DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-12-2020 18:01
SXEU31 DWAV 221800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 22.12.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Windig mit Sturm vor allem im Bergland, dabei sehr mild und regnerisch mit
gebietsweisem Dauerregen bis zum Heiligabend. Danach Abkühlung und
Berglandwinter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... dominiert in einer westlichen Höhenströmung ausgehend von einem
Langwellentrog über dem Nordostatlantik Tiefdruckeinfluss das Wetter in
Deutschland. Bezeichnenderweise spielen sich die Tiefdruckgebiete GRETA I bis
GRETA III als Wetteraktivisten auf, die im Fahrwasser des Klimawandels für einen
sehr milden Witterungsabschnitt im Rahmen der Singularität eines zu früh
gekommenen "Weihnachtstauwetters" ohne was zu Tauen sorgen. Zunächst sind es vor
allem die Ausläufer von GRETA II mit Zentrum heute Abend nahe Stockholm (ein
Schelm, wer da Böses denkt), die uns beschäftigen. Die Warmfront ist bereits
nach Osten abgezogen, während die Kaltfront über dem Norden Deutschlands liegt
und in die Warmfront bzw. Okklusion von Tief GRETA I mit Zentrum südwestlich der
Britischen Inseln übergeht. Zwar dringt die Kaltfront im Laufe der Nacht noch
ein wenig nach Südosten vor, dort trifft sie aber auf die Warmfront einer Welle,
die sich von der Mitte Deutschlands über Frankreich und der Bretagne hinweg und
dann in südwestliche Richtung weiter auf den Nordostatlantik erstreckt. Der
Wellenscheitel überquert im Laufe der Nacht die Mitte Deutschlands von West nach
Ost. Währenddessen verschmelzen die beiden Frontenzüge miteinander, womit
insbesondere über der Mitte Deutschlands Regenfälle zu erwarten sind.
12-stündig fallen häufig 5 bis 15 mm, in Staulagen um 20 mm. Diese Niederschläge
sind in die laufenden Dauerregenwarnungen eingearbeitet, sodass vorerst keine
Anpassung nötig ist.
Im Bereich der beiden verschmelzenden Frontenzüge werden von den deutschen
Modellen in der Mitte vereinzelt Gewitter simuliert, was der Tatsache kräftiger
Hebung der frontogenetisch zusammenwachsenden Gebilde geschuldet sein dürfte. In
diesem Korridor mit Gewittern, der etwa von der Eifel und dem Thüringer Wald
verläuft, sind auch die höchsten Niederschlagsmengen zu erwarten.
Im Norden bleibt es postfrontal dagegen größtenteils trocken, die eine oder
andere Auflockerung insbesondere an den Küsten oder lokaler Nebel inbegriffen.
Auch im Süden, etwa südlich der Donau, bleibt es meist trocken, Auflockerungen
bleiben jedoch Mangelware.
Der Südwestwind ist zwar nachts insgesamt auf dem absteigenden Ast, auf einigen
Bergen treten aber weiterhin stürmische Böen Bft 8 bis Sturmböen Bft 9 auf.
Ebenso frischt der Wind in der Nähe zum Wellenscheitel bzw. südlich davon
zeitweise auf, sodass dann vorübergehend bis ins Tiefland starke Böen Bft 7
nicht ganz ausgeschlossen sind.
Die Temperaturen sinken nur auf 12 bis 7 Grad südlich der verschmelzenden
Fronten, weil dort weiterhin feuchtmilde Luft, die aus Südwesten eingeflossen
ist, wirksam ist. Im Norden dagegen strömt postfrontal ein Schwall frischerer
Meeresluft ein und die Temperaturen gehen auf 6 bis 3 Grad zurück. Bei solchen
Temperaturen ist lokal Frost in Bodennähe gering wahrscheinlich. Glätte tritt
aber nur sporadisch auf, da es bereits heute Abend größtenteils trocken ist und
auch die Luftmasse abtrocknet.

Mittwoch ... rückt GRETA I, das auf der Vorderseite eines Höhentrogs über dem
Nordostatlantik zum Westausgang des Ärmelkanals geführt wird, mehr und mehr in
unseren Fokus. Der verschmolzene Frontenzug der Nacht wird nun als Warmfront in
eine auf Südwest drehenden Höhenströmung allmählich gen Nordosten geführt und
mündet in eine Okklusion bzw. Tiefdruckrinne, die über Norddeutschland und der
Nordsee zum Tiefzentrum von GRETA I führt. Die Kaltfront erreicht uns in den
Nachmittagsstunden von Westen her. So macht die subtropische Warmluft noch ein
wenig Boden gut nach Norden, wo sie auf die deutlich kühlere Luft trifft. Zudem
sind kräftige Hebungsimpulse vorhanden (PVA durch flache Randtröge), die weitere
Regenfälle garantieren.
Der meiste Regen ist über der Mitte zu erwarten, dort betragen die Regenmengen
zwischen 5 und 20 mm in 12 Stunden. Sonst werden von den Modellen 5 bis 15 mm
avisiert, am längsten trocken bleibt es voraussichtlich im äußersten Nordosten
rund um die Ostsee und südlich der Donau. Größere Aufheiterungen wird es dort
aber nicht geben.
Darüber hinaus werden mit der Kaltfront im Nordwesten erneut lokal Gewitter von
der deutschen Modellkette angeboten.
Der Wind weht südlich der Warmfront weiterhin lebhaft mit Böen der Stärke 7 bis
9 im Bergland. Zudem kann es mit der Kaltfront einzelne starke Böen geben.
Die Temperaturen steigen präfrontal im Norden "nur" auf 5 bis 9 Grad, weiter
südlich hingegen auf 10 bis 16, am Oberrhein örtlich bis 17 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag rückt der positiv geneigte Höhentrog vom
Nordostatlantik Richtung europäischen Kontinent vor, womit auch Tief GRETA I
weiter nach Südosten zieht. Der Schwerpunkt des Tiefs über dem Westausgang des
Ärmelkanals, der sich nach Nordfrankreich verlagert, füllt sich dann jedoch auf,
während sich über Norddeutschland ein neues Zentrum bildet. Neues und altes
Zentrum sind durch eine stark barokline Kaltfront mit einem markanten Windsprung
verbunden, wobei die Kaltfront in einem Okklusionsteil über Deutschland mündet.
Die Warmfront zieht im Zuge dessen nach Nordostdeutschland und Polen und die
erste Kaltfront bis nach Südostdeutschland.
Auch das garantiert natürlich einige Niederschläge, es lassen sich erneut einige
Hebungsimpulse ausmachen (PVA/KLA).
Die größten Niederschlagssummen kommen entlang der Tiefdruckrinne mit Okklusion
und zweiter Kaltfront zusammen, sodass über Norddeutschland 5 bis 15, lokal bis
20 mm in 12 Stunden fallen. Die Lage der Rinne differiert in den Modellen noch
leicht. EURO4 legt sie recht weit nördlich, während ICON, EZMW und GFS mehr
Einigkeit erzielen und ungefähr eine Linie Emsland - Vorpommern - Uckermark in
Betracht ziehen. Auch im Süden, wo die erste Kaltfront von Nordwest nach Südost
durchzieht und dabei von den Modellen sogar eine Wellenbildung angedeutet wird,
fallen häufig 5 bis 15, in Staulagen bis 25 mm bis zum Morgen. Dazwischen regnet
es allgemein weniger, trocken bleibt es aber fast nirgendwo.
Der Wind legt im Vergleich zum Tag etwas zu, was auf einen wieder leicht
zunehmenden Gradienten im Rahmen der Zyklogenese über Norddeutschland
zurückgeht. An der Nordsee und südlich der Rinne treten einzelne starke Böen bis
ins Tiefland auf, auf den Bergen reicht die Palette von stürmischen Böen bis hin
zu schweren Sturmböen auf dem Brocken.
Es kühlt sich auf 10 bis 4, im Norden auf 6 bis 2 Grad ab.

Donnerstag ... (Heiligabend) erreicht der Höhentrog unter Amplifizierung
Benelux und Nordostfrankreich und bildet ein Drehzentrum über dem
Rhein-Maas-Delta. GRETA I verlagert sich dann nach Polen und die zweite
Kaltfront kommt von Nordwesten rasch bis in die Mitte Deutschlands voran. Die
sehr milde Subtropikluft wird daher durch eine deutliche kühlere, allerdings
über dem Meer erwärmte Polarluft ersetzt. Waren Phasenbetrachtungen bis dato
nicht relevant, so werden sie es passend zum Weihnachtsfest dann doch.
Zunächst aber zu den Regenmengen, die im Nachklang der auslaufenden
Dauerregenwarnungen am Donnerstag 12-stündig nochmals häufig zwischen 2 und 10,
in Staulagen des Südens und im Nordosten in Tiefnähe bei 15 mm in 12 Stunden
liegen. Eventuell muss in Norddeutschland in einem Zeitraum Mittwochmorgen bis
Donnerstagmittag auch eine markante Dauerregenwarnung nachgelegt werden, da
zumindest COSMO-LEPS dort bis zu 30 % für mehr als 30 mm ausgibt.
Nun zu den wichtigen Dingen - es ist ja dann Weihnachten - den
Phasenbetrachtungen. Zunächst liegt die Schneefallgrenze von der Mitte bis in
den Süden bei 1000 bis 2200 m, im Nordwesten schon nur noch bei 200 bis 500 m.
Während die Schneefallgrenze tagsüber im Nordwesten nicht weiter absinkt, geht
sie in der Mitte auf 600 bis 400, im Süden auf 100 bis 800 m zurück. So gewinnt
die feste Phase vor allem in höheren Lagen sukzessive an Substanz, größere
Schneeansammlungen sind aber - leider - außer auf den höchsten Gipfeln bis zum
Abend nicht zu erwarten.
Der Wind weht zunächst im Süden noch kräftig mit starken Böen bis ins Tiefland
und stürmischen Böen bis hin zu schweren Sturmböen auf den Gipfeln. Im Laufe des
Tages lässt er von der Mitte her nach, mit Durchzug der zweiten Kaltfront kann
er jedoch noch einmal vorübergehend stark auffrischen. Im Norden weht der Wind
meist nur schwach bis mäßig mit einzelnen starken Böen an der See.
Die Temperaturen steigen auf 4 bis 12 Grad, wobei vielerorts die
Höchsttemperaturen bereits am Morgen oder Mittag erreicht sein dürften, weil es
nach Durchzug der Kaltfront rasch kühler wird.

In der Nacht zum Freitag legt sich der weiter amplifizierende Höhentrog über
Deutschland und drängt die Kaltfront südostwärts ab. Zwischen Tief GRETA I und
einem kräftigen Azorenhoch hält die nördliche Strömung damit an und dadurch auch
die Zufuhr erwärmter Polarluft.
Die Schneefallgrenze sinkt im Laufe der Nacht zum Teil bis in ganze tiefe Lagen
ab, allerdings lassen nach Kaltfrontdurchgang die Niederschläge von Nordwesten
her alsbald nach. Hoffnungen auf einen weißen Weihnachtsmorgen mit wenigen
Zentimetern Neuschnee kann man sich daher hauptsächlich in höheren Lagen der
Mittelgebirge und am Alpenrand machen. Vielleicht schafft es aber noch das ein
oder andere postfrontale Schauerband, das in den Modellen durchaus angedeutet
wird, Schneeflocken bis nach ganz zu bringen, sodass dort zumindest ein Hauch
von Weiß erlebt werden kann?
Die Temperaturen sinken auf 4 Grad an der See, 2 Grad im Osten und Südosten und
bis -3 Grad im Westen bei Aufklaren, in den Bergen wird es noch kühler. Daher
rückt auch das Thema Glätte durch überfrierende Nässe auf die Agenda.
Der Nordwestwind schwächt sich weiter ab, auf den Bergen weht er zum Teil aber
noch stark bis stürmisch, in den Alpen mit Sturmböen.

Freitag ... (1. Weihnachtsfeiertag) schwenkt der Trog bereits in den Südosten
von Deutschland. Dahinter wölbt sich ein Rücken in Richtung Nordsee und Norwegen
auf, der einen Keil des Azorenhochs nach Mitteleuropa ausgreifen lässt.
Druckanstieg und Absinken sowie nachlassende Niederschläge sind vor allem im
Norden und in der Mitte die Folge. Nach Süden hin gibt es durch die Reste der
feuchten Luft noch einige Niederschläge, die fast überall nur noch in der festen
Phase fallen und vor allem südlich der Donau bei Temperaturen nur knapp über dem
Gefrierpunkt zu ein paar wenigen Zentimetern Neuschnee führen können.
Ansonsten steigen die Temperaturen bei zum Teil auflockernder Bewölkung auf 1
bis 6 Grad.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus West bis Nordwest, im Bergland sind
vereinzelt noch starke Böen dabei, auf den Alpengipfeln stürmische Böen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle erzielen mittlerweile wieder eine ganz gute Konsistenz, was der
Vorhersage eine gute Sicherheit verleiht. Unschärfen ergeben sich wie bereits
oben erwähnt vor allem beim Niederschlag im Norden von Mittwochmorgen bis
Donnerstagmittag, und auch beim möglichen Dauerregen im Schwarzwald von Mittwoch
bis Donnerstag. Dauerregen ist dort zumindest gering wahrscheinlich, sodass die
nächsten Läufe begutachtet werden sollten und bei Bedarf nachgesteuert werden
muss.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler