DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-11-2020 08:30
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 01.11.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz

In der Nordwesthälfte allgemein lebhafter Wind, in Hochlagen und an den Küsten
Bft 8-9, im Nordwesten im Flachland Bft 7. Im Südosten nachts Nebelbildung. Für
November rekordverdächtig mild!


Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... zieht in 500 hPa ein Höhenrücken über Mitteleuropa ostwärts, seine
Achse verläuft aktuell in einem weiten Bogen vom westlichen Mittelmeer über
Bayern und das Baltikum nach Nordskandinavien. Im Tagesverlauf wird seine
Rückseite durch WLA und dynamisches Absinken nochmals regeneriert. Somit ergibt
sich der Eindruck einer retrograden Verlagerung, zum Abend wölbt sich der "neue"
Rücken von Frankreich über die Mitte Deutschlands zur Ostsee. Nennenswerte
Hebungsimpulse sind in diesem Umfeld kaum auszumachen, allenfalls die diffluente
Vorderseite eines großräumigen Langwellentroges über dem Nordatlantik könnte
etwas Hebung ins Spiel bringen. Der Langwellentrog korrespondiert mit einem
Bodentief (Ex-Hurrikan ZETA), welches im Tagesverlauf vom Nordatlantik ins
Seegebiet nordwestlich von Schottland. Schon dadurch präsentieret sich der
Gradient über Nordwesteuropa recht scharf, was für die Nordwesthälfte
Deutschlands lebhaften Wind bedeutet. Dabei muss in Hochlagen sowie an der
Nordseeküste mit stürmischen Böen Bft 8 oder Sturmböen Bft 9 gerechnet werden.
Exponierte Gipfel (u.a. Feldberg im Schwarzwald und Brocken) bringen es auch auf
schwere Sturmböen Bft 10 oder sogar orkanartige Böen Bft 11, von der Eifel bis
an Nord- und Ostsee muss auch im Flachland mit einzelnen steifen Böen Bft 7
gerechnet werden. Schon hier sein darauf hingewiesen, dass Ex-ZETA auf seiner
Südflanke ein Wellentief im Schlepptau hat, das am Montag die Windsituation nach
einer Abschwächung in der Nacht erneut anfacht - doch dazu später mehr. Da das
teilokkludierte Frontensystem von Ex-ZETA heute den Vorhersageraum überquert,
dominieren Wolken und verbreitet regnet es. Den Schwerpunkt des Regens legen die
Modelle unisono in die Südhälfte, wobei trotz lokal länger andauernder
Niederschläge aus dem Ensemblezoo nur ICON-EU schwache Signale (10%) für
Dauerregen von mehr als 30 l/qm in 24 Stunden im Südschwarzwald liefert.
Vielleicht werden höhere Regenmengen durch konvektive Verstärkung erreicht,
COSMO-D2 simuliert zumindest in den Regenfeldern auch einzelne Gewitter. Mit der
südwestlichen bis westlichen Strömung werden sehr milde Luftmassen herangeführt.
Schon aktuell liegen die 850er Temperaturen im äußersten Süden um 10 Grad. Zum
Abend wird diese Marke auch im Südwesten und Westen geknackt, und im äußersten
Norden steigen die entsprechenden Werte von etwa 2 Grad zu Tagesbeginn auf 8
Grad in den Abendstunden. Dies sorgt entlang des Rheins und im Nordwesten für
ungewöhnlich milde Höchstwerte von bis zu 17 Grad, in den übrigen Gebieten sind
es 10 bis 15 Grad.

In der Nacht zum Montag schiebt sich der neue Rücken langsam ostwärts, seine
Achse erreicht zum Morgen das Böhmische Becken, Polen sowie das Baltikum. Da
eine erneute Regenerierung ausbleibt, dreht die Höhenströmung auf Südwest, so
dass die Zufuhr milder Luft anhält. Die 850er Temperaturen steigen
deutschlandweit auf etwa 10 Grad, vereinzelt liegen sie zum Morgen sogar um 12
Grad. Diese massive WLA wird dafür sorgen, dass die Temperaturen in der Nacht
verbreitet ansteigen statt zu sinken. Dadurch liegen die Minima mit zumeist 16
bis 8 Grad in einem sehr hohen Bereich, der bevorzugt in der ersten Nachthälfte
erreicht wird. Da über dem Südosten der Rücken für Absinken und recht ruhiges,
insbesondere auch windschwaches Wetter sorgt, kann sich dort bevorzugt Nebel
bilden. Im Nordwesten lässt der Wind nur vorübergehend nach. Die oben
angesprochene Welle zieht in der Nacht rasch von Irland zur Nordsee. Während die
Zugbahn, die das Wellentief weiter nach Südnorwegen führen soll, recht
einheitlich simuliert wird, ist dies bei der Verlagerungsgeschwindigkeit anders.
So simuliert ICON eine forsche Welle, die zum Morgen schon die norwegische Küste
erreicht, während laut EZMW die Welle Montagfrüh noch auf der Nordsee liegen
soll. Unabhängig von diesen Unterschieden sehen die Modelle einheitlich ein
erneutes aufleben des Windes in der Nordwesthälfte nach Mitternacht. In höheren
Mittelgebirgslagen und an der Küste soll es für Böen Bft 7-8 reichen, exponierte
Küstenlagen bringen es auch auf Bft 9, exponierte Gipfel sogar auf Bft 10.

Montag... kommt der Höhenrücken über dem östlichen Mitteleuropa nur sehr
zögerlich nach Osten voran. Da sich seine Amplitude vergrößert, steilt die
Höhenströmung weiter auf, so dass die Zufuhr sehr milder Luftmassen anhält. Der
Langwellentrog auf dem Atlantik schwenkt in Richtung Großbritannien, wobei seine
Südspitze fast die Iberische Halbinsel erreicht, was ebenfalls die WLA
unterstützt. Unterhalb der nunmehr strammen südwestlichen Höhenströmung wird das
Wellentief zackig nach Zentralskandinavien geführt, wo es laut ICON als
Bodentrog in das Strömungsfeld von Ex-ZETA eingebunden wird, laut EZMW aber noch
als eigenständiges Tief überlebt. Wie auch immer, der Gradient über der
Nordwesthälfte bleibt scharf, und mit übergreifen der Kaltfront am Nachtmittag
zeichnet sich ein (zweites) Böenmaximum ab. Im Gegensatz zum Vortag treten nun
die steifen Böen Bft 7 in der Nordwesthälfte recht verbreitet auf, zumindest
sagen dies die deterministischen Läufe von ICON oder EZMW. Deren Einschätzung
wird von der Probabilistik, z.B. ICON-EU, gestützt. Laut MOSMIX dagegen sollte
sich die Windsituation etwas schwächer präsentieren als am Vortag. Aber selbst
dann gilt, dass die Bft 8-9 an der Nordsee und in Mittelgebirgslagen wieder mit
dabei ist, und auf exponierten Gipfeln geht, wie am Vortag, auch wieder etwas
mehr. Trotz der insgesamt stabilen Schichtung kann an der Front der vertikale
Impulstransport dafür sorgen, dass neben einer Bft 7 auch mal eine Bft 8 bis ins
Flachland heruntergemischt wird. Bei Höhenwinden, die im Nordwesten und Westen
bei 45 bis 50 kn liegen, sollte bei kräftiger konvektiver Umlagerung vielleicht
mit Bft 9 auch etwas mehr drin sein. Apropos kräftige konvektive Umlagerung: Ein
eingelagertes Gewitterchen ist zwar unwahrscheinlich, aber eben auch nicht
gänzlich ausgeschlossen. Dabei steht uns erneut ein wolkiger Tag ins Haus, was
auch der WLA geschuldet sein dürfte. Anfangs liegen die Regenschwerpunkte im
östliche Mittelgebirgsraum. Am Nachmittag dann im Vorfeld der Kaltfront im
Nordwesten. Die WLA treibt jetzt zwar nicht mehr die 850er-Werte, die sich nur
wenig verändern, wohl aber die Höchsttemperaturen, und das auf teils
erschreckend hohe Novemberwerte. Laut MOSMIX sollen es am Oberrhein bis zu 24
Grad werden, sonst sind es verbreitet um 20 Grad.

In der Nacht zum Dienstag überquert die Kaltfront ein großes Stück vom
Deutschland-Kuchen, zum Morgen soll sie etwa auf einer Linie Berlin-Stuttgart
liegen. Die Front verliert dabei in der Nacht an Intensität, auf ihrer Rückseite
fächert der Gradient zügig auf, so dass der Wind in die Knie geht. Dabei dreht
die Strömung auf West bis Südwest, so dass allenfalls an den Küsten noch
warnwürdige Böen, meist in der Preisklasse Bft 7-8, auftreten. Dabei ist
entsprechend der Windrichtung und dem langen Fetch über der Nordsee
Nordfriesland bezüglich des Windes in der Vorhand. Während sich an der
Höhenströmung zwischen dem Keil östlich und dem Trog westlich von uns nicht viel
ändert, fließt rückseitig der Kaltfront deutlich kühlere Luft ein. Die 850er
Temperaturen, am Abend über dem Emsland noch bei etwa 8 Grad liegend, sinken auf
etwa 2 Grad, mehr als 10 Grad sind es nur noch südlich der Donau.

Dienstag... und in der Nacht zum Mittwoch kommt der Langwellentrog seht
zögerlich nach Südosten voran. Dabei ist seine Geschwindigkeit so lausig, dass
seine Achse in 24 Stunden gerade mal von der Irischen See bis zur Nordsee
vorankommt. Da auch der Osteuropäische Rücken ein zäher Bursche ist, der erst in
der Nacht zum Mittwoch deutliche Abschwächungstendenzen zeigt, verbleibt
Deutschland unter einer südwestlichen Höhenströmung. Dabei zieht die Kaltfront
nach Südosten ab, wobei es am Alpenrand zu einer moderaten Intensivierung des
Niederschlages durch Staueffekte kommt. Von Westen her steigt der Druck, laut
ICON soll sich in der Nacht zum Mittwoch über Frankreich sogar ein 1030er Hoch
ausbilden, das bei EZMW sogar bis nach Oberösterreich reicht. Auf der Nordflanke
des Hochs bleibt der Wind, der Ageostrophie sei Dank, lebhaft, mit steifen und
einzelnen stürmischen Böen an der Küste. Da der hohe Druck Folge des Absinkens
hinter der Front ist, kann es insbesondere nachts größere Wolkenlücken geben.
Darauf reagieren die Modelle mit gebietsweisen Nebelfeldern, aber auch mit
leichtem Front knapp unter null Grad in den Hochlagen der Mittelgebirge. Das
passt ganz gut zu den 850er Temperaturen, die ausgangs der Nacht nur noch im
Osten und Südosten über null Grad verharren. Im Westen sollen sie dagegen fast
bis auf -3 Grad sinken.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der warnrelevanten Parameter, das heißt aktuell natürlich vornehmlich
bezüglich des Windes, zeigen die Modelle keine gravierenden Unterschiede. Dies
gilt sowohl bezüglich der schwerpunktmäßig betroffenen Gebiete wie auch der
Intensität. Im Detail kommen die Modelle jedoch zu unterschiedlichen
Einschätzungen, wie beispielsweise bei der Verlagerungsgeschwindigkeit der Welle
(s.o).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas