DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-10-2020 07:01
SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 02.10.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
T B
An und in den Alpen einsetzender Föhnsturm. Zunächst nur auf höheren Berggipfeln
Sturm- und schwere Sturmböen bis Bft 10, Wind im Tagesverlauf weiter zunehmend,
ab dem Nachmittag auch in föhnanfälligen Tälern Sturmböen Bft 8/9, auf
Berggipfeln dann Böen bis Orkanstärke. Höhepunkt des Föhns in der ersten
Nachthälfte der Nacht zum Samstag, dann schwere Sturm- und orkanartige Böen bis
in die Täler, auf Berggipfeln voller Orkan. Nach Mitternacht von Westen her
beginnender Föhnzusammenbruch, auf höheren Alpengipfeln weiterhin Sturmböen Bft
8/9. Bis ins Alpenvorland durch Druckwelle stürmische Böen Bft 8.
Außerdem in den Mittelgebirgen auffrischender Wind, im Tagesverlauf im Bergland
zunehmend Böen Bft 8, auf Berggipfeln Sturmböen Bft 9, exponiert Bft 10. In der
Nacht zum Samstag und auch am Samstag dann an der Küste auffrischender Wind mit
Böen Bft 8, Nordsee und exponiert an der Ostsee Bft 9. Auf höheren Berggipfeln
der Mittelgebirge dann noch einzelne Sturmböen Bft 8/9.
In der Nacht zum Samstag im Südwesten und Westen auffrischender Wind, im Laufe
des Sonntags auf Teile der Mitte übergreifend, in freien Lagen und später auch
an der Nordsee stürmische Böen, im Bergland Sturmböen, exponiert Bft 10. In der
Nacht zum Sonntag dann nur noch auf exponierten Berggipfeln einzelne Sturmböen
Bft 8/9.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt Deutschland an der Vorderseite eines Höhentiefkomplexes über
Westeuropa. Das darin eingelagerte Höhentief ist Resultat einer rapiden
Zyklogenese, die zuvor über der Biskaya erfolgte. Nachdem dieses Tief die
Bretagne nordwärts überquert hatte, zeichnet sich über dem Ärmelkanal, bedingt
durch die Einbeziehung latenter Wärme von der Meeresoberfläche, noch eine
leichte Intensivierung ab. Zudem weist diese Zyklone einen warmen Kern und damit
leicht subtropische Eigenschaften aus, was ebenfalls für eine weitere leichte
Intensivierung bis zu einem Kerndruck von knapp über 965 hPa spricht. Das
Sturmfeld dieses Tiefs verschont zwar Mitteleuropa, aber als Gegenspieler zu
einem ausgedehnten Hoch über Nord- und Nordosteuropa kommt eine Gradientzunahme
zustande. Hierdurch frischt der Wind aus Ost auf, so dass im Tagesverlauf in
höheren Berglagen zunehmend Sturmböen Bft 8/9 und auf exponierten Gipfeln
schwere Sturmböen aufkommen. In windanfälligen, ost-west-ausgerichteten Tälern
sind ebenfalls Wind- und stürmische Böen vorstellbar. Zudem kommen auch an der
Küste Windböen Bft 7 auf.
Wesentlich bedeutsamer ist jedoch die Windentwicklung im Süden Deutschlands. Der
von dem Höhentief über dem Ärmelkanal ausgehende Trog weitet sich über die
Pyrenäen hinweg bis nach Algerien aus, wodurch die Strömung über Mitteleuropa
von Südwest auf Süd dreht und merklich zunimmt. Das Ergebnis ist eine
ausgewachsene Föhnlage. Zunächst treten dabei nur auf höheren Alpengipfeln
Sturm- und schwere Sturmböen auf. Der Wind legt aber weiter zu, so dass bis zum
Abend in hierfür anfälligen Tälern der Wind mit Sturmböen Bft 8/9 durchbricht
und auf Berggipfeln Orkanböen auftreten. Bedingt durch diese Föhnlage sind
Auflockerungen im Südosten und Osten (und dort bevorzugt im Lee der
Mittelgebirge) am wahrscheinlichsten. Dabei werden Temperaturmaxima um 20 Grad
erreicht. Am Alpenrand kann es noch deutlich wärmer werden. Ansonsten bewegen
sich die Temperaturen je nach Bewölkung zwischen 14 und 19 Grad.
In der Nacht zum Samstag schwenkt der vom o.g. Höhentief ausgehende Trog ins
westliche Mittelmeer. Aus diesem läuft ein kurzwelliger Anteil heraus und
erreicht den Golf von Genua. Dies lässt die südliche Strömung noch etwas an
Intensität zunehmen, so dass die Föhnlage dann ihren Höhepunkt erreicht. Dies
dürfte in der ersten Nachthälfte der Fall sein. Hierdurch legt der Föhnsturm
weiter zu, in hierfür anfälligen Tälern sind dann schwere Sturm- und orkanartige
Böen vorstellbar, auf Berggipfeln tritt voller Orkan auf. In der zweiten
Nachthälfte beginnt der Föhn von der Bodenseeregion her zusammenzubrechen. Der
Wind flaut dann ab, auf Berggipfeln muss aber weiterhin mit Böen bis Sturmstärke
gerechnet werden. Im Alpenvorland kann es zur Passage einer Druckwelle mit Wind-
und stürmischen Böen kommen.
Vom Alpenrand löst sich ein flaches Tief und wird in den Mittelgebirgsraum
gesteuert. Hierdurch flaut der Wind im Bergland größtenteils ab, in den
Hochlagen der östlichen Mittelgebirge treten jedoch weiterhin Sturmböen Bft 8/9
auf. An der Nordflanke dieses flachen Tiefs legt der Gradient dagegen zu, so
dass an der Küste Wind- und stürmische Böen, an der Nordsee sowie exponiert
(Kieler Bucht) auch an der Ostsee Sturmböen bis Bft 9 aus Ost zustande kommen.

Samstag... weitet sich aus dem Raum Island ein Trog nach Süden aus und bezieht
das über Westeuropa liegende Höhentief in seine Zirkulation ein. Letzteres
verlagert sich daher nach Nordfrankreich. Das bisherige Sturmtief füllt sich
über Mittelfrankreich auf. Ein Kurzwellentrog, der das sich nach Nordfrankreich
verlagernde Höhentief umläuft, bringt aber erneut eine Zyklogenese in Gang,
wodurch ein weiteres Sturmtief mit einem Kerndruck unter 985 hPa zustande kommt.
Dieses wird nach Mittelfrankreich gesteuert. Auch in diesem Fall dürfte das
Vorhersagegebiet vom Sturmfeld dieses Tiefs kaum tangiert werden.
Mit der Ablösung des flachen Tiefs vom Alpenrand, das unter Auffüllung nach
Nordwestdeutschland gesteuert wird und eine zum Erzgebirgsraum reichende flache
Tiefdruckrinne ergibt, bricht der Föhn in der ersten Tageshälfte rasch zusammen.
Dieser Prozess, der mit einer Druckwelle (mit Wind- und stürmischen Böen bis ins
Alpenvorland hinein) einhergehen kann, dürfte am frühen Nachmittag auch an den
Berchtesgadener Alpen abgeschlossen sein. Im Bereich der Kaltfront dieses Tiefs
kommen Niederschläge auf, die jedoch fernab von jeglicher Warnrelevanz sind. Im
Bereich der flachen Tiefdruckrinne flaut der Wind ab, so dass zunächst noch in
den Hochlagen der östlichen Mittelgebirge Böen bis Sturmstärke auftreten können,
bevor dann auch dort der Wind abflaut. An der Nordflanke dieser flachen
Tiefdruckrinne erfolgt eine leichte Gradientverschärfung, so dass bis ins
küstennahe Binnenland hinein Windböen, an der gesamten Küste stürmische und
exponiert Sturmböen aus Ost auftreten. Ab dem Abend sollte aber auch dort der
Wind tendenziell abflauen.
Bedingt durch die leicht schleifende (am Alpenrand eher beschleunigte) Passage
der Kaltfront stellt sich ein ausgeprägtes Nordost-Südwest-Gefälle hinsichtlich
der Temperaturen ein. Während präfrontal 18 bis 24 Grad zu erwarten sind, werden
postfrontal nur 12 bis 17 und im südwestdeutschen Bergland kaum 10 Grad
erreicht.
In der Nacht zum Sonntag wird der über Westeuropa liegende Höhentiefkomplex
vollends regeneriert. Ein hiervon ausgehender Kurzwellentrog schwenkt vom
Südwesten über den Westen Deutschlands hinweg nordwärts. Der korrespondierende
Bodentrog (der das zuvor über Mittelfrankreich liegende Sturmtief in seine
Zirkulation einbezieht) sorgt in den südwestlichen und später auch in den
westlichen Teilen Deutschlands für eine Gradientzunahme, so dass vor allem in
der ersten Nachthälfte Wind- und in freien Lagen stürmische Böen, im Bergland
Böen bis Sturmstärke und exponiert im Schwarzwald auch schwere Sturmböen
auftreten. Bis Sonntagfrüh erfolgt auch in den mittleren Gebieten Deutschlands
eine Gradientverschärfung, aber dort reicht es in freien Lagen nur für Windböen.
In höheren Berglagen treten dennoch Sturmböen Bft 8/9 auf. Bleibt noch zu
erwähnen, dass die Nebelneigung wie bereits in der Nacht zuvor relativ gering
ist.

Sonntag... beginnt sich das über den Britischen Inseln liegende Höhentief in ein
Zentraltief umzuwandeln. An dessen Vorderseite bleibt über Mitteleuropa eine
steile süd-südwestliche Strömung bestehen, wodurch an den Alpen erneut etwas
Föhn aufkommt. Für Sturmböen Bft 8/9 sollte es dann aber nur auf höheren
Berggipfeln reichen.
Der von den über Westeuropa liegenden Höhentief ausgehende Trog schwenkt in die
Nordsee, im Bodendruckfeld flacht dieser Trog jedoch zusehends ab. Dennoch
dürfte im Nordwesten, Westen und in Teilen der Mitte der Wind, nicht zuletzt
auch gestützt durch den noch vorhandenen Tagesgang, etwas auffrischen. Somit
können in diesen Gebieten verbreitet Wind- und in freien Lagen sowie an der
Nordsee stürmische Böen auftreten. In höheren Berglagen sind Böen bis
Sturmstärke zu erwarten. Relativ windschwach bleibt es dagegen im Südosten. Bis
zum Abend sollte aber der Wind abflauen, so dass Böen bis Sturmstärke dann nur
noch auf exponierten Berggipfeln auftreten.
Bedingt durch den erneuten leichten Föhn kommen im Osten längere sonnige
Abschnitte zustande. In diesen Gebieten sind Temperaturmaxima um 20 Grad zu
erwarten, während sonst je nach Bewölkung 13 bis 18 und im Bergland Werte um 11
Grad erreicht werden.
In der Nacht zum Montag löst sich vom Alpenrand erneut ein flaches Föhntief. Der
(schwache) Föhn bricht somit zusammen, einzelne Sturmböen können aber noch auf
höheren Alpengipfeln auftreten. Ansonsten wird der Gradient so weit aufgeweicht,
dass es selbst auf Mittelgebirgsgipfeln kaum noch für warnrelevante Böen reichen
dürfte. Auf der Rückseite des flachen Tiefs kommen von Südwesten Niederschläge
auf, die nicht warnrelevant sind. Mehrschichtige Bewölkung erfasst den gesamten
Westen und Süden Deutschlands, so dass die Nebelneigung in diesen Gebieten
gering bleibt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Hinsichtlich der synoptischen Basisfelder ergeben sich keine prognoserelevanten
Unterschiede. Unsicherheiten ergeben sich jedoch bzgl. der Position des über
Westeuropa liegenden Zentraltiefs. Diese liegen jedoch im Bereich der
Prognoseunschärfe.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann