DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-12-2020 18:01
SXEU31 DWAV 251800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 25.12.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
An den Alpen leichter Schneefall, verbreitet Nachtfrost, gebietsweise Glätte. Am
Samstag an der Nordsee erste Böen Bft 7 bis 8, in der Nacht zum Sonntag deutlich
verstärkend und Ausweitung des Windfeldes auf die Nordhälfte.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unter einem umfangreichen Langwellentrog
(500 hPa), der von der Barentssee über die Ostsee und das Baltikum bis in den
westlichen Mittelmeerraum reicht. Darin eingebettet sind zwei kräftige
Höhentiefs, die über Lettland und Litauen sowie über dem Golf von Genua situiert
sind. Durch die leichte Ostverlagerung der Trogachse verlieren die
Hebungsprozesse zunehmend aber auch in Südbayern an Wirkung, damit schwächen
sich die Schneefälle dort langsam ab bzw. ziehen sich im Laufe der Nacht an den
direkten Alpenrand zurück. Dazu trägt auch der sich stärkende Einfluss des
Bodenhochs über dem Ostatlantik bei, dessen Peripherie über Deutschland für
leichtes Absinken sorgt. Gestützt wird dies durch einen von Großbritannien
langsam in Richtung Südosten ablaufendem Höhenrücken (500 hPa). Insgesamt werden
in den Hochlagen der Alpen bis Samstagfrüh weitere 10 bis örtlich 15 cm
erwartet, in den dortigen Tälern sind es meist um 5, stellenweise bis 10 cm
(inkl. Glätte durch Schnee). Während der Nacht kühlt die eingeflossene
Meeresluft polaren Ursprungs kräftig aus, beinahe überall kommt es negativen
Frühwerten. Nur direkt an der Nordsee sowie stellenweise im Westen bleibt es
frostfrei. Sonst sinken die Temperaturen auf 0 bis -5 Grad, im Bergland bis -7
Grad, über Schnee bei länger klarem Himmel auf knapp unter -10 Grad. Vor allem
in den Regionen mit nachmittäglicher Schauertätigkeit (Süden, Teile des Ostens,
Bergland) muss während der Nacht auf Glätte durch überfrierende Nässe geachtet
werden, stellenweise kann bei klarem Himmel auch Reif auftreten. Besonders in
der zweiten Nachthälfte macht sich bereits das in den nächsten Tagen in den
Mittelpunkt rückende Nordatlantiktief bemerkbar. Allerdings macht zunächst nur
sein "kleiner Bruder", ein kleinräumiges Randtief vor der Südspitze Norwegens
die Musik. Daran gekoppelt ist eine Okklusion, die sich in den Frühstunden der
Nordseeküste von Nordwesten her annähert. Die durch leichte Hebung induzierten
Niederschläge greifen in den Frühstunden auf die Regionen zwischen Emsland und
Schleswig-Holstein über und treffen dort örtlich auf eine negativ temperierte
bodennahe Luftschicht (vor allem im Binnenland). Glätte durch gefrierenden Regen
kann daher dort örtlich nicht ganz ausgeschlossen werden.

Samstag ... zieht der Langwellentrog weiter in Richtung Osteuropa ab, im folgt
der vorhin schon erwähnte Rücken (500 hPa) nach, dessen Achse zum Mittagstermin
von Saarland/Rheinland-Pfalz/Luxemburg über Norddeutschland hinweg in Richtung
Süd- und Mittelschweden gerichtet ist. Bodennah wird der Randbereich des
Ostatlantikhochs langsam in Richtung Süddeutschland abgedrängt. Maßgeblich daran
beteiligt ist die zunehmende Ausweitung des Sturmtiefs bei Island (Kerndruck
knapp unter 965 hPa), dessen Gradientverschärfung auf den Nordseeinseln bereits
zu ersten Böen Bft 7 aus Südwest führt. Die Okklusion des vorhin erwähnten
Randtiefs über Südnorwegen zieht im Tagesverlauf von der Nordsee etwas ins
Landesinnere, damit weitet sich der Regen bis zum Nachmittag auf die
Nordwesthälfte aus. Mit im Tagesverlauf deutlich ansteigenden Temperaturen
dürfte auch die gefrierende Phase endgültig nicht mehr maßgeblich sein. Außerdem
kommt es in den nordwestlichen und nördlichen Landeteilen im Laufe des Tages zu
einer weiteren Gradientverschärfung, sodass sich die Böen Bft 7 auf die Ostsee
und das norddeutsche Binnenland ausweiten. Auch im Nordwesten können einzelne
Böen ähnlicher Stärke auftreten, während an der Nordseeküste und auf den Inseln
zunehmend stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9) dabei sind. Auch auf dem
Brocken muss ab den Mittagsstunden mit Sturmböen (Bft 9), am Abend mit schweren
Sturmböen (Bft 10) aus Südwest gerechnet werden. Im hochdruckgeprägten Süden
verläuft der Tag deutlich ruhiger, vor allem direkt an den Alpen sowie im
angrenzenden südlichen Alpenvorland scheint auch zeitweise die Sonne.
In der Nacht zum Sonntag vertieft sich das Sturmtief zwischen Island und
Schottland (Kerndruck um 957 hPa) und verlagert sich langsam südwärts, damit
ergibt sich zwischen diesem und dem zentralen Mittelgebirgsraum ein delta p von
über 50 hPa. Damit verbunden ist eine deutliche Zunahme der Böenstärke in der
Nordwesthälfte, an der Nordsee und vor allem auf den Inseln sind orkanartige
Böen (Bft 11), an der Ostsee sowie im direkt angrenzenden Binnenland Sturmböen
oder schwere Sturmböen (Bft 9 bis 10) aus Südwest wahrscheinlich. Sonst kommt es
etwa nördlich des Mains zu Böen Bft 7, in den Mittelgebirgen zu Bft 8 bis 9 aus
Südwest. In den Frühstunden greift schließlich die Okklusion des Haupttiefs auf
die Nordseeküste über, damit geht die Intensivierung der Niederschläge zwischen
der niederländischen Landesgrenze und Fehmarn einher. Mit Nachtfrost muss bei
teils klaren Verhältnissen im Süden gerechnet werden, südlich der Donau sind
Werte unter -5 Grad verbreitet wahrscheinlich. Dazu trägt auch die vorhandene
dünne Schneedecke bei, die im Bergland zu Werten im strengen Frost führen wird.
Auf Glätte durch überfrierende Nässe oder Reif muss stellenweise weiterhin
geachtet werden.

Sonntag ... überdeckt der sehr umfangreiche Langwellentrog (500 hPa) weite Teile
des Nordostatlantiks. Nicht weniger beeindruckend ist das Bodendruckfeld, bei
dem die durch das Sturmtief verursachte Isobarendrängung vom Seegebiet südlich
von Svalbard bis nach Nordspanien reicht. Der Wind ist damit auch am Sonntag
einer der entscheidenden Player: an der Nordsee besteht weiterhin eine hohe
Wahrscheinlichkeit für orkanartige Böen Bft 11, im angrenzenden Binnenland für
schwere Sturmböen Bft 10. Sonst muss vor allem im Westen und in Teilen der Mitte
mit stürmischen Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9), auf den Bergen mit schweren
Sturmböen, auf dem Brocken mit Orkanböen gerechnet werden. Im Osten beschränken
sich die Sturmböen zunächst auf die Ostseeküste, im Binnenland geben sich die
Modelle bisher mit Böen Bft 7 zufrieden. Im Bergland des Südens sind es
ebenfalls "nur" Bft 7 bis 8, im Flachland ist der Wind zunächst kein großes
Thema. Erwähnenswerte beim Wind ist noch die Südwest-Überströmung der Alpen und
der sich aufbauende Druckgradient zwischen Alpensüd- und Nordseite von zunehmend
mehr als 8 hPa (Föhn). In den Hochlagen muss mit schweren Sturmböen, in den
exponierten Föhntälern mit stürmischen Böen Bft 8 gerechnet werden. Aber nicht
nur der Wind ist ein zentrales Thema, auch der Niederschlag wird für etwas
"Kopfzerbrechen" sorgen. Mit der sich weiter ins Landesinnere verlagernden
Okklusion weitet sich auch der Niederschlag auf die mittleren Landesteile aus.
In 850 hPa zeigt sich im Nordwesten eine rasche Erwärmung auf -2 Grad, damit ist
dort die Regenphase außer Diskussion. Interessanter wird es im
Mittelgebirgsraum, wo sich oberhalb von 500 bis 700 m bis zu 10 cm Schnee
akkumulieren können. Noch spannender wird es an der Vorderkante des
Niederschlags, dort ist zwischen Mecklenburg-Vorpommern über die zentralen
Mittelgebirgstäler bis zum Main auch die gefrierende Phase möglich. Das genaue
Timing und die Intensität der Niederschläge wird dabei eine entscheidende Rolle
spielen.
In der Nacht zum Montag verliert das Bodentief langsam an seiner kreisförmigen
Struktur und geht zunehmend in eine Dipolkonfiguration über, wobei die
Tiefdruckzone von der Irischen See bis ins Europäische Nordmeer reicht. Dabei
fächert der Gradient vom Westen her deutlich auf und die Böenstärke geht zurück.
Während der Nacht sind vom Südwesten bis in den Nordosten noch Bft 7 bis 8
möglich, nach Mitternacht sind die tiefen Lagen bezüglich des Windes meist
warnfrei. Auf den Bergen muss dagegen weiterhin mit stürmische Böen bis
Sturmböen aus Süd gerechnet werden, auch die Föhnlage an den Alpen bleibt
weiterhin erhalten. In der Südosthälfte kühlt die Grundschicht wieder ordentlich
aus, sodass verbreitet leichter bis mäßiger Frost auftritt. Im Zusammenspiel mit
der der weiterhin vorhanden, alternden Okklusion stellt sich damit erneut die
Frage nach der Niederschlagsphase. Allein schon die Betrachtung der Pseudosynops
lässt die Komplexität erahnen: in einem breiten Streifen vom Südwesten bis in
den zentralen Mittelgebirgsraum sind sowohl die flüssige, als auch die feste
Phase dabei. An der Vorderseite des Niederschlagsbandes gefriert stellenweise
der flüssige Anteil in der kalten Grundschicht, wobei sich die Frage nach der
Abtrocknung der "Föhnluft" im Vorfeld davon stellt. Am wahrscheinlichsten ist,
dass sich verschiedene "Streifen" herausbilden, die aber erst kurzfristig
festgelegt werden können.

Montag ... überdeckt der umfangreiche Langwellentrog nun weite Teile West- und
Mitteleuropas. Deutschland befindet sich dabei weiterhin in der südlich
orientierten Höhenströmung, bei der kurzwellige Anteile von Süd nach Nord
ablaufen. Das Bodentief nähert sich weiter den Beneluxstaaten an und schwächt
sich auf einen Kerndruck von knapp unter 970 hPa ab. Die an die kurzwelligen
Anteile gekoppelten Niederschläge fallen in tiefen Lagen in flüssiger Form, im
Bergland ist bei Werten von -2 Grad in 850 hPa auch etwas Schnee dabei. Ganz im
Osten ist auch gefrierender Regen noch nicht ganz ausgeschlossen. Die föhnige
Überströmung der Alpen schwächt sich etwas ab, bevor am Nachmittag der
Föhnzusammenbruch endgültig bevorsteht.
In der Nacht zum Dienstag greift das Bodentief schließlich auch mit seinem Kern
auf Westdeutschland über. Mit deutlich absinkendem Geopotential und einer
Abkühlung der Luftmasse sinkt auch die Schneefallgrenze, teils bis 300 m herab.
Im Bergland des Westens und er Mitte könnte es demnach winterlich werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der generelle Wetterablauf wird von den verschiedenen Modellgruppe sehr ähnlich
simuliert, vor allem bis zum Sonntag bestehen an den grundlegenden synoptischen
Mustern nur wenige Unsicherheiten. Im Detail treten aber besonders bei den
erwarteten Böenstärken Diskrepanzen von 1 bis 2 Bft auf. Noch deutlicher werden
die Unsicherheiten bei der Niederschlagsphase in den zentralen Gebieten am
Sonntag und in der Nacht zum Montag, die aber im Text erwähnt wurden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri