DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-12-2020 18:30
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 28.12.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nasskalt mit wiederholten Niederschlägen. Teils bis in tiefe Lagen als Schnee.
Verbreitet Frost und Glätte. In der Nacht zum Dienstag im Süden vor allem auf
den Bergen wieder Sturmböen und Gefahr von Schneeverwehungen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich im 500 hPa-Niveau ein Langwellentrog vom Nordmeer bis
ins westliche Mittelmeer. Das zugehörige Höhentief weist eine eher elliptische
Form auf, wobei die Hauptachse der Ellipse von Nordwest nach Südost orientiert
ist und das Höhentief selbst seine Position zwischen Schottland und
Nordfrankreich gefunden hat. Im Laufe der Nacht steigt über Westeuropa das
Geopotential. Die aktuell noch vergleichsweise große Gebiete überdeckende
512-gpdm-Isohypse wird dabei auf ein kleines Restgebiet über den Niederlanden
(ICON) bzw. dem Emsland (EZMW) zusammengeschnürt. Gleichzeitig bildet sich eine
Trogachse aus, die im Laufe der Nacht den Süden und die Mitte Deutschlands von
Süden her überquert und zum Morgen etwa auf einer Linie Ijsselmeer - Lausitz zu
finden sein soll. Auf der Vorderseite der beschriebenen Trogachse fällt der
Druck und in der Folge bildet sich ein kleinräumiges Tief aus. Dieses soll zum
Morgen über der Mecklenburgischen Küste zu finden sein und bildet dann den
zweiten Kern des mit dem Langwellentrog korrespondierenden Bodentiefs, wobei der
Hauptkern über die Nacht hinweg an der englischen Nordseeküste verharren soll.
Ein dritter, für uns sehr bedeutsamer Kern greift in der zweiten Nachthälfte,
von Frankreich kommend, auf Deutschland über. Er zieht über die Mosel hinweg
nach Südhessen, eine Lösung, die nach deutlichen Modellunterschieden in den
Vorläufen jetzt doch recht stabil von EZMW, ICON und auch COSMO-D2 gezeigt wird.
Die Lebensdauer dieses kleiräumigen, aber kräftigen Tiefs ist limitiert, da es
recht schnell auf die Rückseite des o.e., von Süd nach Nord über Deutschland
hinwegschwenkenden Troges gelangt. Damit kommt er unter Absinken und füllt sich
bis zum Morgen schon wieder weitgehend auf bzw. ist dann nur noch als Bodentrog
vorhanden. Da der Druckgradient auf der Südseite des kleinräumigen Tiefs, also
über dem Südwesten Deutschlands, deutlich aufgepeppt wird, bekommt der Wind
einen ordentlichen Schub. In tieferen Lagen reicht es dann vereinzelt für eine
Bft 7, in höheren Lagen des Schwarzwaldes und der Alb auch für 8 - 9 Bft. Bft 7
- 8 ist auch die Größenordnung in den Hochlagen der östlichen Mittelgebirge, die
Gipfellagen des Schwarzwaldes (und auch die der Alpen, wo wieder Föhn einsetzt)
bringen es sogar auf 10 bis 11 Bft, wobei letzteres schon im Unwetterbereich
liegt. In den übrigen Gebieten des Landes ist der Wind kein Thema, wohl aber ein
paar winterliche Aspekte. Mit dem kleinräumigen Frankreich-Tief wird ein
Niederschlaggebiet in den Süden geschoben, der nordwärts ziehende Trog pusht ein
aktuell in Bayern beheimatetes großräumiges Niederschlagsfeld über die Mitte und
den Osten hinweg nach Norden. Die 850er Temperaturen, die eingangs der Nacht bei
-4 bis 1 Grad, ausgangs der Nacht dann bei -4 bis null Grad liegen, deuten für
den Niederschlag schon auch die feste Phase an. Die Schneefallgrenze liegt laut
ICON die Nacht über im Nordwesten um 400m, sonst reicht sie meist herunter bis
in tiefe Lagen. Die im Osten anfangs noch leicht positiven 850er Temperaturen
lassen eine warme Schicht und damit zumindest die Möglichkeit von lokal
gefrierendem Regen erkennen. Meist fällt aber Schnee oder Schneeregen, der
jedoch in den tiefen Lagen nicht immer liegen bleibt. Dies erklärt die
Warnstrategie, die in tiefen Lagen eher auf Glätte und nur in höheren Lagen auf
Schnee und damit auf die Ausbildung einer Schneedecke setzt (aktuelle Ausnahme:
ein Gebiet vom südöstlichen Schleswig-Holstein bis nach Mecklenburg und zur
Prignitz). Das Glättepotential setzt sich aber nicht nur aus der
Schneekomponente, sondern auch aus der Komponente der gefrierenden Nässe
zusammen. Dabei ist eine genaue Prognose der Glättesituation praktisch
unmöglich. An der Küste liegen die Tiefstwerte wohl über null Grad, hier könnte
stärkerer Schneefall aber trotzdem, zumindest vorübergehend, für die Ausbildung
eine Schneedecke sorgen. In der Norddeutschen Tiefebene, wo die Tiefstwerte um
null Grad liegen, ist alles möglich: Schnee mit (vorübergehender) Schneedecke,
Schneeregen, Matsch, gefrierende Nässe. Im Mittelgebirgsraum und im Süden liegen
die Tiefstwerte dann meist etwas unter dem Gefrierpunkt - potentielle Glätte
inklusive. Eine Ausnahme von dieser "Regel" bilden die großen Flusstäler des
Südwestens, wo das kleinräumige Frankreichtief für Warmluftnachschub und damit
für knapp positive Minima sorgt. Allein, auch leicht positive Temperaturen
schützen nicht vor Schneefall, so dass es selbst dort vorübergehend weiß und
damit glatt werden kann. Letztendlich ist dies alles eine komplexe Gemengelage,
in der Vorsicht das Gebot der (Nacht-)Stunde ist.

Dienstag ... weitet sich der Höhentrog über Mitteleuropa nach Osten aus. Die in
der Nacht über Deutschland nach Norden gewanderte Trogachse erreicht zum Abend
die Ostsee. Dabei nimmt die Amplitude dieses Teiltroges noch etwas zu, so dass
er sich als zweite Hauptachse neben der weiterhin über Frankreich nach Süden zum
westlichen Mittelmeer gerichteten etabliert. Auf der Vorderseite des neuen
Troges bleibt Hebung ein treibender Faktor für die weitere, wenngleich nicht
rasante Vertiefung des Bodentiefs über der westlichen Ostsee. Dieses zieht dabei
bis zum Abend in das zentrale (ICON) bzw. nördliche (EZMW) Kattegat, und da der
ursprüngliche Tiefkern sich auffüllt, übernimmt besagtes Tief die Funktion des
Haupttiefs. Dies bedeutet auch, dass sich die inzwischen über dem Norden
angekommenen Niederschlagsfelder um den Tiefkern wickeln. Entsprechend bleibt
der Norden nicht nur dicht bewölkt, sondern es fällt auch weiter Niederschlag.
Wo genau, da sind sich die Modelle noch nicht einig. Bei T850 von etwa -4 Grad
und bodennahen Höchstwerten von 2 bis 4 Grad in diesen Regionen könnte man auf
beim Niederschlag auf Regen tippen, vielleicht aber auch auf Schnee hoffen (!?).
Die Auswertung der Modellsoundings bringt diesbezüglich (wieder) keine Klarheit.
Gebietsweise reicht die Schmelzfläche in den Soundings, um die Flocken auf ihrem
Weg nach unter in Tropfen zu verwandeln. Aber beileibe nicht überall, und wenn,
dann teils auch nur knapp. Will heißen: Es kann am Tage im Norden gebietsweise
auch bis in tiefste Lagen schneien, aber wenn, dann ist der Schnee wohl nicht
von langer Dauer.

In der Mitte und im Süden spielt bei der Wetterentwicklung dann das Geopotential
wieder eine wesentliche Rolle. Denn zwischen dem nach Süden und dem nach Osten
weisenden Troganteil glättet die Höhenströmung durch. Damit fehlen dem von
Frankreich gekommenen kleinräumigen Tief die Antriebe. Es füllt sich allmählich
auf, bis zum Abend ist es nur noch als schwacher Bodentrog über Westpolen
erkennbar. Mit dem Abzug und der Abschwächung des Tiefs entspannt sich die
Niederschlagssituation, denn die Hebungsantriebe lassen nach. Auch die
Windsituation entspannt sich. In den südlichen und östlichen Mittelgebirgen
schwächt der Wind sich über den Tag hinweg allmählich ab. Zum Abend sind
Sturmböen nur noch auf exponierten Gipfeln (Brocken, Fichtelberg, Feldberg im
Schwarzwald) ein Thema. Dass der Wind nicht komplett zum Einschlafen kommt liegt
auch an einem zweiten, gleichwohl deutlich schwächeren Bodentrog, der am
Nachmittag den Nordwesten Deutschlands überquert und nochmals für eine leichte
Gradientverschärfung sorgt. Da zwischen Mittelgebirgsschwelle und Alpen die
850er Temperaturen zwischen -1 und -5 Grad angesiedelt sind, können die
einzelnen Schauer, die dort bei wechselnder Bewölkung zu erwarten sind,
ebenfalls teils als Regen, teils als Schnee fallen. Durchweg Schnee sollte
oberhalb von 300 bis 500 m fallen, in den Hochlagen bleibt es auch dauerfrostig.
Sonst liegen die Maxima bei 2 bis 7 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch laufen die Modelle noch etwas weiter auseinander. Nach
ICON bildet das Kattegat-Tief einen Doppelkern aus, wobei zum Morgen einer über
dem Skagerrak, der andere über Südschweden zu finden sein soll. Diese
Doppellösung geht EZMW nicht mit, hier bleibt es bei einem Kern, der zum Morgen
an der Südspitze Norwegens zu finden sein soll. Das Ganze hat wesentliche
Auswirkungen auf die Niederschlagsfelder. Während bei ICON durch
kompensatorisches Absinken zwischen den Doppelkernen im Norden fast kein Regen
fällt, sehen EZMW, aber auch EURO4 und GFS über dem Norden weiter großräumig
Regen oder Schnee (die Problematik der Niederschlagsphase bleibt erhalten).

In den Süden ziehen dagegen von Frankreich her Schauer, insbesondere auch
deshalb, weil das ehemalige Tiefzentrum noch als Bodentrog erkennbar ist und
dieser Kurs auf Mitteleuropa nimmt. Zusammen mit der nach Süden weisenden
500-hPa-Achse ist für Labilität gesorgt. Die Schauerintensität bleibt leicht,
zum Teil wird es aber erneut auch in tiefen Lagen weiß und glatt. Die
Tiefstwerte liegen laut MOSMIX zwischen 1 Grad im Nordwesten und -5 Grad ganz im
Süden. Die Temperaturen im Norden, die um 2 Grad liegen, sind aber nicht in
Stein gemeißelt, denn die geschilderten Modellunterschiede (geschlossenen
Wolkendecke versus kompensatorisches Absinken) lassen auch tiefere Temperaturen
im Norden möglich erscheinen. Streckenweise gibt es Straßenglätte, auch durch
Gefrieren von Nässe.

Mittwoch ... und in der Nacht zu Donnerstag kommt der nach Süden weisende Teil
des Langwellentroges von Frankreich her zögerlich nach Osten voran. Dabei
verkürzt sich seine Wellenlänge, was auch einem kleinräumigen Abtropfprozess an
seiner Südspitze geschuldet ist. In seine Rückseite läuft recht verhalten ein
kurzwelliger Troganteil, der den Langwellentrog über Westeuropa regeneriert.
Dabei induziert er, insbesondere in der Nacht zum Donnerstag, die Ausbildung
einer antizyklonal konturierten Höhenströmung über Frankreich und dem Südwesten,
so dass dort die Wolkendecke in der Nachtgrößere Lücken bekommen kann. Im
Bodendruckfeld irrlichtern mehrere Tiefkerne um und über den Süden Norwegens,
auf ihrer Südflanke stellt sich eine mäßige, zumeist westliche bis südwestliche,
über dem Osten auch südliche Strömung ein, mit der niedertroposphärisch weiter
erwärmte maritime Polarluft nach Deutschland fließt. Der Kurzwellentrog über
Westeuropa sorgt ausgangs der Nacht zum Mittwoch und in den Morgenstunden für
die Bildung eines kleinräumigen Tiefs bei Irland, das bis zum Donnerstagmorgen
nach Nordfrankreich zieht, womit sich zum Morgen im Westen die Wolken wieder
verdichten. Während am Tage im Osten und Südosten die Wolkendecke häufiger
Lücken zeigt und Auflockerungen etwas Platz für ein paar Sonnenstunden lassen,
regnet oder schneit es vor allem im Westen und Norden unter dem Trog
gebietsweise. Auch hier sind die Modellunterschiede aber beeindruckend, denn
während GFS im Grenzgebiet von NRW zu Niedersachsen in 24 Stunden bis
Donnerstagmorgen knapp 25 mm Niederschlag vorhersagt, sind es laut ICON nur 10 -
und laut EZMW soll es in diesem Gebiet weitgehend trocken bleiben. Hier sollten
die Modelle in der Zukunft etwas mehr Kompromissfähigkeit zeigen. Einigkeit
herrscht immerhin bei den Temperaturen - in 850 hPa mit -3 bis -6 Grad, aber
auch im 2-Meter-Niveau, wo die Höchstwerte am Tage zwischen -2 und 7 Grad und
die Tiefstwerte in der Nacht zwischen 4 und -6 Grad liegen.

Donnerstag ... (Silvester) liegt Deutschland weiter im Einflussbereich des
langwelligen Troges, der sich von Grönland ausgehend bis in den Mittelmeerraum
erstreckt. Im Trog hat sich zwischen Großbritannien
und der Nordsee ein Höhentief gebildet, das sich im Verlauf des Tages abschwächt
und zudem in mehrere Drehzentren 'zerbröselt'. Eines dieser Drehzentren
etabliert sich im Bereich des östlichen Kanaleingangs und stützt damit die
Entwicklung eines Bodentiefs über Benelux. Daher gestaltete sich das Wetter an
Silvester im westlichen Deutschland meist unbeständig mit Regen und im Bergland
mit Schnee. Größere Mengen werden allerdings nicht simuliert. Dagegen zeigt sich
im Osten auch zeitweise die Sonne. Die Tageshöchsttemperaturen liegen bei 0 Grad
im Südosten und 5 Grad am Niederrhein.


Modellvergleich und -einschätzung
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Betrachtet man den großräumigen Maßstab, so simulieren die Modelle die Abläufe
der kommenden 48 Stunden recht ähnlich, danach laufen die Modelle auch
großräumig deutlicher Auseinander (z.B. Tiefdruckgebiet
Norddeutschland/südliches Norwegen).

Bemerkenswert ist, wie stark die Modelle trotz der Übereinstimmung auf der
großen Skala im Detail differieren. Das liegt natürlich auch an der Tatsache,
dass bei winterlichen Witterungsereignissen kleine Unterschiede, z.B. bei der
Temperatur, in der Schichtung oder bei den Windverhältnissen, große Auswirkungen
auf das Wettergeschehen haben. Dennoch, es zeigen sich auch Unterschiede in der
Lage und der Stärke kleinräumiger Druck- und Geopotentialgebilde, die man in dem
vergleichsweise kurzen Prognosezeitraum von +48 Stunden nicht erwarten würde.

Die entsprechenden Modellunterschiede wurden teilweise im Text angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas