DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-12-2020 18:01
SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 31.12.2020 um 18 UTC

Gruß aus der Wetterküche:
Das Team der Vorhersage- und Beratungszentrale des DWD wünscht Ihnen, liebe
Leser*innen, alles Gute und Gesundheit im neuen Jahr 2021. Und hoffentlich
weiterhin viele Erkenntnisse beim Schmökern in der "Synoptischen Übersicht"!

Markante Wettererscheinungen:
Heute Nacht gebietsweise Schneefall, im Schwarzwald mäßiger Schneefall. Im neuen
Jahr zunächst nachlassende Niederschlagsneigung, meist ruhig, trüb und mäßig
kalt.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland inmitten eines umfangreichen
Langwellentroges, in den mehrere kleine Höhentiefzentren eingelagert sind. HT1
(am Boden Hermine) befindet sich über Jütland und dem Skagerrak, mit etwas mehr
Höhenkaltluft ist HT2 ausgestattet, das von England nach Frankreich schwenkt und
auf seiner Vorderseite Bodentief Julia steuert. Ein weiterer Höhentiefkern eiert
über der Norwegischen See herum. Auch wenn sich die Barometer hierzulande schon
wieder etwas erholt haben, so sind wir bodennah trotzdem noch inmitten eines
gewaltigen Tiefdrucksumpfes, in dem sich HT1 und HT3 direkt am Boden abbilden,
wohingegen Julia in diesen Stunden unter leichter Auffüllung über Ostfrankreich
schwenkt. Auf der Bodenwetterkarte sind nur wenige Isobaren zu finden, so dass
die vorwiegend um Süd wehenden Winde überwiegend schwach sind. Das Wetter wird
vor allem von Julia bestimmt (ist ja auch logisch, sie war ja heute im
Frühdienst), nämlich durch WLA und etwas PVA an ihrer Vorderseite, wo sich ein
etwas zerfleddertes Niederschlagsgebiet gebildet hat. Bei 850-hPa-Temperaturen
meist um -5 Grad und nur recht schwacher Durchmischung reicht es oft bis in
tiefere Lagen zu nassem Schnee, nur unterhalb 200 m ist es oft Regen, vor allem
in der Norddeutschen Tiefebene, respektive der Rheinisch-Westfälischen Bucht.
Ein weiteres Band mit schauerartigem Regen schwenkt im Bereich von Bodentief
Hermine südwärts und bringt vor allem in Schleswig-Holstein etwas Regen. Wenig
los beim Wetter ist dagegen im Osten und Südosten, wo heute sogar länger die
Sonne geschienen hat.

In der Neujahrsnacht soll Bodentief Julia von Frankreich Richtung
Mitteldeutschland schwenken, sich dabei aber auflösen. Der über Frankreich
weiter südwärts vorankommende Bodentrog konzentriert seine Hebungsprozesse auf
das Gebiet der Biskaya und Westfrankreichs, wo sich ein neues (namenloses)
Bodentief bildet. Zudem stößt über Westeuropa auch der gesamte Langwellentrog
weiter gegen das Mittelmeer vor, so das vor der katalonischen Küste ein weiteres
Tief geboren wird, das mit "Lisa" noch einen 2020er Namen erhalten soll. Für
unser Wetter zeichnen sich aber zunächst weiter Julia und Hermine verantwortlich
mit Regen- und Schneefällen, die sich vom Südwesten über die Mitte bis in den
Nordosten ausdehnen, aber immer schwächer werden. Im Südwesten zieht allerdings
in der zweiten Nachthälfte noch einmal ein neues Niederschlagsband auf. Oft
fällt dann auch bis in die tiefsten Lagen Schnee, an den Küsten bleibt es
dagegen meist noch bei Regen. Bei Temperaturen, die meist um den Gefrierpunkt
liegen, kann es dann in den genannten Regionen auch vielerorts glatt werden
durch Schneematsch und überfrierende Nässe. Nennenswerte Neuschneeakkumulationen
beschränken sich auf die Mittelgebirge, wo aber ab heute Abend meist auch nicht
mehr mehr als 5 cm hinzukommen, lediglich im Schwarzwald können es nochmal bis
zu 10 cm sein, weshalb dort auch die markante Schneefallwarnung gilt. Des
Weiteren kommen auch Hermines Regenfälle noch etwas nach Süden voran und
erreichen auch Ostfriesland. Meist fällt Regen oder sehr nasser Schnee, wo die
Temperatur aber vorübergehend mal auf 0 Grad abgesunken ist, kann es auch dort
glatt werden. Im Südosten ist das Wetter ruhig und gebietsweise auch gering
bewölkt, so dass dort die Temperatur teils sogar bis in den mäßigen Frostbereich
abrutschen kann. À propos "Rutschen": Das ist ja insbesondere in der
Neujahrsnacht sehr beliebt und kann im Südosten örtlich durch Reifglätte
ermöglicht werden. Somit sind Rutschbedingungen in sehr vielen Landesteilen
gegeben. Noch kurz zum Wind: Da zunehmend Hermine das Druckfeld dominiert,
drehen die zumeist schwachen Wind eher auf westliche Richtungen. Über den Alpen
ist noch eine etwas stärkere Südwestströmung auszumachen, die mitunter auf
höheren Gipfeln des westlichen deutschen Alpengebiets mal einzelne Sturmböen zur
Folge hat.

Am Freitag (Neujahr) ... reißt der Langwellentrog allmählich auseinander und es
kristallisieren sich zwei Höhentiefschwerpunkte heraus: Einer über der Biskaya,
ein weiterer mit mehreren Kernen über Skandinavien. Unter letzterem,
insbesondere im Bereich Nordsee-Südskandinavien bleibt der nun sehr flache
Tiefkern Hermine zurück. Dagegen ist Lisa im westlichen Mittelmeer auf Ostkurs.
Vom Balkan her schiebt sich ein Rücken nach Nordwesten und lässt das
Geopotential bei uns etwas steigen. Damit lassen die Niederschläge in den
meisten Landesteilen im Tagesverlauf weiter nach. Die Schneefallgrenze liegt je
nach Niederschlagsintensität meist wieder zwischen 200 und 500 m, ganz im
Nordosten vielleicht auch mal etwas tiefer. Die Glättegefahr nimmt dabei
tagsüber wieder deutlich ab, nennenswerte Neuschneeakkumulation gibt es
allenfalls oberhalb von 500 m und auch dort sind es meist nur bis zu 3 cm.
Durchaus 5 bis 10 mm Regen kann es in Teilen von Schleswig-Holstein geben.
Vielerorts bleibt es am Neujahrstag aber auch trocken und vor allem Richtung
Südosten kann auch etwas die Sonne hervorspitzen, allerdings bei weitem nicht
mehr in dem Ausmaß wie heute. Unter dem Einfluss des leichten
Geopotentialanstiegs und wegen der beiden Tiefs im Norden und Süden, bildet sich
über Deutschland eine schwache Hochdruckbrücke, so dass es im Norden bei den
meist schwachen Winden um Südwest bleibt, im Süden dagegen der noch etwas
schwächere Wind auf nördliche Richtungen dreht. Die Höchstwerte liegen wie heute
meist wieder zwischen 0 und 5 Grad.

In der Nacht zum Samstag verstärkt sich Tief Lisa weiter und zieht Richtung Golf
von Genua. Das merkt man im Südwesten Deutschland an etwas auffrischendem
Nordostwind. Die Hochdruckbrücke liegt weiter zonal über der Mitte des Landes,
während sich im Norden Hermine allmählich von den Wetterkarten verabschiedet und
damit auch der Südwestwind schwächer wird. Auch der Regen über dem Norden
Deutschlands schwächt sich weiter ab. Bei Temperaturen, die dort auch wieder
nahe dem Gefrierpunkt liegen, muss man bezüglich Schnee und Glätte etwas
aufpassen. In der Mitte und im Süden lockern die Wolken gebietsweise auf, so
dass dort die Temperatur verbreitet in den leichten Frostbereich sinken kann.
Viel Feuchte und windstille Verhältnisse sorgen vor allem in der Mitte für die
Ausbreitung von Nebelfeldern, aber auch für Reifglätte bzw. überfrierende
Nebelnässe. Nach Süden zu ist bei etwas trockenerer Luftmasse und etwas mehr
Wind die Nebelneigung und auch die Glättegefahr etwas geringer. Zumindest in
schneebedeckten Gebieten, sowohl in den Mittelgebirgen als auch in den Alpen,
kann die Temperatur auch in den mäßigen Frostbereich absinken.

Am Samstag ... zieht es den Langwellentrog weiter auseinander und von Südosten
her verstärkt sich der schwache Rücken bei uns weiter. Das Tief Hermine ist
endgültig aufgefüllt, so dass sich die ursprüngliche schwache Hochdruckbrücke
einem Hoch über dem Atlantik angliedert, das auch schon Skandinavien vereinnahmt
hat. Dagegen zieht Lisa weiterhin über dem Golf von Genua ihre Kreise. Das hat
südlich der Alpen Regen und Schnee zur Folge, bei uns dagegen merkt man nicht
mehr als einen leicht aufgefrischten Wind im Südwesten. Ansonsten weht der meist
auf östliche Richtungen drehende Wind äußerst schwach. Ebenso schwach sind auch
die allerletzten Niederschläge, die sich über dem Norden Deutschlands allmählich
auflösen und wo tagsüber keine Glättegefahr bestehen sollte. Dort bleibt die
Bewölkung aber weiterhin dicht. Ansonsten ist der Himmel über den höheren
Berglagen oft nur gering bewölkt, während in tieferen Lagen alle Arten von
tiefer Bewölkung vorkommen, sowohl zähe Nebel- und Hochnebelfelder als auch
teilweise noch vorhandene etwas höhere Stratocumulusfelder. Damit ist im
Tiefland nicht auf viel Sonne zu hoffen. Zudem nimmt auch die Durchmischung ab,
so dass sich die Temperatur tagsüber kaum noch erwärmt und vor allem in der
Südhälfte nicht mehr weit über die 0-Grad-Marke kommt. Etwas milder wird es im
Norden.

In der Nacht zum Sonntag gelangt am Randes des Nordatlantischen Hochs ein
weiterer Höhentiefkern mit einiger Kaltluft weiter nach Süden und füttert im
weiteren Verlauf den südlichen Höhentiefkern. Dieser Prozess findet aber
nordwestlich und westlich unseres Landes statt, so dass er keine direkten
Auswirkungen auf unser Wetter hat. Der Hochschwerpunkt verschiebt sich aber
zunehmend nach Skandinavien. Damit nehmen im Laufe der Nacht in allen
Landesteilen die Winde aus Nordost etwas zu. Tief Lisa verharrt weiterhin vor
allem südlich der Alpen und bringt dort weiter Regen und Schnee. Ihre WLA greift
aber zunehmend nach Norden aus, was zum einen etwas höhere Bewölkung über den
Alpen und Süddeutschland zur Folge hat, zum anderen aber auch die tiefen Wolken
über weiten Landesteilen etwas anheben könnte. Darauf reagiert ICON-EU im Süden
und Osten mit etwas geringem Schneefall oder Schneegriesel, aus der flachen
Bewölkung könnte aber durchaus auch gefrierender Sprühregen fallen. Auch im
Norden wird noch etwas Niederschlag simuliert. Ansonsten bleibt es aber bei
meist geschlossener Bewölkung vielfach trocken. Die Tiefstwerte werden fast
überall im leichten Frostbereich erwartet, in höheren Mittelgebirgslagen kann es
auch mäßigen Frost geben.

Am Sonntag ... Am Sonntag erfasst das WLA-Gebiet fast ganz Deutschland, so dass
fast überall die tiefe Bewölkung etwas gehoben wird, aber auch zunehmend in
höheren Schichten Wolken entstehen, womit sich aus der hochreichenden Bewölkung
zum einen der Niederschlag leicht intensiviert, zum anderen aber wieder Schnee
entsteht, der vielfach auch am Boden ankommt, denn im gesamten Osten, Süden und
in den Mittelgebirgen liegen die Höchstwerte um den Gefrierpunkt. Nur im
Nordwesten wird es noch etwas milder. Da sich das Skandinavienhoch noch etwas
verstärkt, gleichzeitig aber Lisa die Puste ausgeht, nimmt der Nordostwind im
Norden etwas zu und erreicht an einzelnen nordostexponierten Küstenabschnitten
vielleicht sogar in Böen Beaufort 7, wohingegen im Süden der Wind abnimmt. Auf
Sonne braucht man bei dieser Konstellation kaum zu hoffen, so simuliert MOSMIX
auch fast nirgends mehr als 10%, lediglich in den Alpen besteht Hoffnung auf
etwas Sonne, wenn sich die hochreichende Bewölkung etwas nach Norden verschiebt.



Modellvergleich und -einschätzung
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Zunächst unterscheiden sich vor allem die Niederschlagsprognosen im Norden etwas
zwischen den Modellen. Nach IFS soll der meiste Niederschlag deutlich weiter
nördlich fallen. Noch unterschiedlicher ist die Behandlung des Tiefs Lisa, das
nach IFS und GFS ab der Nacht zum Sonntag etwas stärker simuliert wird als bei
ICON und auf Vb-artiger (noch weiter nach Westen abdriftend) Richtung
Deutschland ziehen soll. Damit wären erheblich stärkere Niederschläge zu
erwarten, zunächst als Schnee bis in tiefe Lagen, später mit der Zufuhr milderer
Luft von Südosten her auch Regen. Hier muss noch etwas abgewartet werden, wie
die Lage sich entwickelt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann