DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-10-2020 07:01
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 18.10.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NWa, Übergang zu SWz
Heute an den Küsten anfangs windig, sonst meist ruhiges und eher kühles
Herbstwetter. Ab Dienstag Umstellung auf Südwest, dabei etwas milder, aber auch
unbeständiger, auf den Berggipfeln zunehmend Sturmböen.


Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befindet sich Deutschland an der Südwestflanke eines hochreichenden
zentralsteuernden Tiefdrucksystems mit Drehzentrum über dem Bottnischen
Meerbusen bzw. dem Westen Finnlands unterhalb einer recht glatten nordwestlichen
Höhenströmung. Mit Verlagerung eines markanten Randtroges von der Dänemarkstraße
südwärts ins Seegebiet südlich von Island beginnt diese allmählich etwas
zurückzudrehen. Im Bodenfeld weist die Kaltfront des Zentraltiefs, die
inzwischen auf den Norden Deutschlands übergegriffen hat, aufgrund der zunehmend
höhenströmungsparallelen Exposition nur noch wenig Verlagerungstendenz nach
Süden auf und hat erst bis zum späteren Abend die Norddeutsche Tiefebene
überquert. Innerhalb eines wenig baroklinen und, da sich aufgrund von KLA ein
nach West- und Süddeutschland gerichteter Hochkeil noch verstärkt, auch
zunehmend antizyklonalen Umfeldes ist sie auch bzgl. ihrer Wetterwirksamkeit
ziemlich limitiert. Zudem ist die Schichtung nur in der niederen Troposphäre
leicht labil (Absinkinversion in 800 hPa). Somit fallen bis zum Abend lediglich
nach Osten zu (vom östlichen Niedersachsen bis nach Brandenburg) gebietsweise 1
bis 3 mm Niederschlag in Form von leicht schauerartigem Regen oder Nieselregen,
sonst sind es meist weniger als 1 mm.
Mit Kaltfrontpassage verschärft sich allerdings der Gradient, nicht zuletzt
deshalb, da sich der oben angesprochene Hochkeil verstärkt. Vor allem an den
Küsten gibt es aktuell steife, entlang der vorpommerschen Ostseeküste auch
stürmische Böen (Bft 7 bis 8) aus West bis Nordwest. Weiter im Binnenland reicht
es mit Unterstützung durch den Tagesgang zumindest nach Osten zu für einzelne
starke bis steife Böen (Bft 6 bis 7), auf dem Brocken für stürmische Böen.
Bereits mittags und nachmittags beginnt der Gradient wieder aufzufächern und der
Wind flaut zögernd ab.
Ansonsten stehen, nach Auflösung einiger Nebelfelder im Süden und in der Mitte,
keine warnrelevanten Parameter auf der Agenda. Während die Wolken postfrontal im
Zustrom frischer maritimer Polarluft (um -2 Grad in 850 hPa) vor allem Richtung
Ostsee und in Schleswig-Holstein stärker auflockern, bleibt es im Frontbereich
meist stark bewölkt bis bedeckt und südlich davon - im Einflussbereich der
alternden, bodennah etwas feuchteren Polarluftmasse - unterschiedlich bewölkt,
Chancen auf sonnige Abschnitte gibt es am ehesten im Südwesten sowie in den
mittleren Hochlagen der Alpen. Die Höchstwerte schwanken meist zwischen 8 und 14
Grad.

In der Nacht zum Montag gerät das Vorhersagegebiet zaghaft auf die Vorderseite
eines breit angelegten Höhenrückens über Frankreich und den Britischen Inseln,
der allerdings von Norden her, mit Annäherung des weiter oben erwähnten
zunehmend kurzwelligen Randtroges südlich von Island allmählich abgehobelt wird.
Mit Annäherung des Rückens steigt auch der Bodendruck über Mitteleuropa weiter
und über dem Alpenraum bzw. südöstlich davon bildet sich eine eigenständige,
zonal orientierte Hochdruckparzelle (1025 hPa-Kernisobare). Somit erreicht die
Kaltfront in etwa noch den zentralen Mittelgebirgsraum, zeigt aber deutliche
Auflösungstendenzen. Übrig bleiben dichte Wolkenfelder und leichte Regten- bzw.
Nieselregenfälle, die sich an den Nordrändern einiger Mittelgebirge stauen und
dort gebietsweise einige mm Wassereintrag bringen, während die Mengen ansonsten
nicht weiter nennenswert sind.
Postfrontal bleibt es vor allem im Nordosten aufgelockert, teilweise auch gering
bewölkt. Ein flacher Bodentrog lässt den Wind dort, vor allem im Ostseeumfeld
noch einmal etwas aufleben, ohne warnrelevante Böen zu erreichen, allerdings
verhindert der Wind ein allzu starkes Absinken der Temperatur, so dass es
lediglich in windgeschützten Lagen für Bodenfrost, aber wohl nicht für Luftfrost
reichen dürfte. Im Nordwesten macht sich bereits wieder verstärkt
mitteltroposphärische WLA anhand dichterer Wolkenfelder bemerkbar, so dass es
dort generell milder bleibt.
Präfrontal ändert sich gegenüber der Vornacht nur wenig. Gebietsweise lockern
durch das verstärkte Absinken aber eventuell die Wolken stärker auf, dann bildet
sich innerhalb der feuchten Grundschicht häufiger dichter Bodennebel. Dazu kann
es am ehesten in höher gelegenen Muldenlagen auch leichten Frost geben.

Montag... kommt der kurzwellige Randtrog über dem Seegebiet zwischen Island und
Schottland allmählich weiter nach Süden voran und nimmt Verbindung zu einem
umfangreichen Höhentief nördlich der Azoren auf. Der dadurch entstehende scharfe
Höhentrogkomplex weist eine stark positiv geneigte Achse auf, wobei kräftige WLA
auf dessen Vorderseite den sich allmählich Westeuropa annähernden Höhenrücken
stützt und verstärkt, aber auch zunehmend überläuft.
Im Bodenfeld wird auf der diffluent konturierten Vorderseite des Höhentiefs
aufgrund kräftiger PVA eine Zyklogenese initiiert, dass daraus resultierende
Tiefdruckgebiet erreicht mit einem Kerndruck von etwa 990 hPa (nach Lesart des
GFS sogar 986 hPa) morgens das Seegebiet südwestlich von Irland.
Bevor es auch im Vorhersagegebiet zu einer grundlegenden Wetterumstellung kommt,
setzt sich im Einflussbereich des Höhenrückens zunächst einmal das ruhige
Herbstwetter fort. Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt zögernd nach
Südosteuropa, dennoch setzt der Druckfall von Westen her nur schleppend ein. Vor
allem im Südwesten und Süden kann sich an der Westflanke des Hochs mit
allmählich etwas zunehmender und auf Südsüdwest drehender Grundströmung häufig
die Sonne durchsetzen. In der Mitte - im Einflussbereich der ehemaligen
Kaltfront - bleibt es dagegen meist stärker bewölkt, aber weitgehend trocken.
Auch im Nordwesten halten sich oft dichte mehrschichtige Wolkenfelder, die der
den Rücken überlaufenden WLA geschuldet sind, eventuell fällt im Nordseeumfeld
bereits auch etwas Nieselregen. Im Nordosten scheint dagegen zumindest noch ab
und zu die Sonne. Warnrelevante Parameter stehen nach teils zögernder
Nebelauflösung nicht auf der Agenda und die Höchstwerte liegen wohl meist
zwischen 9 und 14 Grad, im Südwesten mit Sonne auch wohl etwas darüber.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Höhenrücken nach Mitteleuropa und die
kräftige WLA kann sich mit der auf Südwest drehenden Strömung zunehmend auch
niedertroposphärisch durchsetzen. Die 850 hPa-Temperatur steigt bis zum Morgen
auf Werte zwischen 1 Grad an der Oder und (mit orographischer Unterstützung) 12
Grad über dem Allgäu bzw. dem äußersten Westen Deutschlands. Das Bodentief
südwestlich von Irland kann sich weiter intensivieren (Kerndruck morgens unter
985 hPa, nach Lesart des GFS gar um 980 hPa), kommt aber nur zögernd nach
Nordosten voran. Insgesamt weitet sich der Tiefdruckkomplex aber weiter Richtung
Nordsee und dem westlichen Mitteleuropa aus, so dass sich auch im
Vorhersagegebiet der Druckfall verstärkt und sich der Gradient deutlich
verschärft. Aufgrund der stabilen Schichtung macht sich das aber lediglich
oberhalb der Grundschicht bemerkbar, vor allem im Laufe der zweiten Nachthälfte
kann es in den Kamm- und Gipfellagen der westlichen und zentralen Mittelgebirge
sowie der Alpen - gebietsweise noch unterstützt durch kleinräumige Low Level
Jets - erste stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Süd bis Südost
geben. Über der offenen Nordsee reicht es eventuell für steife Böen (Bft 7). Ob
es bereits in einigen Lee-Lagen ganz im Westen (Raum Aachen) erste steife Böen
gibt, ist fraglich.
Während sich die WLA vor allem im Norden, aber wohl auch bis in die mittleren
Landesteile anhand recht dichter Wolkenfelder bemerkbar macht (Regen sollte es
aber auch im Nordwesten kaum geben) und die Nacht somit relativ mild verläuft,
ist es im Süden und Südosten vielerorts gering bewölkt oder klar. Somit steigt
dort die Wahrscheinlichkeit für leichten Frost gegenüber den Vornächten noch
etwas an, gebietsweise bildet sich auch wieder dichter Nebel.

Dienstag... kommt der Höhenrücken nur zögernd weiter ostwärts voran, auch der
Höhentrog über West- und Südwesteuropa weist nur wenig Verlagerungstendenz auf.
Somit stellt sich über dem Vorhersagegebiet in 500 hPa eine noch halbwegs
antizyklonal konturierte südwestliche Höhenströmung ein, mit der nach wie vor
gesamttroposphärisch Warmluft advehiert wird. In 850 hPa steigt die Temperatur
somit zunächst weiter auf Werte zwischen 7 Grad über der Nord- bzw. Ostsee und
nahe 14 Grad mit Hilfe des einsetzenden Föhns am Alpenrand.
Im Bodenfeld greift das Sturmtief auf Irland über und beginnt sich zögernd
aufzufüllen. Dessen Warmfront überquert Norddeutschland mit leichten Regenfällen
nordostwärts, die Kaltfront streift nachmittags bzw. abends mit schauerartigem
Regen den Nordwesten bzw. Westen des Landes, wird aber aufgrund
höhenströmungsparalleler Exposition und durch eine Wellentiefentwicklung über
der Biskaya zurückgehalten. Insgesamt kommen dabei maximal wenige mm
Niederschlag zusammen.
Während sich der Gradient in der Höhe verschärft, fächert er in der niederen
Troposphäre aufgrund der Wellentiefentwicklung im Tagesverlauf eher etwas auf.
Somit stellt sich zwar an den Alpen eine zunehmend föhnige Südsüdwestströmung
ein, bis in die Täler kann sich der Föhn aber wohl meist (noch) nicht
durchsetzen. In den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen gibt
es aber nach wie vor stürmische Böen oder Sturmböen aus Süd bis Südwest, auf
exponierten Alpengipfeln und auf dem Brocken eventuell auch schwere Sturmböen
(Bft 10). Im Nordseeumfeld dreht der Wind mit Kaltfrontpassage auf Westsüdwest,
wird somit zunehmend auflandig und in besser durchmischter Luftmasse reicht es
dort verbreiteter für steife, exponiert (Helgoland) auch für stürmische Böen.
Während es im Norden und Westen überwiegend stark bewölkt bis bedeckt bleibt,
scheint vor allem im Süden und Südosten erneut vielerorts die Sonne, auch in den
Leelagen einiger Mittelgebirge (insbesondere der östlichen) kann sich länger die
Sonne durchsetzen. Dabei wird es im Süden und in der Mitte mit 14 bis 18 Grad,
im südlichen Oberrheingraben und direkt am Alpenrand gebietsweise sogar knapp
über 20 Grad sehr mild bis warm, lediglich dort, wo sich der Nebel länger halten
kann (Donauraum, Niederbayern, Oberpfalz) bleibt es teils deutlich kühler. Im
Norden und Nordwesten werden unter den dichten Wolken dagegen Höchstwerte
zwischen 11 und 14 Grad erreicht.

In der Nacht zum Mittwoch kann sich das Wellentief über der Biskaya weiter
intensivieren und zieht bis Mittwochfrüh zum Ärmelkanal. Dieser Prozess wird vom
ICON-EU und auch vom gestrigen 12 UTC IFS-Lauf etwas kräftiger simuliert als vom
aktuellen GFS-Lauf, was direkten Einfluss auf den Alpenföhn haben könnte.
Insgesamt dürfte er im Laufe der Nacht schon etwas zulegen, ob und vor allem wo
es aber für einen Durchbruch bis in höher gelegene Täler reicht, ist aber
fraglich. Überhaupt ist die Lage im Detail noch schwer abschätzbar.
Die Kaltfront über Norddeutschland geht im Laufe der Nacht jedenfalls wieder
über in die Warmfront des Wellentiefs und kommt ein wenig nach Norden voran. Mit
zunehmender WLA intensiviere sich die Niederschläge im Frontbereich, vor allem
in den Staulagen einiger Mittelgebirge (bevorzugt in NRW) fallen gebietsweise
mehr als 10 mm in 12 Stunden. Der Wind weht in den höheren Lagen weiterhin
lebhaft aus Südsüdwest mit Böen Bft 8 bis 9 in den Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge, auf exponierten Alpengipfeln auch mit Böen Bft 10. Im
Nordseeumfeld nimmt er dagegen etwas ab.
Während es im Norden und in der Mitte weiterhin stark bewölkt bis bedeckt und
mild bleibt, ist der Himmel im Südosten teils noch gering bewölkt, so dass es
dort erneut gebietsweise leichten Frost und dichten Nebel geben kann.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine warn- und
prognoserelevanten Unterschiede ausmachen. Die Entwicklung der Föhnlage im
Detail am Ende des Kurzfristzeitraumes hängt, wie bereits weiter oben erwähnt,
von der Intensität und genauen Zugbahn des Wellentiefs ab und ist noch mit
gewissen Unsicherheiten behaftet.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff