DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-10-2020 08:30
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 29.10.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal

Andauer der unbeständigen Witterung mit permanenten Systemwechseln
(Trog-Keil-Strukturen, Fronten, Zwischenhochs). Mildes bis sehr mildes
Monatsende.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung eine leicht
mäandrierende Frontalzone, die sich vom mittleren Nordatlantik bis zum
westlichen Mitteleuropa erstreckt, bevor sie nach Nordosten abwinkelt. Diese
Konstellation bedingt unweigerlich, dass aktuell relativ flacher Trog über dem
Vorhersageraum unterwegs ist, der uns bis zum Nachmittag komplett überquert
haben dürfte. Ihm folgt ein ebenfalls recht flacher Rücken, der das Ergebnis
einer sich über dem Atlantik abzeichnenden stärkeren Austrogung bzw. der weit
nach Osten ausgreifenden vorderseitigen WLA darstellt. Treibende Kraft für die
Austrogung ist das hochreichende Zentraltief Ex-EPSILON (heute früh etwas unter
970 hPa Kerndruck) am Südrand der Irminger See, das permanent Kaltluft aus den
Gebieten zwischen Grönland und Ost-Kanada anzapft und diese nach Süden steuert.

Von der Irminger See zurück nach Deutschland, wo heute mit moderater westlicher
Strömung ein Schwall erwärmter Meeresluft subpolaren Ursprungs (T850 um oder
etwas über 0°C) advehiert wird. Die Luftmasse ist zunächst noch leicht instabil
geschichtet, was die vielfach schauerartigen, im Süden im Bereich der Trogspitze
auch länger andauernden Regenfälle erklärt. Mit Verlagerung des Höhentroges
zieht das Gros der Schauer und nach Norden hin vereinzelten Gewitter noch im
Laufe des Vormittags nach Osten ab, lediglich an der See bleibt noch etwas
Restkonvektion übrig. Im Süden zieht sich der Regen mehr und mehr in die
Regionen südlich der Donau zurück, wobei sich den Alpen eine leichte
Stausituation einstellt (nach Trogpassage Drehung des Windes auf West-Nordwest).
Von daher verwundert es nicht, dass vom Bayerischen Wald über das südliche
Alpenvorland bis hinüber zum Allgäu die höchsten Tagessummen des Niederschlags
simuliert werden. Gebietsweise werden um oder etwas über 10 l/qm innert 12 h
angeboten, im Stau des Allgäus sind es laut deutscher Modellkette und EURO4 gar
über 30 l/qm - punktuell und bei einer Schneefallgrenze, die bei rund 1500 m
liegt.
Der westliche Wind lebt mit dem Tagesgang vorübergehend etwas stärker auf, ohne
aber die ganz großen Bäume auszureißen. An der Küste werden Böen 7 Bft, im
Bergland 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, Brocken 10 Bft erwartet. In den Niederungen
bewegen sich die Windspitzen häufig im Grenzbereich zur unteren Warnschwelle (6
zu 7 Bft), was da Warnmanagement nicht einfach macht. Ein Großteil an Warnungen
ist mit Gültigkeit bis Mittag oder Nachmittag bereits geschaltet. Überlegungen,
diese noch räumlich auszudehnen, sollten eher defensiv geprägt sein, zumal ein
Teil der Böen gar nicht so sehr vom Gradienten als vielmehr von der Konvektion
angetrieben werden. Auf alle ist Tatsache, dass mit Druckanstieg von Westen her
und einem sich von Frankreich bis zu den Alpen vorschiebenden Hochkeil der
Gradient allmählich auffächert und der Wind spätestens am Nachmittag nachlässt.
Apropos Nachmittag, zwar nähert sich von Westeuropa her der o.e. Rücken,
allerdings wird dieser wie so oft von der ebenfalls schon erwähnten WLA
überlaufen. Die WLA kündigt die Warmfront eines Wellentiefs (MAROLA) an, das
heute Mittag noch als offene Warmfrontwelle knapp westlich Irlands anzutreffen
ist, von wo aus es bis Tagesende unter Intensivierung zu den Färöers zieht. So
kommt es heute nicht nur zu einer raschen Stabilisierung der Luftmasse von
Frankreich und Benelux her. Es zieht zudem relativ früh mehrschichtige Bewölkung
in die westlichen Landesteile, aus der es schon im Laufe des Nachmittags
anfängt, skalig zu regnen. So gesehen beschränken sich Auflockerungen oder gar
sonnige Abschnitte im Wesentlichen auf den Norden und Osten sowie die östliche
Mitte bei landesweiten Höchsttemperaturen, die meist zwischen 10 und 15°C
liegen.

In der Nacht zum Freitag greift die Warmfront auf Deutschland über, wobei sich
der skalige Regen recht zügig auf weite Teile des Landes ausbreitet. Am
wenigsten Niederschlag fällt im Südwesten (z.T. nur wenige Tropfen, im Lee von
Vogesen und Schwarzwald vielleicht sogar gar nix) und Westen (wo es als erstes
wieder aufhört zu regnen) sowie in Vorpommern (wo der Regen zuletzt ankommt).
Ansonsten dürfen Mann und Frau doch relativ verbreitet mit 5 bis 10 l/qm bis
morgen früh rechnen, in Staulagen der Mittelgebirge auch etwas mehr. Warnwürdige
Mengen, in einigen Vorläufen zumindest mal angedeutet, stehen nicht auf der
Karte.
Mit der Warmfront wird nicht nur mildere Biskayaluft herangeführt (Anstieg T850
mit Ausnahme des äußersten Nordostens auf 4 bis 7°C), auch der Gradient nimmt im
Warmsektor wieder zu. Aufgrund der erzstabilen Schichtung kommt das damit
einhergehende Auffrischen des auf Südwest rückdrehenden Windes aber lediglich
dem Bergland (7-8 Bft, exponiert 9 Bft, Brocken 10 Bft) sowie der Nordsee (7
Bft, gegen Morgen auf See vereinzelt 8 Bft) spürbar zugute. Müßig zu erwähnen,
dass bei diesen Rahmenbedingungen die Nacht vergleichsweise mild bleibt,
insbesondere im Westen, wo es vielfach nicht unter 10°C abkühlt.


Freitag... greift der Höhenrücken unter leichter Amplifizierung auf Mitteleuropa
respektive Deutschland über. Derweil zieht es Wellentief MAROLA zur Ostküste
Islands (12 UTC), während die Warmfront bei uns weiter Boden nach Nordosten hin
gutmacht. Bereits zur Mittagszeit soll sie den Vorhersageraum hinter sich
gelassen haben, allenfalls Rügen, Usedom und das Oderhaff können sich an ihr
noch erfreuen. Nach der Warmfront die Kaltfront, so der handelsübliche Ablauf.
Nicht so am morgigen Freitag, wo die Kaltfront über der Nordsee verbleibt,
zurückgehalten durch eine flache Welle über England/Wales bzw. eine
Neutiefbildung (NINA) westlich Irlands. Kurzum, wir gelangen morgen in einen
breiten Warmsektor, der insbesondere im Süden und Südwesten durch Druckanstieg
von Frankreich her antizyklonal konturiert ist. Dort trocknet die einfließende
Biskayaluft (T850 4 bis 8°C) mit Ausnahme der bis etwa 850 hPa hochreichenden
Grundschicht sukzessive ab, so dass im Laufe des Tages von der Schweiz und den
Alpen her die Wolkendecke allmählich aufbricht und zumindest im äußersten Süden
BWs und Bayerns am Nachmittag noch etwas die Sonne scheint.
Ansonsten steht am Freitag aber weitgehend dichtes und geschlossenes Grau auf
der Karte, auch wenn im Westen und Südwesten sowie Teilen der Mitte kaum oder
kein Regen mehr fällt. Im Norden und Osten hingegen muss auch im Warmsektor noch
längere Zeit mit Regenfällen gerechnet werden, am meisten davon zwischen
Erzgebirge und Ostsee (5-10 l/qm innert 12 h, lokal etwas mehr).
Der Südwest- bis Westwind versucht auch morgen wieder, Gas zu geben, was aber
nur mit Teilerfolgen gelingt. Konkret, während Niederungen und tiefe Lagen von
warnwürdigen Böen >= 7 Bft weitgehend verschont bleiben, ist das Bergland je
nach Exposition wieder mit Böen 7-8 Bft, auf einigen Kuppen 9 Bft, Brocken 10
Bft am Start. Auch an der Nordsee weht im wahrsten Sinne des Wortes eine steife
Brise (Böen 7 Bft), die am Nachmittag aber zunehmend an Substanz verliert.
Thermisch betrachtet stehen wir der kurzen Hose näher als der langen Unterhose,
12 bis 16°C, am südlichen Oberrhein bis zu 18°C sprechen eine deutliche Sprache.


In der Nacht zum Samstag verstärkt sich der Hochdruckeinfluss im Süden und
Westen, wobei der Gradient weiter auffächert. Außerdem reißt die Wolkendecke
weiter auf. Klarer Himmel, windschwache Verhältnisse, feuchte Grundschicht, Ende
Oktober - vier Terme, ein Ergebnis. Nebel! Dieser breitet sich im Süden und
Südwesten hoch bis zur westlichen Mitte aus, wobei die Sichtweite häufig unter
die warnkritische Marke von 150 m sinken dürfte.
Weiter nach Norden und Osten hin ist es noch nicht so weit her mit dem
Hochdruckeinfluss, im Gegenteil, es kommt zu weiteren Hebungsprozessen und
zeitweiligen Regenfällen. Diese gehen zu einem Großteil auf die etwas
landeinwärts vorankommende, dann aber wieder rückläufig werdende Kaltfront
zurück, die schlussendlich in die Warmfront des sich westlich von Irland
vertiefenden Bodentiefs übergeht.
Der Windspielt mit Ausnahme einiger exponierter Hochlagen keine Rolle mehr und
während sich die Temperatur in Alpennähe punktuell dem Gefrierpunkt nähert,
bleiben die Tiefstwerte in der Nordhälfte häufig zweistellig.

Samstag... verschärft sich der Höhentrog über dem nahen Ostatlantik, wovon das
o.e. Bodentief NINA profitiert. Es vertieft sich auf rund 970 hPa (24 UTC),
während es an den Hebriden vorbei ins Seegebiet nördlich Schottlands zieht. Die
Warmfront überquert den Norden und Nordosten des Landes, wobei sie rasch an
Wetterwirksamkeit verliert. Oder anders ausgedrückt, am Morgen und am Vormittag
noch ein paar Tropfen, später wie auch schon in den übrigen Regionen trocken und
von Südwesten her Auflockerungen. Da die Kaltfront zumindest tagsüber noch außen
vor bleibt (liegt mittags mitten über UK), verbringen wir auch den letzten Tag
des Oktobers im Warmsektor, der mit Unterstützung des nur langsam ostwärts
abwandernden Höhenrückens vergleichsweise antizyklonal aufgestellt ist.
So setzt sich vor allem in der Südwesthälfte häufig die Sonne durch, wenn man
mal von einigen zähen Nebelfeldern absieht. Vornehmlich in den Donauniederungen
und am Bodensee, beispielsweise aber auch an der Mosel kann es schon einige Zeit
in Anspruch nehmen, bis sich der Nebel lichtet oder ganz auflöst. Und es sollte
an einem 31. Oktober nicht verwundern, wenn er an der einen oder anderen Stelle
gar nicht verschwindet, zumal nennenswerter Wind als "Ausputzer" nicht zu
erwarten ist.
Stichwort Wind, der legt am Samstag tagsüber allgemein eine Pause ein, auch auf
den Bergen. Mit Drehung des Höhenwindes von West-Nordwest auf Südwest wird
niedertroposphärisch deutlich mildere Luft herangeführt, in der die
850-hPa-Temperatur bis zum Abend mit Ausnahme des äußersten Ostens und
Nordostens auf markige 10 bis 14°C steigt. Dass das nicht ohne Folgen für die
2m-Temperatur bleibt, ist offensichtlich: 13 bis 19°C lautet die Spanne der
Höchsttemperatur, lediglich bei zähem Nebel wird es nicht so warm.

Kurz noch die Nacht zum Sonntag, in der Höhentrog unter Verkürzung seiner
Wellenlänge bis zur Nordsee vorstößt. Dabei "drückt" er die vorlaufende
Kaltfront in den Westen und Nordwesten des Landes, wo es anfängt zu regnen.
Außerdem frischt der südliche, mit Frontdurchgang auf Südwest bis West drehende
Wind an und auf der Nordsee sowie in den Hochlagen wieder auf mit Böen 7-8 Bft,
exponiert 9 Bft. Der Süden und Südosten bekommt davon (also von Wind UND
Kaltfront) wenig bis nichts mit, was dem Nebel Gelegenheit bietet, sich wieder
auszubreiten bzw. neu zu bilden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Große Unterschiede sind innerhalb des Modellpools nicht erkennbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann