DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-11-2020 09:01
SXEU31 DWAV 130800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 13.11.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL SWz/a (Südwest zyklonal, nach Südosten hin eher antizyklonal).

Zunächst ruhiges und mildes Novemberwetter. Im Laufe des Sonntags Annäherung und
nachfolgend Passage einer aktiven Kaltfront mit substanziellem
Luftmassenwechsel, aber - um Missverständnissen vorzubeugen- bei Weitem keinen
Wintereinbruch.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befinden sich weite Teile Kontinentaleuropas im Bereich geringer
Geopotenzialgegensätze. Dabei ist ein langwelliger Rücken erkennbar, der sich
vom östlichen Mittelmeer bis hoch zur Barentssee erstreckt und der mit dem etwas
nach Osten versetzten Bodenhoch SCOTT korreliert. Unterminiert wird der Rücken
von zwei kleinen Höhentiefs, von denen das eine heute früh über dem Westen
Rumäniens, das andere über der Südspitze Schwedens zu finden ist. Beide spielen
für unser Wettergeschehen keine Rolle mehr, wenn man mal von anfänglich dichter
Restbewölkung im Nordosten absieht, die in den nächsten Stunden aber mehr und
mehr auflockert respektive abzieht.
Stellt sich also die Frage, wer oder was am heutigen Freitag - immerhin der
dreizehnte - für uns verantwortlich zeichnet. Es ist ein kurzwelliger Rücken,
der den Vorhersageraum heute unter Konturverlust ostwärts überquert, bevor wir
zunehmend auf die Vorderseite eines sich über dem nahen Ostatlantik formierenden
Höhentrogs gelangen. Dieser wird aber erst ab Sonntagnachmittag/-abend für uns
so richtig interessant, wenn er mit seinen Vasallen in Form frontaler Störungen
einen Angriff auf Deutschland wagt und dabei - endlich - mal etwas Leben in die
Bude bringt.
Bis es soweit ist, setzt sich zunächst mal das eher träge und etwas langweilig
anmutende Novemberwetter fort, wobei wir heute unter dem Strich gar nicht mal so
schlecht wegkommen. So stellt sich nach Abzug erwähnter Restbewölkung in der
Nordhälfte zumindest vorübergehend eine gesunde Mischung aus Sonnenschein und
einigen Wolken ein (man könnte auch sagen "heiter bis wolkig"), bevor die
Bewölkung im Westen und Nordwesten im Tagesverlauf nicht nur dichter wird,
sondern es von Benelux und der Nordsee her sogar anfängt, leicht zu regnen.
Grund dafür ist die Annäherung eines KW-Troges in Richtung Nordsee (vorderseitig
etwas WLA und PVA), der mit einem okkludierenden Frontensystem zusammenarbeitet,
welches ebenfalls auf uns zusteuert. "Absender" ist das hochreichende Sturmtief
QUENTINA, das sich vom Seegebiet süd-südöstlich Islands nur sehr langsam in
Richtung Norwegische See schleppt. Im Vorfeld der Front frischt der südliche
Wind über der Deutschen Bucht vorübergehend auf, wobei aber allenfalls Helgoland
und die Nordfriesischen Inseln incl. der Halligen mal ´ne steife Böe 7 Bft
abbekommen. Dass der Brocken ab Mittag mit Böen 8-9 Bft am Start ist, bedarf
eigentlich keiner besonderen Erwähnung.
Was es zu erwähnen gilt, ist freilich das Wetter in der Südhälfte, von dem
überhaupt noch nicht die Rede war. Hier hat sich vergangene Nacht bis in die
Mitte hinein vielerorts Nebel oder Hochnebel gebildet, den es nun in den
nächsten Stunden erst mal aufzulösen gilt. Die Chancen dafür stehen zumindest im
Süden gar nicht so schlecht, werden Nebel und Hochnebel von Süden her zusehends
wegerodiert (das höhere Alpenvorland ist in der Nacht offen geblieben und
beginnt den Tag mit Sonnenschein). Nicht ganz so gut sieht es für die Luvlagen
des zentralen Mittelgebirgsraumes aus, wo sich die Feuchtigkeit bei leichter
Südanströmung staut und sich Hochnebel bzw. tiefe Wolken erst spät, z.T. auch
gar nicht auflösen. Zwar lichtet sich der Nebel zusehends, trotzdem bleibt es an
der einen oder anderen Stelle ganztägig neblig-trüb.
Im Zuge einer allmählichen niedertroposphärischen Erwärmung (Anstieg T850 bis
heute Abend auf +1°C in Vorpommern und +7°C an Hoch- und Oberrhein) lässt sich
auch die 2m-Temperatur nicht lumpen. So werden Höchstwerte zwischen 10°C am
Oderhaff und bis zu 17°C zwischen Freiburg und Basel erwartet. Lediglich bei
zähem Nebel gibt es den üblichen Abschlag nach unten.

In der Nacht zum Samstag überquert die Warmfront Norddeutschland ostwärts,
während die nachfolgende, nur wenig barokline Kaltfront bis in die mittleren
Landesteile vorankommt. Dort wird sie ausgebremst bzw. geht in die Warmfront
einer flachen Welle knapp westlich der Biskaya über. Die zugehörige
mehrschichtige Bewölkung breitet sich mit leichtem Regen (weniger als 5 l/qm
innert 12 h) über den Norden und die Mitte aus, wobei selbst das nördliche
Süddeutschland, also Teile Frankens und Nordbadens, nicht ausgespart werden.
Lediglich die Regionen südlich der Donau bleiben unangetastet, so dass sich
gebietsweise Nebel bildet. In einigen Alpentälern sinkt die Temperatur auf nahe
0°C, sonst ist Frost aber kein Thema.
Bliebe nur noch zu ergänzen, dass die Wolkendecke postfrontal zumindest in
Nordseenähe aufreißt und dass der Wind über der Nordsee mit Drehung auf West ab
dem Abend wieder merklich einknickt.

Samstag... macht die Austrogung über dem nahen Ostatlantik weitere Fortschritte,
indem in den schon vorhandenen, aber noch etwas kümmerlich daherkommenden Trog
ein weiterer Kurzwellenanteil von Westen hineinläuft. Als Ergebnis stehen nicht
nur eine Zunahme der Wellenlänge sondern auch eine Amplitudenvergrößerung zu
Buche. Bei uns beginnt dadurch die südwestliche Höhenströmung ganz langsam
aufzusteilen, wobei sie zunächst aber noch sehr schwach bleibt und eine stark
antizyklonale Kontur aufweist. Die Front über der Mitte wird als Warmfront
wieder nach Norden gedrückt, wodurch der größte Teil des Vorhersageraums in den
antizyklonalen Warmsektor eines neuen, zur Mittagszeit knapp nordwestlich von
Irland liegenden Tiefs (ROSWITHA) gelangt.
Wettertechnisch lässt sich Deutschland grob in drei Zonen aufteilen. Im Norden
überwiegt weitgehend geschlossene Bewölkung, aus der es hier und da geringfügig
regnet oder nieselt; vielerorts bleibt es aber auch trocken. In der Mitte
startet der Samstag ebenfalls mit reichlich Gewölk und ein paar örtlichen
Tropfen, bevor es im Laufe des Tages von Süden her mehr und mehr auflockert. Den
meisten Sonnenschein gibt es im Süden, wenn sich Nebel und Hochnebel zum Teil
etwas pomadig aufgelöst haben (was wohl aber überall der Fall sein dürfte). Mit
der südlichen Grundströmung wird niedertroposphärisch noch etwas mildere Luft
advehiert (T850 7 bis 10°C, nur im Nordosten etwas darunter), was dem Süden und
der Mitte mit Unterstützung der Sonne Tageshöchstwerte von 13 bis 18°C bringt
(nur bei später Nebelauflösung kühler). Im Norden stehen trotz dichter Wolken 10
bis 14°C auf der Karte.
Noch ein Satz zum Wind, der im Westen und Nordwesten auf südliche Richtungen
rückdreht und mitunter etwas auflebt. Allerdings reicht der Gradient nicht, um
das ganz große Windkonzert zu spielen. Wenn überhaupt, reicht es gerade mal auf
der Nordsee sowie in Hoch- und Leelagen der westlichen Mittelgebirge ab dem
Nachmittag für ein paar wenige Böen 7 Bft. Stürmisch bleibt es nur auf dem
Blocksberg mit Spitzen 8-9 Bft.

In der Nacht zum Sonntag bleiben wir im Warmsektor des nur wenig nach Nordosten
vorankommenden Tiefs. Mit Annäherung der Kaltfront verschärft sich der Gradient
und der südliche Wind zieht etwas an, was aufgrund der stabilen Schichtung aber
nur bedingt spürbar sein wird. Am sensibelsten reagieren wie üblich bei
derartigen Bedingungen die offene See, in diesem Falle die Nordsee sowie das
höhere Bergland nebst anfälliger Leelagen, wo Böen 7 Bft zahlreicher werden.
Derweil versucht es der Brocken mit den ersten schweren Sturmböen 10 Bft.
Ansonsten gilt es nur noch zu berichten, dass nach Mitternacht im Westen und
Nordwesten erste Schauer aufschlagen, während sich im gradientschwachen und
wolkenarmen Südosten Nebel bildet.

Sonntag... kommt allmählich Leben in die bis dato eher schlaffe Novemberbude.
Hauptimpulsgeber sind der o.e., mittlerweile recht scharf konturierte Höhentrog
sowie die vorgeschaltete Kaltfront, die sich beide zu progressivem Handeln
entschieden haben. Oder anders ausgedrückt, der Trog rückt im Laufe des Tages
bis zur Nordsee, Benelux und Nordfrankreich vor, die Kaltfront greift aktiv am
Nachmittag auf den Westen und Nordwesten des Vorhersageraums über. Bis es soweit
ist, gestaltet sich der Sonntag über weite Strecken noch vergleichsweise
beschaulich, wobei wir bis zum Übergreifen der Kaltfront im Warmsektor des
zwischen Island und Schottland kaum nach Osten vorankommenden Tiefs verbleiben.
Im Süden und Osten scheint nach z.T. zögernder Auflösung von Nebel und Hochnebel
(kann an der unteren Donau sehr lange dauern) häufig die Sonne, auch wenn im
Tagesverlauf mehr und mehr hohe Wolken ihr Stelldichein am Firmament geben. In
der Nordwesthälfte hingegen ist der Wolkenanteil von Vornherein größer, auch
wenn gerade am weitgehend trockenen Vormittag (nur wenige präfrontale Schauer)
noch auf die eine oder andere Lücke gehofft werden darf. Im Laufe des
Nachmittags wird das Gewölk dann immer dichter und nachfolgend setzt von Benelux
und der Nordsee her konvektiv verstärkter Regen ein. Unterstützung bekommt die
Front vor allem durch ein PVA-Maximum auf der diffluenten Vorderseite des
nachfolgenden Troges, während die überlagerte KLA teilkompensierend wirkt.
Immerhin simulieren die Modelle mit Frontpassage stellenweise 5 bis 10 l/qm
Niederschlag binnen kurzer Zeit, teils in Verbindung mit Gewittern, die aufgrund
sehr guter Scherungsbedingungen sowie des scharf konturierten Höhentrogs sogar
linienartig organisiert sein können (wahrscheinlich im schmalen Bereich mit der
stärksten frontalen Querzirkulation, wie eindrucksvoll bei SuperHD zu sehen).
Bei Höhenwinden bis zu 50 Kt in 925 hPa sind an der Linie Böen 8-9 Bft zu
erwarten, zudem können die Gewitter von Graupel begleitet sein.
Thema Wind, der legt im Tagesverlauf aus südlichen Richtungen sukzessive zu,
vornehmlich aber nicht ausschließlich im Westen und Nordwesten sowie in höheren
Lagen. So kommt z.B. in den entsprechend geschnittenen Tälern von Osterzgebirge
und Zittauer Gebirge eine Art "Böhmischer Wind light version" in Gang mit
Spitzen 7-8 Bft. In tiefen Lagen West- und Nordwestdeutschlands muss am
Nachmittag mit Böen 6-7 Bft gerechnet werden, bevor die Frontpassage den
Höhepunkt bis Böen bis zu 9 Bft bringt. An und auf der Nordsee sowie in Kamm-
und Kuppenlagen der meisten Mittelgebirge (außer im Südosten) wird es auch ohne
Front stürmisch (8 Bft, exponiert 9 Bft), wobei der Brocken mit Böen 10 Bft
einmal mehr den Vogel abschießt.
Aufgrund der relativ guten Durchmischung kann sich die im Warmsektor
einströmende milde Biskayaluft (T850 7 bis 10°C) recht gut bis in tiefe Lagen
durchsetzen, was mit knapp 20°C im Oberrheingraben am eindrucksvollsten
illustriert wird. Aber auch sonst gibt sich der Sonntag mild mit Höchstwerten
von 12 bis 18°C, einzig im Südosten bei zähem Nebel/Hochnebel bleibt es
naturgemäß frischer.

In der Nacht zum Montag passiert die Kaltfront mit den frontalen Regenfällen
weite Teile des Vorhersageraums, lediglich im Süden kommt sie am frühen Morgen
zusehends ins Schleifen. Rückseitig sorgt die Zufuhr erwärmter Meeresluft
polaren Ursprungs für einen merklichen Luftmassenwechsel (Rückgang T850 auf 3
bis 0°C). Gebietsweise kommen 5 bis 10 l/qm, im Stau des Schwarzwaldes auch
etwas mehr Niederschlag zusammen. Die Gewitterwahrscheinlichkeit nimmt im Laufe
der Nacht aber ab, zumindest an der Front. Dafür sind später über und an der
Nordsee einzelne Troggewitter (T500 um -28°C) möglich.
Zwar frischt der Wind mit Frontdurchgang kurzzeitig mal auf, die
Wahrscheinlichkeit für Böen 8-9 Bft in tiefen Lagen nimmt aber immer weiter ab.
Was bleibt sind Böen 7-9 Bft, Brocken 10 Bft in höheren Lagen sowie eine windige
bis stürmische Nordseeküste. An der Ostsee sind Böen 7-8 Bft aufgrund der
überwiegend ablandigen Windkomponente sowie des schwächer ausgeprägten
Gradienten eher die Ausnahme.


Modellvergleich und -einschätzung
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Summa summarum simulieren die Modelle die Lage sehr ähnlich, zumindest von ihrem
synoptischen Ablauf. Ein paar (wesentliche) Fragezeichen ranken sich derzeit
noch um die von Sonntag auf Montag durchgehende Kaltfront, z.B. was die Gewitter
oder die Windandauer direkt an der Front angeht. So retten IFS und GFS das
Windmaximum bis weit in die Nacht hinein, während ICON schon relativ früh
einknickt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann