DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-09-2020 07:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 22.09.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SE a, Übergang zu Tr W
Heute abgesehen von einzelnen Gewittern (mit Starkregen) im Süden und am
Mittwoch außerdem im Südosten Deutschlands keine markanten Wettergefahren. In
der Nacht zum Donnerstag und am Donnerstag zunächst vor allem an der
Nordseeküste und später in exponierten Berglagen der nördlichen und westlichen
Mittelgebirge einzelne stürmische Böen. In der Nacht zum Freitag im Süden
einsetzend und auf den Osten übergreifend gebietsweise Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland im Bereich geringer Luftdruck- und
Geopotentialgegensätze. Die zunächst noch leicht antizyklonal gekrümmte
Frontalzone verläuft, ausgehend von einem Trog über dem mittleren Nordatlantik,
über Südskandinavien und Westrussland hinweg zum südlichen Ural. Über
Deutschland hält sich vorerst noch der Einfluss eines flachen Rückens, der sich
vom Schwarzmeerraum zu den Baltischen Staaten erstreckt. Großräumiges Absinken
lässt im weitaus größten Teil Deutschlands keine nennenswerte Wolkenbildung zu.
Im Südwesten macht sich hingegen leichte Zyklonalität bemerkbar. Diese
resultiert aus einem Höhentief, das zuvor von dem über dem mittleren
Nordatlantik liegenden und sich den Britischen Inseln nähernden Trog eingefangen
wurde. An dessen Vorderseite kommt eine schwache süd-südwestliche Strömung auf.
Labile Schichtung und ein Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis 30 mm
generieren mit Hilfe der Einstrahlung ein CAPE bis über 1000 J/kg, was durchaus
für kräftige Gewitter hinreichend wäre. Allerdings versagt die Dynamik jegliche
Unterstützung, so dass für die Auslösung hochreichender Konvektion im
Wesentlichen die Orografie in Frage käme. Am wahrscheinlichsten ist dies über
den südwestdeutschen Mittelgebirgen und in Alpennähe. Da sich die Gewitterzellen
kaum verlagern, besteht die Gefahr von Starkregen. Kleinräumig und eng begrenzt
können mit geringer Wahrscheinlichkeit auch unwetterartige Regenmengen zustande
kommen. Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 23 und 28 Grad wird es noch einmal
sommerlich warm. An der Nordsee und im höheren Bergland werden Maxima um 20 Grad
erreicht.
In der Nacht zum Mittwoch stellt sich deutschlandweit eine südwestliche Strömung
ein, so dass von der feuchtwarmen und labil geschichteten Luft auch die
östlichen Landesteile erfasst werden. Tagesgangsbedingt und aufgrund der
schwachen Dynamik sollte die Konvektion in sich alsbald zusammenfallen. Im Süden
Deutschlands können sich erneut flache Nebelfelder bilden.

Mittwoch... greift aus dem o.g. Trog heraus ein erster Kurzwellentrog
nordostwärts schwenkend auf die Britischen Inseln über. Die an dessen
Vorderseite liegende Welle ist nicht sonderlich entwicklungsträchtig und wird in
die mittlere Nordsee gesteuert. Durch diese Welle wird die dem Trog vorgelagerte
Kaltfront effektiv zurückgehalten, so dass mit einer südwestlichen Strömung
weiterhin Subtropikluft nach Deutschland gelangt. Da sich gleichzeitig im Norden
und Westen Deutschlands eine trockenere und weniger labile Luftmasse durchsetzt,
gelangt die bisherige feuchtlabile Luft, die zuvor über dem Südwesten
Deutschlands lag, in den Südosten und greift von dort auf den östlichen
Mittelgebirgsraum über, mit dem Ergebnis, dass sich in diesen Gebieten einzelne
und zum Teil heftige Gewitter mit der Gefahr von Starkregen entwickeln können.
Bei ähnlichen Luftmasseneigenschaften wie am Vortag ist nach wie vor kaum
dynamische Unterstützung zu erwarten.
Längere sonnige Abschnitte zeichnen sich in einem breiten Streifen ab, der vom
Westen und Südwesten Deutschlands diagonal bis zur Ostsee und zur Oder reicht.
In diesen Gebieten werden erneut 24 bis 28 Grad erreicht. Ansonsten bewegen sich
die Temperaturen zwischen 19 und 23 Grad.
In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der o.g. Kurzwellentrog über die mittlere
Nordsee hinweg in den Skagerrak. Positive Vorticityadvektion bringt in
Verbindung mit Warmluftadvektion eine Zyklogenese in Gang, so dass sich aus der
flachen Welle ein ansehnliches Tief mit einem Kerndruck unterhalb von 1000 hPa
entwickelt. Dieses Tief wird zur Südspitze Norwegens gesteuert. An dessen
Südflanke frischt der Wind auf, so dass in der ersten Nachthälfte an der
Nordseeküste Windböen und ausgangs der Nacht Böen bis Sturmstärke aufkommen
können. Über der offenen Nordsee sind dann schwere Sturmböen nicht
auszuschließen. Auch auf höheren Berggipfeln der nördlichen und westlichen
Mittelgebirge muss dann mit stürmischen Böen gerechnet werden.
Relativ gradientschwach bleibt es dagegen in Süddeutschland, so dass sich dort
in Flusstälern und in Niederungen erneut flache Nebelfelder bilden können.

Donnerstag... greift der Haupttrog auf die Britischen Inseln über, wobei sich
ein Austropfen andeutet. Das korrespondierende Bodentief, das sich bis dahin zu
einem Sturmtief entwickelt hat, wird unmittelbar westlich an Wales vorbei in
Richtung Cornwall gesteuert. Stromabwärts ergibt sich kompensierendes Absinken,
wodurch sich zum einen das von Südskandinavien nordostwärts ziehende Tief
aufzufüllen beginnt und zum anderen die Kaltfront dieses Tiefs, die sich bis in
die Mitte Deutschlands vorgearbeitet hat, auflöst und somit kaum noch
Wetterwirksamkeit ausweist. Daher wird der Gradient auch wieder
auseinandergezogen, so dass bis etwa Mittag an der Küste noch Wind- und einzelne
stürmische Böen auftreten, danach aber auch dort der Wind abflaut und
warnrelevante Böen auf exponierte Berggipfel beschränkt bleiben. Konvektion ist,
wenn auch gegenüber den beiden Vortagen deutlich abgeschwächt, am ehesten über
den südwestdeutschen Mittelgebirgen und ganz im Osten vorstellbar. Was heißen
soll, dass die Wahrscheinlichkeit hierfür nur gering ist.
Da sich die diagonal über Deutschland liegende, aber sich weitgehend auflösende
Front immerhin in Form von wechselnder und teils mehrschichtiger Bewölkung
bemerkbar macht, wird es mit Höchsttemperaturen zwischen 18 und 23 Grad nicht
mehr so warm wie bisher. Nur ganz im Osten werden noch einmal Maxima um 25 Grad
erreicht.
In der Nacht zum Freitag tropft der Trog über den Britischen Inseln vollends ab.
Von dem Cut-Off-Tief ausgehend weitet sich der Trog bis ins westliche Mittelmeer
aus, was über der westlichen Po-Ebene eine Zyklogenese in Gang bringt. Zudem
wird ein Kurzwellentrog, der das Cut-Off-Tief umläuft, über den Westen
Deutschlands hinweg nordwärts gesteuert. Hierdurch wird die über Deutschland
liegende Front, die bedingt durch die über Südeuropa beginnende Zyklogenese als
Warmfront rückläufig wird, aktiviert. In einem breiten Streifen, der
wahrscheinlich vom Hochrhein und Allgäu bis etwa in den zentralen
Mittelgebirgsraum reicht, kommen daher länger andauernde Niederschläge auf.
Diese können am östlichen (und noch warmen) Rand konvektiv durchsetzt sein,
wobei eingelagerte und zum Teil kräftige Gewitter nicht auszuschließen sind. Ob
Warnschwellen in Bezug auf Dauerregen überschritten werden, ist noch unsicher.
Genauso wenig lässt sich die Lage dieses Niederschlagsstreifens abschätzen.
Mit der zunehmenden, auf Süd-Südwest drehenden Strömung können dann in den Kamm-
und Gipfellagen der nördlichen und westlichen Mittelgebirge einzelne Böen bis
Sturmstärke auftreten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten.
Unsicherheiten ergeben sich hinsichtlich der in der Nacht zum Freitag
aufkommenden Niederschläge. Während die deterministischen Modelle dem oben grob
beschriebenen Szenario folgen, lassen ICON-EPS und auch EZ-EPS diesen
Niederschlagsstreifen dann vom östlichen Mittelgebirgsraum eher in Richtung
Vorpommern ausgreifen und nicht in die mittleren Teile Deutschlands, wie es bei
den deterministischen Modellen der Fall ist. COSMO-LEPS zeigt hinsichtlich der
Niederschlagsverteilung eine Doppelstruktur - mit einem weiteren Streifen, der
sich vom Saarland und von der Westpfalz bis nach Nordfriesland erstreckt.
Warnrelevante Mengen sind im Allgäu am wahrscheinlichsten und werden sonst nur
kleinräumig und eng begrenzt gezeigt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann