DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-12-2020 08:01
SXEU31 DWAV 230800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 23.12.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW z, Übergang zu NW z
Bis in den Donnerstag hinein in den Staulagen der meisten Mittelgebirge noch
Dauerregen. Außerdem in höheren Berglagen Sturmböen Bft 8/9, exponiert schwere
Sturmböen Bft 10. Donnerstag in der ersten Tageshälfte in den südwestdeutschen
Mittelgebirgen vermehrt schwere Sturmböen, in Gipfellagen orkanartige Böen bis
Bft 11. Dann auch im Alpenvorland Sturmböen Bft 8/9 (Druckwelle). Danach rasche
Windabnahme, in der Nacht zum Freitag allenfalls noch auf exponierten Gipfeln
stürmische Böen.
In der Nacht zum Freitag in den südwestdeutschen Mittelgebirgen, danach auch am
Alpenrand oberhalb von etwa 800 m mehr als 10 cm Neuschnee innerhalb von 12
Stunden.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegt Deutschland unter einem flachen Rücken, der über Mitteleuropa
hinweg nach Osten geführt wird. Diesem Rücken folgt ein markanter Trog, der auf
die Britischen Inseln übergreift. Das korrespondierende Bodentief wird zum
Westausgang des Ärmelkanals gesteuert, gelangt in eine entwicklungsgünstige Lage
und intensiviert sich dort zu einem Sturmtief. Die Warmfront dieses Tiefs liegt
schleifend und mit Wellen versehen über der Mitte Deutschlands. In deren Bereich
fällt länger andauernder Regen wechselnder Intensität, in den Staulagen werden
Warnschwellen in Bezug auf Dauerregen überschritten, so dass dort entsprechende
Warnungen aktiv sind. Die Kaltfront dieses Tiefs nähert sich erst in den
Abendstunden dem äußersten Westen, so dass Deutschland den ganzen Tag unter
einem breiten Warmsektor verbleibt. Dabei zeichnen sich zunächst nur in
exponierten Berglagen warnrelevante Böen (auf höheren Gipfeln bis Sturmstärke)
ab. Im Tagesverlauf wird jedoch an der Vorderseite des sich annähernden Troges
ein kurzwelliger Anteil (der sich vor allem anhand der positiven
Vorticityadvektion und der IPV 320 K diagnostizieren lässt) nordostwärts
gesteuert. Kräftige Hebung lässt im Nordwesten Druckfall aufkommen. Diese Region
fällt mit dem Okklusionspunkt des Frontensystems des am Westausgang des
Ärmelkanals liegenden Sturmtiefs zusammen, so dass dort eine weitere Zyklogenese
in Gang kommt. Zudem können in der im Bereich des Warmsektors eingeflossenen
Luftmasse, die aus dem Seegebiet knapp nördlich der Azoren stammt und leicht
labil ist, einzelne in ein Niederschlagsgebiet eingelagerte Gewitter ausgelöst
werden. Generell erfolgt eine leichte Gradientzunahme, so dass im Westen,
Südwesten und in Teilen der Mitte im Bergland warnrelevante Böen
wahrscheinlicher werden und auch in freien Lagen abseits der Gebirge einzelne
Windböen nicht ausgeschlossen werden können.
Ein paar Wolkenlücken sind durch leicht föhnigen Einfluss allenfalls am
Alpenrand vorstellbar. Ansonsten hält sich mehrschichtige und meist geschlossene
Bewölkung. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen im Norden, Nordosten und im
Bergland 6 bis 10 Grad. Im Westen, Süden und in der Mitte wird es mit 11 bis 16
Grad sehr mild.

In der Nacht zum Donnerstag wird das Tief über dem Ärmelkanal von dem
nachfolgenden Trog überlaufen und kann sich daher nicht weiter intensivieren. Da
nunmehr das auf den Nordwesten Deutschlands übergreifende Tief, was das Ergebnis
einer Okklusionspunktzyklogenese ist, in entwicklungsgünstige Position gelangt,
wird dieses unter weiterer leichter Verstärkung über den Norden Deutschlands
hinweg zur Oderbucht gesteuert. Die Kaltfront dieses Tiefs greift nur leicht
schleifend in der zweiten Nachthälfte auf den Nordwesten Deutschlands über, was
mit einer Winddrehung auf Nord und einer leichten Windzunahme (mit einzelnen
Windböen in freien Lagen) einhergeht. Ansonsten sind warnrelevante Böen auf das
Bergland (auf Berggipfeln Sturmböen Bft 8/9) beschränkt. Auf höheren
Schwarzwaldgipfeln sind ausgangs der Nacht auch schwere Sturmböen nicht ganz
auszuschließen. Dabei bleibt es noch durchweg frostfrei.

Donnerstag... greift der o.g. Trog auf Deutschland über, wobei dieser in seinem
Westteil durch einen Vorstoß arktischer Polarluft aus dem ostgrönländischen Raum
regeneriert wird. Weiter stromaufwärts beginnt die Strömung stärker zu
mäandrieren, was sich in Form von einem Keil, der vom Raum Island nach
Ostgrönland schwenkt, darstellt. Durch diesen Höhenkeil wird ein Bodenkeil
gestützt, der, ausgehend von einem Hoch südwestlich von Irland, bis in die
Grönlandsee reicht. Zwischen diesem Keil und dem Bodentief, das nunmehr in den
Raum Kaliningrad gesteuert wird, dreht die Strömung in der unteren Troposphäre
zusehends auf Nord, so dass die weiterhin leicht schleifende Kaltfront über die
Mittelgebirge hinweg südwärts geführt wird. Präfrontal frischt der Wind über dem
Südwesten und Süden Deutschlands kräftig auf, so dass dort vor allem in
Verbindung mit einer Druckwelle Windböen und im Bergland sowie in freien Lagen
stürmische Böen bis Bft 8 zustande kommen. In höheren Berglagen und bedingt
durch den Leitplankeneffekt auch im westlichen Alpenvorland können Sturmböen bis
Bft 9, auf Berggipfeln schwere Sturm- und auf Schwarzwaldgipfeln auch
orkanartige Böen bis Bft 11 auftreten. Postfrontal flaut der Wind rasch ab, so
dass dann nur noch auf exponierten Berggipfeln mit stürmischen Böen gerechnet
werden muss. Im Südwesten und im Süden ist dies erst ab dem späten Abend der
Fall.
Mit der Passage der Kaltfront wird ein Temperaturrückgang eingeleitet, so dass
oberhalb von 800 bis 1000 m die Niederschläge in Schnee übergehen. Liegen bleibt
dieser allerdings noch nicht. In der relativ gut durchmischten Luftmasse sind
Tageshöchsttemperaturen zwischen 5 und 11 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Freitag setzt sich über dem Vorhersagegebiet im Bereich des
Troges Höhenkaltluft mit Temperaturen im 500 hPa-Niveau um -35 Grad durch, so
dass die Niederschläge, die bis in Lagen um 600 m als Schnee fallen, einen
konvektiven Charakter annehmen. Allerdings ist die einfließende arktische
Polarluft sehr trocken, so dass es in den nördlichen und westlichen
Mittelgebirgen nur für ein paar Schneeflocken reicht. Das Niederschlagsgeschehen
verlagert sich dann eher zu den süd- und südwestdeutschen und den östlichen
Mittelgebirgen, wo um 5, im Schwarzwald und im Allgäu auch mehr als 10 cm Schnee
innerhalb von 12 Stunden zusammenkommen können, der oberhalb von etwa 800 m
liegen bleibt. Von Norden her können, bedingt durch Skandinavienföhn,
Auflockerungen einsetzen. Da gleichzeitig der Gradient weiter aufweicht, kann in
diesen Gebieten leichter Frost und somit Glätte durch überfrorene Nässe
auftreten.

Freitag... schwenkt der wetterbestimmende Trog nur sehr zögernd über Deutschland
hinweg ostwärts, wobei sich ein Austropfprozess zum Golf von Genua abzeichnet.
Hierdurch wird südlich der Alpen eine markante Zyklogenese induziert. Der
nachfolgende Keil überquert unter Verkürzung der Wellenlänge weitgehend die
Britischen Inseln. Durch diesen gestützt weitet sich ein Bodenkeil bis nach
Mitteleuropa aus. Dies lässt den Gradienten weiter auffächern, so dass selbst
auf exponierten Berggipfeln warnrelevante Böen kaum noch auftreten dürften.
Aufgrund der schwachen nördlichen Anströmung sind in den Staulagen der östlichen
und süddeutschen Mittelgebirge noch wenige, am Alpenrand durchaus um 10
Zentimeter Schnee innerhalb von 12 Stunden zu erwarten, wobei die
Schneefallgrenze etwa bei 600 m liegt. Von Norden her setzen sich Auflockerungen
bis in die westlichen und mittleren Landesteile durch. Ganz im Norden sorgt
Skandinavienföhn sogar für längere sonnige Abschnitte. Die
Tageshöchsttemperaturen erreichen nur noch 2 bis 6 Grad. Oberhalb von etwa 800 m
herrscht meist leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Samstag gelangt Deutschland unter den zusehends abflachenden
Höhenkeil. Dieser wird von Warmluftadvektion überlaufen, die nahezu das ganze
Deutschland, das nördliche Polen bis hin zu den Baltischen Staaten erfasst. Der
hieraus resultierende Druckfall drückt den Bodenhochkeil nach Süddeutschland, so
dass der Wind wieder auf Südwest dreht, an der Nordsee kommen dann erneut
Windböen, auf exponierten Berggipfeln der nördlichen Mittelgebirge Sturmböen bis
Bft 9 auf. Auf weite Teile Deutschlands greift mehrschichtige Bewölkung über,
ausgangs der Nacht setzt in Nordseenähe Niederschlag ein. Abgesehen vom
Nordwesten und von tieferen Lagen Westdeutschlands erfolgt zuvor eine Abkühlung
in den Bereich leichten Frostes. An den Alpen können zudem noch ein paar
Zentimeter Schnee hinzukommen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann