DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-12-2020 18:30
SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.12.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Montag im Südosten Glatteis durch gefrierenden Regen. Ab Montag
von Westen zunehmend regnerisch und windig, dabei gebietsweise Dauerregen und
lokal ergiebiger Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... wandert ein Höhentrog auf das europäische Festland zu bzw. hat in
den Abendstunden mit seiner Achse bereits die Nordsee, Benelux und
Nordost-Frankreich erreicht. Bis zum Montagmorgen schwenkt der Trog unter
Verkürzung seiner Wellenlänge nach Osten weiter, wobei seine Achse bis auf eine
Linie Norwegen - Dänemark - Ostdeutschland vorankommt. In der unteren
Troposphäre spiegelt sich der Trog in einem Tiefdruckkomplex mit zwei Kernen
wider. Ein Kern ist das Tief EVA, das sich zwischen Island und Schottland
befindet. Das zweite Tief heißt FERNANDA und liegt über dem Nordmeer. Dessen
Ausläufer reichen über Skandinavien bis nach Deutschland. Die über Deutschland
zunächst analysierte Kaltfront ist am Boden jedoch maskiert, da postfrontal die
Temperaturen sogar ansteigen. In der Höhe kühlt es allerdings ab, sodass die
Kaltfront in eine Höhenkaltfront umgewandelt wurde, die heute Abend von Südwest
nach Nordost diagonal über Deutschland liegt. Bis zum Morgen zieht sie mit dem
Höhentrog von der Mitte in den Osten und Südosten.
Mit der Front verbunden gibt es zeitweilige Niederschläge, die bei Mengen von 1
bis 5 mm aber nur gering sind.
Interessanter - weil warntechnisch relevant - ist die Phase des Niederschlags.
Den meisten Modellen zufolge wird die flüssige Phase aufgrund ausreichend großer
Schmelzflächen zwischen etwa 950 und 800 hPa ("warme Nase") dominieren, nur in
höchsten Lagen fallen ein paar Schneeflocken. Die Schneefallgrenze sinkt im
Laufe der Nacht von 1500 bis 1700 m mit dem Vordringen der Front nach Südosten
hin auf etwa 1000 bis 1200 m ab.
Gefährlich ist aber, dass die Niederschläge in Bayern auf niedertroposphärisch
kühlere und teils frostige Luft treffen ("kalter Fuß"). Dieses Gemisch ist für
gefrierenden Regen und entsprechendes Glatteis prädestiniert, worauf auch die
Modelle reagieren und Hinweise vor allem für Ostwürttemberg, Bayrisch Schwaben,
Ober- und Niederbayern sowie die Oberpfalz und sehr punktuell im Erzgebirge
liefern. Bei den Regenmengen kann vornehmlich markant gewarnt werden, allerdings
ist bei lokal etwas höheren Regenmengen unwetterartiges Glatteis nicht ganz
auszuschließen.
Im Rest des Landes ist es bei postfrontalem Absinken mehrheitlich trocken,
schwache Regenschauer sind aber lokal insbesondere im Nordwesten in der Nähe zum
Trog möglich. Zum Teil lockern die Wolken auch ein wenig auf, bei meist nur noch
schwachem Wind bildet sich gebietsweise Nebel.
Apropos Wind, der lässt zwar nach, in Ost-Sachsen ist aber in der ersten
Nachthälfte präfrontal bei südöstlicher Anströmung noch Böhmischer Wind mit
einzelnen starken Böen Bft 7 aktiv. Zudem sind durch die Trogpassage auf den
Nordseeinseln (vor allem Helgoland und Sylt) einzelne starke Böen
wahrscheinlich.
Die Temperaturen sinken auf 7 bis 2 Grad in der Nordwesthälfte und auf 3 bis -3
Grad sonst.

Montag ... verlässt der Trog Deutschland rasch nach Osten hin, sodass wir uns in
einer recht glatten westlichen Strömung wiederfinden. In diese ist die
Frontalzone eingebettet, die auf Deutschland zusteuert. Zunächst wird durch die
progressive Verlagerung des Trogs die Höhenkaltfront aus Deutschland
herausgeführt. Postfrontal stellt sich dann unter schwachen Absinken zunächst
ein Gemisch aus dichten Wolken und zeitweiligen Sonnenschein ein, begleitet von
dem einen oder anderen schwachen Schauer im Norden. Stellenweise hält sich der
Nebel auch noch in den Tag hinein.
Im Westen jedoch werden die Wolken rasch wieder dichter, weil dort im Zuge
aufkommender WLA mehrschichtige Bewölkung aufzieht. Diese kräftige WLA steht im
Zusammenhang mit einem neuen Wellentief namens GRETA II über den Britischen
Inseln, welches wiederum mit einem Randtrog knapp nördlich von Schottland
interagiert und eine Warmfront nach Deutschland lotst. Deshalb zieht nicht nur
Bewölkung auf, sondern auch Regen, der unterstützt von weiteren Tiefs und mit
nur kleineren Unterbrechungen zum Teil bis Freitagmittag (1. Weihnachtsfeiertag)
anhalten könnte.
Der Regen breitet sich bis abends bis auf eine Linie Schleswig-Holstein -
südöstliches Niedersachsen - Unterfranken - Schwarzwald aus. Die 12-stündigen
Regenmengen liegen bei 1 bis 10, Richtung Niederrhein lokal bei bis 15 mm. Die
feste Phase spielt keine Rolle, auch nicht in höheren Lagen. Diese 12-stündigen
Regenmengen sind vorerst nicht warnrelevant, das ergibt sich erst mit dem Regen
in den Folgetagen.
Mit dem neuen Tief frischt der Wind auf, nimmt der Gradient doch deutlich zu.
Vor allem am Nachmittag treten im Westen und Nordwesten einzelne starke Böen Bft
7, an der Nordsee und in höheren Berglagen stürmische Böen Bft 8 auf, exponiert
auf den Gipfeln reicht es zu Sturmböen Bft 9 bis hin zu schweren Sturmböen Bft
10 auf dem Brocken.
Die Temperaturen pendeln sich bei 6 Grad im Osten bis 11 Grad im Westen ein, im
Südosten ist es bei 3 bis 7 Grad noch kühler.

In der Nacht zum Dienstag verbleiben wir in der westlichen Strömung. Der
Randtrog nahe Schottland wandert Richtung norwegische Küste und führt GRETA II
in den Skagerrak. Die Warmfront überquert damit Deutschland, die Okklusion und
die Kaltfront gelangen in den Norden und Nordwesten.
Mit dem Frontensystem werden ausgiebige Feuchtefelder nach Deutschland geführt,
sodass es verbreitet Regenfälle gibt. Die Mengen betragen häufig 2 bis 10 mm,
gebietsweise auch 10 bis 20 mm und in Staulagen lokal bis zu 30 mm in 12
Stunden. Die Niederschlagsschwerpunkte sind allerdings bei den Modellen nicht
gleichverteilt. So legt GFS den Schwerpunkt nach Niedersachsen, während EURO4
vor allem in Staulagen in der Mitte und im Süden den meisten Regen vorhersagt.
ICON hingegen erkennt einen Schwerpunkt im Emsland und im Münsterland sowie
ebenfalls in den Staulagen in der Mitte und im Süden. Mit diesen Regenmengen
würde gebietsweise bereits das 24-stündige Dauerregenkriterium erfüllt werden.
Der Wind spielt auch weiterhin eine Rolle. Allgemein kann außer im norddeutschen
Binnenland von starken, exponiert von stürmischen Böen ausgegangen werden. Im
höheren Bergland sind Sturmböen und schwere Sturmböen, auf dem Brocken
orkanartige Böen Bft 11 zu erwarten.
Die Temperaturen sinken auf 9 bis 1 Grad.

Dienstag ... bleibt die Frontalzone über Deutschland erhalten. Die Kaltfront von
GRETA II wird dabei zunehmend strömungsparallel und geht über in die Warmfront
eines weiteren Tiefs westlich der Britischen Inseln. Dieses Frontensystem bewegt
sich tagsüber nur wenig und hält sich über Norddeutschland auf, wobei die
Modelle ebenso wie in der Nacht zuvor Differenzen aufweisen. Die deutschen
Modelle zeigen dabei eine nördlichere Position der Front als das EZMW und damit
verbunden dort die stärksten Niederschläge. Im Bereich der Front fallen 5 bis
15, exponiert um 20 mm Regen. Weiter nördlich bleibt es meist trocken bei
einzelnen Aufheiterungen.
Im Süden bzw. in der Mitte werden von Südwesten aber neue Feuchtefelder
herangeführt, die man mit einer weiteren Warmfront in Verbindung bringen kann,
die ihrerseits an eine Kaltfront angebunden ist, die über dem Westausgang des
Ärmelkanals ihren Sattelpunkt hat und knapp an Portugal vorbei in südwestliche
Richtung auf den Atlantik hinausführt. Mit der Warmfront regnet es auch in der
Mitte weiterhin, wobei die Regenmengen zwischen 2 und 10 mm, in Staulagen um 15
mm liegen sollen.
Im südlichen Baden-Württemberg und im südlichen Bayern könnte es trocken
bleiben, aber auch diesbezüglich sind sich die Modelle wenig einig (GFS
beispielsweise sagt dort Regen vorher, während es etwas weiter nördlich trocken
bleibt und die schleifende KF über Norddeutschland weiter südlich angesiedelt
ist).
Beim Gradienten und damit dem Wind hängt vieles ebenfalls von der Lage der
schleifenden Front ab. Südlich davon ist der Gradient weiterhin ausgeprägt, wenn
auch nicht mehr ganz so stark wie am Vortag. Vereinzelt können wieder starke
Böen bis ins Tiefland vorkommen. Auf den Bergen reicht die Palette von
stürmischen Böen über Sturmböen bis hin zu schweren Sturmböen. Ebenso treten an
der Ostsee einzelne starke Böen auf.
Die Temperaturen steigen durch die Zufuhr milder Luft aus dem Südwesten auf 7
bis 16 Grad. Damit tritt das "Weihnachtstauwetter" dieses Jahr etwas zu früh auf
- obwohl - viel zu tauen gibt es eigentlich nicht.

In der Nacht zum Mittwoch dreht die westliche Strömung ein wenig auf Südwest und
ist leicht antizyklonal deformiert, wir verbleiben aber unter dem Einfluss der
Frontalzone. Neuer Hauptakteur für unser Wettergeschehen wird das Tief westlich
der Britischen Inseln, das auf die Insel zuzieht und dessen Warmfront über dem
Norden Deutschlands nur langsam weiter nordwärts driftet. Sie verliert im Rahmen
der antizyklonalen Deformierung an Wetteraktivität, sodass an ihr meist nur noch
1 bis 5 mm Regen fallen. Ganz im Norden Deutschlands bleibt es präfrontal noch
trocken.
Weiter südlich liegt das zweite Feuchtefeld der zweiten Warmfront, die in der
Mitte für Niederschläge sorgt. Den deutschen Modellen zufolge fällt dort 5 bis
15, in Staulagen um 20 mm Regen in 12 Stunden. Mit etwas höheren Mengen operiert
das EZMW, wobei eine Trennung erste und zweite Warmfront nicht zu sehen ist bzw.
die beiden Regengebiete wohl verschmelzen. Dabei ist EZMW ein kleines Bißchen
nördlicher aufgestellt als die deutsche Modellkette, bei der eine Trennung der
Regengebiete ersichtlich ist. GFS ist dem EZMW sehr ähnlich.
Am ehesten trocken bleibt es ganz im Süden und ganz im Norden der Republik.
Der Wind schwächt sich in der Nacht ein wenig ab, kommt aber nicht ganz zum
Erliegen. In den Bergen muss weiterhin mit starken bis stürmischen Böen,
exponiert mit Sturmböen gerechnet werden.
Die Temperaturen gehen nur auf 11 bis 7 Grad unter den Wolken zurück, bei
längeren Auflockerungen kann es sich bis auf 3 Grad abkühlen.

Mittwoch ... bildet sich über Norddeutschland ein Randtief zu dem Tief über den
Britischen Inseln. Es bezieht die Warmfront ein, aber auch die Kaltfront, die
nun vom westlichen Ausgang des Ärmelkanals bzw. dem Atlantik kommend bis in den
Nordwesten Deutschlands vordringt. Warm- und Kaltfront finden ihre Fortsetzung
als Okklusion bis zum Tief über den Britischen Inseln. Weiterhin ist also die
Zufuhr feuchter Luftmassen und damit neuerlicher Regenfällen gesichert. Am
Mittwoch sind die Niederschlagsfelder sogar etwas kongruenter als an den
Vortagen. Die Schwerpunkte liegen im Norden und Westen, ganz im Norden und im
äußersten Südosten bleibt es aber voraussichtlich trocken. Die
Niederschlagsmengen betragen 5 bis 20 mm, in Staulagen bis 25 mm in 12 Stunden.
Der Wind bleibt auf dem Niveau der Nacht zuvor, was im Bergland starke bis
stürmische Böen, exponiert Sturmböen bringt.
Die Temperaturen steigen auf 6 bis 9 Grad ganz im Norden, sonst auf milde 10
Grad in der Mitte bis 17 Grad im Süden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Dauerregenlage in den Griff zu bekommen, stellt aufgrund der oben
angesprochenen Modelldiskrepanzen eine nicht triviale Aufgabe dar. Wegen der
Andauer der Regenfälle kann grundsätzlich zu längeren Warnungen gegriffen
werden. Die stärksten Signale sind 48-stündig gesehen bis Mittwochmittag bei den
Ensembles in den Staulagen der zentralen Mittelgebirge vorhanden, dort gibt es
hohe Wahrscheinlichkeiten bis 90 % für mehr als 40 mm (markanter Dauerregen) und
noch geringe bis 30 % für mehr als 60 mm (Unwetter-Dauerregen). Auch im
Schwarzwald sind Hinweise gegeben, die aber nicht so stark sind wie in der Mitte
und die kürzer laufen sollten. Zudem wird von COSMO-LEPS ein Streifen im
nördlichen NRW mit geringen Wahrscheinlichkeiten für 48-stündigen markanten
Dauerregen versehen. Für konkrete Warnungen sollten die Ergebnisse der
Montagmorgen-Läufe einbezogen werden, um damit am Montagvormittag vor Beginn des
Regens eine adäquate Warnstrategie anbieten zu können.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler