DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-11-2020 08:01
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 03.11.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs SWz, Übergang zu BM
Kommende Nacht an den Küsten Sturm- über der Deutschen Bucht schwere Sturmböen
und einzelne Gewitter. Danach ruhige Hochdruckrandlage; lediglich an den Küsten
ab und zu stürmische Böen, sonst keine markanten Wettererscheinungen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Dienstag... erstreckt sich ein Langwellentrog vom Nordmeer südsüdwestwärts über
die Britischen Inseln bis zur Biskaya bzw. zum Norden der Iberischen Halbinsel.
Diesem steht ein Höhenrücken gegenüber, der vom westlichen Mittelmeerraum über
das östliche Mitteleuropa bis nach Nordwestrussland reicht. Daraus resultiert
eine kräftige, aber zunächst recht glatte südwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet. Im Bereich der Trogachse hat sich über England ein markanter
und scharf gekrümmter kurzwelliger Randtrog entwickelt, der sich auch im
Satellitenbild anhand eines "kommaförmigen" Wolkenbandes abzeichnet und auf
dessen Vorderseite die ausgeprägte Advektion positiver (Krümmungs)vorticity
markante Hebung generiert. Dieser verlagert sich heute und in der kommenden
Nacht über die Nordsee hinweg nach Südschweden und sorgt ab den Abendstunden vor
allem über der Deutschen Bucht vorübergehend für ordentlich "Bambule".
Aktuell beschäftigt uns warntechnisch aber noch ein kurzwelliger Troganteil, der
sich über die mittlere Nordsee zum Kattegat verlagert, aber zunehmend an Kontur
verliert. An diesen ist ein Bodentrog gekoppelt, der bis zu den Mittagsstunden
das deutsche Küstengebiet überquert hat. Die damit einhergehende
Gradientverschärfung reicht an den Küsten und im angrenzenden Binnenland für
steife, im Nordseeumfeld und an einigen Abschnitten der Ostseeküste auch für
stürmische Böen aus Südwest bis West, an exponierten Küstenabschnitten
Nordfrieslands gibt es sogar einzelne Sturmböen. Im Einflussbereich der mit dem
Trog advehierten Höhenkaltluft (-25 bis -28 Grad in 500 hPa, um 0 Grad in 850
hPa) haben sich im äußersten Norden Deutschlands auch einzelne Schauer
entwickelt, für Gewitter sollte es nicht reichen und bis zum Nachmittag nimmt
auch der Wind wieder deutlich ab. Ansonsten spielt der Wind aktuell
warntechnisch lediglich auf dem Brocken noch eine Rolle.
Rückseitig des Bodentroges kommt es zu deutlichem Druckanstieg, wobei sich von
Nordfrankreich her ein Hochkeil zunächst in die mittleren Landesteile, später
auch in den Südwesten ausweitet. Diesem ist noch die Kaltfront eines
Tiefdruckkomplexes über dem Nordmeer vorgeschaltet, die über Südostdeutschland
aufgrund höhenströmungsparalleler Exposition ins Schleifen gerät und nur langsam
nach Südosten vorankommt. Im Bereich einer flachen Frontalwelle, die sich
entlang der Front nordostwärts verlagert, intensivieren sich die Regenfälle im
Laufe des Nachmittags vor allem entlang und südlich der Donau sowie im Osten
Bayerns. Vom Alpenvorland bis zum Bayerischen Wald werden dabei bis weit in die
Nacht hinein recht flächendeckend 10 bis 20 mm Niederschlag in 12 Stunden
simuliert, warnrelevante Mengen hat allerdings kein Modell auf der Agenda.
Im Bereich der schleifenden Front bleibt es in der Südhälfte meist bedeckt,
während sich vor allem im Westen und in der Mitte, später auch im Norden
vielerorts die Sonne durchsetzt. Nach dem "Rekordtag" gestern werden innerhalb
der postfrontal einströmenden maritimen Polarluft ((T850 hPa abends zwischen -2
Grad im Nordwesten und 6 Grad im Bereich der schleifenden Front) "nur" noch
Höchstwerte zwischen 10 und 15 Grad erreicht, präfrontal in Südostbayern anfangs
vielleicht auch noch bis zu 17 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch beschäftigt uns dann der oben angesprochene scharfe
Kurzwellentrog. Mit diesem geht auch eine zwar kleinräumige, aber markante
Bodentiefentwicklung einher. Die kräftigste Entwicklung haben dabei ICON-EU und
C-D2 auf der Agenda; nach Lesart beider Modelle erreicht das Tief am späten
Nachmittag knapp nordwestlich der Deutschen Bucht einen minimalen Kerndruck von
etwa 1007 hPa und verlagert sich bei nur langsam einsetzendem Auffüllprozess bis
Mittwochfrüh über Dänemark zum Kattegat. An dessen Südflanke erfasst das
Sturmfeld im Laufe der ersten Nachthälfte zunächst vor allem die Deutsche Bucht.
Dort dreht der Wind vorübergehend etwas zurück (auf Südsüdwest) und legt ab den
Abendstunden deutlich zu. Mit Winddrehung auf Südwest bis West simulieren
ICON-EU und C-D2 mit Durchschwenken des Bodentroges im Bereich der Deutschen
Bucht verbreitet schwere Sturmböen, exponiert (Helgoland, einige Abschnitte der
Nordfriesischen Küste) sogar orkanartige Böen. C-D2-EPS hat Wahrscheinlichkeiten
für Bft 11 bis nahe 30% bei Helgoland auf der Agenda. GFS und IFS zeigen in den
aktuellen Läufen eine nicht ganz so starke Bodentiefentwicklung und simulieren
lediglich Böen Bft 8 bis 9. Somit gilt es, heute Nachmittag die Drucktendenzen
im Bereich des Tiefs zu beobachten. Sollte sich die vom ICON simulierte
Entwicklung andeuten, würde sich vielleicht eine "Häkchen"warnung anbieten (Böen
Bft 10, exponiert Bft 11).
Bereits in der zweiten Nachthälfte flaut der Wind im Nordseeumfeld wieder ab,
während dann an der (in erster Linie schleswig-holsteinischen) Ostseeküste mit
Böen Bft 8 bis 9 der Höhepunkt der Windentwicklung erwartet wird. Weit ins
Binnenland reicht der Wind aber nicht, lediglich im der Küste unmittelbar
angrenzenden Binnenland sowie in Schleswig-Holstein dürfte es wohl für
warnrelevante Böen reichen.
Mit der Trogpassage verstärkt sich die Advektion höhenkalter Luftmassen, die
Temperatur in 500 hPa sinkt im Nordwesten auf unter -30 Grad bei etwa -2 Grad in
850 hPa. Das reicht im Nordseeumfeld und später auch an der Ostseeküste für
Schauer, die zwar ebenfalls nicht weit ins Binnenland reichen, aber durchaus von
einzelnen Gewittern begleitet werden können, vor allem über der Deutschen Bucht.

Im Rest des Landes macht sich wettertechnisch der zwar etwas nach Süden
abgedrängte, aber sich weiter verstärkende Höhenrücken (im Südwesten morgens
bereits über 1030 hPa) bemerkbar. Die Kaltfront wird endgültig aus dem
Vorhersagegebiet abgedrängt, schleift aber weiterhin im Bereich der Alpen, so
dass es vom Südschwarzwald bis nach Oberfranken sowie am Erzgebirge und in
Ostsachsen weiterhin leicht regnet. An den Alpen sinkt die Schneefallgrenze
morgens gebietsweise auf unter 1500 m, im Oberallgäu eventuell auf nahe 1000 m.
Nördlich daran anschließend, vor allem im Westen und in den mittleren
Landesteilen, ist der Himmel dagegen oft gering bewölkt oder klar, wobei sich
gebietsweise dichter Nebel bildet. Die Temperatur rutscht dort bei meist nur
schwachem Wind in den Keller, vielerorts gibt es dort Bodenfrost, im Bereich der
Eifel wohl auch leichten Luftfrost.

Mittwoch... schiebt sich ein markanter und durch kräftige WLA an dessen
Nordflanke gestützter Höhenrücken vom mittleren Nordatlantik Richtung Britische
Inseln vor. Der Langwellentrog tropft dadurch über der Biskaya aus, das daraus
resultierende Höhentief verlagert sich bis zum Abend vor die Westküste
Portugals. Der Resttrog erreicht abends die Ostsee und reicht bis nach
Norddeutschland. Zwischen Trogresiduum und Höhentief verstärkt sich ein flacher
Höhenrücken über Frankreich.
Dieser Höhenrücken stützt weiterhin den sich weiter verstärkenden Bodenhochkeil
über dem Süden und der Mitte des Landes, der sich weiter nach Osten ausweitet.
Somit klingen auch die Regenfälle in Südostdeutschland nördlich der sich über
dem Alpenraum auflösenden ehemaligen Kaltfront mehr und mehr ab, lediglich
entlang und südlich der Donau kommen maximal noch wenige mm (am ehesten vom
Südschwarzwald bis zur Alb) zusammen.
Einzelne Schauer, eventuell auch mal ein kurzes Gewitter gibt es auch im Bereich
des Trogresiduums über Norddeutschland, am ehesten wohl an den Küsten. Zwar
verlagert sich das kleinräumige Sturmtief rasch nordostwärts und füllt sich
nunmehr deutlich auf, dennoch bleibt der Druckgradient an der Nordflanke der
sich verstärkenden Hochdruckbrücke recht scharf ausgeprägt. An den Küsten gibt
es weiterhin zumindest steife, an der vorpommerschen Ostseeküste anfangs auch
noch stürmische Böen aus West bis Südwest. Auch im Binnenland vor allem
Nordostdeutschlands frischt der Wind vorübergehend auf, ob es für warnrelevante
Böen reicht, ist aber mehr als fraglich. Lediglich auf dem Brocken reicht es
eventuell mal für eine stürmische Böe.
Ansonsten steht ein wettertechnisch ruhiger Tag ins Haus. Im Süden bleibt es
meist stark bewölkt bis bedeckt, ansonsten wechseln Sonne und lockere, meist
flache Quellwolken (Absinkinversion in der Mitte bei etwa 800 hPa), die sich an
den Westrändern einiger Mittelgebirge stauen können, während im Lee häufiger die
Sonne scheint. Von Nordwesten her wird noch etwas kühlere Luft ins
Vorhersagegebiet advehiert (T850 hPa zwischen -3 Grad in der Mitte und +1 Grad
im Süden). Somit bleibt es mit Höchstwerten zwischen etwa 7 Grad unter den
dichten Wolken im Süden und 12 Grad bei zeitweiligem Sonnenschein recht frisch.

In der Nacht zum Donnerstag schiebt sich der Höhenrücken über den Britischen
Inseln weiter ostwärts bis nach Benelux vor, wodurch der Resttrog über
Norddeutschland südostwärts abgedrängt wird und morgens über Polen und
Tschechien noch bis nach Süddeutschland reicht. Dadurch dreht die Höhenströmung
über dem Norden und der Mitte des Landes auf nördliche Richtungen und ist
zunehmend antizyklonal konturiert. Mit Vordringen des Höhenrückens verstärkt
sich auch die mittlerweile über Süd- bzw. das mittlere Deutschland hinweg bis
ins östliche Mitteleuropa reichende Hochdruckbrücke weiter (ICON-EU sogar mit
1040 hPa um 06 UTC über Luxemburg). Die Frontalzone wird inzwischen sehr weit
nördlich um den blockierenden ostatlantischen Höhenrücken herum über Island, das
Nordmeer und Skandinavien nach Nordwestrussland geführt. An dessen Südflanke
verstärkt sich die WLA auch über Nord- und Nordostdeutschland, so dass dort von
Nordwesten her wieder dichtere mehrschichtige Bewölkung aufzieht. Nennenswerte
dynamische Hebungsprozesse fehlen aber aufgrund der Hochdruckrandlage, so dass
es lediglich für etwas Regen oder Nieselregen an den Küsten reicht.
Allerdings verschärft sich der Gradient an der Nordflanke der Hochdruckbrücke,
so dass der Wind an den Küsten nach vorübergehender Abnahme vor allem in den
Frühstunden wieder zulegt mit Böen Bft 7 aus West.
Ansonsten steht eine ruhige Nacht ins Haus. Im Süden lockern die Wolken nur
zögernd auf, in der Mitte ist es dagegen oft gering bewölkt oder klar. Vor allem
dort sinken die Temperaturen vielerorts auf 0 Grad oder knapp darunter.
Gebietsweise bildet sich auch dichter Nebel, am ehesten im Süden, wenn es dort
denn doch mal etwas stärker auflockert.


Donnerstag... ändert sich an der Hochdruckrandlage nur wenig. Der nunmehr zur
Mitte Deutschlands gerichtete Höhenkeil kann sich noch etwas verstärken, wodurch
der Resttrog über Süddeutschland komplett aufgefüllt wird, übrig bleibt ein
kleinräumiges Höhentief über dem Ostalpenraum. An der Nordostflanke des
umfangreichen Höhenrückens, aus dem sich eine eigenständige Höhenantizyklone
über den Britischen Inseln etabliert, verlagert sich ein Höhentrog nach
Skandinavien. Diesem ist im Bodenfeld ein Frontensystem vorgeschaltet, dessen
Kaltfront abends auf Südskandinavien übergreift. Im Vorfeld verstärkt sich die
WLA auch über dem Norden und Osten Deutschlands. Dort bleibt es meist stark
bewölkt und gebietsweise fällt leichter Regen oder Nieselregen ohne nennenswerte
Mengen. Der präfrontal sich verstärkende Druckfall über Skandinavien führt zu
einer Gradientverschärfung vor allem über dem Nordosten und äußersten Norden
Deutschlands, da sich an Lage und Ausrichtung der über die Mitte und den Süden
Deutschland hinweg nach Osteuropa reichenden Hochdruckbrücke nur wenig ändert.
An den Küsten frischt dadurch der Wind aus westlichen Richtungen auf und dreht
später auf West bis Nordwest. An den Küsten gibt es steife bis stürmische Böen,
entlang der vorpommerschen Ostseeküste später eventuell sogar Sturmböen,
zumindest nach Lesart des ICON-EU, während GFS und IFS die Entwicklung etwas
schwächer auf der Agenda haben. Weiter im Binnenland reicht es angesichts der
stabilen Schichtung aber wohl kaum mehr für eine Bft 7, lediglich auf dem
Brocken kann es eventuell noch stürmische Böen geben.
Während es die Sonne an den Alpen und im angrenzenden Alpenvorland bei bodennah
schwacher nördlicher bis nordöstlicher Anströmung durch leichte Staueffekte nur
sehr schwer hat und es dort oft stark bewölkt bleibt, kann sie sich sonst im
Südwesten und Süden sowie in der südlichen Mitte vielerorts durchsetzen,
teilweise allerdings auch erst nach zögernder Nebelauflösung. Am mildesten
bleibt es wohl aufgrund der bis nach unten durchgreifenden WLA im Norden und
Osten Deutschlands mit Höchstwerten um 12 Grad, ansonsten werden etwa 7 bis 11
Grad erreicht.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der Höhentrog über Skandinavien weiter
nach Nordosteuropa, während das Höhenhoch über den Britischen Inseln seinen
Schwerpunkt allmählich Richtung Nordsee versetzt. Dabei bleibt weiterhin ein
markanter Höhenrücken ins Vorhersagegebiet gerichtet. An dessen Nordostflanke
schwächt sich die WLA über dem Nordosten des Vorhersagegebietes allmählich ab,
es bleibt aber im Osten und Norden Deutschlands noch überwiegend dicht bewölkt,
hier und da fällt etwas Nieselregen. Unklar ist dabei, wie weit diese Bewölkung
nach Westen reicht, was wiederum von der Lage Achse der Hochdruckzone am Boden
abhängt. Diese reicht im aktuellen ICON-EU-Lauf von der südwestlichen Nordsee
über Westdeutschland bis nach Oberbayern, so dass an dessen Nordostflanke die
dichte Bewölkung recht weit nach Westen ausgreift und auch Teile der Mitte sowie
Ostbayern erfasst; dort besteht sogar, sollte es vorher noch länger klar bleiben
und in den leichten Frostbereich abkühlen, eine zugegebenermaßen sehr geringe
Wahrscheinlichkeit für Nieselregen mit Glatteisbildung (dann müsste aber schon
alles passen).
GFS und IFS simulieren die Achse der Brücke dagegen etwas nach Nordosten
versetzt, so dass es lediglich von der Nordsee bis zum Erzgebirge und weiter
nordöstlich davon bedeckt bleibt.
Das hat natürlich auch Einfluss auf die Temperatur- und Nebelprognosen. In den
Regionen mit geringer Bewölkung kann es vielerorts Boden- gebietsweise auch
Luftfrost geben, während es unter den dichten Wolken mild bleibt, an den Küsten
teilweise mit Minima um 10 Grad.
Der Gradient im Nordosten fächert insgesamt wieder auf, so dass der Wind auch an
den Küsten im Laufe der Nacht allmählich nachlässt.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine signifikanten
Modellunterschiede ausmachen. Im Detail ergeben sich allerdings Differenzen,
insbesondere, was die Windentwicklung in der kommenden Nacht und am Donnerstag
angeht. Diese wurden bereits im Text besprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff