DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-09-2020 17:01
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 03.09.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Auf dem Brocken vor allem heute Nacht vorübergehend Sturmböen. Ansonsten bis
Samstagabend allmähliche Kaltfrontpassage meist ohne signifikante
Wettererscheinungen bzw. nur einem geringen Gewitterrisiko, vorher im Süden
nochmals sommerlich.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... erstreckt sich an der Südflanke eines hochreichenden und
umfangreichen Zentraltiefs mit Drehzentrum sowohl in der Höhe als auch am Boden
knapp südöstlich von Island eine kräftig ausgeprägte und nur wenig mäandrierende
Frontalzone vom mittleren Nordatlantik kommend über Westeuropa bis ins östliche
Mitteleuropa. Darin eingebettet, überquert aktuell ein flacher, von kräftiger
WLA überlaufener Höhenrücken das Vorhersagegebiet ostwärts.
Im Bodenfeld hat die Warmfront des Tiefs bei Island auf Nordwestdeutschland
übergegriffen und kommt bis zur zweiten Nachthälfte rasch nach Polen voran. Die
Kaltfront erreicht bei fortschreitendem Okklusionsprozess bereits in den
späteren Abendstunden die Deutsche Bucht. Sie kommt bis Freitagfrüh zur
Norddeutschen Tiefebene bzw. bis zum Nordrand der westlichen Mittelgebirge
voran, gerät dort allerdings aufgrund höhenströmungsparalleler Exposition ins
Schleifen und wird quasistationär. Die intensivsten Niederschläge werden
aufgrund der markanten, WLA-induzierten Hebung im unmittelbaren Vorfeld der
Warmfront bzw. am Okklusionspunkt simuliert; vor allem vom östlichen
Niedersachsen bzw. Nordhessen bis nach Sachsen und Brandenburg fallen bis
Freitagfrüh 5 bis 10 mm in 12 Stunden, gebietsweise auch mehr.
Die Kaltfront erweist sich mangels zusätzlichen dynamischen Hebungsinputs
innerhalb der glatten Höhenströmung als nicht sonderlich wetteraktiv. Lediglich
die frontale Hebung sorgt innerhalb der mit einem hohen Flüssigwassergehalt
ausgestatteten Luftmasse (35 bis 40 mm) für schauerartige Regenfälle (5 bis 10
mm/12 h); einige hochauflösenden Modelle haben auch vereinzelte Gewitter auf der
Agenda, allerdings ist die Luftmasse verhältnismäßig stabil geschichtet (dazu
wird wenig bis keine MU-Cape simuliert). Somit ist die Wahrscheinlichkeit für
das Auftreten einiger Gewitter eher als gering zu beziffern, wenngleich sie
nicht komplett ausgeschlossen sind.
Postfrontal gelangt erwärmte Meeresluft (um 6 Grad in 850 hPa) nach
Norddeutschland. Die Wolken lockern auf, die Luftmasse ist lediglich bis etwa
750 hPa labil geschichtet, so dass es wohl kaum mehr für Schauer reicht.
Warntechnisch von Relevanz ist ansonsten lediglich der Wind: Vor allem
präfrontal ist der Gradient anfangs noch recht scharf ausgeprägt, zumal sich
über dem Oslo-Fjord im Lee des Norwegischen Küstengebirges noch ein Teiltief
entwickelt. Angesichts der stabilen Schichtung reicht es dort aber lediglich an
den Küsten für steife, an exponierten Abschnitten der Nordseeküste anfangs auch
noch für stürmische Böen aus Süd bis Südwest. Mit Kaltfrontpassage dreht der
Wind auf West und schwächt sich mit Gradientauffächerung wieder etwas ab.
Morgens reicht es nur noch für maximal steife Böen.
In den Kamm- und Gipfellagen der zentralen und östlichen Mittelgebirge gibt es
verbreiteter steife bis stürmische Böen aus Südwest, auf dem Brockenplateau
Sturmböen, vorübergehend auch schwere Sturmböen.
In der Südhälfte verläuft die Nacht dagegen wettertechnisch ruhig. Allerdings
greift die Aufgleitbewölkung weit nach Süden aus, so dass es lediglich im
äußersten Südwesten und Südosten sowie an den Alpen aufgelockert bis gering
bewölkt bleibt. Dort fällt die Nacht mit teils einstelligen Tiefstwerten recht
frisch aus, während es sonst mit 17 bis 13 Grad relativ mild bleibt.

Freitag ... greift die Achse des vom allmählich Richtung Norwegische See
ziehenden Zentraltief ausgehenden Langwellentroges unter Amplifizierung auf die
Britischen Inseln über. Dadurch dreht die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet ein wenig auf Westsüdwest zurück. Sie ist vor allem in 300 hPa
auf der "warmen" Seite eines Jetstreaks leicht antizyklonal konturiert, während
der äußerste Norden in 500 hPa von einem flachen Kurzwellentrog überquert wird,
der aber keinen nennenswerten dynamischen Hebungsantrieb liefern kann.
Die Kaltfront über der Mitte Deutschlands bleibt somit quasistationär bzw. zeigt
sogar eine leicht retrograde Tendenz und erweist sich als immer weniger
wetteraktiv. Die anfänglichen schauerartigen Regenfälle klingen ab, tagsüber
reicht es bei allerdings vielfach dichter Bewölkung nur noch für etwas Regen
oder vereinzelte Schauer. Erst zum Abend hin, wenn der Westen allmählich unter
die diffluente Vorderseite des Großbritannien überquerenden Höhentroges gerät,
nimmt dort die Schauerneigung eventuell etwas zu.
Postfrontal bleibt es in der Nordhälfte innerhalb der erwärmten Meeresluft (T850
hPa zwischen 5 und 8 Grad) aufgelockert bewölkt, vereinzelte kurze Schauer, vor
allem im Küstenbereich nicht ausgeschlossen. Der Gradient fächert etwas auf, mit
dem im Tagesgang etwas auffrischenden Wind könnte es aber dennoch für einzelne
steife Böen an exponierten Küstenabschnitten reichen. Auch auf dem Brocken gibt
es - mit insgesamt eher abnehmender Tendenz - noch stürmische Böen, vereinzelt
Sturmböen.
Präfrontal gelangen dagegen sehr warne Luftmassen aus dem südwesteuropäischen
Raum nach Süddeutschland, so dass sich die Luftmassengegensätze im Frontbereich
verschärfen. Bis zum Abend steigt die Temperatur in 850 hPa auf 12 Grad im
zentralen Mittelgebirgsraum und bis 17 Grad an den Alpen. Dabei setzt sich in
leicht antiyzklonaler Umgebung vor allem südlich von Mosel und Main zunehmend
die Sonne durch.
Während die Höchstwerte im Norden zwischen 18 und 23 Grad liegen, werden in der
Südhälfte sommerliche 24 bis 28 Grad erreicht, am Oberrhein eventuell auch knapp
30 Grad.

In der Nacht zum Samstag überquert der Langwellentrog die Nordsee und greift
morgens auf den Westen Deutschlands über. Auf der diffluenten Vorderseite kann
aufgrund kräftiger PVA markante Hebung generiert werden, die vor allem im Laufe
der zweiten Nachthälfte immer besser mit der Kaltfront interagieren kann.
Zunächst läuft eine flache Welle entlang der schleifenden Front über die Mitte
des Vorhersagegebietes hinweg ostwärts, wobei sich die Regenfälle etwas
intensivieren. Mit Annäherung des Troges ist die Kaltfront dann in einem
zunehmend markanten Bodentrog eingebettet, wodurch sich auch die
Feuchteflussdivergenz im Frontbereich erhöht. Recht kräftige schauerartige
Niederschläge sind die Folge. Da die Kaltfront bodennah zunehmend von KLA
unterlaufen wird, treten diese vor allem unmittelbar postfrontal auf. Ob es
dabei für einzelne Gewitter reicht, ist fraglich; insgesamt ist die
Wahrscheinlichkeit dafür etwas höher einzustufen als in der Vornacht.
Die Kaltfront kommt nun auch vor allem nach Mitternacht etwas weiter südostwärts
voran und erreicht morgens in etwa eine Linie Eifel-Oderbruch. Vor allem ICON-EU
simuliert unmittelbar nördlich daran anschließend recht verbreitet 10 bis 15 mm
in 6 bis 12 Stunden. Durch konvektive Einlagerungen - ob mit oder ohne Gewitter
- kann kleinräumig auch Starkregen nicht ganz ausgeschlossen werden. Im
Vergleich zum IFS und GFS hat ICON-EU allerdings die höchsten Mengen auf der
Agenda.
Mit Annäherung des Troges labilisiert die Luftmasse vor allem im Nordseeumfeld
allmählich; bei -22 Grad in 500 hPa und etwa 5 Grad in 850 hPa werden dort etwa
100 bis 200 J/kg MU-Cape simuliert. Damit lebt dort die Schauertätigkeit etwas
auf, eventuell reicht es auch mal für ein kurzes Gewitter. Im Bereich eines
flachen Bodentroges verschärft sich im äußersten Norden der Gradient erneut, so
dass es im Küstenbereich vermehrt steife Böen gibt, auf dem Brocken muss nach
wie vor mit Böen Bft 8 bis 9 gerechnet werden.
In der Südhälfte verläuft die Nacht noch aufgelockert, vor allem südlich der
Donau auch gering bewölkt, wobei sich örtlich Nebel bilden kann. Die Tiefstwerte
liegen meist zwischen 16 und 10 Grad.

Samstag ... schwenkt die zunehmend kurzwellige Trogachse bereits am Vormittag
rasch über das Vorhersagegebiet hinweg nach Osteuropa; durch einen von den
Britischen Inseln bis zum Abend zum Ärmelkanal bzw. nach Westfrankreich
schwenkenden kurzwelligen Anteil wird der von Skandinavien über die Nordsee bis
ins westliche Mitteleuropa reichende Langwellentrog aber wieder regeneriert.
Damit läuft die Kaltfront zunächst aus dem Bereich des stärksten Hebungsantriebs
aus der Höhe raus, verliert am Vormittag deutlich an Wetterwirksamkeit und kommt
auch nur langsam nach Südosten voran. Die schauerartigen Regenfälle lassen von
West nach Ost rasch nach.
Postfrontal über Nord- und Nordwestdeutschland wird die einströmende, etwas
kühlere Meeresluftmasse (3 bis 6 Grad in 850 hPa) im Tagesgang durch
Einstrahlung etwas labilisiert, so dass es eventuell auch im Binnenland und dort
bevorzugt in der Norddeutschen Tiefebene für einzelne kurze Schauer reicht. Die
Wahrscheinlichkeit für Gewitter ist aber eher als gering zu beziffern, am
ehesten könnte es dafür vielleicht an den Küsten und im Nordosten reichen. Der
Wind frischt im Tagesverlauf böig aus West auf, an den Küsten und in
Schleswig-Holstein gibt es häufiger steife Böen (Bft 7), auf dem Brocken noch
einzelne stürmische Böen. Abends nimmt er wieder ab.
Die Kaltfront erreicht bis zum Abend in etwa die Donau. Weiter südlich lagert
nach wie vor warme Luft (um 14 Grad in 850 hPa), die potenziell instabil
geschichtet ist. Im Tagesverlauf können durch Einstrahlung gebietsweise mehrere
100 J/kg ML-Cape generiert werden. Ob es für einzelne Gewitter reicht, ist aber
fraglich. Dynamische Hebung ist kaum vorhanden und somit muss die Orographie als
Trigger herhalten. Zudem setzt sich bodennah schon präfrontal mit Winddrehung
auf West Kaltluftadvektion durch. Am ehesten könnte es aus den Alpen heraus
einzelne Gewitter geben, die ins Alpenvorland ziehen. Als Begleiterscheinungen
kämen kleinkörniger Hagel, Starkregen und stürmische Böen in Frage. SuperHD und
auch das IFS-basierte Swiss HD haben allerdings keine Gewitter auf der Agenda.
Während es im Süden mit Höchstwerten zwischen 23 und 27 Grad noch einmal
spätsommerlich warm wird, liegen die Höchstwerte im Norden und Nordwesten nur
noch zwischen 17 und 20 Grad, in der breiten Mitte zwischen 19 und 23 Grad.

In der Nacht zum Sonntag schenkt der flache kurzwellige Troganteil rasch über
das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts, wodurch die Kaltfront über Südbayern
nochmals aktiviert wird. Somit gibt es im Laufe der Nacht an den Alpen und im
angrenzenden Alpenvorland schauerartige Regenfälle, kurze Gewitter nicht
ausgeschlossen. Ob es kleinräumig für (wohl eher mehrstündigen) Starkregen
reicht, ist aber noch fraglich.
Ein weiterer kurzwelliger Anteil erreicht morgens den Nordwesten und hält dort,
vor allem an den Küsten, die Schauertätigkeit aufrecht, kurze Gewitter vor allem
an der Nordsee nicht ausgeschlossen. Auch außerhalb der Schauer kann es dort
anfangs noch einzelne steife Böen geben, wenngleich der Gradient mit einem sich
nach Südwestdeutschland ausweitenden flachen Hochkeils etwas auffächert.
Postfrontal kann sich die kühle Meeresluft allmählich bis nach Süddeutschland
durchsetzen. Vor allem in einem breiten Streifen quer von Südwest nach Nordost
über das Vorhersagegebiet hinweg lockern die Wolken gebietsweise auch stärker
auf, örtlich bildet sich Nebel. Ganz im Süden und an den Küsten bleibt es mit
Tiefstwerten zwischen 15 und 12 Grad recht mild, sonst kühlt es auf frische 11
bis 6 Grad ab, in einigen Mittelgebirgstälern bei gering bewölktem Himmel auch
darunter.

Sonntag ... greift der Langwellentrog auf Mitteleuropa und somit auch auf das
Vorhersagegebiet über. Die Kaltfront des sich von der Norwegischen See nach
Nordnorwegen verlagernden und sich allmählich auffüllenden Tiefdruckgebietes
erreicht die Alpen und kommt zunächst nicht weiter nach Süden voran. Sie erweist
sich weiterhin als wetteraktiv, so dass es an den Alpen und im angrenzenden
(südlichen) Alpenvorland weitere Regenfälle, allerdings ohne warnrelevante
Mengen (ca. 5 bis 10 mm in 12 Stunden) gibt.
Ansonsten werden weite Teile des Landes im Trogbereich von maritimer Polarluft
geflutet, die vor allem im Norden und in der Mitte bis nahe 500 hPa leicht labil
geschichtet ist. Dort entwickeln sich im Tagesverlauf einzelne Schauer und auch
kurze Gewitter (mit Graupel und Böen Bft 7, maximal 8). Wie weit diese nach
Süden vorankommen, ist noch unklar. Von Frankreich her kann sich der nach
Südwestdeutschland und Nordbayern gerichtete Bodenhochkeil noch etwas verstärken
und wirkt dämpfend, so dass es wohl in weiten Teilen des Südwestens sowie vom
Main bis zur Donau, eventuell auch in der Lausitz vielerorts trocken bleibt.
Der Wind frischt vor allem im Norden und Osten mit dem Tagesgang wieder auf, für
warnrelevante Böen reicht es außerhalb von Schauern aber wohl nur an den Küsten,
wenn überhaupt.
Insgesamt kühlt es auch im Süden deutlich ab. Die Temperatur in 850 hPa liegt
zwischen 3 Grad im Norden und 7 Grad an den Alpen. Entsprechend liegen die
Höchstwerte zwischen 15 und knapp 20 Grad, mit den höchsten Werten am Oberrhein
und in der Lausitz. Bei Dauerregen an den Alpen werden kaum 15 Grad erreicht.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine signifikanten
Modellunterschiede ausmachen. Die Kaltfrontpassage verläuft überwiegend
unspektakulär, am ehesten gibt es dabei in der Nacht zum Samstag bzw. im Vorfeld
der Front am Samstag tagsüber an den Alpen vereinzelte Gewitter.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff