DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

20-12-2020 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.12.2020 um 10.30 UTC



Anfangs windige, regnerische Westwetterlage. Ab Heiligabend Übergang zu
Nordwestlage mit maritimer Polarluft und Berglandwinter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 27.12.2020


Bisher war die Witterung von einer zunehmend aktiven Westwetterlage geprägt.
Doch bereits ab Mittwoch beginnt sich die Wetterlage auf eine Nordwestlage mit
Berglandwinter umzustellen.

Zum Beginn des Mittelfristzeitraums am Mittwoch baut sich vorderseitig eines
kräftigen Tiefs, das von Neufundland Richtung Grönland zieht, ein kräftiger Keil
über dem Atlantik auf. Weiter stromabwärts kann sich dabei ein Trog über den
Britischen Inseln entwickeln, der Richtung Mitteleuropa zieht. Dadurch baut sich
allmählich ein meridionales Strömungsmuster auf. Doch zunächst wird Mitteleuropa
noch von einer zonal verlaufenden Frontalzone beeinflusst, die entlang einer
Tiefdruckrinne von Südengland über Norddeutschland verläuft. An der Südflanke
wird vorderseitig des von Groß-Britannien näher rückenden Troges warme
Subtropikluft in die Mitte und den Süden Deutschlands gelenkt, während im
äußersten Norden maritime Polarluft wirksam ist. Auf der warmen Seite der
wellenden Luftmassengrenze fällt über der nördlichen Mitte Deutschlands länger
anhaltender Regen.

Am Donnerstag, zu Heiligabend richtet sich die Achse des Atlantikkeils in
SW-NO-Richtung aus, wobei der Keil bis ins Nordmeer vorstößt. Zwischen dem Keil
und einem steuernden Zentraltief über Skandinavien verstärkt sich die nördliche
Strömung, wodurch sich stromabwärts der Trog über Westeuropa weiter entwickeln
kann und im weiteren Verlauf ostwärts zieht und auf Deutschland übergreift. Die
Luftmassengrenze über Deutschland kommt durch die zunehmende Schubkomponente
allmählich weiter nach Süden vorankommt und Kippt in SW-NO-Richtung und
überquert bis zum Abend Deutschland. Rückseitig wird Deutschland von maritimer
Polarluft mit 850-hPa-Temperaturen von -7 °C im Norden und um -3 °C im Süden
geflutet. Die Niederschläge gehen bis in die mittleren Lagen der Mittelgebirge
in Schnee über, lassen aber postfrontal schnell nach, sodass die Schneephase
abgesehen vom Alpenrand nur kurz sein wird. In der Heiligen Nacht folgt der
Höhentrog mit 500 hPa-Temperaturen von unter -35 °C über Ostdeutschland nach.
Dabei entwickeln sich zahlreiche Schauer, die sich vor allem an den Nordrändern
der östlichen Mittelgebirge stauen. Zum teils sind diese Schauer bis in tiefe
Lagen mit Schnee vermischt.

Am Freitag, dem 1. Weihnachtstag befindet sich Deutschland im Einfluss des
Langwellentroges dessen Achse bis zum Abend südwärts durch schwängt. Rückseitig
setzt Absinken ein, sodass die zunächst in der hochreichenden Kaltluft in der
Südosthälfte noch zahlreich auftretenden Schauer allmählich zum Erliegen kommen.
Von Nordwesten her setzt unterdessen Geopotenzialanstieg ein. Dies geschieht
durch den vorrückenden Atlantikkeil, dessen Achse sich nun über Groß-Britannien
befindet und der durch ein mächtiges Sturmtief an der Ostseite Grönlands im
Norden weitestgehend "abgehobelt" wurde.

Am Samstag den 2. Weihnachtstag zieht der Trog nach Südosten ab. Nachfolgend
greift der immer flacher werdende Höhenkeil auf Deutschland über. Während das
kräftige Sturmtief nach Island zieht. Die Strömung dreht bei uns dabei zunehmend
auf Nordwest, wobei feuchte erwärmte Subpolarluft in den Norden advehiert wird.
Unter WLA steigt die 850-hPa-Temperatur im Norden auf über 0°C an.

Am Sonntag zieht das Sturmtief weiter ins Nordmeer. Die Reste des Keils werden
nach Süden verdrängt, wodurch sich über Europa wieder eine zonale Strömung
einstellt. Während im Süden sich noch die Reste der gealterten maritimen
Polarluft unter leichtem Absinken halten, wird der Norden zykloanl beeinflusst,
wodurch sich die Luft unter Zufuhr milderer Subpolarluft weiter erwärmt. Dabei
greift das okkludierte Frontensystem des Tiefs auf den Norden und die Mitte
Deutschlands über. In den Niederungen ist dabei meist Regen zu erwarten.
Schwieriger lässt sich die Phase in den Mittelgebirgen vorhersagen, über Schnee,
Eiskörner und teils gefrierenden Regen, ist dort alles möglich.

Zu Beginn der neuen Woche meridionalisiert die Lage erneut. Stromabwärts von
einem neunen blockierenden Atlantikkeil trogt der Skandinavientrog Richtung
Mitteleuropa aus. Dabei herrscht über Skandinavien ungewöhnlich tiefes
Geopotenzial. West- und Mitteleuropa wird dabei erneut von maritimer Polarluft
geflutet, in der Schneefälle bis in mittlere, zum Teil auch in tieferen Lagen
auftreten.


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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der neue ECMWF-Lauf zeigt im Wesentlichen keine größeren Unterschiede zu den
Vorläufen. Variationen gibt es noch bezüglich des zeitlichen Ablaufs. Der Trog
über Mitteleuropa im erweiterten Mittelfristzeitraum wird im neuen Lauf viel
kräftiger gerechnet.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Im Wesentlichen sehen alle anderen Modelle die Entwicklung ähnlich. Leichte
Variationen gibt es zum zeitlichen Ablauf des Kaltfrontdurchgangs zu
Heiligabend. Die ICON-Variante ist dabei von allen Modellen die langsamste.
Weitere Unsicherheit besteht darin, wie schnell der Trog am Freitag mit der
Höhenkaltluft nach Süden abzieht. ECMWF zeigt hier eine schnellere Variante als
GFS. GFS berechnet dabei stärkere Schneefälle im Nordstau des Erzgebirges im
Trogbereich.
Die erneute Austrogung über Mitteleuropa in der erweiterten Mittelfrist zeigen
mittlerweile alle Modelle, teils aber recht unterschiedlich stark ausgeprägt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Ensembles bestätigen die Ergebnisse der deterministischen Läufe
weitestgehend. Die ECMWF-Rauchfahnen sind bis Samstag stark gebündelt. Abgesehen
von den erwähnten Unsicherheiten des Zeitpunkts des Kaltfrontdurchgangs (+-12h).
Zum Wochenende zeigen die Rauchfahren den Erwärmungstrend mit gleichzeitig
steigendem Geopotenzial. Die Intensität der Erwärmung ist dabei noch unsicher.
Diese fällt im Hauptlauf und im Großteil der Ensembles eher moderat aus.
Allerdings gibt es einen Teil der Ensmbles, der eine deutliche Erwärmung sieht.
Dieser Anteil ist in den neuen Ensembles im Vergleich zu den Vorläufen größer
geworden.
Die anschließende Austrogung wird zwar von den meisten ENS-Mitgleidern zu Beginn
der neuen Woche mehr oder weniger stark gezeigt, aber wird nicht von allen
ENS-Mitgleidern getragen. Der Hauptlauf befindet sich in der stark streuenden
ENS-Wolke bezüglich des Geopotenzials am unteren Ende. Diese Unsciherheit zeigt
sich auch in den Clusteranalysen mit 4 Clustern, in denen der Trog jeweils eine
unterschiedliche Position hat. Von Vorderseite bis Trogrückseite ist alles
möglich.
In den GFS-Ensembles fehlen diese warmen Varianten am Wochenende völlig. Jedoch
zeigen auch hier einige Läufe eine Austrogung über Westeuropa im erweiterten
Mittelfristzeitraum mit einer deutlichen Erwärmung (zumindest in der Höhe) in
Deutschland.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass das derzeit für die Jahreszeit deutlich zu
warme Wetter zu Heilig Abend mit einer Kaltfront vorerst zu Ende geht. Der
genaue Kaltfrontdurchgang lässt sich derzeit aber noch nicht vorhersagen.
Was weiße Weihnachten angeht, so stehen die Chancen zumindest ab den 1. Feiertag
am Alpenrand sehr gut. Auch gute Chancen haben die Kammlagen der Mittelgebirge.
Dort sollte von der Kaltfront etwas Schnee liegen bleiben. Die mittleren Lagen
ab 400 - 500 m müssen auf die nachfolgenden Schauer mit dem Trog setzten. Dort
sollten die Chancen am Nordrand des Erzgebirges am besten stehen. Für tiefere
Lagen sieht es derzeit eher schlecht aus, da zwar die eingeflossene Polarluft
mit bis zu -7°C auf 850hPa in der Höhe ziemlich kalt ist, dies aber bei voller
Durchmischung trotzdem noch leicht positive Temperaturen bedeutet, sodass
potenzieller Schnee nicht liegen bleibt. Allerdings besteht noch die Hoffnung
auf einen lokal sehr kräftigen Schneeschauer, der es dann doch noch weiß werden
lässt. Wo wieviel Schnee liegen wird, lässt sich auch derzeit durch die
Modellunsicherheiten schwer abschätzen.

Eine Erwärmung in der Höhe zum Wochenende schein zumindest als Wahrscheinlich.
Mit der aufziehenden Front kann es vorwiegend in den Mittelgebirgen auch zu
Glatteis kommen. Ob sich das Tauwetter dann bis in die Gipfellagen durchsetzt,
ist noch unsicher.

Unsicher bleibt auch die weitere Entwicklung ab Montag. Die genaue Position des
neuen Troges ist entscheidend. Von Vorderseite bis Rückseite ist noch alles
offen, wobei allerdings die Variante mit Trog über Mitteleuropa am
wahrscheinlichsten ist und sich der Mittelegbirgswinter somit weiter fortsetzten
würde.
Auch im Weiteren Verlauf (bis +360h) bleibt die positive Geopotenzialanaomalie
über dem Nordatlantik in den Cluster-Analysen bestehen. Dies bedeutet tiefes
Geopotential über Mitteleuropa und die Chance auf immer wieder polare
Kaltlufteinbrüche. Von der richtigen sibirischen Kaltluft bleiben wir allerdings
zunächst abgeschnitten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


REGEN: Mit dem Regen am Dienstag und Mittwoch zeigt die Probabilistik eine sehr
hohe Wahrscheinlichkeit für das Erreichen der Dauerregenschwellen vor allem im
westlichen Mittelgebirgsbereich. Dort sind in den Staulagen auch unwetterartige
Mengen möglich.

SCHNEEFALL: Im Trogbereich und am Alpenrand auch mit der Kaltfront sind in der
Nacht zum Freitag und am Freitag in den Nordstaulagen der Mittelgebirge, sowie
am Alpenrand bei kräftigen Schauern Neuschneemengen von bis zu 10 cm in einigen
Stunden nicht ausgeschlossen.

STURM: Die Sturmböen in den Gipfellagen der Mittelgebirge lassen zum 1. Feiertag
nach. Allerdings muss man sich ab Sonntag wieder auf eine deutliche Windzunahme
mit Sturmböen im Bergland und an der See einstellen.

GLATTEIS:
Am Sonntag ist in den Mittelgebirgen eine Glatteislage nicht ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, ECMWF, ECMWF-ENS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Christian Herold