DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-08-2016 11:00
SXEU31 DWAV 090800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 09.08.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wz

An den Alpen bis in den Mittwoch Dauerregen; sonst wechselhaft, teils mit
Gewittern, an den Küsten windig.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges, dessen
Achse aktuell (06 UTC) von der zentralen Nordsee über Belgien und Nordfrankreich
bis zur Biskaya verläuft. Ein markanter kurzwelliger Anteil hat dabei vor der
Hauptachse schon auf den Nordwesten unseres Landes übergegriffen und die
Schichtung dort so stark labilisiert, dass es zur Auslösung einzelner Gewitter
kommt. Der Haupttrog ist bezüglich seiner Verlagerungsgeschwindigkeit ein eher
träger Geselle, bis zum Abend hat sich die Hauptachse gerade mal bis in die
Region West/Ostfriesland und in den Raum Paris vorgearbeitet. Im Bodendruckfeld
zeigt sich trogvorderseitig besonders über dem Süden Norwegens kräftige Hebung,
so dass sich das großräumige skandinavische Tiefdruckgebiet vor allem dort
kräftigt. In der Folge zeigt sich zum Abend eine langgezogene Tiefdruckrinne von
Lappland bis etwa zum Oslofjord. Von deren nördlichem Teil erstreckt sich die
zugehörige Front, die auch über unserem Raum eine Doppelstruktur aufweist, in
einem weiten Bogen über Nordwestrussland und das nördliche Osteuropa bis zu den
Alpen und weiter nach Frankreich. Da sich zwischen besagtem Skandinavientief und
einem kräftigen Azorenhoch, das einen Keil nach West- und Süddeutschland
schiebt, bodennah eine west- bis nordwestliche Strömung und damit eine leichte
Staukomponente einstellt, in der Höhe darüber hinaus auch die Schubkomponente
für die Front fehlt, kommt es am Alpenrand zu länger anhaltenden Regenfällen
(bis in den Mittwoch, unter deutlicher Abschwächung bis in den Donnerstag). Die
von den deterministischen Läufen simulierten Mengen liegen dabei meist (ICON,
EZMW) unter der Unwetterschwelle, wenn man das Hauptniederschlagsereignis vom
heutigen Dienstagvormittag bis zum morgigen Mittwochvormittag zugrunde legt. GFS
dagegen simuliert im Werdenfelser Land und im Berchtesgadener Land Mengen über
50 mm in 24 Stunden und damit Unwetter, auch COSMO-EU kommt, regional ähnlich
verteilt wie GFS, zu lokalen Unwetterspitzen. Entspannter ist da ein Blick auf
die Ensembles, wo sowohl COSMO-LEPS als auch EZMW-EPS nur im Berchtesgadener
Land sehr geringe Signale unter 20% für ergiebigen Dauerregen liefern. Während
im Süden die Gewitterproblematik mehr und mehr in den Hintergrund tritt, ist sie
im Norden, neben dem Wind, das wettertechnisch markanteste Element. Vor allem im
Bereich des angesprochenen Kurzwellentroges kann es bei moderaten CAPE-Werten um
200 J/kg (COSMO-EU und -DE) und Lapse-Rates unter -20 Grad zu kurzen
(Kaltluft-)Gewittern kommen. Diese haben bei PPW-Werten bis maximal 22 kg/m2 und
850er Winden bis zu 25 Knoten sowohl vom Wind als auch vom Niederschlag
zumindest lokal das Potential für markante Warnungen. Bezüglich des Windes hält
sich den gesamten Tag ein recht kräftiger Gradient über dem Norden Deutschlands,
so dass an den Küsten laut Deutscher Modellkette, aber auch laut EZMW mit
steifen, vereinzelt auch mit stürmischen Böen zu rechnen ist. Dabei sinken die
850er Temperaturen im Tagesverlauf auf etwa 2 Grad im Nordwesten und etwa 8 Grad
im Südosten, was schon einen leicht herbstlichen Charakter hat.

In der Nacht zu Mittwoch ändert sich an der synoptischen Situation nichts
Grundlegendes. Der Trog kommt weiter nur sehr langsam nach Osten voran, immerhin
sollte seine Achse ausgangs der Nacht endgültig auf Ostfriesland und den
Niederrhein übergegriffen haben (da ist manch ein Radfahrer schneller...). Auch im
Bodendruckfeld gibt es keine durchgreifenden Änderungen zu vermelden, immerhin
füllt sich der südliche Schwerpunkt des skandinavischen Tiefs über dem Oslofjord
etwas auf, er überquert die Grenze zu Schweden, und über der Nordsee wird das
Windfeld etwas antizyklonaler. Allerdings: Innerhalb des Troges wird von
Nordwesten her deutlich kältere Luft in 500 hPa (unter -25 Grad nach allen
Modellen) eingesteuert, was die Schichtung labilisiert und im Nordwesten schon
in der zweiten Nachthälfte das Schauer und auch Gewitterrisiko erhöht. Die
Wetterinterpretationen von COSMO-EU und -DE reagieren darauf auch mit
Gewittersymbolen, ICON hält sich diesbezüglich zurück, aber man erkennt auch
eine deutliche Zunahme der Lapse-Rates und auch der CAPE-Werte. Abgesehen von
der Intensivierung der Gewittertätigkeit bleibt es bei der Einschätzung, dass es
bei den entsprechenden Warnungen meist mit gelb getan sein dürfte, und im Süden
hält der Dauerregen, im Norden der Wind an, wobei letzterer durch ein leichtes
Auffächern des Gradienten etwas nachlässt.


Mittwoch... Nimmt der Trog ein wenig an Fahrt auf. Bis zum Abend soll seine
Achse etwa die Mitte Deutschlands erreicht haben. Damit kommt dann auch die
innerhalb des Troges befindliche Höhenkaltluft weiter in den Osten und Süden
voran, was dann sehr verbreitet zu Schauern und Gewittern führen sollte. Hierbei
gilt die auch für den Vortag gemachte Einschätzung: CAPE-Werte von bis zu 400
J/kg (CSOMO-EU, ICON ist da deutlich defensiver), Lapse-Rates unter -25 Grad und
KO-Indices um oder etwas unter 0 K sowie PPW-Werte um oder etwas über 15 kg/m2
(diese Größen gelten mehr oder weniger für alle Modelle) lassen meist gelbe, nur
vereinzelt markante Gewitter erwarten. Dies gilt bei 850er Winden von im Norden
bis zu 20 kn, im Süden um 10 kn auch für die zu erwartenden Böen. Bezüglich der
Dauerregensituation im Süden sollte sich eine Entspannung einstellen, was vor
allem dem steigenden Luftdruck an der Ostflanke des Azorenhochs wie auch der
östlichen Verlagerung des Troges und damit einer über West mehr auf
West-Nordwest drehenden Höhenströmung geschuldet ist, die die Front nur etwas
kräftiger anschiebt. Die Verlagerung der Front ist auch im Temperaturfeld zu
erkennen, wo die 850er Werte zum Abend auch im Südosten nur noch bei etwa 5 Grad
liegen. Im Norden halten sich der Druckanstieg über der Nordsee und der Anstieg
über Südskandinavien aufgrund des sich auffüllenden Tiefs etwa die Waage, so
dass sich auch an der Windsituation im Norden nur wenig ändert.

In der Nacht zu Donnerstag zieht der Trog weiter nach Osten, seine Achse soll
sich ausgangs der Nacht etwa entlang von Oder und Neiße erstecken. Mit seiner
Verlagerung wird auch die Höhenkaltluft nach Osten verlagert, so dass Schauer
und (eventuelle, entsprechend dem Tagesgang ohnehin nicht mehr sehr
wahrscheinliche) Gewitter ebenfalls ostwärts vorankommen. Über Deutschland, vor
allem auch über dem Nordosten, steigt der Druck deutlich an, was auch einer
Verlagerung des Bodentiefs in Richtung mittlerer Ostsee geschuldet ist.
Insgesamt ist dabei zu beobachten, dass der Gradient über dem Norden deutlich
auffächert, so dass sich an Nord- und Ostsee die Windsituation entschärft.

Donnerstag... zieht der Trog endgültig nach Osten ab, seine Achse liegt zum
Abend über der Ostsee und Polen, im 500-hPa-Niveau zeigt sich dann über den
Britischen Inseln ein kräftiger Höhenrücken, auf dessen Vorderseite Deutschland
unter Absinken liegt. Mit dem Trog wird auch die Höhenkaltluft nach Osten
verlagert, während die Temperaturen von Westen wieder ansteigen. Sie liegen am
Abend im 500 hPa-Niveau im Osten um -20, im Westen schon wieder bei -13 Grad, im
850er Niveau bleibt die Kaltluft mit Werten um 5 Grad vorerst erhalten. Im
Bodendruckfeld zeigt sich über den Britischen Inseln schon ein neues
Frontensystem, die Warmfront liegt zum Abend über der Nordsee, am Freitagmorgen
hat sie schon große Teile Norddeutschlands überquert. Allein die
Verlagerungsgeschwindigkeit lässt schon die Möglichkeit von Wind- und Sturmböen
im Norden erahnen, sie ergibt sich aber auch aus dem wieder deutlich anziehenden
Gradienten, zumal auch die bodennahe Strömung zyklonaler wird, was eine
zunehmende Durchmischung begünstigt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die anstehenden Ereignisse recht ähnlich, Details dazu
finden sich im Text.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas