im Süden wird die Wolkendecke unter der zyklonal konturierten
Höhenströmung etwas angehoben (Inversion steigt auf rund 800 hPa), was
stellenweise etwas Schneegriesel oder auch gefrierenden Nieselregen zur Folge
hat.
Einmal mehr entpuppt sich die Temperaturprognose für die Nacht als regelrechter
Eiertanz. Frost oder kein Frost lautet die Gretchenfrage bei Temperaturen, die
dicht um den Gefrierpunkt herumwabern. Gut, im Süden sowie in den Mittelgebirgen
ist die Sache einigermaßen klar, sprich Frost ist wahrscheinlich. Sonst ist die
Angelegenheit aber nicht selten grenzwertig und vor dem Hintergrund der
Tatsache, dass die Wolkendecke überwiegend geschlossen bleibt, dürfte das
Thermometer in vielen Regionen knapp (häufig nur wenige Zehntel) oberhalb des
Gefrierpunkts zum Stehen kommen.

Dienstag ... tut sich weiterhin ziemlich wenig auf der Wetterkarte, wenn man mal
davon absieht, dass ein Tief vom Balkan her bis nach Polen vorstößt. Die daraus
resultierende Deformation des Druckfeldes lässt bei uns den Wind etwas
rückdrehen auf Nordost bis Nord, wodurch in den äußersten Norden etwas kältere
Luft (T850 -7/-8°C) advehiert wird. Darüber hinaus nimmt der Wind nach einer
mehrstündigen Pause ab dem Nachmittag an der Ostsee wieder zu mit Böen 7 Bft.
Ansonsten gestaltet sich der Tag einmal mehr grau in grau mit einer weitgehend
geschlossenen Wolkendecke. Aufhellungen oder gar Auflockerungen sind selten und
treten am ehesten in Nordseenähe, am Alpenrand sowie in einigen Hochlagen auf.
In den übrigen Regionen kommt es zeitweise zu leichten Niederschlägen, die
oberhalb 200 bis 300 m als Schnee, darunter meist als Regen oder Schneeregen
fallen. Die apostrophierten Mengen sind gering (meist unter 5 l/qm innert 12 h),
gleichwohl sind in den mittleren und höheren Lagen des Thüringer Walds,
vielleicht auch im Harz rund 5 cm Neuschnee möglich. In den meisten Fällen liegt
die Neuschneeakkumulation aber darunter.
An der Temperatur ändert sich wenig bis nix, höchstens im Norden wird es ein
"Mü" kälter als am Montag.

In der Nacht zum Mittwoch könnte etwas Abwechslung in die ansonsten relativ
monotonen Abläufe kommen, wenn nämlich das o.e. Tief von Südpolen über die Mitte
des Landes in Richtung Nordwesten zieht. Auf der Westflanke wird sowohl WLA als
auch PVA generiert, was synoptisch-skalige Hebung zur Folge hat. Entsprechend
greifen von unserem östlichen Nachbarland her skalige Niederschläge auf die
Regionen zwischen Erzgebirge und Ostsee über. Bei 850-hPa-Temperaturen um -6°C
dürfte trotz Durchmischung und einer gewissen Maritimität der Luftmasse Schnee
bis ganz unten fallen, zumal die Intensität z.T. mäßiger Natur ist. Ob der
Schnee dann auch überall liegen bleibt, ist eine andere Frage (ICON zeigt sich
diesbezüglich eher pessimistisch).
Fakt ist, dass sich der Gradient im Nordosten weiter verschärft und der
Nord-Nordostwind an der Ostsee in Böen Sturmstärke 9 Bft, mindestens aber
Windstärke 8 Bft erreicht. Fakt ist auch, dass es auch abseits der genannten
Gebiete im Osten mitunter noch leicht schneien kann. Mit Ausnahme einiger
Tieflagen (Nordosten, Küstennähe, west-südwestdeutsche Flusstäler) muss mit
leichtem, im Bergland lokal mäßigem Frost gerechnet werden, was jetzt aber keine
wirkliche Überraschung darstellt.

Mittwoch ... erreicht das Tief die bis Mittag die Grenze zu Vorpommern. Die
Schneefälle breiten sich noch etwas weiter nach Westen aus, wobei sie in
Küstennähe, wo der maritime Einfluss am stärksten ist, in Regen oder Schneeregen
übergehen. Gebietsweise werden von der Numerik Raten von 5 bis 10 l/qm binnen 12
h angeboten, was auf mäßige Intensität hindeutet und die Chancen auf eine dünne,
wenn auch matschige Schneedecke erhöht. Auf alle Fälle bleibt der Nordostwind an
der Ostsee zunächst noch spürbar in Fahrt (Böen 7-8 Bft), bevor im Tagesverlauf
mit Vorankommen des Tiefs Abschwächungstendenzen spürbar werden.
Im großen Rest des Landes wird man auch am Heiligen-Drei-Königstag vergeblich
auf direkten solaren Input verzichten müssen, es sei denn, man schimpft sich
Hans im Glück und es tut sich doch mal eine unerwartete Lücke auf. Eher sollte
man aber davon ausgehen, dass hier und da etwas Schnee oder Schneeregen fällt.
Die Temperatur erreicht - Achtung, Überraschung - Höchstwerte zwischen -1 und
+4°C. Mal sehen, wie lange das noch so weitergeht...


Modellvergleich und -einschätzung
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Nennenswerte Modellunterschiede offenbaren sich dem Betrachter nicht. Am ehesten
treten kleinere Diskrepanzen hinsichtlich der Niederschlagsverteilung und
-intensität auf. So simuliert beispielsweise IFS von heute früh 00 UTC im
Zusammenhang mit dem Tief über Polen weniger Schneefall als ICON und GFS. Hier
ist also noch nicht das letzte Wort gesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann