DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-01-2021 18:30
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.01.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Halbwinterliche Troglage - am Samstag leichter Zwischenhocheinfluss, ab Sonntag
von Osten her gebietsweise Schneefall oder Schneeregen, insbesondere in der
Mitte.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland inmitten eines umfangreichen Höhentrogs,
der sich von Nordeuropa bis hinunter nach Nordwestafrika erstreckt. Eingelagert
in den Trog sind zwei Hauptdrehzentren, von denen das eine über Südskandinavien
herumdümpelt, während das zweite in Manier eines Cut-Off-Tiefs von der Biskaya
in den Nordosten Spaniens zieht. Beide Höhentiefs haben einen Hang zu einer
dipolartigen oder sogar mehrkernigen Konfiguration, sprich, man findet immer
auch noch einen zweiten oder dritten Kern in der Potenzialdarstellung. Was das
Wettergeschehen bei uns angeht, ist das eher von akademischen Interesse,
allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass einer dieser Kerne über dem
westlichen Mittelmeer das Bodentief LISA aktiviert, das in den Frühstunden mit
rund 1000 hPa knapp westlich von Korsika zu finden ist.
Derweil füllt sich das mehrkernige Tief HERMINE im Bereich
Nordsee/Ostsee/Südskandinavien zunehmend auf bis auf etwas über 1010 hPa um 06
UTC. Zwischen den beiden Tiefs steigen Luftdruck und Potenzial im bzw. über dem
Vorhersageraum geringfügig an, wodurch eine schwache Brücke entsteht. Sie
verbindet das hochreichende Hochdruckgebiet ALEXANDER über dem nahen Ostatlantik
mit einem weiteren Hoch über Südosteuropa und sorgt bei uns für leichten
Zwischenhocheinfluss. Vor allem in der Mitte sowie im Südosten reißt die
Wolkendecke teilweise auf respektive bleibt es von vornherein gering bewölkt
oder klar. In der feuchten Grundschicht bildet sich gebietsweise Nebel mit
Sichtweiten von z.T. unter 150 m. Darüber hinaus sinkt die Temperatur in der
eingeflossenen erwärmten maritimen Polarluft (T850 mit Ausnahme Südostbayerns -3
bis -7°C) vielerorts in den leichten bis mäßigen Frostbereich. Dabei kann es
stellenweise glatt werden durch gefrierende Nässe oder Reif, vereinzelt auch
noch durch ganz schwachen, aber gefrierenden Niederschlag.
Etwas anders gestaltet sich das Wetter in Norddeutschland, wo auf der Südflanke
der schwächelnden HERMINE leichte WLA wirksam ist. Die resultierenden
Hebungsprozesse generieren ein relativ schmales Niederschlagsband, das von der
Deutschen Bucht via SH und den Hamburger Raum bis hinüber nach Vorpommern
reicht. Ganz im Norden von SH bleibt es wahrscheinlich trocken und in Folge
einiger Auflockerungen ist dort sogar leichter Frost möglich. Ansonsten liegt
die Temperatur aber meist über dem Gefrierpunkt und der Niederschlag fällt
überwiegend als Regen oder Nieselregen. Vor allem nach Osten hin, also
namentlich in Vorpommern, wo die Luft geringfügig kälter ist (sowohl T850 als
auch Feuchttemperatur und Taupunkt liegen etwas niedriger als weiter westlich)
kann es auch mal schneien, ohne dass es wahrscheinlich aber zu einer
nennenswerten Neuschneeakkumulation kommt. Für etwas Schneematsch mit Glätte
könnte es aber zumindest streckenweise reichen.

Samstag ... verringert der Höhentrog seine Breite, weil er sowohl vom
Ostatlantik als auch von Südosteuropa her durch zwei Rücken in die Zange
genommen wird. Zwar verbleiben wir auf den ersten Blick unter dem Trog,
allerdings kräftigt sich die Potenzialbrücke zwischen den beiden Rücken etwas,
und auch am Boden steigt der Luftdruck noch weiter an. Während das dem
Mittelmeertief LISA wenig bis nichts ausmacht - es hält sich tagsüber mit rund
1000 hPa unweit von Korsika -, hat Kollegin HERMINE merklich mit dem auf sie
ausgeübten (Hoch)Druck zu kämpfen. Zwar findet man das Tief zur Mittagszeit noch
rudimentär knapp nördlich des Vorhersageraums, bevor es im weiteren Verlauf von
den Wetterkarten verschwindet.
Eine Mitschuld daran trägt die einsetzende Antizyklogenese über Norwegen und
Schweden, wo der Luftdruck kontinuierlich steigt auf etwas über 1025 hPa zum
Tagesende. Das dabei entstehende Hoch markiert quasi den Fortsatz des
Atlantikhochs ALEXANDER, weshalb es den Namen ALEXANDER II erhält.
Wettertechnisch verläuft der morgige Bundesligasamstag - ja, ja, ein Novum, dass
bereits am 2. Januar bei uns schon wieder gekickt wird - in ruhigen Bahnen. Das
quasistationäre Niederschlagsband im Norden schwächt sich zusehends ab und
abseits davon fällt zumindest tagsüber kein Niederschlag. Da die Grundschicht
unterhalb einer mehr oder weniger gut ausgeprägten Inversion zwischen 850 und
800 hPa aber weiterhin ziemlich feucht bleibt und auch kaum durchmischt wird,
dürfte der Wettercharakter in weiten Teilen des Landes ein stark bewölkter bis
bedeckter, teils auch neblig trüber sein. Ganz sollte man die Hoffnung aber nie
aufgeben, vor allem in der Mitte und im Süden kann es hier und da mal auflockern
bzw. die höchsten Erhebungen aus der grauen Nebel- und Hochnebelsoße
herausragen.
Zwar spielt der Wind morgen von seiner Intensität her keine prominente Rolle.
Gleichwohl gilt es festzuhalten, dass er bis zum Abend im ganzen Land auf Ost
bis Nordost dreht, nachdem er bis zum frühen Nachmittag in weiten Teilen
Norddeutschlands noch aus Süd bis Südwest kam.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 1 bis 5°C mit den Spitzen im Westen und
Nordwesten. Im Bergland oberhalb 500 m (außer im Süden und Osten Bayerns, wo
sich niedertroposphärische WLA (Anstieg T850 auf rund 3°C) bemerkbar macht)
sowie in einigen Niederungen Süddeutschlands hält sich leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Sonntag verstärkt sich der Hochdruckeinfluss über Skandinavien
auf knapp 1030 hPa am frühen Morgen, wohingegen Tief LISA südlich der Alpen
etwas an Substanz einbüßt. In der Summe nehmen Gradient und Nordostwind etwas
zu, ohne dabei aber in warnkritische Dimensionen zu rutschen. Lediglich auf dem
Blocksberg im Harz könnten vereinzelte 8er-Böen am frühen Morgen erste
(Nacht)Wanderer anlocken.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die WLA auf der Nordflanke des Tiefs
weiter nach Norden ausgreift, wodurch die überwiegend tiefe Bewölkung bei uns
etwas gehoben wird. Die Folge ist insbesondere in der Mitte und im Süden
gebietsweise leichter Schneefall oder Schneegriesel, lokal ist in der
unterkühlten und feuchten Grundschicht ohne Eiskeime aber auch gefrierender
Nieselregen denkbar. Viel Niederschlag fällt nicht, d.h. dort, wo etwas
runterkommt, bildet sich nur eine sehr dünne Schneedecke aus respektive gibt es
etwas Schneematsch.
Im Norden und Westen sowie in der westlichen Mitte verläuft die Nacht häufig
trocken, lediglich in Küstennähe sowie etwas landeinwärts kann es hier und da
noch etwas regnen/nieseln oder schneien. Die Temperatur geht verbreitet in den
leichten bis mäßigen Frostbereich zurück, einzig im Norden bleibt es
gebietsweise frostfrei.

Sonntag ... steigt die Spannung. Am östlichen Rand des Höhentroges liegend
befindet sich Deutschland nunmehr in einer High-over-Low-Konstitution mit leicht
Vb-artigem Touch. Was ist damit gemeint? - Nun, das Hoch über Skandinavien
verstärkt sich noch etwas auf über 1030 hPa im Zentrum. Gleichzeitig schwächt
sich Tief LISA südlich der Alpen zwar weiter ab, bleibt schlussendlich aber auf
den Wetterkarten erhalten, so dass guten Gewissens von "HoL" gesprochen werden
kann. Auf der Nordflanke des Tiefs bildet sich im Bereich der Alpen ein flaches
Tief, das bis nach Tschechien zieht (deswegen Vb-artig), von wo es wegen der
blockierenden Wirkung des Nordeuropahochs aber nicht weiterkommt.
Fakt ist, dass bodennah der Nordostwind insbesondere in der Nordhälfte
allmählich zunimmt, was der Küste zum Abend hin die ersten Böen 7 Bft bringt.
Wichtiger aber ist, dass mit dem Nordostwind relativ kalte Luftmassen advehiert
werden, während in der Höhe mit Winddrehung über Ost auf Südost sich
verstärkende WLA greift, wodurch günstige "Aufgleitvorgänge" vorherrschen. Im
Grunde werden in der Höhe Luftmassen aus dem zentralen und östlichen
Mittelmeerraum in das Zirkulationsmuster eingesteuert, was schlussendlich zu
stratiform geprägten und teils länger andauernden Niederschlägen führt.
Betroffen ist - bei aller regionalen Unsicherheit, die die Modelle derzeit noch
ausstrahlen - ein Streifen, der von Sachsen und BBs sowie Teilen Frankens über
die Mitte hinweg bis in den Südwesten reicht. Dort sollen akkumuliert über 12 h
bis zu 5 l/qm, in einigen Staulagen wie z.B. im Thüringer Wald auch etwas mehr
Niederschlag zusammenkommen.
Stand heute wird das meiste davon als Schnee fallen, was aber nicht heißt, dass
dieser auch überall liegenbleibt (die Vorgeschichte passt nicht, häufig sind die
Böen schlichtweg zu warm). Auf alle Fälle fällt die niedertroposphärische
Erwärmung moderat aus mit T850-Spitzen von rund -3°C, was bei 2m-Temperturen um
den Gefrierpunkt auf die feste Phase hindeutet. Allerdings könnte gerade im
östlichen und nordöstlichen Bereich des Niederschlagsgebiets die einsetzende
Durchmischung die Rolle des "Spielverderbers" einnehmen und den Schnee in
Schneeregen oder Regen übergehen lassen. Oberhalb etwa 200 m wird es aber für
eine 1 bis 5 cm dicke/dünne Schneedecke reichen, in den östlichen zentralen
Mittelgebirgen punktuell auch etwas darüber.
Weitgehend trocken bleibt es im Süden und Südosten Bayerns, im Süden BWs sowie
in weiten Teilen Nord- und Nordwestdeutschlands. Große Hoffnung auf Sonne
besteht allerdings nicht, am ehesten sind ein paar sporadische Aufhellungen oder
-lockerungen in Küstennähe sowie unmittelbar an den Alpen vorstellbar.
Die Tageshöchstwerte liegen zwischen -1 und +3°C, Richtung Küste etwas darüber.


In der Nacht zum Montag dauert die nordöstliche Strömung unterhalb des
Höhentrogs an, wobei das streng genommen nur für den Norden und die Mitte gilt.
Im Süden geht der Gradient so weit in die Knie, dass der Wind einschläft und
keine eindeutige Richtung mehr angegeben werden kann. Dagegen wird´s an der
Küste regelrecht ruppig mit Böen 7 Bft, an der Ostsee exponiert sogar 8 Bft.
Das Gebiet mit den überwiegend als Schnee auftretenden Niederschlägen verlagert
sich etwas nach Norden, bleibt wahrscheinlich aber noch fernab der Küste.
Gebietsweise kommen um 5 l/qm Niederschlag innert 12 h zusammen, lokal (z.B. im
Harzstau) auch etwas mehr, was unter dem Strich ein mehrere Zentimeter dicke
Neuschneedecke und entsprechende Glätte auf den Straßen zur Folge hat. In tiefen
Lagen ist es zum Teil aber nur "Matsch" und insbesondere im nördlichen und
nordöstlichen Teil des Niederschlagsgebiets ist aufgrund der weiterhin soliden
Durchmischung auch Regen oder Schneeregen möglich. Weitgehend trocken bleibt es
im äußersten Norden und Nordwesten sowie im Süden, auch wenn GFS ein Herz für BW
hat und dort nicht nur tagsüber, sondern auch nachts Schneefall simuliert.
Die Nachttemperatur liegt im Niederschlag meist um den Gefrierpunkt. Südlich
davon steht leichter, im Bergland z.T. auch mäßiger Frost auf der Karte,
wohingegen es weiter nördlich gebietsweise frostfrei bleibt.

Montag ... wird der Höhentrog in seinem Nordteil durch einen vom Ostatlantik
respektive dem Nordmeer nach Osten vorstoßenden Höhenkeil abgebaut bzw. Richtung
Nordwestrussland abgedrängt. In seinem Südteil bleibt der Trog erhalten, wobei
das Hauptdrehzentrum von der Biskaya nach Nordostspanien zieht.
Im Bodendruckfeld hält sich südlich der Alpen tiefer Luftdruck (was angesichts
von etwas unter 1010 hPa freilich relativ ist), wobei aber kein eindeutiger Kern
auszumachen ist. Über Skandinavien hingegen verstärkt sich das Hoch auf über
1035 hPa, so dass bei uns der schwache bis mäßige, im Norden und Nordwesten
teils frische Nordostwind erhalten bleibt. An der Küste muss dabei weiterhin mit
Böen 7 Bft, ganz vereinzelt 8 Bft gerechnet werden.
Wettertechnisch kommt es in der polaren Luftmasse (T850 -3 bis -7°C)
insbesondere im Norden und in der Mitte zu weiteren Regen- und Schneefällen, die
im Wesentlichen WLA-getriggert sind und im Tagesverlauf schwächer werden. Wo
genau die Übergangszone von fest in flüssig liegt, lässt sich aus heutiger Sicht
schwer vorhersagen. Mal abgesehen, dass das Ganze ohnehin Spitz auf Knopf
angelegt ist, sind auch einfach die Niederschlagsprognosen noch zu ungenau
(räumliche Verteilung, Intensität). Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass je
stärker Wind und Durchmischung ausfallen, desto wahrscheinlicher die flüssige
Phase.
In den äußersten Norden und Nordwesten gelangen die Niederschläge wahrscheinlich
nicht und auch im Süden bleibt es im Großen und Ganzen trocken. Chancen auf
etwas Sonne sind aber nur am Alpenrand sowie im südlichen Vorland gegeben.
Mit Tageshöchstwerten von -1 bis +4°C ändert sich nur wenig gegenüber den
Vortagen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Grundsätzlich sind sich die Modelle einig, was die Basisfelder wie Potenzial,
Druck und Temperatur angeht. Differenzen ergeben sich am ehesten im Hinblick auf
die erwarteten Niederschläge, was im Text ja bereits angedeutet wurde. Dabei
spielen nicht nur regionale Gesichtspunkte eine Rolle (vor allem GFS hat den
Hang, den Schneefall vom Sonntag weit in den Südwesten bis nach BW vorankommen
zu lassen), auch die Rezeptur "bodennahe Kaltluft am Boden (um 0°C) mit
relativer! Warmluft in der Höhe gepaart mit mehr oder weniger Wind" macht die
Prognose nicht einfacher.
Grundsätzlich lässt sich aber konstatieren, dass vornehmlich die östlichen
zentralen Mittelgebirge einen Neuschneezuwachs von 10 oder auch mehr Zentimeter
erwarten dürfen. Aber auch einige tiefe Lagen bekommen die Chance, zumindest mal
am Winter zu schnuppern, sei es durch eine dünne Schneedecke, etwas Schneematsch
oder einfach nur fallende Flocken ohne "Liegenbleibpotenzial" .


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann