DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-12-2020 09:30
SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 11.12.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal)

XAVIER trotzt femininer Übermacht - Blockadehoch über Russland dämpft zyklonale
Attacken. Insgesamt trübes drittes Adventswochenende mit zeitweiligen, meist
leichten Niederschlägen aller Couleur. Von Westen her zögernde Milderung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befindet sich Deutschland auf der kalten Seite der Frontalzone, die
vom mittleren Nordatlantik kommend über die Iberische Halbinsel hinweg bis nach
Nordwestafrika gerichtet ist. Diese "schräge" und eben nicht zonale Anströmung
geht auf einen Doppeltrog zurück, bei dem der eine Teil von der Irminger See bis
nach UK/Irland bzw. Westfrankreich reicht, während der zweite Part über
Mitteleuropa respektive Deutschland dahinvegetiert. Aktuell werden die beiden
Anteile noch durch einen flachen Rücken getrennt, der heute früh etwa über dem
Grenzbereich zu Frankreich und Benelux liegt, bedingt durch die Progression des
atlantischen Troganteils in den nächsten Stunden aber immer mehr abgebaut wird.
Am Ende steht spätestens am Abend ein einziger LW-Trog auf der Karte, dessen
Hauptachse sich von der Irminger See bis zum zentralen Mittelmeer erstreckt.
Korrespondierend dazu findet sich auf der Bodenkarte eine ganze Kohorte an
Tiefdruckgebieten, angefangen vom Haupttief ANDIRA I knapp südlich Islands über
ANDIRA III (Balearen), die garstige ZÖLESTINE (Sizilien; eine der
Schneebringerinnen für die Alpensüdseite) bis hin zu YVONNE an der westlichen
Schwarzmeerküste. Und als ob das nicht schon reichen würde, taucht südlich von
Neufundland noch BARBARA am Horizont auf, während XUNAV bei Nowaja Semlja
Polarforschung betreibt. Bei so viel Frauenpower hat Mann es schwer, sich zu
behaupten, doch - schau da, schau da - es gelingt besser als Frau meinen möchte.
XAVIER heißt der/das Gute, das einzige echte Hoch neben dem als sächlich zu
betrachtenden Azorenhoch auf der europäisch-atlantischen Wetterkarte. XAVIER ist
ein echter Dauerbrenner, der seinen Sitz über Russland hat, dabei zwar mit
Gewichtsschwankungen zu kämpfen hat (mal bringt er wie aktuell nur etwas über
1040 hPa auf die Waage, dann sind es auch mal über 1050 hPa), ansonsten aber
eine echte Konstante darstellt. Und, er sorgt als sogenanntes blockierendes Hoch
dafür, dass sich die "Damen" zumindest bei uns im Vorhersageraum nur bedingt und
nicht mit voller Wucht in Szene setzen können.
Zurück von Genderei und Boulevard zum Ernst der Lage, die heute von einem
okkludierenden Frontensystem ausgeht. Es befindet sich unmittelbar auf der
Vorderseite des atlantischen Troges, wo es die beiden ANDIRAs (über UK/Irland
bildet sich übrigens noch ein dritter Kern, das Teiltief ANDIRA II, das uns in
der Sammlung noch fehlte) verbindet. Die Okklusion schleppt sich nur sehr mühsam
nach Osten voran und wird den heutigen Tag westlich unseres Landes verbleiben.
Gleichwohl greifen schwache Hebungsprozesse auf die westlichen Regionen über, wo
sie auf eine mehr oder weniger ausgekühlte, inzwischen etwas gealterte Luftmasse
treffen. Der 00-UTC-Aufsteig von Idar-Oberstein zeigt eine feuchte und knapp
negativ temperierte Grundschicht bis knapp an 850 hPa (um -4°C) heran, die von
einer deutlich trockeneren Schicht bis ca. 550 hPa überlagert ist. Klassisch für
geringen gefrierenden Nieselregen, der tatsächlich auch beobachtet wird und noch
abgesetzt vom frontalen Geschehen ist. Dabei ist die Intensität meist so gering,
dass dort, wo noch negativ temperierte Beläge gegeben sind, häufig eine
"normale" gelbe Glättewarnung ausreicht. Teils muss für ein paar wenige Stunden
aber auch auf "ocker" hochgesattelt werden.
Interessant könnte es werden, wenn von Westen her die Luftmasse sukzessive
durchgefeuchtet wird und die Niederschläge etwas stärker werden (1-4 l/qm innert
6-10 h zwischen Niederrhein und Bodenseeraum). Dann können nämlich einmal mehr
alle Phasen auf den Plan treten: Schnee insbesondere in höheren Lagen
(allerdings ohne nennenswerten Neuschneezuwachs), Regen in tieferen Lagen
(diffuse Strahlung und etwas Durchmischung sorgen für eine allmähliche
Erwärmung), punktuell aber auch gefrierender Regen/Nieselregen mit Glatteis,
obwohl keine wirklich "warme Nase" in der unteren Troposphäre gegeben ist.
Letzteres ist am ehesten in einigen Kältelöchern der westlichen und
südwestlichen Mittelgebirge möglich, aber auch im dauerfrostigen südlichen BW
zwischen Donau und Bodenseeraum.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass es in weiten Teilen des Landes heute
bedeckt oder trüb bleibt. Die anfänglich noch auftretenden Lücken im Westen
werden mehr und mehr geschlossen, am ehesten kann die Wolkendecke am Alpenrand
(Föhn) sowie mit etwas Glück nördlich des Erzgebirges (Leeeffekte bei
südöstlicher Anströmung) aufreißen. Apropos Anströmung, der östliche bis
südöstliche Wind lebt vorübergehend etwas auf, in und an den Alpen herrscht
leichter Föhn mit wenigen Böen 8 Bft oben und Böen 7 Bft in anfälligen Tälern.
Ansonsten dürften Warnungen aber nicht überbordend fällig werden (am ehesten am
Nordrand vom bergischen Land und dem Haarstrang), weil in höheren Lagen die
Einzelfallentscheidung gilt und sonst wohl nur die Nordsee bzw. westliche Ostsee
mit Böen 7-8 Bft betroffen ist, bei allerdings überwiegend ablandiger
Windkomponente.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 0 bis 6°C (am mildesten im Westen), im
Nordosten sowie im Süden teils leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Samstag tut sich wenig an der Großwetterlage. Das kleine
Teiltief zieht von der "Insel" zur südwestlichen Nordsee, wodurch die Okklusion
geringfügig nach Osten vorankommt. Auch die zugehörigen Niederschläge weiten
sich noch etwas nach Osten aus bis etwa zur östlichen Mitte, wobei sie aber
zusehends zerfleddern und man nicht sicher sein kann, dass die überall unten
ankommen. Genau dieser Sachverhalt sowie die Tatsache, dass wir thermisch
weiterhin um den Gefrierpunkt herumdödeln, macht eine wirklich belastbare
Niederschlagsprognose schwer.
Fakt ist, dass sich die Luftmasse niedertroposphärisch erwärmt auf etwas über
0°C in 850 hPa (nur im Norden und Nordosten noch etwas unter dem Gefrierpunkt).
Von daher nimmt gerade nach Westen hin die Wahrscheinlichkeit für die flüssige
Phase ohne Glatteis zu, gerade weil etwas Durchmischung gegeben ist.
Entsprechend steigt dort auch die Schneefallgrenze bis in die Hochlagen der
Mittelgebirge bzw. darüber hinaus. Im Hochschwarzwald oberhalb etwas 1000 m
reicht es für einige Zentimeter, lokal vielleicht mal bis zu 10 cm Neuschnee.
Ansonsten muss in der Mitte und im Süden, wo die bodennahen Luftschichten
respektive die Beläge negativ temperiert werden, mit gefrierendem
Regen/Nieselregen und Glatteis gerechnet werden. Uns bleibt dabei aktuell nur
die Möglichkeit, via Warnlage- und Wetterberichte auf das mögliche Auftreten von
Glatteis hinzuweisen, während Akutwarnungen nur sehr kurzfristig gesetzt werden
können - der Klassiker bei solchen Ömmeellagen, die weder Fisch noch Fleisch
hergeben.
Leichten Frost gibt es vor allem im Süden und Osten sowie in der Mitte, sonst
bleibt es häufig frostfrei. Mit Annäherung des Teiltiefs fächert der
Druckgradient von Westen her langsam auf, so dass der Wind tendenziell schwächer
wird.

Samstag... wölbt sich über dem nahen Ostatlantik auf. Grund dafür ist BARBARA,
die sich zu einem veritablen Sturmtief mausert, das sich bis Sonntag peu a peu
dem Seegebiet westlich Irlands nähert (unter 970 hPa im Kern). Damit
einhergehend kommt es zu einer substanziellen Austrogung, auf dessen Vorderseite
WLA und somit Potenzialgewinn generiert wird. Unserem Höhentrog bekommt das
nicht ganz so gut, wird er doch von dem Rücken im Westen und dem blockierenden
Hoch im Osten in die Zange genommen. Trotzdem hält er dem Druck(anstieg) noch
stand und überdeckt auch am Samstag den Vorhersageraum. Dort stütz er weiterhin
eine Bodenrinne, in der die Okklusion nicht so recht weiß, wo sie hin soll. Nach
Osten geht nicht wegen Blockade, von Westen droht ebenfalls "Rücken", also am
besten nicht bewegen - kennt man, wenn man älter wird. Kurzum, die Front wird
wahrscheinlich auch morgen deutsches Territorium nicht erreichen, was aber nicht
missinterpretiert werden sollte.
Wettermäßig sieht es nämlich trotzdem so aus, dass sich die leichten
Niederschläge noch etwas weiter nach Osten und Nordosten ausweiten. Allerdings
sind die apostrophierten Mengen derart gering (meist unter 1 l/qm in 12 h), dass
man nicht genau weiß, wo wirklich was unten ankommt. Fakt ist, dass die
niedertroposphärische Erwärmung noch etwas voranschreitet, was vor allem den
westlichen Landesteilen zugutekommt. Dort steigt nicht nur die Temperatur
verbreitet auf 4 bis 8°C, es steigt auch die Schneefallgrenze so weit an, dass
nur noch die höchsten Lagen des Schwarzwaldes Schnee abbekommen. Nach Osten hin,
vor allem in Teilen Bayerns sowie nordöstlich der Elbe hält sich bei meist
schwachem Ostwind noch eine kalte Grundschicht (wenig über 0°C), in Ober- und
Niederbayern sowie der Oberpfalz punktuell sogar mit leichtem Dauerfrost. Wenn
dort im Tagesverlauf Niederschlag aufschlägt, besteht die Gefahr von
gefrierendem Regen/Nieselregen mit Glatteis, was ganz lokal auch für den
östlichen Mittelgebirgsraum gilt.
Bei weiterhin abnehmendem Wind sieht es in puncto Sonne eher düster aus, meist
bleibt die Wolkendecke geschlossen. Kleine Chancen für Aufhellungen oder gar
Auflockerungen gibt es am ehesten am östlichen Alpenrand sowie nördlich des
Erzgebirges.

In der Nacht zum Sonntag wird die Tiefdruckrinne durch von Südwesten
übergreifenden Druckanstieg "angefressen", wogegen sie sich aber energisch
wehrt. Insbesondere im Norden und Osten gelingt das ganz gut, während im Süden
immer mehr ein von Frankreich übergreifender Keil sichtbar wird. Das
Wettergeschehen beeindruckt das allerdings weniger, es wird im Wesentlichen
weiterhin durch den Trog bzw. einen (Sekundär)Trog im Trog bestimmt. Mit anderen
Worten, auch in der Nacht kommt es noch zu Niederschlägen, wovon am ehesten der
Nordosten ausgenommen ist. Insbesondere im Osten und Südosten Bayerns gibt es
noch mal leichten Frost mit der Gefahr von gefrierendem Regen mit Glatteis.
Ansonsten beschränkt sich Nachtfrost auf einige Gebiete in den östlichen
Landesteilen, wo aber kaum oder kein Niederschlag ankommen soll. Dafür kann es
in den Alpen oberhalb rund 1000 m ein paar wenige Zentimeter Neuschnee geben.

Sonntag... wird der Höhentrog noch etwas weiter gestaucht, wobei er etwas nach
Osten vorankommt. Das wiederum eröffnet dem o.e. Höhenrücken die Möglichkeit,
sich dichter an den Vorhersageraum heranzuschieben. Folgerichtig steigt der
Luftdruck noch etwas an und die Rinne verliert immer weiter an Kontur bzw. wird
nach Osten abgedrängt. Vorderseitig des umfangreichen Sturmtiefs BARBARA
westlich von Irland dreht die Grundströmung bei uns auf Süd bis Südwest, womit
sich die Milderung - wenn auch nur in kleinen Schritten - fortsetzt, obwohl die
850-hPa-Temperatur eher etwas nach unten geht. Zwar halten sich vornehmlich im
Nordosten und Südosten Reste kälterer Luft, Frost ist tagsüber aber kein Thema
mehr. So stehen am Ende des Tages Höchsttemperaturen von 2 bis 9°C auf der Karte
mit den höchsten Werten an Rhein und Ruhr.
Trotz des Druckanstiegs kommt es auch am 3. Advent zunächst noch gebietsweise zu
leichten Niederschlägen, die im Tagesverlauf unter östlicher Verlagerung immer
schwächer werden respektive ganz aufhören. Im südöstlichen Bayern fällt anfangs
noch stellenweise gefrierender Regen, in den Hochlagen der Alpen schneit es noch
etwas.

In der Nacht zum Montag nähert sich von Westen her das Frontensystem von Tief
BARBARA, was dem Westen und Nordwesten gegen Morgen etwas Regen bringt. Darüber
hinaus frischt der südliche Wind auf der freien Nordsee sowie in exponierten
Hochlagen stürmisch auf. Vor allem im äußersten Süden gibt es leichten Frost.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist wie so oft. Die Basisfelder stimmen weitgehend überein, beim Niederschlag
zeigen sich hinsichtlich Phase und genauer räumlicher Verteilung gewisse
Unschärfen. Hinsichtlich Glatteis muss also weiterhin in situ gewarnt werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann