DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-08-2020 07:30
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 27.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Ws, Übergang zu TrW
Heute Zwischenhocheinfluss. In der kommenden Nacht und am Freitag erneut Schauer
und auch einzelne Gewitter. Im Süden vor allem am Wochenende gebietsweise
Dauerregen, Richtung Alpen Unwetter nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland unterhalb einer recht glatten
westnordwestlichen Höhenströmung. Darin eingebettet, greift ein Höhentrog im
Tagesverlauf vom nahen Ostatlantik her auf die Britischen Inseln über.
Vorderseitig wölbt kräftige WLA einen Höhenrücken über der Nordsee auf, der bis
zum Abend nach Mitteleuropa schwenkt. Dieser Rücken stützt einen Bodenhochkeil,
der sich über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts verlagert.
Lediglich der Nordosten befindet sich anfangs noch im Einflussbereich eines
flachen Kurzwellentroges, der aber weiter an Kontur verliert und bis zum
Nachmittag nach Polen schwenkt. Vor allem in Ostvorpommern fällt am Vormittag
noch schauerartiger Regen, nach Lesart des ICON-EU auf Rügen gebietsweise mehr
als 20 mm in 6 Stunden, die allerdings von keinem anderen vorliegenden Modell
bestätigt werden. Kurze Gewitter sind ebenfalls nicht ausgeschlossen.
Nachmittags fällt dann aber auch dort kaum mehr Regen.
Bevor sich der Hochkeil auch im Nordosten bemerkbar macht, ist der Gradient dort
rückseitig des vom Baltikum allmählich in den Westen Russlands ziehenden
ehemaligen Sturmtiefs "KIRSTEN" noch relativ scharf ausgeprägt, so dass der Wind
mit Unterstützung durch den Tagesgang noch einmal auffrischt. An der Ostsee
reicht das Ganze noch für stürmische Böen (Bft 8), an exponierten
Küstenabschnitten Ostvorpommerns auch für Sturmböen (Bft 9), ansonsten im
Nordosten und äußersten Osten, anfangs auch noch an der Nordsee für steife Böen
(Bft 7) aus Nordwest. Nachmittags und abends flaut der Wind aber rasch ab.
Ansonsten sind bei Zwischenhocheinfluss keine signifikanten Wetterereignisse zu
erwarten. Der Höhenrücken wird von der WLA überlaufen und diese macht sich im
Tagesverlauf im Westen und Nordwesten vor allem ab nachmittags anhand dichterer
hoher und mittelhoher Bewölkung bemerkbar. Im Nordosten bleibt es ebenfalls noch
meist stärker bewölkt. Am häufigsten scheint die Sonne dagegen in der Südhälfte,
wo es nur für einzelne, im Südwesten vielleicht auch mal etwas höher reichende
Quellwolken reicht. Schauer sind aber auch dort wohl kaum zu erwarten.
Die Luftmasse kann sich im Nordosten nur zögernd, im Südwesten dagegen schon
etwas deutlicher erwärmen (T850 hPa am Abend zwischen 13 Grad am Hochrhein und 6
Grad im Norden). Das lässt Höchstwerte zwischen 17 und 22 Grad im Norden und
Osten sowie zwischen 22 und 26 Grad im Süden und Westen erwarten.

In der Nacht zum Freitag gilt es, den Blick gen Westen zu richten. Die
Austrogung über den Britischen Inseln setzt sich weiter fort. Der vorgelagerte
Höhenrücken kann sich noch ein wenig nach Norden aufwölben, verlagert sich aber,
ebenso, wie der Bodenhochkeil, ins östliche Mitteleuropa.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief nimmt eine zunehmend elliptische
Ausrichtung an und weist morgens zwei Kerne auf: Einer über Wales und ein
weiterer über der südwestlichen Nordsee. Die zugehörige teilokkludierte
Kaltfront greift morgens auf den Westen und Nordwesten Deutschlands über.
Bereits im Vorfeld setzt aufgrund der WLA leichter Regen ein, der im
Frontbereich schauerartig verstärkt ist und vor allem in den mittleren
Landesteilen sehr rasch nach Osten vorankommt. Kurze Gewitter sind bevorzugt
nach Westen zu nicht ausgeschlossen; die Luftmasse zeichnet sich zwar durch
nicht allzu hohe Labilität aus, etwas MU-Cape wird aber dennoch simuliert und
die frontale Hebung wird noch durch etwas PVA gestützt, so dass es reichen
könnte. Außer C-D2 gehen die Konvektion erlaubenden bzw. hochauflösenden Modelle
diesbezüglich aber noch recht verhalten vor.
Da die Kaltfront - aufgrund zunehmend höhenströmungsparalleler Exposition - nach
Südwesten zurückhängt, bleibt es im Südosten noch trocken, ebenso wie im
Nordosten. Dort verläuft die Nacht noch aufgelockert, teils auch gering bewölkt
und die Temperaturen sinken auf teils einstellige Minima, während es im Westen
mit 16 bis 12 Grad relativ mild bleibt.
Der Wind frischt mit Frontannäherung aus Süd bis Südost auf und dreht mit
Frontpassage auf Südwest. Im Bereich der Deutschen Bucht reicht es eventuell für
steife Böen (Bft 7), in den Kamm- und Gipfellagen einiger westlicher und
zentraler Mittelgebirge exponiert auch für stürmische Böen (Bft 8).

Freitag... weitet sich der mit einer positiven Achsneigung ausgestattete
Höhentrog nach Südwesten aus, wodurch er aber kaum nach Osten vorankommt und
sein Drehzentrum abends grade so die englische Ostküste erreicht. Dadurch steilt
die südwestliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet weiter auf und ist auch
zunehmend diffluent konturiert.
Das Bodentief kommt zögernd weiter zur mittleren Nordsee voran, auf Kosten des
westlichen, kann sich der knapp trogvorderseitige östliche Dipol noch
geringfügig vertiefen. Die Kaltfront zieht nur langsam südostwärts und gerät mit
zunehmend aufsteilender Höhenströmung über Süddeutschland ins Schleifen, wobei
sich über Ostfrankreich eine Wellentiefentwicklung andeutet.
Somit greifen die leichten Regenfälle rasch auf den Nordosten des Landes über,
während sie über der Südhälfte kaum nach Südosten vorankommen. Postfrontal
gelangt erwärmte Meeresluft in den Norden und in die Mitte des Landes (T850 hPa
zwischen 8 Grad über der Nordsee und 11 Grad im zentralen Mittelgebirgsraum).
Diese ist vor allem im Norden und Nordwesten in Trognähe mit Einsteuerung etwas
höhenkälterer Luftmassen (um -20 Grad in 500 hPa) zunehmend labil geschichtet
(bis 500 J/kg ML-Cape), dazu kommt noch synoptisch-skalige Hebung am linken
Ausgang eines Jetstreaks. Somit entwickeln sich dort mit Unterstützung durch den
Tagesgang einzelne Schauer und Gewitter, die von Graupel bzw. kleinkörnigem
Hagel, bei PPW-Werten bis 25 mm von Starkregen um 20 mm in kurzer Zeit und auch
von stürmischen Böen, vereinzelt - sollten sie in halbwegs gescherter Umgebung,
was aber eher erst Richtung mittleres Niedersachsen bzw. weiter östlich der Fall
ist - von Sturmböen begleitet werden. Unklar ist, wie weit die Gewitter vor
allem im Westen nach Süden ausgreifen. Das SuperHD hat gegen Abend durchaus auch
in NRW welche auf der Agenda, andere Modelle agieren nicht ganz so progressiv.
Im Bereich der schleifenden Front gibt es ebenfalls gebietsweise schauerartige
Regenfälle, bei etwas Cape sind auch kurze Gewitter möglich (auch diesbezüglich
ist SuperHD recht optimistisch aufgestellt). Wohl mit Durchzug einer ersten
kleineren Frontalwelle deutet ICON-EU im äußersten Südwesten (Bereich Hochrhein,
Baar) eine deutliche Verstärkung der schauerartigen Regenfälle an und simuliert
dort kleinräumig mehr als 35 mm in 6 Stunden (zwischen 06 und 12 UTC), steht mit
dieser Lösung aber aktuell einsam auf weiter Flur.
Zwar wird im präfrontalen Bereich im äußersten Südosten noch einmal ein Schwall
sehr warmer Luftmassen eingesteuert (T850 hPa zwischen 12 und 15 Grad), aber ob
es dort noch für kräftige oder gar unwetterartige Gewitter reicht, ist mehr als
fraglich. Aufgrund der zunehmend dichten Bewölkung kann kaum mehr Cape generiert
werden, die Luftmasse ist auch zu stabil geschichtet. Lediglich AROME hat
entsprechende Signale auf der Agenda. Eher sind dagegen kräftige Gewitter
(Starkregen, Hagel, Sturmböen, aber wohl keine Unwetter) direkt im
(prä)frontalen Bereich zu erwarten.
Zwischen Front und den Schauern/Gewittern im Norden und Westen passiert in einem
recht breiten Streifen von Rheinland-Pfalz bis nach Sachsen/Brandenburg nur
wenig. Vor allem dort (und anfangs vielleicht noch kurz im Südosten) lässt sich
auch mal die Sonne blicken. Insgesamt liegen die Höchstwerte zwischen 18 und 24
Grad, in Südostbayern sowie in der Oberlausitz werden vielleicht noch knapp 26
Grad erreicht.
Kurz anzusprechen ist vielleicht noch der Wind, der vor allem in höheren Lagen
lebhaft aus Südwest weht. Eventuell reicht es einigen Kamm- und Gipfellagen für
stürmische Böen und bei Frontpassage in den mittleren bzw. südwestlichen
Landesteilen für steife Böen.

In der Nacht zum Samstag weitet sich der Höhentrog auf die Iberische Halbinsel
aus, was seine Progression nach Osten weiter erschwert, so dass sich die
Höhenströmung über Mitteleuropa noch ein wenig aufsteilt. Die schleifende
Kaltfront kommt weiterhin nur langsam nach Südosten voran erreicht erst morgens
die Alpen. Die Niederschläge verlagern sich mehr und mehr in den postfrontalen
Bereich ("Anafrontcharakter") und intensivieren sich im Zuge einer sich
einstellenden Gegenstromlage vor allem im Allgäu und später an den Alpen. Ob es
bereits für Dauerregen reicht, ist fraglich. ICON-EU hat entsprechende Mengen
auf der Agenda, auch das zugehörige EPS-Verfahren zeigt recht hohe
Wahrscheinlichkeiten dafür, GFS reagiert aber defensiver, ebenso wie IFS-EPS
(von 12 UTC).
Während in der breiten Mitte gar nichts passiert, gibt es im Norden und
Nordwesten in Trognähe bzw. im Einflussbereich des sich über der südlichen
Nordsee kaum auffüllenden Bodentiefs noch einzelne Schauer und Gewitter, die
meisten wohl über der Nord- und Ostsee, wobei dort die diabatische Komponente
unterstützend wirkt. Im Einflussbereich der einströmenden erwärmten Meeresluft
(T850 hPa zwischen 6 Grad ganz im Westen und 10 Grad an den Alpen) liegen die
Tiefstwerte zwischen 14 und 8 Grad; an der See bleibt es milder.

Samstag... setzt sich die Austrogung über der Iberischen Halbinsel weiter fort,
abends reicht die Trogachse von dort über das westliche Mitteleuropa bis nach
Skandinavien. Dabei verlagert sich ein Drehzentrum von der westlichen Ostsee
nach Mittelschweden, ein weiteres bleibt über dem Ostausgang des Ärmelkanals.
Somit kann die südsüdwestliche Höhenströmung über Mitteleuropa noch ein wenig
aufsteilen.
Das nach wie vor wellende Frontensystem des wieder mehr Dipolcharakter
aufweisenden Tiefs (ein Kern über dem Ostausgang des Ärmelkanals, ein weiterer
abends über Südschweden) verläuft in etwa von Tschechien über Oberösterreich und
dem zentralen Alpenraum bis in den westlichen Mittelmeerraum. Dabei weitet sich
ein flacher Hochkeil nach Süddeutschland aus, womit sich die Gegenstromlage an
den Alpen und im angrenzenden Vorland verstärkt (in der Höhe Südsüdwest, am
Boden zunehmend Nordost). Somit intensivieren sich auch die Niederschläge, vor
allem in einem Streifen vom Allgäu bis zum Bayerischen Wald. Vom östlichen
Oberschwaben bis ins westliche Oberbayern können dabei nach Lesart des ICON-EU
die Warnschwellen für Dauerregen erreicht werden, im westlichen Oberallgäu
eventuell auch die für eine Unwetterwarnung. Nach wie vor bestehen diesbezüglich
aber noch Modelldifferenzen, GFS und auch IFS haben nicht ganz so hohe Mengen
auf der Agenda, bei allerdings ähnlicher räumlicher Verteilung.
Der große Rest des Landes bleibt im Einflussbereich der erwärmten Meeresluft
(T850 hPa 7 bis 10 Grad), wobei sich die Bodentiefs weitert auffüllen und
lediglich eine Rinne übrig bleibt, die von der mittleren Ostsee über
Nordwestdeutschland bis nach Nordfrankreich reicht. Die Luftmasse dort ist
leicht labil geschichtet, allerdings ein sich zwischen den beiden oben erwähnten
Drehzentren aufwölbender flacher Höhenrücken eher konvektionsdämpfend. Bei
mehreren 100 J/kg ML-Cape und PPW-Werten zwischen 20 und 25 mm sind am ehesten
im Nordseeumfeld und ganz im Westen einzelne Gewitter zu erwarten.
Ansonsten wechseln sich Sonne und lockere Quellwolken ab und es bleibt - bis auf
vielleicht vereinzelte leichte Schauer - überwiegend trocken. Während es im
Süden und Südosten unter den dichten Wolken mit Höchstwerten zwischen 15 und 19
Grad recht frisch bleibt, werden sonst 19 bis 24 Grad erreicht.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich an der Gesamtkonstellation nur wenig. Der
Höhentrog reicht inzwischen über Benelux und Frankreich bis in den westlichen
Mittelmeerraum. Auch das wellende Frontensystem bleibt quasistationär, wobei es
auf dessen "kalten" Seite bei anhaltender Gegenstromlage weiterhin regnet. Die
intensivsten Niederschläge werden nach wie vor von Oberschwaben bis ins
westliche Oberbayern simuliert, wobei zum Sonntag hin der Durchzug einer
weiteren Frontalwelle angedeutet wird, was in Summe (48-stündig) in einigen
Regionen durchaus unwetterartige Mengen wahrscheinlich werden lässt.
Die über dem Nordwesten Deutschlands liegende flache Tiefdruckrinne im Bodenfeld
kommt etwas nach Südosten voran, an deren Nordflanke stellt sich eventuell
(zumindest nach Lesart des ICON-EU) ebenfalls eine Art Gegenstromlage mit
konvektiv durchsetzten Regenfällen im Nordseeumfeld ein, für Starkregen reicht
es dort aber voraussichtlich nicht.
Ansonsten verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig, eventuell gibt es auch im
nordwestdeutschen Binnenland noch einzelne Schauer. Dazwischen lockern die
Wolken aber auch stärker auf und örtlich bildet sich Nebel. Die Tiefstwerte
liegen meist zwischen 14 und 8 Grad, an den Küsten bleibt es milder.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen si9ch keine signifikanten
Modellunterschiede ausmachen.
Bzgl. der voraussichtlichen Dauerregenlage im Zeitraum von Freitag- bis
Sonntagabend (oder Montagmorgen) gibt es noch größere Differenzen zwischen den
Modellen, vor allem, was die Mengen angeht. Vor allem nach Lesart des ICON-EU
und des dazugehörigen EPS-Verfahren deutet sich für das Allgäu eine kleinräumige
Unwetterlage an, auch IFS simuliert Mengen nahe an den Unwetterschwellen oder
knapp darüber.
Für eine Vorabinformation ist es aber aktuell aufgrund der Unsicherheit und der
Kleinräumigkeit des Ereignisses noch zu früh.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff