DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-12-2020 16:30
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 26.12.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sturm über Nordwestdeutschland mit markanten Schneefällen im Bergland

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... gelangt Deutschland zunehmend auf die Vorderseite eines
hochreichenden und großräumigen Tiefdruckgebietes nördlich von Schottland. Der
Rücken auf der Vorderseite des Tiefs, der sich von Südfrankreich über den Süden
Deutschlands ostwärts zieht und bodennah mit einem Hochkeil korreliert, wird
dabei abgehobelt und etwas nach Süden geschoben. Entsprechend muss auch der
CutOff bei Sardinien das Weite suchen und Richtung Sizilien ausweichen. Vor
allem im Süden und Osten Deutschlands verbleibt die eingeflossene Luft polaren
Ursprungs mit Temperaturen in 850 hPa zwischen -5 und -10 Grad somit anfangs
noch unter Hochdruckeinfluss, während in den Nordwesten bei auffrischendem Wind
zunehmend erwärmte, maritim geprägte Polarluft einströmt und die Temperaturen in
850 hPa schon am Abend auf Werte zwischen 0 und -5 Grad hievt. Da ausgehend von
dem Tief bei Schottland, eingebettet in die Strömung, eine Okklusion von der
Nordsee und Benelux südostwärts ausgreift und Deutschland in der zweiten
Nachthälfte erreicht, werden zusätzlich zur PVA frontogenetische Hebungsprozesse
angestoßen, sodass Niederschläge einsetzen. Aufgrund der Durchmischung fällt in
den tiefen Lagen Nordwestdeutschlands allerdings meist Regen. Durch einen
Kerndruck des Tiefs unter 960 hPa und den resultierenden starken Gradienten,
werden heftige Winde generiert. Das Sturmfeld auf der Südost- bis Südwestflanke
bohrt sich mit der Verlagerung des Tiefs auch in den Westen und Norden
Deutschlands, sodass der Wind auch hierzulande lebhaft auffrischt. Nachfolgend
muss in der Nacht nahezu in der gesamten Nordwesthälfte mit steifen bis
stürmischen Böen, im Westen und Nordwesten sowie im Bergland auch mit Sturmböen
gerechnet werden. An der Nordsee sowie in Kammlagen der westlichen und
südwestlichen Mittelgebirge fegt schwerer Sturm, exponiert auch Orkan.
Sonntag ... verlagert sich das hochreichende Zentraltief kaum und dominiert
weiter vom Seegebiet nördlich von Schottland. Der Rücken auf der Vorderseite des
Tiefs, etwa vom westlichen Mittelmeerraum über Norditalien bis nach Westpolen
reichend, wurde dabei schon soweit abgebaut, dass er nur noch wenig Einfluss
ausstrahlt. Der CutOff über dem Mittelmeergebiet verliert ebenfalls an
Strahlkraft und ist bis Sonntagabend schon an die Adriaküste der Balkanstaaten
weitergezogen. Auch bodennah kann demnach das Tief bei Schottland sowie dessen
Okklussion das Wetterzepter in weiten Teilen Deutschlands übernehmen und gepaart
mit PVA ordentlich Hebung generieren. Allerdings wird mit Vordringen nach
Deutschland der warme Okklusionsschlauch zunehmend runter gekühlt, sodass sich
im Westen und Norden auf 850 hPa nach kurzzeitigem Sprung über die 0-Grad-Marke
rasch wieder Temperaturen zwischen 0 und -4 Grad einstellen. Allenfalls in den
Süden und Teilen Ostdeutschlands können sich Temperaturen zwischen 0 und 5 Grad
auch durch föhnige Unterstützung etwas länger halten.
Die Temperaturen bzw. das vertikale Temperaturprofil steht am Sonntag und in der
Nacht zum Montag in einem besonderen Fokus, da dieses am Ende über die
Niederschlagsphase und entsprechend die Schneefallgrenze entscheidet. Besonders
in den Höhenbereichen bis 800 hPa stellen sich vielerorts isotherme Verhältnisse
ein. Liegt das Profil dabei im Bereich der 0 Grad oder darunter, kann mit
kräftigen Nassschneefällen gerechnet werden, liegt es jedoch signifikant über
den 0 Grad (>1 Grad), wird es doch eher der Regen oder Schneeregen sein. Mit
Verantwortlich für den genauen Temperaturverlauf mit der Höhe sind demnach auch
die Niederschlagsintensität sowie trockene Lufteinschübe mit entsprechender
Verdunstungsabkühlung. Zudem spielt auch die Vorgeschichte eine gewisse Rolle.
In Rheinlands-Pfalz und dem Saarland konnte sich am heutigen Samstag eine
Hochnebeldecke breit machen, die dafür sorgte, dass die Temperaturen dort nur
auf Werte um 0 Grad anstiegen und in der Nacht zum Sonntag wohl landesweit in
den Frostbereich absinken. Aufgrund der vielen Unbekannten, kann also noch nicht
mit abschließender Sicherheit geklärt werden, ab welchem Höhenniveau sich nun
genau die kräftigen Schneefälle akkumulieren. Derzeit scheint die Grenze etwa
bei 400 bis 600 Metern zu liegen. Demnach müsste man in den westlichen und
zentralen Mittelgebirgen mit 3 bis 10, im Stau auch bis 15 cm oder mehr rechnen.
In tiefen Lagen reicht es hier und da allenfalls für etwas Schmierseife. Auf den
Weg der Okklusion samt deren Niederschläge in den Süden und Osten kommt nach
derzeitigem Stand auch noch ein weiteres Phänomen auf die Agenda, der
Glatteisregen. Vor allem die deutsche Modellkette simuliert von der Alb über
Franken hinweg bis nach Brandenburg eine signifikante warme Nase. Aber auch bei
diesem Thema ist die letzte Messe noch nicht gelesen. Neben den Niederschlägen
bleibt auch der Wind zunächst weiter ein Thema. Zwar schwächt sich das Tief ab,
sodass auch der Gradient schwindet, doch vor allem am Morgen und Vormittag sind
im Norden und Westen weiter starke bis stürmische Böen, örtlich auch Sturmböen
zu erwarten. Auf der Nordsee sowie auch an der nordfriesischen Küste fegt weiter
schwerer Sturm mit einzelnen orkanartigen Böen. Im Tagesverlauf sollte der Wind
aber zunehmend nachlassen.
Montag ... macht sich das hochreichend Tief im Bereich des Ärmelkanals
gemütlich. Gekoppelt an ostnordostwärts ablaufende Kurzwellentröge in der Höhe
sind schwache Randtiefs am Boden zu finden, die ihrerseits vom Golf von Genua
über die Alpen hinweg nach Tschechien steuern. Damit ist im Süden und Südosten
durch PVA genügend Hebung mit von der Partie, um weiter Niederschläge
auszulösen. Bei Temperaturen in 850 hPa von -1 bis -3 Grad fällt dieser etwa
oberhalb von 300 bis 500 Metern als Schnee. Im restlichen Land macht sich die im
Umfeld der Tiefs einsickernde Höhenkaltluft bemerkbar. Bei einer
Temperaturdifferenz zwischen rund -3 Grad auf 850 hPa und etwa -34 Grad in 500
hPa stehen im Westen und Südwesten sowie Teilen der Mitte Schauer auf dem
Programm, die teilweise bis in tiefere Lagen als Schnee oder Schneeregen fallen
können. Der Wind hat zwar im Vergleich zum Vortag nachgelassen ist aber weiter
spürbar. Vor allem im höheren Bergland kommt er noch stark bis stürmisch daher.
In den Alpen fegt sogar teils schwerer Sturm mit einzelnen orkanartigen Böen
über die Gipfel. Schaut man über den Tellerrand hinweg, scheint sich die recht
stabile Großwetterlage Trog bzw. Tief Mitteleuropa einzustellen.
Dienstag ... richtet sich das hochreichende Tief im Bereich der südlichen
Nordsee und Dänemark ein und wirbelt wiederholt kurzwellige Anteile umher.
Entsprechend wird durch PVA inhomogen verteilt genügend Hebung generiert, sodass
mit Unterstützung der Höhenkaltluft weitere, teils kräftige Schauer auftreten.
Bei Temperaturen in 850 hPa zwischen -2 und -7 Grad fallen diese meist als
Schnee oder Schneeregen und allenfalls im Nordwestdeutschen Tiefland sowie an
der See überwiegend als Regen. Beim Wind gibt es nicht viel Neues. Vor allem im
höheren Bergland sind weiter starke bis stürmische Böen zu erwarten, auf den
Alpengipfeln sind auch Sturmböen noch im Programm.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die führenden Wettermodelle zeigen die großräumige Geopotential- und
Luftdruckverteilung vergleichbar. Im Vergleich zum IFS ist ICON im Verlauf
allenfalls etwas kühler aufgestellt und GFS lässt den Schwerpunkt des
hochreichenden Tiefs etwas weiter westlich. Nachfolgend würde es bei ICON bei
niedrigeren Temperaturen tiefer schneien, während das GFS durch die westlichere
Lage die mildeste Version liefert. Insgesamt stehen die Zeichen bei der
umgekehrten Omegalage (Trog bzw. Tief Mitteleuropa) auf eine eher unbeständigen,
zu Schauern neigenden, nasskalten Witterungsperiode.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel