DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-08-2020 08:30
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Trog Westeuropa
Heute im Nordwesten und im Südosten Gewitter. Im Südosten einsetzende
Dauerregenlage, teils Unwetter. Über der Nordsee kleines Tief mit großen
Unsicherheiten.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Am heutigen Freitag... bestimmt ein Langwellentrog, dessen Achse von der Biskaya
nach Frankreich schwenkt und der sich des Weiteren langsam südwärts ausdehnt,
die Großwetterlage. Auf seiner Vorderseite herrscht anfangs noch
Warmluftadvektion, ein dadurch generierter Rücken schwenkt bereits heute
Vormittag aus Deutschland heraus nach Osten. Somit gelangen wir allmählich auf
die Vorderseite. Bodennah dominiert ein Tiefdrucksystem mit zwei Kernen, die
heute früh über Wales und der südwestlichen Nordsee (Name des Tiefs: Lynn)
lagen. Im Tagesverlauf löst sich der westliche auf, der östliche verlagert sich
nur noch wenig. Dabei gibt es durchaus recht große Unterschiede zwischen den
Modellen bezüglich der Lage, wobei Cosmo-D2 heute Abend die nordöstlichste Lage
simuliert, Euro4 die südwestlichste. Mitunter ist auch kleinräumig mit einer
deutlichen Vertiefung des Kerns zu rechnen, wie bei Cosmo-D2 simuliert. Dabei
dürfte aus der Höhe induzierte Hebung nur die kleinere Rolle spielen, vielmehr
scheint das Tief Lynn erhebliche Energie aus der Labilität über der bis zu 19
Grad warmen Nordsee zu beziehen und damit ansatzweise (sub-)tropische
Eigenschaften aufweisen. Dies resultiert auch in einem (zumindest in der unteren
Troposphäre) warmen Kern. Somit sollten Gebiete verstärkter Konvektion über der
Nordsee heute nicht überraschen und auch kleinräumig stark auffrischender Wind
(C-D2 hat immerhin Böen Bft 10 im Programm). Nach den aktuellen
Positionsprognosen sollen aber die Küstengebiete heute noch nicht betroffen
sein. Die Konvektion ist aber nicht auf den Bereich des Tiefs selbst beschränkt,
vielmehr herrscht über der ganzen Nordwesthälfte eine gewisse Labilität, wobei
die von den Meeren angewärmte und angefeuchtete Luft und absinkende Temperatur
in der Höhe für Zunahme der Labilität sorgen. Es herrscht aber im Nordwesten nur
wenig Scherung, so dass die entstehenden Gewitter nicht allzu gut organisiert
sein dürften. Ansonsten muss man aber bei CAPE-Werten bis 500 J/kg zumindest mit
kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen rechnen und bei hoher Feuchte auch mit
lokalem Starkregen. Weiter in den Südosten: Die Kaltfront des Tiefs liegt
bereits aktuell schleifend quer über Süddeutschland. Sie kommt im Laufe des
Tages nur sehr langsam weiter nach Südosten voran. In ihrem Vorfeld befindet
sich ebenso recht feuchte Luft, die aber nur anfangs noch labil geschichtet ist,
ab dem Mittag greift schon Kaltluftadvektion auf den Süden über. Allerdings ist
die Scherung etwas höher und die Kaltfront sorgt für Hebung, so dass dort auch
einzelne Gewitter (mit ockerfarbenen Parametern) vorstellbar sind, wenngleich
sicherlich nicht so verbreitet, wie etwa von Cosmo-D2 simuliert. Des Weiteren
schwenkt ab heute Nachmittag ein schwacher Kurzwellentrog über Alpen
nordostwärts. Er lässt auch ein flaches Bodentief entstehen, dass aus den Alpen
heraus Richtung Oberösterreich zieht. An seiner Nordwestflanke kommt es zu einer
Gegenstromlage, so dass sich dort die Regenfälle an der Kaltfront intensivieren,
in etwa im Bereich eines Streifens vom Bodensee bis zum Bayerischen Wald (dazu
später noch mehr). Abseits der besprochenen Regen- und Gewittergebiete herrscht
heute ebenso vielfach Bewölkung vor, ab und zu scheint auch die Sonne. Die
Höchstwerte erreichen noch einmal zwischen 20 Grad im Nordwesten und bis zu 28
Grad im Südosten vorderseitig der Kaltfront, allerdings abhängig davon, ob noch
länger die Sonne scheint. Der Wind weht meist nur schwach aus Südwest, im Norden
aus Südost. Lediglich auf höheren Bergen ist die Strömung stärker, dort kann es
stürmische Böen geben. Auch auf den Nordseeinseln kann sich Lynn mit einzelnen
Windböen bemerkbar machen.

In der Nacht zum Samstag kommt die Kaltfront langsam bis in den äußersten
Südosten voran. In ihrem Bereich und auf der kalten Seite regnet es weiter,
wobei sich das Regengebiet mit der Kaltfront etwas nach Südosten verlagert.
Durch den Abzug des oben erwähnten kleinen Tiefs lässt die Gegenstromsituation
aber nach und somit schwächen sich auch die Regenfälle etwas ab. Zweite
Baustelle ist Tief Lynn, das sich voraussichtlich etwas nach Süden in etwa zu
den westfriesischen Inseln oder knapp westlich davon verlagert, wobei die Lage
weiterhin etwas unsicher ist. Weiterhin wird in Kernnähe bei Cosmo-D2 ein sehr
starker Gradient und entsprechend starker Sturm simuliert. Auch wenn das Tief
wohl in der Nacht vor allem die Kollegen des KNMI ärgern wird, so sollte es gut
im Auge behalten werden. Da der Höhentiefkern inzwischen senkrecht über dem Tief
liegt kommen Advektionsprozesse für die Verstärkung des Tiefs (bzw. die
Beibehaltung der Stärke) nicht mehr in Frage, stattdessen bezieht es seine ganze
Energie aus freigesetzter latenter Wärme, was es sowohl bezüglich Stärke als
auch Position schwer berechenbar macht. Im Bereich der See, vor allem über der
Nordsee, aber auch der Ostsee, bleibt etwas Labilität vorhanden, so dass dort
die ganze Nacht über mit Gewittern gerechnet werden muss. In der Nähe Lynns, im
Nordwesten, weht der Wind in der Nacht mäßig aus Südwest, Böen sollten aber
nicht gewarnt werden müssen. Ansonsten ergibt sich eine breite Zone vom
Südwesten über die Mitte bis in den Nordosten Deutschlands, in der Absinken für
Wolkenauflockerung sorgt. Bei recht schwachen Südwestwinden kann bei
entsprechend angefeuchteter Grundschicht örtlich Nebel auftreten.

Am Samstag... weitet sich der westeuropäische Trog weiter nach Süden aus und
kommt etwas ostwärts voran. Über Deutschland (insbesondere dem Südosten) steilt
folglich die Höhenströmung auf. Erneuter Druckfall südlich der Alpen lässt den
Wind im Südosten wieder auf Ost bis Nordost drehen, so dass die
Gegenstromsituation erneut in Gang kommt. Dementsprechend intensivieren sich -
deutlich von der Kaltfront nach Nordwesten abgesetzt - in einem Streifen vom
Bodensee bis zum Bayerwald wieder die Regenfälle. Jetzt kommen wir mal zu den
prognostizieren Summen: Betrachtet man die deterministischen Modelle (ICON, IFS,
GFS), so werden recht übereinstimmend bis in die Nacht zum Montag (ab heute
Nachmittag gerechnet) in einem Dreieck Bodensee - Chiemsee - Cham-Further Senke
über 40 l/qm simuliert. Bei IFS sogar noch in den Schwarzwald und auf die
Schwäbische Alb ausgreifend, bei GFS dagegen nicht so weit nach Nordosten. ICON
harmoniert dagegen ganz gut mit den 48-stündigen (Fr 18 bis So 18)
Wahrscheinlichkeiten für Dauerregenschwellen, und zwar sowohl von Cosmo-LEPS,
ICON-EPS und IFS-EPS. Dabei ist aber der nordöstliche Teil ebenso noch etwas
unsicher. Im Raum Bodensee-Allgäu sind die Hinweise auf Unwetter mit über 50 %
hinreichend groß, so dass zeitnahe Dauerregen- und Unwetterwarnungen ausgegeben
werden sollten. Auch die eben genannten deterministischen Modelle fokussieren
sich auf diese Region mit simulierten Summen teils deutlich über 100 l/qm bei
ICON und IFS. Über der Nordsee treibt dagegen Lynn weiterhin ihr Unwesen und
bleibt schwer prognostizierbar. Nach Cosmo-D2 soll sie am Samstag nordostwärts
ziehen und in Dithmarschen auf Land treffen, wobei auf den ostfriesischen Inseln
durchaus Böen bis Stärke 10 simuliert werden. Nach ICON zieht Lynn dagegen nur
bis Borkum um bleibt deutlich schwächer, nach Euro4 bleibt sie auf der offenen
Nordsee und nach IFS zieht sie in den Bereich des Rhein-Maas-Deltas. Auf jeden
Fall bleibt die Schichtung über der See und dem angrenzenden Binnenland recht
labil, wobei allerdings kaum hochreichende Scherung vorhanden ist. Bodennah
dürfte dagegen im Umfeld von Lynn durchaus etwas Scherung gegeben sein.
Zumindest bezüglich stürmischer Böen (je nach Gradient auch mehr) und Starkregen
dürften die Gewitter weiterhin von ockerfarbener Kategorie sein. Im noch nicht
beschriebenen Rest des Landes ist die Wetterlage recht ruhig, nach Südosten zu
durch Aufgleitbewölkung geprägt, nach Nordwesten hin mit etwas mehr Sonne. Der
Wind weht meist schwach bis mäßig aus Südwest, je nach Lage von Lynn könnten
aber auch einzelne steife Böen bis ins nordwestliche Binnenland übergreifen. Das
Temperaturniveau geht im Vergleich zum Vortag etwas zurück, im Südosten sogar
stark, weil bei Dauerregen teils nur noch um 15 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Sonntag hält der Dauerregen in dem Streifen im Südosten
Deutschlands an, gegen Morgen verstärkt er sich sogar wieder etwas, weil das
oberitalienische Tief einen Ableger über Österreich bekommt. Weiterhin etwas
unklar ist die Entwicklung von Lynn und eventuell damit verbundener
Windwarnungen. Allerdings deutet sich eigentlich bei allen Modellen eine
Abschwächung an, auch weil das Tief nach einigen Prognosen dann über Land zieht.
Über den Seegebieten bleibt es weiterhin leicht labil, so dass weiterhin Schauer
und Gewitter auftreten können. Erneut gibt es vom Westen bis in den Nordosten
einen Streifen ruhigen Wetters, in dem der Himmel auch mal klar sein wird. Die
Bildung örtlicher Nebelfelder ist dann wieder ein Thema.

Am Sonntag... stößt der Trog weiter südostwärts vor und erreicht mit seiner
Achse die Ostküste der Iberischen Halbinsel. Die Strömung steilt damit bei uns
noch etwas auf. Das in der Nacht schon erwähnte Tief über Österreich verstärkt
sich noch etwas und zieht dann nordostwärts ab, so dass es am Abend schon über
Polen liegen soll. Damit intensivieren sich die Regenfälle im Südosten noch
einmal erheblich und dehnen sich vorübergehend auch noch etwas nach Nordwesten
aus. Am Nachmittag verlagert sich dann der Schwerpunkt unter Abschwächung nach
Sachsen und ins östliche Brandenburg. Sollte sich Tief Lynn endgültig auflösen,
so stellt sich an der Westflanke des nach Polen ziehenden Tiefs allmählich eine
nordwestliche Strömung ein. Dazu trägt auch ein Hochkeil bei, der sich von
Westen allmählich bis zum umgangssprachlich "Britische Inseln" genannten
Archipel ausdehnt. Somit dreht der Wind im Norden auf Nord und sollte meist
mäßig wehen, wobei die genaue Druckkonstellation ja noch unsicher ist. Im Süden
bleibt es noch bei mäßigem Westwind. Mit dem nördlichen Wind gelangt auch die
feuchtwarme ins Binnenland, so dass es in der Nordwesthälfte zu Schauern und
Gewitter kommen kann, möglicherweise dann aber teilweise als "gelbe" Gewitter,
da die Labilität nicht überbordend ist und die Scherung sehr schwach. Wirklich
viel Sonne ist am Sonntag nicht zu erwarten, am ehesten scheint diese noch
zwischen den Schauern ganz im Norden länger. Das Temperaturniveau geht im
Vergleich zum Vortag eher noch einmal etwas zurück.

In der Nacht zum Montag schwenkt der Trog weiter nach Osten und erreicht mit
seiner Achse Deutschland. Die Regenfälle in der Osthälfte lassen nach, einzelne
kleine Regen- und Schauergebiete können aber noch übrig bleiben. Auch die
Schauerei im Westen lässt wohl nicht ganz nach. Mit den sich weiter
durchsetzenden nordwestlichen bis nördlichen Winden gelangt immer kühlere Luft
ins Land, im Nordwesten werden in 850 hPa 4 Grad erreicht. Dementsprechend
verläuft die Nacht trotz viel Bewölkung ziemlich kühl. Warnungen sollten dann
aber nicht mehr anstehen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die wichtigsten Modellunterschiede wurden bereits oben besprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Peter Hartmann