DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-12-2020 10:01
SXEU31 DWAV 300800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 30.12.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TM
Silvester von Westen etwas Schnee und Regen, sonst leicht wechselhaft. Nächte
abgesehen vom Norden frostig mit Glätte.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Mittwoch... dominiert über weiten Bereichen Europas weiterhin ein umfangreicher
Langwellentrog. Dieser weist heute Vormittag zwei Drehzentren auf - eines über
Schottland und ein anderes über Dänemark. Beide verlagern sich heute tagsüber
nur unwesentlich. Zudem umrunden den Trog zahlreiche mehr oder weniger
ausgeprägte Wellen, wobei eine in Form eines vergleichsweise scharfen Troges vom
Finnischen Meerbusen zügig nach Norden geführt wird und ein zweiter, breit
konturierter Trog über Mittel- und dem zentralen Südeuropa platziert bleibt.
Abends läuft eine weitere Welle von Island nach Irland ziehend in die Westflanke
des Langwellentroges rein und mausert sich in der Folge zur neuen Trogachse.
Im Bodendruckfeld manifestiert sich der umfangreiche Tiefdruckwirbel über
Skandinavien durch zahlreiche kleinere Teiltiefs, sodass es bereits HERMINE I
und II gibt. Die tagsüber in die Westflanke des Troges reinlaufende Welle
induziert über Irland und der Irischen See zunehmend ein eigenständiges
Bodentief mit dem Namen JULIA, das in der Folge auch unser Wetter beeinflussen
wird.

Nach einem im Osten und Südosten teils aufgelockerten, im Südosten gebietsweise
auch dunstig/nebligen Start mit leichtem Frost zwischen 0 und -4 Grad (in
einigen Gebirgstälern auch etwas darunter) verläuft der Tag hier auch meist
freundlich und trocken. Einzig entlang der östlichen zentralen Mittelgebirge
kann besonders im Nachmittagsverlauf der eine oder andere Schnee- oder
Regenschauer auftreten. Zwischen Erzgebirge und Berlin wird es mit +4 bis +7
Grad recht mild, während die Temperatur zwischen Thüringer Wald und Niederbayern
dank hartnäckiger Dunstfelder/dichterer Wolkenfelder kaum die 0 Grad-Marke
übersteigt.
Ansonsten macht sich im gesamten Westen und über der Mitte die zentrale Lage
unterhalb der Trogachse bemerkbar, wo schwache Hebungsimpulse gekoppelt mit
etwas diabatischem Input im Tagesverlauf zahlreiche schwache Regen- oder
Schneeschauer hervorrufen, die ostwärts ziehen. Bei einer Schneefallgrenze um
400 m fällt bevorzugt im Bergland etwas Schnee bzw. gefrierender Sprühregen, der
dürfte jedoch erst oberhalb von rund 800 m, im Süden oberhalb von 600 m lokal
für etwas Glätte sorgen dank Höchstwerten um 0 Grad. In etwas stärkeren
Niederschlagskernen kann die Schneefallgrenze jedoch temporär bis in tiefere
Lagen abfallen. Insgesamt aber fällt die Labilität mau aus, es gibt keinen
offensichtlichen Hebungsimpuls und eine schwache Inversion in 750 hPa dämpft
zusätzlich die Intensität dieser Schauer.
Allerdings gibt es eine Ausnahme. Eine schwach ausgeprägte Welle bzw. ein daran
gekoppelter "Vorticityschlauch" dürften im Nachmittagsverlauf die Niederschläge
zwischen Niederrhein und Bergischem Land/Eggegebirge etwas besser organisieren
und intensivieren, sodass besonders im Bergland nachmittags und abends teils
längere Zeit Schnee fallen dürfte. Im Median zeigen die Ensembleverfahren nur
wenige Zentimeter Neuschnee, jedoch mit zunehmender Glättegefahr. Die
Höchstwerte liegen in diesen Bereichen je nach Niederschlagsverteilung und Höhe
zwischen 0 und +6 Grad.

Bleibt noch Schleswig-Holstein zu nenne, wo heute im Einflussbereich einer
herumgeholten Okklusion bei +3 bis +6 Grad wiederholt Niederschläge mäßiger
Intensität durchziehen, die in der Fläche 5-10 l/qm Nass bringen, strichweise
auch etwas mehr. Der Südwestwind weht deutschlandweit schwach aus Südwest mit
einzelnen Sturmböen auf dem Brocken. Einzig im Küstenumfeld können exponiert
einzelne steife Böen Bft 7 aus West (Deutsche Bucht) bis Südwest (Ostsee)
auftreten, letztere dank ablandiger Komponente eher nicht warnwürdig.


Abends und in der ersten Nachthälfte steht weiterhin der Bereich Bergisches
Land-Eggegebirge etwas im Fokus, wo sich leichte bis mäßige Niederschläge
stauen, die noch wenige Zentimeter Neuschnee und Glätte bringen können.
Ansonsten driften in der schwachen westlichen Strömung die Schnee- und
Regenschauer unter Abschwächung nach Osten, wobei die Niederschläge entlang der
Mittelgebirge und in Bayern zunehmend in Schnee übergehen. In diesen Bereichen
muss mit Glätte durch überfrierende Nässe, gebietsweise auch durch etwas
Neuschnee gerechnet werden. In Schleswig-Holstein klingen die Niederschläge
ebenfalls ab und über Süddeutschland dreht die Höhenströmung etwas mehr auf Süd,
sodass durch leichtes Absinken und Abtrocknung zwischen 600 und 800 hPa die
Nacht teils klar verläuft. Entsprechend sinken im Süden die Temperaturwerte in
den leichten, am Alpenrand auch in den mäßigen Frostbereich bis -8 Grad und in
einzelnen Alpentälern kann auch lokal strenger Frost unter -10 Grad nicht
ausgeschlossen werden. Ansonsten liegen die Tiefstwerte zwischen Saarland und
Oder meist nur wenig unter 0 Grad, im gesamten Norden und Nordwesten etwas über
Null Grad.

Im Verlauf der zweiten Nachthälfte macht sich dann von Frankreich und Belgien
zunehmend positive Schichtdickenadvektion/WLA der nahenden Welle und des sich
entwickelnden Bodentiefs JULIA in Form dichter Bewölkung bemerkbar, wobei
zwischen Eifel und Saarland ausgangs der Nacht leichte Schneefälle einsetzen,
die in tiefsten Lagen auch als Schneeregen fallen. Dabei liegt die
Schneefallgrenze bei rund 200-300 m. Auf jeden Fall wird es hier verbreitet
glatt.

Donnerstag... (Silvester) erreicht die Welle den Ärmelkanal und intensiviert
sich über dem Nordosten von Frankreich und Benelux in ein eigenständiges
Höhentiefzentrum, während JULIA als stabiles Bodentief über Nordostfrankreich
nach Belgien geführt wird und dort unter leichter Auffüllung in Verbindung mit
einem weiteren Tief über der Deutschen Bucht tritt bzw. im Tiefdrucksumpf
aufgeht und eine ausgeprägte Bodentiefdruckrinne über Benelux und Frankreich
bildet.
Das bedeutet, dass die Hebung von Westen ganztags andauert, jedoch schwächer
wird. Cross sections durch das Bodentief bzw. späteren Bodentrog zeigen keine
klar definierte Frontogenese oder Hebungsimpulse in der kristallbildenden
Schicht. Der Niederschlag breitet sich bis zum Abend nord- und ostwärts aus und
erfasst eine Region zwischen Teutoburger Wald - Spessart und Schwäbische Alb.
Die vergleichsweise kräftigsten Niederschläge werden zwischen Eifel und Saarland
erwartet, wo oberhalb von rund 400-500 m 4-8 cm Neuschnee fallen, einzelne
Member deuten in Staulagen lokal auch etwas über 10 cm an. Dabei kann die
Schneefallgrenze im kräftigsten Niederschlag auch bis in tiefe Lagen sinken und
auch dort etwas Neuschnee bringen. Nach Osten zu nehmen die Mengen ab und dank
des Tagesgangs dürfte die Schneefallgrenze eher zwischen 500 und 600 m zu finden
sein, nach Süden zu sogar noch etwas höher. Winterliche Straßenverhältnisse und
verbreitet Glätte werden sicherlich zwischen Eifel-Saarland und Bergischem Land
bis zur Mittagszeit überall ein Thema sein und sich sonst eher auf die mittleren
Berglagen beschränken. Regional kann aber z.B. in Hessen durch orografische
Verstärkung auch in tiefen Lagen Glätte auftreten. Warntechnisch eine undankbare
Aufgabe.
Im Südosten und gesamten Osten scheint hingegen zeitweise die Sonne neben
ausgedehnten Wolkenfeldern und es bleibt trocken. Mit 0 bis 4 Grad bleibt es
aber auch hier frisch, im Bergland muss allgemein mit leichtem Dauerfrost
gerechnet werden.
Der Wind weht im Tiefland meist schwach bis mäßig aus Südost, frischt im
Küstenumfeld zeitweise etwas stärker auf (Bft 6-7) und weht auf dem Brocken
stürmisch. Mit dem Rückdrehen und dem von Nordwesten nahenden Trog nimmt am
Alpenhauptkamm im Tagesverlauf leicht föhnig die Gefahr von Sturmböen aus
Südwest zu.


In der Nach zum Freitag löst sich JULIA über Deutschland auf und geht in ein nun
umfangreiches, aber seichtes Bodentief über, das sich von der Deutschen Bucht
bis nach Niedersachsen erstreckt. Das bedeutet ein weiteres Verwaschen der
Hebungsvorgänge in der Höhe, sodass der Fokus im Umfeld der sich auflösenden
JULIA liegt. Abgesehen vom Osten und Südosten fällt somit leichter Niederschlag
mit teils längeren Unterbrechungen. Die Schneefallgrenze pendelt dabei von West
nach Ost zwischen 200 und 600 m. Glätte durch etwas Neuschnee sollte jedoch erst
ab 400-500 m ein Thema sein, darunter eher nur vorübergehend. Komplex wird die
Frage der Phase des Niederschlags, die je nach Niederschlagsintensität zwischen
fest und flüssig wechselt, was bei leicht frostigen Nachtwerten auch
gefrierenden Sprühregen bedeuten kann. Auf jeden Fall muss deutschlandweit bei
Tiefstwerten von +1 bis -3 Grad, im Südosten bis -6 Grad mit Glätte gerechnet
werden. Besonders im Umfeld des Bayerischen Waldes kann sich teils dichter
Bodennebel bilden. Die Sturmböen auf den Alpengipfeln dauern an, ansonsten weht
der südöstliche Wind schwach, entlang der Mittelgebirge auch mäßig.

Freitag... etabliert sich über dem Westen und Norden ein ausgedehnter Höhentrog,
der bis nach Spanien reicht. Dabei strukturiert sich über Frankreich zunehmend
ein eigenständiges Höhentief, das in der Folge in Richtung westliches Mittelmeer
weiterzieht. Deutschland verbleibt daher in einem gradientarmen Bereich des
Geopotenzials und auch das Bodentief über dem Nordwesten füllt sich weiter auf.
Über Süddeutschland bildet sich gar eine schwache und brüchige Hochdruckzone
aus, sodass besonders im Süden von einer deutlichen Wetterberuhigung gesprochen
werden kann. Die dichte Wolkendecke lockert dort zeitweise auf und macht der
Sonne kurz Platz, bevor im Nachmittagsverlauf von Süden her neue und dichte
Wolkenfelder aufziehen. Im übrigen Land dauert dank des Tagesgangs, schwacher
Hebung im Umfeld des Tiefs und der höhenkalten Luftmasse die schwachen Schauer
mit wechselnder Niederschlagsphase an. Die Schneefallgrenze liegt dabei im
Norden und über der Mitte zwischen 200 und 300 m, sodass im Bergland noch der
eine oder andere Zentimeter Neuschnee möglich ist. Die Höchstwerte verbleiben
meist zwischen +1 und +4 Grad, mit leichtem Dauerfrost im Bergland. Der
überwiegend südliche, im Süden östliche Wind weht nur schwach.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Numerik erfasst die Entwicklung während der Kurzfrist recht gut und auch das
sich über Deutschland auffüllende Bodentief wird ohne gröbere Diskrepanzen
berechnet. Die größten Unsicherheiten ergeben sich eh bei der Frage der
Niederschlagsphase, was im Text bereits angesprochen wurde.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy