DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-08-2016 21:00
SXEU31 DWAV 081800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 08.08.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden einzelne Gewitter, an der Küste weiterhin windig. Am Dienstag am
Alpenrand Dauerregen (markant).

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befinden sich Mitteleuropa respektive Deutschland auf der
Vorderseite eines asymmetrischen Höhentroges mit positiver, fast bis nach W
(also nahezu zonal orientiert) zurückhängender Achse. Im Laufe der Nacht
schwenkt der Trog vor allem in seinem Südteil ostwärts, wobei er sich zusehends
zu einem veritablen Langwellentrog mausert. Am frühen Morgen reicht seine
Hauptachse ((500 hPa, ICON) von der Biscaya über die Nordsee bis hoch nach
Skandinavien. Vorderseitig löst sich ein kurzwelliger Anteil, der in den frühen
Morgenstunden über Norddeutschland positioniert ist, dessen Wirksamkeit sich
nicht zuletzt wegen überlaufender KLA sehr in Grenzen hält.
So richtet sich der Blick in die bodennahen Luftschichten, wo wir es mit einer
interessanten, nicht alltäglich vorkommenden Konstellation zu tun haben.
Protagonist ist ein für diese Jahreszeit recht üppig ausgestattetes Sturmtief
namens ELLA, das heute Mittag mit einem Kerndruck von etwas unter 985 hPa am
Südrand der Norwegischen See analysiert wurde, in den nächsten Stunden sehr
wahrscheinlich aber einen "landfall" in Norwegen machen wird, wo es beginnt sich
aufzufüllen. Tief ELLA - und jetzt kommt das Besondere - verfügt über zwei
Kaltfronten, die sehr gut im Satellitenbild auszumachen sind, aber auch in den
Analysen anhand von Windsprüngen, Taupunktsrückgängen etc. recht gut zu
detektieren sind. Beide Fronten liegen SW-NO-orientiert über dem Vorhersageraum,
wo sie bis Dienstagfrüh weiter südostwärts vorankommen und voraussichtlich (so
das Gros der numerischen Prognosen) noch nicht zu einer Luftmassengrenze
verschmelzen. Rückseitig strömt schrittweise und auf zunehmend direkterem Wege
polare Meeresluft (T850 unter 5°C im N und W des Landes) vom Europäischen
Nordmeer in den Vorhersageraum, die die präfrontale Warmluft mehr und mehr aus
Deutschland verdrängt. Schon heute Nachmittag gab es dabei einen Vorgeschmack
auf die neue Luftmasse, als nämlich unter dem Wolkenband der zweiten Kaltfront
gerade mal 14 bis 19°C gemessen wurden, während man im Süden und Osten noch
fröhlich einen Sommertag mit bis zu 29°C genießen konnte.
Wie auch immer, bis dato zeigten sich die beiden Kaltfronten vergleichsweise
handzahm hinsichtlich ihrer Wetterwirksamkeit. Besonders die erste brachte
regentechnisch bisher so gut wie gar nichts zustande, was nicht von allen
Modellen im Vorfeld so eingeschätzt wurde. Immerhin konnte sich am späten
Nachmittag im Bereich der oberen Donau mal ein markantes Gewitter entwickeln,
das gerade dabei ist, langsam ostwärts zu ziehen. An der zweiten Front konnte
zwischenzeitlich wenigstens mal ein schmales Regenband registriert werden, das
mittlerweile aber auch schon wieder arg fraktil geworden ist.
Im Laufe der Nacht nun soll es im Süden aber übereinstimmend zu einem Aufleben
der Niederschlagstätigkeit kommen, sehr wahrscheinlich in Form schauerartiger
Regenfälle und einzelner Gewitter. Allerdings hält sich die Labilität in der
präfrontalen Warmluft in Grenzen, so dass es wohl maximal für einzelne markante
Gewitter reichen wird, vornehmlich durch Starkregen.
Einzelne Schauer entwickeln sich auch im äußersten Norden, insbesondere über der
See (diabatischer Antrieb durch relativ warme Meeresoberfläche bei gleichzeitig
gesamttroposphärischer Abkühlung) sowie im küstennahen Binnenland. Dabei kann
auch ein kurzes Gewitter nicht ganz ausgeschlossen werden.
Der anfangs z.T. noch frische westliche Wind in Norddeutschland schwächt sich
allgemein ab, einzig unmittelbar an der Küste werden noch einige Böen 7 Bft
erwartet.













Dienstag ... verbleibt Deutschland unter einer vergleichsweise flotten
südwestlichen Höhenströmung. Zwar rückt der Trog noch dichter an den
Vorhersageraum heran, seine Achse verbleibt zunächst aber noch knapp westlich
von uns.
Inzwischen erreicht die vordere Kaltfront die Alpen, wo sie zunehmend
ausgebremst wird und nur noch wenig süd-südostwärts vorankommt. So wird der
Abstand zur hinteren Kaltfront immer geringer, bis es schlussendlich zur
Vereinigung kommt. Die Front, die dann übrig bleibt, nimmt mehr und mehr
Anacharakter an. In der unteren Troposphäre (bis etwa 800 hPa) dreht der Wind
auf nördliche Richtungen, während weiter oben SW- Wind vorherrscht. Das
entspricht zwar keiner klassischen Gegenstromlage gleichwohl resultieren daraus
günstige Aufgleitprozesse, die zunehmend (anfangs sind im äußersten Süden auch
noch Gewitter möglich) für stratiforme und länger andauernde Regenfälle sorgen
und unmittelbar an den Alpen, vielleicht auch noch in Teilen des südlichen
Vorlands ergiebig ausfallen können. Nach den neuesten 12-UTC-Läufen simuliert
die deutsche Modellkette 10 bis 25 mm, im Westen (Allgäu) bis 30 mm (C-EU).
Ansonsten wird die einströmende polare Meeresluft durch die Annäherung
höhenkalter Luft (T500 im N und W am Abend um oder etwas unter -20°C) mit
Unterstützung des Tagesgangs mehr und mehr labilisiert, was die
Wahrscheinlichkeit von Schauern vor allem im W und N steigen lässt (für Gewitter
ist es wahrscheinlich noch nicht labil genug). Zwischen den Schauern im NW und
dem Regen im Süden befindet sich ein von SW nach NO exponierter Streifen, in dem
nur wenig oder überhaupt kein Niederschlag fällt.
Temperaturmäßig heißt es jetzt erst mal deutlich kleinere Brötchen zu backen,
will heißen mehr als 17 bis 22°C stehen nicht auf dem Zettel. Bei Dauerregen im
äußersten Süden reicht es sogar nur für 15 bis 16°C.
Windmäßig bleiben der Küstensaum und die vorgelagerten Inseln im Warnfokus mit
Böen 7 Bft, exponiert sowie bei kräftigeren Schauern 8 Bft aus westlichen
Richtungen.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich nicht allzu viel an der hiesigen
Gesamtkonstellation. Entscheidend für das Warnmanagement ist die Tatsache, dass
es im äußersten Süden zu weiterem Dauerregen kommt, dessen Schwerpunkt am
östlichen Alpenrand zu finden ist. Dort werden von den jüngsten 12-UTC-Läufen
der deutschen Modellkette 10 bis 25 mm, im Chiemgau bis rund 30 mm (ICON-Nest,
C-EU) angeboten. 24-stündig kommt man am unmittelbaren Alpenrand bis
Mittwochfrüh auf 20 bis 40 mm, wobei im Osten mehr fallen soll als im Westen.
Nach Norden hin nimmt die Schauertätigkeit tagesgangbedingt im Binnenland ab,
während auf dem Meer sowie unmittelbar an der Küste weitere Schauer, vereinzelt
auch gewittrig, zu erwarten sind. Gleichzeitig bleibt es an der Küste windig mit
Böen 7 bis 8 Bft.

Mittwoch ... kommt der Höhentrog bis nach Deutschland voran, so dass der gesamte
Vorhersageraum in den "Genuss" hochreichend kalter Polarluft gelangt. Bis
Tagesende geht die 850-hPa-Temperatur auf 5°C im Chiemgau und knapp über 1°C im
Nordseeumfeld zurück. Gleichzeitig werden in 500 hPa in der Nordhälfte um oder
etwas unter -25°C gemessen, wodurch die Labilität gegenüber dem Vortag zunimmt.
Die Folge sind zahlreiche und verbreitet auftretende Schauer sowie kurze
Kaltluftgewitter, schwerpunktmäßig aber nicht ausschließlich im N und W. Für den
O und den SW zeigen die meisten numerischen Prognosen hingegen ein
Niederschlagsminimum.
Im Süden zieht die Kaltfront über die Alpen hinweg südostwärts ab, wodurch auch
die besonders am Alpenrand noch auftretenden stratiformen Regenfälle schwächer
werden. Die deutsche Modellkette simuliert 12-stündig meist nur noch einstellige
Summen, einzig C-EU zeigt lokale Peaks um 10 mm.
Mit Tageshöchstwerten von 14 bis 20°C, am Oberrhein lokal etwas darüber, im
Bergland eher etwas darunter, bleibt es ziemlich frisch. Dazu weht an der Küste
nach wie vor ein frischer und böiger W-NW-Wind mit Spitzen 7 Bft, vereinzelt 8
Bft.

In der Nacht zum Donnerstag nimmt die Staukomponente an den Alpen etwas zu,
wodurch sich dort auch die Niederschläge wieder etwas intensivieren können.
Warnungen dürften deswegen aber nicht nötig werden. Immerhin, die
Schneefallgrenze sinkt auf rund 2000 m, teils auch etwas darunter. Ansonsten
fallen noch ein paar Schauer, auf offener See sowie in Küstennähe sind auch
kurze Gewitter möglich.
Sollte es im Mittelgebirgsraum für längere Zeit aufklaren, geht die Temperatur
in einigen Tal- und Muldenlagen auf Werte um 5°C zurück, von wo aus es bis zum
Bodenfrost nicht mehr weit ist!

Donnerstag ... schwenkt der Trog langsam nach Osten. Dabei kommt es besonders im
N und O sowie in Teilen der Mitte noch zu einigen Schauern, im NO auch zu kurzen
Gewittern. Auch an den Alpen regnet es zunächst noch. Ansonsten sorgt der von
Westen sich ausbreitende Keil des Azorenhochs für eine allmähliche
Wetterberuhigung, auch wenn sich der langsam auf W-SW rückdrehende Wind an der
Küste weiterhin recht emsig präsentiert mit Böen 7 Bft. Thermisch bleibt das
Erreichen bzw. knappe Überschreiten der 20°C-Marke eine Ausnahme, die am ehesten
im Oberrheingraben geleistet wird.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung und damit auch die das bevorstehende kühle
Intermezzo werden von allen Modellen angeboten. Alternative Szenarien sind nicht
im Portfolio zu finden. Nach Auswertung diverser numerischer Produkte deutet
sich für den unmittelbaren Alpenrand eine moderate markante Dauerregenlage mit
etwa 30-40 mm innert 24 h von Dienstag- bis Mittwochmorgen an. Letzte
Aufschlüsse sollen hier die neuesten COSMO-LEPS-Ergebnisse im Laufe des Abends
liefern.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann