DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-11-2020 08:30
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.11.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SWa (Südwest antizyklonal)

Breiter Rücken über weiten Teilen Kontinentaleuropas und "Tröpfeltrog" über dem
nahen Ostatlantik - Fortdauer des ruhigen Spätherbstwetters mit vorübergehenden
zyklonalen Akzenten in Norddeutschland.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... zeigt die großräumige Potenzialverteilung weiterhin ein stark
meridional geprägtes Muster, das zwischen dem Osten Kanadas bzw. der Labradorsee
und dem Westen Russlands drei Tröge und zwei Rücken aufweist. Mitteleuropa
respektive Deutschland finden sich dabei nach wie vor unter einem breiten Rücken
wieder, in dem ein abgeschlossenes Höhenhoch mit Zentrum über dem östlichen
Mitteleuropa inkludiert ist. Dem gegenüber steht ein recht schmaler und
inzwischen gummibandartig arg in die Länge gezogener Höhentrog über dem nahen
Ostatlantik, der in der kommenden Nacht westlich der Iberischen Halbinsel
abzutropfen droht. Bevor es soweit ist, wird auf seiner unmittelbaren
Vorderseite leichter Potenzialgewinn induziert, so dass der Rücken in seinem
Westteil regeneriert wird. Summa summarum eine statische und wenig progressive
Angelegenheit, die bei uns in Deutschland ganz klar ein antizyklonales
Vorzeichen trägt.
Das wird auch deutlich, wenn man sich die großräumige Druckverteilung anschaut.
Diese ist geprägt vom umfangreichen Hoch VALENTIN mit Schwerpunkt über Rumänien,
von wo aus ein breiter Keil bis nach Frankreich bzw. Benelux gerichtet ist. Als
zyklonaler Gegenspieler fungiert eine sich über mehrere tausend Kilometer
erstreckende Tiefdruckrinne, die ausgehend vom mehrkernigen Tief TANJA über der
Norwegischen See/Norwegen bis hinunter nach Marokko reicht. Eingelagert in die
Rinne ist eine wellende Kaltfront, von der später noch die Rede sein wird. Da
weder das Hoch noch die Rinne ein gesteigertes Interesse daran haben, ihre
angestammten Plätze zu verlassen, tut sich an der geschilderten Situation
zumindest heute wenig bis gar nichts.
So bleibt uns also nichts anderes übrig, als die Grenzschichtlupe auszupacken
und zu schauen, wer und wo man sich heute über Sonnenschein freuen kann und wo
sich novembertypisches Dauergrau hält. Dabei gilt es zunächst mal zu
konstatieren, dass die Absinkinversion inzwischen ganz schön weit nach unten
gedrückt wurde. Die nächtlichen Aufstiege von 00 UTC zeigen im Süden und in der
Mitte eine Position zwischen 925 und 900 hPa, während sie nach Norden und
Nordosten hin tendenziell etwas höher liegt. Da das Absinken andauert, wird
sinkt die Inversion in den nächsten Stunden noch etwas ab, was einer weiteren
Stauchung der feuchten Grundschicht gleichkommt. Zum Teil liegt die Inversion
sogar am Boden auf, so dass überhaupt keine abgesetzte Grund- oder Grenzschicht
mehr vorhanden ist. Unter dem Strich steigen damit die Chancen, dass sich Nebel
und Hochnebel - heue früh im Süden, in der Mitte und im Osten prominent
vertreten - im Tagesverlauf auflösen. Dabei mithelfen tut der schwache bis
mäßige südliche Wind (im Süden eher aus östlichen Richtungen), der am Nordrand
des zentralen Mittelgebirgsraums auflösende Wirkung entfacht, wie man bereits
aktuell erkennen kann. Die schlechtesten Karten in puncto
Nebel-/Hochnebelauflösung sind in Teilen Bayerns (nicht im Süden), am Hochrhein
sowie vom nördlichen Oberrheingraben über Hessen bis ins südliche Niedersachen
gegeben. Uns auch im Nordosten wird es nicht überall klappen, die Grautöne
wegzuerodieren.
Bliebe also nur noch zu erwähnen, dass über den Westen und Norden immer mal
wieder unterschiedlich dichte hohe oder mittelhohe Wolkenfelder durchziehen.
Außerdem lebt im östlichen Sachsen (Elbtal, Lausitzer Bergland, Zittauer
Gebirge) der Böhmische Wind mitunter auf mit Böen 6-7 Bft, auch wenn er aufgrund
der sehr niedrig liegenden Inversion nicht so wirklich in Fahrt kommt. Ach ja,
und Temperaturen gibt es auch noch zu vermelden. Bei 850-hPa-Werten von 5 bis
9°C werden im Westen sowie in einigen höheren Lagen (mit voller
Inversionsdröhnung) bis zu 12°C, im Dauergrau keine 5°C erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag kommt es wie schon erwähnt westlich von Portugal und
Spanien zum Cut-Off, während das nördliche Trogresiduum zur Nordsee zieht.
Dadurch wird auch die in ihrer Gesamtkonstitution eher etwas schwächlich
daherkommende Kaltfront dichter an die deutsche Nordseeküste herangeführt, was
dem Nordwesten mehrschichtige Bewölkung und den küstennahen Regionen sogar ein
paar Tropfen beschert.
Im großen Rest des Landes dauert der Hochdruckeinfluss an, heißt Bildung und
Ausbreitung von Nebel respektive Hochnebel und vor allem in der Südosthälfte
leichter, an den Alpen sowie im Bayerischen Wald punktuell mäßiger Frost.

Donnerstag... flacht sich der Höhenrücken über dem europäischen Kontinent etwas
ab und auch das korrespondierende Bodenhoch über Südosteuropa verliert etwas an
Substanz (statt über 1030 nur noch etwas über 1025 hPa). Damit erhöhen sich -
zumindest auf den ersten Blick - die Chancen für die o.e. Kaltfront, mehr als
nur einen Fuß in die Tür bei uns zu bekommen und o richtig in den Vorhersageraum
einzudringen. Dass das Ganze am Ende doch nur eine halbherzige Angelegenheit
wird, hat verschiedene Gründe. Zum einen bleibt die Blockadewirkung des Hochs
trotz leichter Schwächeltendenzen erhalten, zum anderen wirkt das Cut-Off-Tief
über Südwesteuropa als Bremsklotz. Ja und dann wäre das noch das o.e.
Trogresiduum über der Nordsee, das eine extrem positive, fast schon zonale
Achsstellung aufweist und zudem über UK beginnt, quasi ein zweites Mal
abzutropfen. Der Resttrog (wenn man so will das zweite Residuum) schwenkt über
Südskandinavien und die Ostsee ost-südostwärts, wodurch die Höhenströmung über
Norddeutschland vorübergehend zonalisiert (womit der Front auch die letzte
Schubkomponente genommen wird), bevor ab dem Abend von der Nordsee ein flacher
Rücken übergreift.
Lange Rede, kurzer Sinn, die Kaltfront kommt nicht besonders weit landeinwärts
voran, es reicht aber allemal, den Norddeutschen weitgehend geschlossenes Gewölk
und zeitweise sogar etwas Regen zu kredenzen. Wie viel Regen wo genau fällt und
ob der Niederschlag gar bis NRW und die Harzgegend ausgreift, kann angesichts
modellübergreifender Unstimmigkeiten noch nicht abschließend beantwortet werden.
Das Überschreiten der 5-l/qm-Schwelle kann aber als unwahrscheinlich angesehen
werden, meist fällt deutlich weniger Regen. Ganz weit im Norden, wo postfrontal
etwas kältere Meeresluft einsickert (T850 um 0°C), kann es im Tagesverlauf mit
etwas Glück auflockern.
Während die frontale Bewölkung zumindest teilweise bis in die nördliche Mitte
vorankommt, spielt der große Rest des Landes im weiterhin präsenten Hochkeil die
allseits beliebte Nebellotterie. Höhere Lagen und die Nordränder der
Mittelgebirge sind nach wie vor in der Vorhand, während es in den Niederungen
gebietsweise ganztägig bedeckt oder trüb bleibt. In Teilen Bayerns, genau
genommen an und um die Donau herum, besteht örtlich sogar die "Gefahr" von
Dauerfrost (=> Eistag)), während im Westen und Nordwesten sowie in einigen
Hochlagen Süddeutschlands die 10°C-Marke knapp überschritten wird.

In der Nacht zum Freitag wird die Kaltfront über Norddeutschland ganz allmählich
rückläufig, weil sie in die Warmfront des Tiefs über Südwesteuropa übergeht.
Zeit- und gebietsweise fällt nördlich der Mittelgebirgsschwelle noch etwas
Regen. Sollte die frontale Bewölkung nicht den äußersten Norden und Nordosten
erreichen, besteht dort die Gefahr von Nebel.
Auf alle Fälle ist Nebel ein Thema in der Mitte und im Süden, zudem steht dort
vielerorts leichter, an den Alpen sowie im Bayerischen Wald mäßiger Frost auf
der Karte.

Freitag... verstärkt sich der o.e. Rücken über dem Vorhersageraum, wobei er
seine Amplitude weit nach Norden bis nach Skandinavien ausbaut. Während das
Potenzial also leicht zulegt, geht´s beim Luftdruck geringfügig nach unten.
Dabei fächert der ohnehin nicht überbordend ausgestattete Gradient noch weiter
auf, so dass das barische Feld vergleichsweise amorphe Strukturen annimmt. Somit
brauchen wir uns über das Thema Wind nicht den Kopf zu zerbrechen, wir können
froh sein, wenn wir am Freitag überhaupt mal etwas Luftbewegung spüren.
Kein oder nur schwacher Wind bedeutet auf der anderen Seite, dass der
Alterungsprozess der Luftmasse weitere Fortschritte macht. Im Klartext heißt das
zunehmende bodennahe Anfeuchtung und höhere Wahrscheinlichkeiten für
Dauer(hoch)nebel. So dürften die "offenen" Flächen (als die Gebiete, wo die
Sonne scheint) vor allem gegenüber heute deutlich kleiner werden. Gut sieht es
nach wie vor für die Hochlagen Süddeutschlands incl. dem höheren Alpenvorland
aus, aber auch dem Erzgebirgsnordrand werden noch Chancen auf sonnige Abschnitte
eingeräumt. Ansonsten braucht man etwas Glück, um sich des novembrigen Graus zu
entledigen. Im Norden stehend die Chancen dafür übrigens ziemlich schlecht, was
u.a. der Tatsache geschuldet ist, dass dort die ehemalige Kalt-, jetzt Warmfront
nur zögerlich vergammelt. Dadurch sind viele Wolken garantiert, aus denen aber
nur noch wenige Tropfen Regen oder Nieselregen fallen dürften.
Durch die Alterung und der nicht bzw. kaum vorhandenen Durchmischung der
Luftmasse geht das Temperaturniveau tendenziell etwas zurück, vor allem in der
Spitze. 10°C werden nur noch selten überschritten, meist liegen die Höchstwerte
zwischen 2 und 9°C, bei zähem Nebel im Südosten stellenweise um oder etwas unter
dem Gefrierpunkt.

In der Nacht zum Samstag tut sich nix an der Großwetterlage, zumindest was den
Vorhersageraum betrifft. Meist bleibt es trocken bei einer landesweiten Mischung
aus Wolken, Nebel und Hochnebel sowie einigen wenigen klaren Arealen (am ehesten
in höheren Lagen). Leichter bis mäßiger Frost steht nach wie vor im Süden und
Südosten sowie in Teilen der Mitte auf dem Zettel.

Modellvergleich und -einschätzung
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An der Fortdauer der ereignisarmen und weitgehend antizyklonal geprägten
Spätherbstlage bestehen keine Zweifel. Interessant dabei allerdings die
Tatsache, dass die Modelle trotz des kurzen Vorhersagehorizonts Schwierigkeiten
haben, die am Donnerstag in Norddeutschland aufschlagende Kaltfront kongruent zu
simulieren. Kasus knacksus scheint das Residuum des vor der Iberischen Halbinsel
abgetropften Höhentrogs zu sein, das selbst ein Abtropfkandidat ist. GFS tut
sich schwer mit einem zweiten Cut-Off, IFS setzt ihn etwas weiter südlich als
ICON an. Schaut man sich die 24h-Niederschläge bis Freitag 06 UTC an, sind die
räumlichen Unterschiede der drei Globalmodelle aber gar nicht mehr so groß. Die
südlichste Lösung bietet übrigens EURO4 an, die den Regen bis zum Westerwald,
nach Nordhessen sowie Nordthüringen und das nördliche Sachsen vorankommen lässt
- Alleinstellungsmerkmal eines Modells, was allerdings gerade bei der
Positionierung von Niederschlägen nicht zu den schlechtesten zählt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann