DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

12-10-2020 09:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 12.10.2020 um 10.30 UTC



Relativ ruhiges und weitgehend antizyklonal geprägtes Herbstwetter. Ab
Wochenbeginn zunehmende Unsicherheit.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 19.10.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag zeigt
die großräumige Potenzialverteilung ein stark mäandrierendes Muster. Als
"zentraler Punkt" lässt sich ein abgeschlossenes Höhenhoch über dem Europäischen
Nordmeer ausmachen, das von diversen Trögen und Höhentiefs umzingelt wird.
Erwähnenswert, weil relevant für uns, ist in diesem Zusammenhang eine aus einem
Dipol resultierende Doppeltiefstruktur, von der ein Kern über Südfrankreich, der
andere über Polen positioniert ist (00 UTC). Letzteres Höhentief wird von einem
fennoskandischen Trog "aufgeschnappt", wodurch es gen Russland gesteuert wird
und - ebenso wie das sich auffüllende korrespondierende Bodentief - an Bedeutung
für den Vorhersageraum verliert. Derweil macht sich das andere Höhentief südlich
der Alpen auf den Weg nach Osten, wobei sein Drehzentrum am Ende des Freitags
die nördliche Adria erreichen soll. Korrelieren tut das Höhentief mit einem
flachen Bodentief, das sich - ausgehend vom Golf von Genua - bei seiner
Ostverlagerung immer weiter auffüllt. Immerhin reicht die Substanz aus, um mit
Hilfe des "großen Bruders" in der Höhe den Süden und Südosten des Landes mit
etwas Niederschlag (Schnee wohl nur in höheren Lagen) zu versorgen.
Die Tatsache, dass die beiden Tiefs Deutschland nur peripher begegnen, nutzt das
Nordmeerhoch gnadenlos zu seinem Vorteil aus. So stößt es - anders als Jogi´s
Nationaleleven - geschickt in die Schnittstelle des Gegners vor, sprich,
Luftdruck und Potenzial steigen von Nordwesten her an, was bei uns ein zunehmend
antizyklonal geprägtes Setup zur Folge hat. Mit der auf Nordost drehenden
Grundströmung wird eine Portion kontinentaler Polarluft herangeführt, in der die
850-hPa-Temperatur auf +1°C (Südwesten) bis -3°C (Osten) in der Nacht zum
Samstag zurückgeht.

Am Wochenende wird das Nordmeerhoch durch kontinuierlichen Potenzialverlust über
Nordeuropa immer weiter nach Süden gedrängt, bis es am Sonntag schlussendlich
über Deutschland landet. Zur Mittagszeit liegen weite Teile der Nation im
Bereich einer geschlossenen 1020-hPa-Isobare mit einer bei ca. 850 hPa
befindlichen Absinkinversion und darüber liegender trockener Mitteltroposphäre.
In der Zwischenzeit schlägt das o.e. Höhentief einen Nordostkurs ein, wobei es
den Grenzbereich von Polen zu Belarus anpeilt - zu weit weg, um nachhaltig
Einfluss auf das hiesige Wettergeschehen auszuüben. Bei der Temperatur tut sich
übrigens nicht viel, weil Advektionsprozesse weitgehend zum Erliegen kommen und
die eingeflossene Polarluft zu altern beginnt (Nachtfrostgefahr, insbesondere in
Bodennähe).

Zu Beginn der neuen Woche fällt über dem nahen Ostatlantik eine Zyklogenese der
Marke "Brachialtief" ins Auge, die mit einer markanten Austrogung einhergehen.
Vorderseitig kräftige WLA haucht dem etwas ins Straucheln gekommenen Höhenhoch
(bzw. dem, was davon noch übrig ist) neues Lebenselexier ein, wodurch sich über
Mitteleuropa ein veritabler Höhenrücken aufbaut. Dieser wird allerdings peu a
peu nach Osten gedrückt, so dass von Westen her der zyklonale Einfluss zunehmen
kann. In den Alpen stellt sich eine Föhnlage ein (Südföhn), während gleichzeitig
die 850-hPa-Temperatur in ungeahnte Höhen schnellt. Bis Mittwochmittag steigt
T850 auf 7°C im äußersten Nordosten und bis zu föhngespushten 16°C!! am
Alpenrand. Na mal sehen, ob das was wird...
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Summa summarum kann die Konsistenz von IFS (ECMF) als sehr solide bezeichnet
werden, auch wenn freilich Unterschiede bzw. Unschärfen in den Basisfeldern
erkennbar sind. Der Generalkurs steht, wonach nach Abdanken des Tiefs über Polen
(Mittwoch auf Donnerstag) zunehmender Hochdruckeinfluss die Szenerie bestimmt.
Fraglich dabei ist, was ein südlich der Alpen nach Osten ziehendes Tief noch
gegen den vom Nordmeer bis nach Mitteleuropa vorstoßenden Hochkeil auszurichten
vermag. Vor allem im Süden und Osten könnte dieses Tief bis ins Wochenende
hinein noch etwas Niederschlag (meist als Regen) liefern. Tendenziell zeichnet
sich mittelfristig aber ein niederschlagsarmer und recht kühler (mit
Nachtfrostgefahr) Witterungsabschnitt ab.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die an dieser Stelle für gewöhnlich begutachteten Globalmodelle ICON, GFS, GEM
und UKMO teilen grundsätzlich die Meinung von IFS. Signifikant abweichende
Szenarien sind jedenfalls nicht erkennbar. Somit lässt sich auf
deterministischer Basis ein äußerst solider Prognosesockel konstatieren.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte folgen weitgehend den
Vorgaben des Hauptlaufs. Zwar nimmt der Spread innerhalb des Ensembles bis zum
Wochenende etwas zu, ein wirkliches Ausscheren einzelner Mitglieder lässt sich
aber nicht ausmachen. Nach dem insbesondere im Osten am Mittwoch markant
auftretenden RR-Maximum folgt es je nach Region niederschlagsarme bis -freie
Phase. Ab Montag wird die Spreizung der Kurvenscharen zwar deutlich größer, das
Gros der Fälle zeigt aber sowohl bei der Temperatur als auch beim Potenzial
teils deutlich nach oben. Die Rauchfahnen von GFS-EPS zeigen zunächst ähnliche
Muster wie die "Kollegen" aus Reading, allerdings fehlt in der kommenden Woche
der deutliche Temperauranstieg.

Die IFS-EPS-Clusterung zeigt für den Zeitraum T+72...96h (Donnerstag auf Freitag)
sechs Cluster, was angesichts der engen Bündelung der Rauchfahnen etwas
überrascht. Für Deutschland zeigen sich aber kaum Unterschiede in der Druck- und
Potenzialverteilung. Von Samstag bis Montag (T+120...168h) reduziert sich die
Anzahl auf vier (20 Fälle + KL, 17, 7 + HL, 7), die sich in Mitteleuropa durch
Stärke und Geometrie unterscheiden. CL 4 schert insofern stärker aus, als dass
das o.e. Höhentief südlich der Alpen einen wesentlich größeren Einfluss auf das
hiesige Wettergeschehen ausübt als die anderen Lösungen. Ab Dienstag
(T+192...240h) bleibt es bei vier Clustern, die sich aber mehr und mehr
unterscheiden. CL 1 und 2 (16 Fälle + KL, 15 + HL) spiegeln in etwa die oben
beschriebene Entwicklung wider. CL 3 (10) tendiert zur Zonalisierung (NAO
positiv), während CL 4 (10) ein stark meridionales Muster der Marke TrW (Trog
Westeuropa) mit kräftiger südlicher Höhenströmung über Mitteleuropa anbietet.

FAZIT:
Trotz erhöhter Clusterzahlen stützen die probabilistischen Prognoseverfahren die
Entwicklung des Hauptlaufs. Ab Wochenbeginn nehmen die Unsicherheiten aber zu
(Unterschiede IFS- zu GFS-EPS, Clusterung).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Nach Abzug des Tiefs über Polen (Mittwoch/Donnerstag) beruhigt sich die
Wetterlage, so dass markante Wettererscheinungen unwahrscheinlich werden.
Mögliche Warnungen konzentrieren sich auf nächtlichen Nebel sowie lokalen
(Boden)Frost.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit MOS-Mix und IFS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann