DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-10-2020 07:30
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.10.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW z

An der Nordsee stürmische Böen oder Sturmböen. Vor allem im Westen und
Nordwesten einzelne Gewitter. Im Südschwarzwald Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... wird mit einer südwestlichen Strömung sehr milde Meeresluft aus
Südwesteuropa nach Deutschland geführt. Dabei lagen die Temperaturen in den
Frühstunden unter teils dichter Bewölkung im Westen und Norden zwischen 15 und
19 Grad. Die (in der Höhe leicht antizyklonale) Strömung resultiert aus der Lage
zwischen einem sich abschwächenden Höhentrog, der vom Nordmeer bis in den
Nordwesten der Iberischen Halbinsel reicht und einem Höhenrücken südöstlich von
uns.
Ein Bodentief, das nachts der Küste Sturmböen brachte, zieht tagsüber zum
Bottnischen Meerbusen ab. Dessen Kaltfront liegt im Tagesverlauf schleifend quer
über dem Norden, bzw. der nördlichen Mitte unseres Landes und wird aufgrund
ihrer höhenströmungsparallelen Lage und durch ein flaches Tief über
Südwesteuropa zurückgehalten und macht nur langsam nach Südosten hin Boden gut.
Dabei gelangt in weite Landesteile sehr milde Luft, die mit Maxima von 18 bis 22
Grad aufwarten kann und auch postfrontal in stark erwärmter Meereskaltluft sind
dank guter Durchmischung fast 20 Grad zu erwarten, erst im äußersten Norden
werden es "nur" 15 Grad.
In der feuchten Luftmasse werden durch kurzwellige Tröge und vor einer sich über
Frankreich abzeichnenden Frontalwelle vermehrt Hebungsimpulse geliefert, die
schon aktuell zu Schauern über dem Westen führen. Vor allem ab dem Nachmittag
kommen von Frankreich und Benelux her Schauer oder schauerartige Regenfälle auf,
die sich in den Westen und Nordwesten ausbreiten. Da in diesem Zusammenhang auch
leicht instabile Luft mit eingesteuert wird sind auch einzelne Gewitter möglich.
In der dynamischen Lage mit hoher Scherung sind auch stürmische Böen oder
Sturmböen nicht ausgeschlossen.

Da der Druckgradient insgesamt aber auffächert, sind ansonsten kaum signifikante
Böen zu erwarten. Ausgenommen an der Küste, wo der Gradient durch einen nach
Osten schwenkenden Trog aufrechterhalten wird. Hier (vor allem Nordsee und
westliche Ostsee) sind bis die Abendstunden Bft 7 bis 8 aus Südwest bis West auf
der Karte. Weiter östlich flaut der Wind deutlich schneller ab. Ansonsten
beschränken sich stärkere Böen aufs höhere Bergland mit steifen bis stürmischen
Böen, auf dem Brocken auch Sturmböen. Aber auch hier zeigt sich die abnehmende
Tendenz.

In der Nacht zum Freitag zieht der Trog im Norden ab und der Gradient fächert
nachfolgend weiter auf, sodass die Stärke der Böen unter die Warnschwellen
sinkt. Großräumig formiert sich ein Tiefschwerpunkt über Nordosteuropa. Die
schleifende Kaltfront liegt nach wie vor irgendwo über der Mitte und bringt
insbesondere über der Mitte und dem Südwesten verbreitet, teils schauerartigen
Regen. Bis in die Nacht hinein können vor allem nach Westen hin und über der
Mitte vereinzelte Gewitter nicht ausgeschlossen werden. Die Niederschlagsmengen
werden wohl nur im Südschwarzwald warnrelevant. Akkumuliert über 12 bis 18
Stunden (Freitag 00 bis 12/18 UTC) zeigen sich punktuell (Eifel, Hochrhein,
Südschwarzwald) in einigen Modellläufen Überschreitungen der Warnschwellen.

An den Küsten und auf einigen Gipfeln der Mittelgebirge und der Alpen weht der
Südwest- bis Westwind anfangs mit Böen der Stärke 7 bis 8, auf exponierten
Bergen mit Bft 9. Ganz im Südosten und postfrontal im Nordwesten wäre Nebel bei
größeren Auflockerungen nicht ausgeschlossen.


Freitag... nähern sich von Westeuropa die Reste des Höhentroges, wodurch der
Höhenrücken nach Südosten abgedrängt wird und die Höhenströmung bei uns wieder
mehr nach Südwest dreht.

An dem nach wie vor schleifenden Frontenzug wird eine Welle, wahrscheinlich über
die Landesmitte nach Nordosten gesteuert. Der Regen breitet sich damit zunächst
von der Mitte und dem Südwesten wieder bis zur Neiße und ins südliche
Brandenburg aus. Mit Annäherung des Troges labilisiert die Schichtung dann
erneut und der Niederschlag wird konvektiver mit einzelnen Gewittern von Westen
her. Die Höhenströmung wird zwar schwächer, dennoch ist die Scherung weiter gut
ausgeprägt und es kann erneut Schauerlinien geben, die mit Gewittern durchsetzt
sind, so dass der Wind (stürmische Böen, eventuell Sturmböen) dabei nicht zu
vernachlässigen sind.

Im Norden kommt es dagegen im Bereich der dort eingeflossenen frischen
Meeresluft zu einzelnen Schauern, vor allem an der Küste. Dabei kann der Wind
etwas auffrischen, warnrelevant wird er dort, wie auch im Bergland nicht mehr.

Die zu uns advehierte Luftmasse ist nach wie vor sehr mild (T850 5 bis 10°C,
Maxima 15 bis 20 °C), die besten Chancen auf Wolkenlücken, bzw. Aufheiterungen
gibt es ganz im Südosten und von Vorpommern und bis Schleswig-Holstein.

In der Nacht zum Samstag zieht die Welle nach Polen ab, was auch dazu führt,
dass im Laufe der Nacht auch die Luftmassengrenze nach Südosten aus Deutschland
herausgesteuert wird. Der Regen lässt auch im Osten und Südosten nach, obwohl es
im Südosten noch längere Zeit schauerartig regnen wird. Nachfolgend greift der
Trog auf Deutschland über und führt zu einzelnen Schauern, anfangs vielleicht
auch mit Blitz und Donner. Im Verlauf der Nacht lassen die Schauer aber nach,
die Bewölkung lockert aber nur stellenweise stärker auf. Die Nebelneigung ist
gering.

Bedingt durch eine Sturmentwicklung nordwestlich Irlands legt der Gradient im
Nordwesten wieder zu und an der Nordsee sind einzelne steife Böen aus Südwest
nicht ausgeschlossen.


Samstag... entwickelt sich über dem Nordatlantik ein Zentraltief, das sich im
Seegebiet südlich von Island etabliert. Kräftige Warmluftadvektion an dessen
Vorderseite führt stromab zu Geopotentialgewinn, wodurch sich ein Keil aufwölbt,
der sich vom westlichen Alpenraum bis in die Norwegische See ausweitet. Durch
diesen Keil wird ein Bodenhoch über den Zentral- und Ostalpen gestützt.

Mit Annäherung der Warmfront des Zentraltiefs zieht von Westen her bereits der
Gradient wieder an, was für Durchmischung sorgt. In Nordseenähe, im westlichen
und zentralen Bergland kommen Windböen bis Bft 7 und in Gipfel- und Kammlagen
stürmische Böen auf.

Großräumiges Absinken lässt verbreitet Auflockerungen, vor allem nach Osten und
Süden hin zustande kommen. Ansonsten ziehen bereits wieder teils dichtere
Wolkenfelder durch. Da in der Nacht zuvor die Nebelneigung gering war, dürften
auch größere Auflockerungen wahrscheinlicher sein als es sonst für die Luftmasse
und Jahreszeit üblich wäre.

Trotz des erfolgten Luftmassenwechsels liegen die Höchstwerte nur wenig unter
denen des Vortages. Die etwas niedrigeren Temperaturen in 850 hPa werden durch
die leicht steigende Einstrahlung kompensiert. Die Maxima sollten sich meist
zwischen 13 und 18 Grad einpendeln.

In der Nacht zum Sonntag nähern sich die Ausläufer des Sturmtiefs dem Nordwesten
und führen zum Aufzug kompakter Bewölkung und zum Morgen vielleicht zu ersten
Regenfällen. Der Gradient nimmt im Westen/Nordwesten noch etwas zu und in der
Folge sind dort exponiert Bft 7, über und an der Nordsee Bft 7, exponiert 8
möglich. Auch im höheren Bergland sind erste stürmische Böen nicht
ausgeschlossen, auf dem Brocken Sturmböen.
Ansonsten bleibt es teils wolkig, teils stärker aufgelockert und im Südosten, wo
sich der schwache Zwischenhocheinfluss mit geringem Gradienten hält sind neben
vereinzelten Bodenfrost Nebelfelder möglich.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die großräumige Entwicklung weitgehend ähnlich. Die
Gewitter heute und am Freitag sind noch unsicher. Angesichts der Luftmasse und
Jahreszeit ist von eher schwächeren Entwicklungen auszugehen. Da aber einiges an
Scherung vorhanden ist, sollte auf jeden Fall der Wind im Auge behalten werden,
auch im Hinblick auf Signale im NowcastMix, Stichwort Mesozyklonenerkennung, da
auch eine gewisse Helizität vorhanden ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner