DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-11-2020 09:01
SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 14.11.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz

Zeit- und gebietsweise windig bzw. stürmisch. In der Nacht zum Sonntag im Süden
Nebel und lokal geringer Frost. Am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag mit
Kaltfrontpassage eventuell Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... ist die Struktur des 500-hPa-Geopotentialfeldes von einem
Langwellentrog über dem Atlantik und einem Höhenrücken über Mitteleuropa
geprägt. Die Achse des Höhenrückens verläuft dabei aktuell etwa von den Ostalpen
bis zur mittleren Ostsee. Er verlagert sich kaum nach Osten, da WLA auf seiner
Rückseite die Rückenkonfiguration stützt. Somit erscheint laut der Modelle bis
zum Abend eine leicht retrograde Verlagerung wahrscheinlich, was dann eine
Orientierung der Achse vom Bodensee zur westlichen Ostsee zur Folge hat. Der
Langwellentrog über dem Nordwestatlantik weist einen markanten kurzwelligen
Anteil auf, der vom Seegebiet südwestlich Irlands bis zur Irischen See wandert,
dabei aber an Schärfe verliert. Im Bereich der Trogrückseite verlagert sich ein
weiteres Höhentief nach Westen, das insbesondere auch die die von ihm
mitgeführte Höhenkaltluft mit Temperaturen um -33 Grad in 500 hPa gekennzeichnet
ist. Zwischen Rücken und Trog liegt Deutschland in einer anfangs
west-südwestlichen, sich im Tagesverlauf auf Südwest aufsteilenden
Höhenströmung, die mitteltroposphärisch recht milde Luft (um -18 Grad) in den
Vordersagebereich transportiert. Dem bodennahe Geschehen drückt ein mehrkerniger
großräumiger Tiefdruckkomplex über dem Nordatlantik seinen Stempel auf, dem
hoher Luftdruck über Südosteuropa gegenübersteht. Neben einem Tief östlich von
Island, welches nach Norden abwandert, fällt vor allem ein Tief nordwestlich von
Irland ins Auge. Dieses verlagert sich kaum, es wird aber von Bodentrögen
umlaufen. In einen dieser Bodentröge ist die zum Tief gehörige Front
eingelagert. Während sie zum jetzigen Zeitpunkt noch westlich von Irland liegt,
soll sie bis zum Abend Schottland und England erreichen. Die mit ihr verbundene
Windauffrischung lässt über dem Nordwesten schon frische Böen erwarten, der
Brocken kann derweil tagsüber schon mit Sturmböen glänzen. Es wäre allerdings
falsch daraus zu schließen, dass Deutschland sich frontenfrei präsentiert.
Vielmehr schleift über dem Norden die Front des angesprochenen Island-Tiefs. Sie
bringt dort stratiforme Bewölkung und lokal etwas Regen, der aber weitab von
jeder Warnrelevanz ist. Der Süden liegt dagegen mehr im Einflussbereich des
Südosteuropahochs. In der Folge zeigt sich dort nach Auflösung einzelner
Frühnebelfelder länger die Sonne. Insgesamt lässt dies, nach Auflösung der
Frühnebelfelder, auf wahrscheinlich warnfreie Bedingungen schließen, und das
Augenmerk richtet sich erneut auf die Temperaturen. Die von den angesprochenen
Druckgebilden induzierte niedertroposphärische südwestliche Strömung treibt die
850er Temperaturen auf über 8 Grad im Süden und Westen, an der dänischen Grenze
sind es dagegen nur um 6 Grad. Damit steht uns erneut ein sehr milder
Novembertag ins Haus, MOSMIX taxiert die Höchstwerte auf 11 Grad rund um die
Ostsee und auf bis zu 17 Grad am Oberrhein.

In der Nacht zum Sonntag übernimmt das in der Trogrückseite befindliche
Höhentief im nordatlantischen Raum die Regie. Auf seiner Vorderseite wird das
kleinräumige Tief bzw. der kurzwellige Troganteil über Schottland hinweg in
Richtung Nordmeer geführt. Korrespondierend damit zieht auch der Kern des
Bodentiefs ins Seegebiet nördlich von Schottland. Die zugehörige Front erreicht
ausgangs der Nacht den äußersten Nordwesten und sorgt dort für etwas Regen.
Unter Warngesichtspunkten relevanter ist da schon der Wind. Auf der
Südwestflanke des Schottland-Tiefs präsentiert sich der Druckgradient recht
verkniffen, die (nicht warnrelevanten) frischen Böen, am Tage ja nur im
Nordwesten zuhause, greifen bis an Oder und Neiße sowie in den Südwesten aus.
Dann kann es in den Hochlagen der Mittelgebirge und bei auflandigem Südwest in
Nordfriesland steife Böen geben, auf dem Brocken mischen sich unter die
Sturmböen auch mal schwere Sturmböen. Nebel ist allenfalls im Südosten ein
Thema, wo die turbulente Durchmischung des Windes fehlt. Insbesondere im
äußersten Südosten kann die Temperatur lokal auch leicht in den Frostbereich
sinken, etwas verbreiteter muss dort mit Bodenfrost gerechnet werden. Ansonsten
pendeln sich die Tiefstwerte bei weiterhin hohen 850er Temperaturen um 8 Grad
bei 12 bis 2 Grad ein.

Sonntag... verschiebt sich der Höhenrücken allmählich unter leichter
Amplifizierung ins östliche Mitteleuropa, seine Achse verläuft etwa vom
Plattensee bis zum Finnischen Meerbusen. In seine Rückseite bohrt sich derweil
der atlantische Langwellentrog. Das eingebettete abgeschlossene Höhentief
überquert Irland und erreicht am Abend Schottland, wobei die Temperaturen in 500
hPa mit knapp -30 Grad weiterhin recht niedrig sind. Da die Ostverlagerung des
Rückens zögerlicher ist als die des Troges, schieben sie die Geopotentialgebilde
zusammen. Für den Norden bedeutet dies ein weitere Aufsteilung der Höhenströmung
auf zum Abend süd-südwestlich Richtungen. Über dem Süden bleibt es in der Höhe
indes bei Südwest. Die Hebung auf der Vorderseite des Höhentiefs sorgt ebendort
für Druckfall, wodurch sich im weiterhin amöbenförmig strukturierten Bodentief
ein weiterer Kern ausbildet. Dieser findet sich am Ende des Tages an der
Nordostküste Schottlands, während sein Vorläufer sich dann südöstlich von Island
herumtreibt. Für die weitere Verlagerung der Front ist eine Welle wesentlich,
die in der Frühe etwa im Bereich der Themsemündung liegt und die im Tagesverlauf
bis zur nördlichen Nordsee vorankommt. Da diese die ostwärtige Verlagerung der
Front hemmt, wird diese zuerst rückläufig, bevor sie in der zweiten Tageshälfte
und zum Abend einen neuen Angriff auf Mitteleuropa startet. Letztendlich ist
dies aber auch nur eine mögliche Interpretation der Abläufe. Man könnte auch
sagen, dass in die Rückseite der ersten, schwächer werdenden Front eine zweite
hineinläuft. Wie auch immer, der sinkende Luftdruck schwächt den anfangs im
Südosten noch erkennbaren Hochdruckeinfluss ab, und in die Zirkulation des Tiefs
wird die alte Warmfront über Norddeutschland mit einbezogen, die dadurch bis in
den äußersten Süden Skandinaviens gedrückt wird, und der Gradient auf der
Südostflanke des steuernden Zentraltiefs ist weiterhin scharf. Zwar ist der
Nordwesten recht nah am Frontengeschehen über Großbritannien und der Nordsee,
die Niederschläge halten sich aber am Tage weiterhin in Grenzen. Erst am späten
Nachmittag und Abend, wenn die (neue?) Front den Westen erreicht, setzt dort
zwischen Saar und Emsland sowie in Nordfriesland verbreitet Regen ein, wobei
Mengen um 5 l/qm in relativ kurzer Zeit durchaus im Bereich des Möglichen sind.
Da der Front Meeresluft subpolaren Ursprungs folgt, ist sie im thermischen Feld
recht deutlich erkennbar. Diese Baroklinität verheißt an der von den Modellen
sehr scharf geschnittenen Front (z. B. COSMO-D2 oder Super HD) auch etwas mehr
Power als dies bei den Vorläufern der Fall war. COSMO-D2, aber auch z.B. ICON-EU
simulieren an der Front (Graupel-)Gewitter, deren Entstehung die CAPE-Werte von
knapp 100 J/kg an der scharf gezeichneten Frontlinie zumindest nicht
wiedersprechen. Auffällig sind hingegen die hohen Scherungswerte, die sich
hauptsächlich aus der Geschwindigkeitsscherung ergeben, die wiederum dem über
der Front verlaufenden, auch niedertroposphärisch gut ausgebildeten Jet (um 50
kt in 950 hPa über dem Nordwesten) geschuldet ist. Das lässt letztendlich auch
auf eine gute Organisation der möglichen Gewitter schließen. Konvektion,
kräftiger Höhenwind und ein veritabler Gradient sorgen in der Folge für
kräftigen Wind. Stürmische Böen sind in den Hochlagen der Mittelgebirge, im
Westen bei kräftigen Schauern oder Gewittern aber auch im Flachland zu erwarten.
Auf exponierten Gipfeln ist es auch mal die volle Sturmstärke, auf dem Brocken
schwerer Sturm, eventuell ist dort auch mal eine orkanartige Böe drin. Und eine
leichte Verschärfung der Windsituation zeichnet sich auch über Ostsachsen
(Böhmischer Wind) mit steifen, eventuell auch stürmischen Böen ab. Vor
Kaltfrontpassage liegen wir im Warmsektor, die 850er Temperaturen halten sich
bei Werten um 8 Grad, leebedingt können es im Alpenvorland und in Sachsen auch
mal 10 Grad werden. Das lässt für die Jahreszeit erneut sehr milde Höchstwerte
zwischen 13 und 19 Grad erwarten, vielleicht sind es am Oberrhein sogar mal 20
Grad. Im Süden und Osten, wo anfangs noch Hochdruckeinfluss wirksam ist, zeigt
sich häufiger die Sonne - mit Ausnahme der zähen Nebelregionen, wie
beispielsweise dem Donautal.

In der Nacht zum Montag passiert die Kaltfront Deutschland von West nach Ost,
lokal können in den 12 Stunden durchaus mal 10 l/qm an Regen fallen, in
Staulagen auch etwas mehr. Nennenswerte Signale für Dauerregen, z.B. im Stau des
Schwarzwaldes, zeigen sich nicht. Die Gewitterwahrscheinlichkeit nimmt im Laufe
der Nacht aber ab, zumindest an der Front. Dafür sind später über und an der
Nordsee bei 500-hPa-Temperaturen knapp über -30 Grad einzelne Troggewitter
möglich. Rückseitig sorgt die Zufuhr der erwärmten Meeresluft subpolaren
Ursprungs für einen merklichen Luftmassenwechsel, zum Morgen liegen die 850er
Temperaturen nur noch um null Grad. Trotz des Luftmassenwechsels scheint die
Nacht aber frostfrei über die Bühne zu gehen. Weiterhin ist im Frontbereich ein
Auffrischen des Windes zu erwarten. Als Schwerpunkt für eventuelle Böen Bft 8
bis ins Flachland arbeiten ICON und EZMW in der ersten Nachthälfte den Westen
Südwesten heraus, in der zweiten Nachthälfte verlieren sich dort die
entsprechenden Signale, stattdessen lebt der Wind dann in entsprechender Stärke
über dem Nordwesten auf, an der Küste sind dann auch Sturmböen wahrscheinlich.
Die Hochlagen der Mittelgebirge sind sowieso mit stürmischen Böen oder Sturmböen
dabei, auf dem Brocken geht es hoch bis in den orkanartigen Bereich.


Montag... schwenkt der Höhentrog zügig über uns hinweg nach Osten. Abends
erreicht seine Achse Oder und Neiße, während sich von Westen ein Höhenrücken,
von Warmluftadvektion überlaufen, nähert. Dabei strömt tagsüber von Westen her
erwärmte Meereskaltluft ein, die in 850 hPa weiterhin Temperaturen von ca. 0
Grad aufweist. Mit Passage des Troges labilisiert die Schichtung kurzzeitig
(Temperatur in 500 hPa bis -26°C) und es kommt zu Schauern, im Norden eventuell
auch zu kurzen Gewittern. In diese Richtung deuten z.B. auch die Lapse Rates,
die über dem Norden um -0,65 K/100m liegen. Im Übergangsbereich von hohem Druck
über dem Mittelmeer zu den Tiefs über Nord- und Nordwesteuropa bleibt der
Druckgradient recht scharf. Mehr noch: Ein markanter Bodentrog, der am Vormittag
von West nach Ost über die Nordsee zieht, verschärft den Druckgradienten über
Deutschland zumindest vorübergehend zusätzlich, sodass es recht verbreitet für
steife Böen, exponiert und in Schauern und Gewittern auch für einzelne 8er Böen
aus Südwest bis West reichen sollte. Am Nachmittag lässt der Wind wieder nach,
um in der Nacht noch weiter zurück zu rudern. An der Küste bleiben steife oder
ganz vereinzelt stürmische Böen aber weiter möglich. Die Höchstwerte am Tage
liegen nur noch bei 8 bis 14 Grad, nachts sinken die Werte auf 10 bis 4 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt modellieren die Modelle die Abläufe der kommenden Tage sehr ähnlich.
Nicht alle Modelle haben an der Kaltfront Gewitter im Programm, andererseits
kann man die Gewitter aber auch bei keinem Modell ausschließen. Bezüglich des
Windes und der Niederschläge, sowohl bezüglich der räumlichen Verteilung wie
auch der Intensität, herrscht eine gute Übereinstimmung.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas