DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-09-2020 16:01
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 11.09.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Antizyklonale Westlage, Übergang zu Hoch Mitteleuropa, ungewöhnlich warm.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt ein steuerndes Tief über Island und dem Nordmeer. Der
zugehörige Langwellentrog weißt nur eine schwache Amplitude auf und schiebt
demzufolge nur einen flachen Keil Richtung Baltikum. Zwischen tiefem
Geopotential über Nordeuropa und hohem Geopotenzial über Süd- und Zentraleuropa,
das nur von einem Kaltlufttropfen über dem Mittelmeer gestört wird, hat sich
eine zonale Grundströmung eingestellt. Die Frontalzone liegt dabei weit
nördlich. Somit liegt über Mitteleuropa eine lang gestreckte Hochdruckzone.
Schwache WLA lässt die 850 hPa-Temperatur auf 9°C im Norden und bis 12 °C im
Süden steigen. Während im Norden eine trockenere Luftmasse mit Taupunkten von 6
bis 9 °C wirksam ist, liegt im Süden mit Taupunkten von 10 bis 16 °C deutlich
feuchtere Luft. In ihr haben sich einige Quellwolken über dem Bergland gebildet.
Die Auslösung von hochreichender Konvektion scheitert aber an einer Sperrschicht
auf etwa 750 hPa.

In der Nacht verlagert sich das Tief ostwärts ins Nordmeer. Dabei greift ein
Kurzwellentrog auf die Nordsee über. Das okkludierte Frontensystem des Tiefs
erstreckt sich von Südengland über Dänemark und Skandinavien. Abgesehen von
Norden Schleswig-Holsteins, wo frontale Bewölkung übergreift, verläuft die Nacht
in der Nordhälfte unter Hochdruckeinfluss weitestgehend klar. Im Süden
Deutschlands bildet sich in der feuchten Luft unter schwachem unter nur
schwachen Druckgradienten, nach teils etwas zäher Auflösung der
Gernzschichtbewölkung gebietsweise dichter Nebel.

Samstag ... entwickelt sich über dem Atlantik eine weitere frontale Welle, die
sich aber nicht weiter verstärkt und zunächst keinen Einfluss auf unser
Wettergeschehen in Mitteleuropa hat. Ansonsten bleibt das Tief über der Nordsee
nahezu stationär. In der westlichen Strömung wird dessen Okklusion weiter
ostwärts geführt und greift auf den Norden Deutschlands über. Der Bodentrog
läuft der Front allerdings voraus, sodass diese zunehmend von Absinken
überlagert wird. Flache Cumulusbewölkung bereitet sich an einer Inversion auf
750 hPa aus. Darunter ist die Schichtung schwach potentiell instabil, sodass die
Lokalmodelle eine oder mehrere schwache Schauerlinien simulieren, die am
Nachmittag und Abend landeinwärts ziehen. Gleichzeitig kräftigt sich die
Hochdruckbrücke über Mitteleuropa, sodass der Druckgradient zum Nordmeertief
zunimmt. Bei 850 hPa-Wind von 25 bis 35 kt kann es in Schleswig-Holstein auch im
Binnenland zu starken Böen kommen. An den Küsten treten einzelne stürmische Böen
auf.
Weiter im Süden ist die Luftmasse schwach labil geschichtet, sodass sich über
dem Bergland wieder Cumulusbewölkung bildet. Bei CAPE-Werten von bis zu 500 J/kg
können sich an den Alpen einzelne orographisch getriggert Gewitter bilden.
Ansonsten steigt die 850 hPa-Temperatur am Alpenrand bis auf 15 °C, während an
der Grenze zu Dänemark leichte Abkühlung für 850-hPa-Temperaturen von nur 5 °C
sorgt.
In der Nacht zum Sonntag zieht die Welle unter weiterer Abschwächung über
Schottland zur Nordsee. Vorderseitig steilt die Strömung etwas auf, wodurch der
Druckgardient über dem Norden Deutschlands etwas auffächert und die Windböen
somit nachlassen. Zudem setzt im Norden WLA ein, die sich in hoher und
mittelhoher Bewölkung über der Nordhälfte bemerkbar macht. Die tiefe Bewölkung,
der sich auflösenden Front erreicht etwa den Nordrand der Mittelgebirge. Klar
verläuft die Nacht im Süden, wobei sich wieder gebietsweise Nebel bildet.

Sonntag ... beginnt sich die Großwetterlage umzustellen. Über dem Atlantik
entwickelt sich ein ausgeprägter Trog, der Kontakt zu einem Cut-Off-Tief
herstellt, das sich zwischen Azoren und Kanaren befindet. Vorderseitig steilt
die Strömung über Westeuropa nordwärts auf, wodurch zunehmend Saharaluft nach
Norden transportiert wird. Das Hochdruckgebiet kräftigt sich über Mitteleuropa
weiter und wird von einem ungewöhnlich starke Höhenhoch gestützt mit bis zu 592
gpdam auf 500 hPa. Durch Absinken und WLA steigt die 850-hPa-Temperatutur weiter
auf Werte von über 15 °C. Die Fläche liegt aber oberhalb einer Absinkinversion
auf 900 hPa, sodass die 30 °C Marke nur örtlich geknackt wird.
Weiter im Norden zieht das Wellentief über Südskandinavien. Seine Wolkenfelder
erfassen den Norden Deutschlands (vorwiegend Schleswig-Holstein). Dadurch nimmt
der Gradient zum Mitteleuropahoch immer mehr zu, sodass dieses Mal nicht nur im
Küstenumfeld, sondern auch im schleswig-holsteinischen Binnenland mit
stürmischen Böen gerechnet werden muss.
In der Nacht zum Montag zieht die Welle samt Kurzwellentrog nach Osten ab.
Rückseitig steilt die Strömung immer mehr auf, sodass auch der Norden unter
Hochruckeinfluss gelangt. Der Druckgradient fächert dadurch deutlich auf,
wodurch der Wind deutlich nachlässt.

Montag ... kommt es zu einer weiteren Verstärkung des Atlantiktroges, während
der Keil über Europa immer weiter nach Norden vorstößt. Ganz Deutschland
befindet sich unter dem Einfluss des blockierenden Hochdruckgebietes. Die WLA
verstärkt sich nochmals, sodass unterstützt durch weiteres Absinken die
850-hpa-Temperatur Werte von bis zu 18 °C erreicht. Die Höchsttemperatur steigt
verbreiteter über 30 °C und erreicht Spitzenwerte bis 33 °C. Höhere Temperaturen
werden durch die Absinkinversion auf 900 hPa verhindert. Abgesehen von
Cirrusfeldern, beliebt es dabei deutschlandweit sonnig.
Zuletzt hatten wir eine ähnliche Wetterlage zur selben Zeit im Jahr 2016. Damals
sind einige Dekadenrekorde gefallen. Bei ähnlich hohen 850hPa-Temperaturen war
jedoch die Durchmischung besser.


Modellvergleich und -einschätzung
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Modellunterschiede sind für die Wetterentwicklung in Mitteleuropa kaum relevant.
Zu bemerken ist noch, dass Waldbrandaerosol von den Waldbränden in Kalifornien,
das gerade bei uns ankommt, die Höchsttemperaturen leicht dämpfen könnte.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold