DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-08-2020 07:30
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 25.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z
Heute ab dem Abend im Nordwesten aufkommend stürmische Böen, an der See und im
westlichen Bergland Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen. In der Nacht rasch
auf den nördlichen und zentralen Mittelgebirgsraum übergreifend. Außerdem von
der Nordsee her kurze Gewitter, den Nordwesten und Norden erfassend, dabei
ebenfalls Gefahr schwerer Sturmböen.
Am Mittwoch erste Sturmlage nach dem Sommer, abgesehen vom Süden und anfangs
auch vom küstennahen Bereich sowie zunächst vom Nordosten Deutschlands
verbreitet Sturmböen bis Bft 9, in freien Lagen und im Bergland schwere
Sturmböen bis 100 km/h, auf exponierten Gipfeln Orkanböen. In Verbindung mit
kurzen Gewittern im Norden orkanartige Böen bis Bft 11 nicht ausgeschlossen. Ab
dem Abend auch ganz im Norden und Nordosten vermehrt Sturmböen, in Verbindung
mit kurzen gewittern auch schwere Sturmböen.
In der Nacht zum Donnerstag im nördlichen und östlichen Bergland sowie an der
Nordsee noch Sturmböen mit nachlassender Tendenz. An der gesamten Küste kurze
Gewitter, ebenfalls mit Sturmböen. Letzte Sturmböen (vor allem in Verbindung mit
kurzen gewittern) am Donnerstag an der Ostsee, im Tagesverlauf aber auch dort
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland unter einer leicht zyklonalen Westströmung. Ein
darin eingelagerter flacher Rücken wird über Mitteleuropa hinweg ostwärts
gesteuert. Durch diesen Rücken wird ein Zwischenhoch gestützt; Absinken in
dessen Bereich sorgt im Osten und südlich der Mittelgebirge für größere
Auflockerungen und im Süden auch für längere sonnige Abschnitte. Dies lässt die
Temperaturen im größten Teil Deutschlands auf 22 bis 26 Grad steigen. Bereits
zuvor ist über dem nahen Ostatlantik eine markante Zyklogenese erfolgt. Das
hieraus resultierende Sturmtief hat mit einem Kerndruck unterhalb von 980 hPa
Irland erreicht, dürfte aber im Tagesverlauf den Höhepunkt seiner Entwicklung
überschritten haben. Vorderseitige kräftige Warmluftadvektion und die hieraus
resultierende Hebung generiert von Nordwesten und Westen her einen Wolkenaufzug,
wobei Niederschläge auf den Nordwesten Deutschlands beschränkt sind. An der
Küste sowie im Nordwesten sind daher Temperaturmaxima zwischen 18 und 22 Grad zu
erwarten.
Bis zum Abend erreicht das Sturmtief, das zunächst noch entwicklungsgünstig
liegt und einen warmen Kern aufweist, Nordengland. Der Kerndruck liegt dann
unterhalb von 985 hPa, was für die Jahreszeit ungewöhnlich ist. Bei noch meist
stabiler Schichtung frischt im Nordwesten und Westen der Wind auf und wird mit
Böen bis Bft 7, an der Nordsee, im westlichen Bergland sowie im Oberharz mit
stürmischen Böen (Brocken Sturmböen) warnrelevant.
Ab dem Abend greift das Sturmtief, das dann den Höhepunkt seiner Entwicklung
überschritten hat, auf die Nordsee über. Vorderseitig wird ein Schwall
feuchtwarmer und labil geschichteter Luft in dieses Tief einbezogen, der dann
auch den Nordwesten und Westen Deutschlands erfasst. Hierdurch ergibt sich ein
gewisses Überraschungspotential. Aufgrund der Lage des Jets sind die
Voraussetzungen für hochreichende (eingelagerte) Konvektion nicht optimal. Eine
andere Situation ergibt sich dagegen im Nordwesten und im Norden, Diese Gebiete
gelangen an den linken Ausgang des Jets, zudem wird dort durch den sich
annähernden Trog und somit positive Vorticityadvektion kräftige Hebung
generiert, d.h. die Voraussetzungen für organisierte (möglicherweise sogar
rotierende) konvektive Umlagerungen wären dort eher gegeben. Allerdings ist die
Scherung in höheren Troposphärenschichten nicht allzu sehr ausgeprägt. Der
kräftigste Oberwind (im 850 hPa-Niveau bis 55 kt) greift auch eher von Westen
her über. Dennoch sollte es, falls organisierte Konvektion zustande kommt, für
teils schwere Sturmböen reichen, orkanartige Böen sind nicht auszuschließen,
auch wenn dies im Bodendruckfeld der Gradient noch nicht so hergibt.
Im Laufe der Nacht zum Mittwoch wird dieser Warmlufteinschub "aufgezehrt". Das
Sturmtief nähert sich der Deutschen Bucht, ohne sich wesentlich abzuschwächen.
Folglich erfasst die Gradientzunahme weitere Teile Deutschlands, im Nordwesten
und Westen sind bei stabiler Schichtung bis in tiefe Lagen, in den zentralen,
nördlichen und südwestdeutschen Mittelgebirgen Sturmböen bis Bft 9, auf
Berggipfeln schwere Sturmböen und exponiert (Brocken) erste orkanartige Böen zu
erwarten. Bis in Teile der Mitte hinein sind dann Windböen bis Bft 7 möglich. An
der Nordsee und ganz im Nordosten besteht weiterhin die Gefahr kurzer und teils
in schauerartigen Niederschlag eingelagerter Gewitter.


Mittwoch... wird das Sturmtief über Nordfriesland nahe der dänischen Grenze
hinweg ostwärts gesteuert und überquert unter einsetzender Auffüllung bis zum
Abend Bornholm. Die kaum ausgeprägte Kaltfront dieses Tiefs hat bis dahin das
Vorhersagegebiet weitgehend überquert und legt sich an die Alpen. Weite Teile
Deutschlands gelangen im Tagesverlauf in das Sturmfeld dieses Tiefs. Verbreitet
sind daher Sturmböen zu erwarten, in Teilen Mitteldeutschlands können,
getriggert durch einen Kurzwellentrog, in freien Lagen auch schwere Sturmböen
auftreten. Im Bergland treten durchweg schwere Sturmböen, exponiert
(Gipfellagen) Böen bis Orkanstärke auf. Dabei ist die Schichtung weitgehend
stabil, so dass einige tiefere Lagen auch von Sturmböen verschont bleiben.
Aufgrund der Zugbahn dieses Sturmtiefs wird Nordfriesland wie auch der äußerste
Osten von den stärksten Böen zunächst noch verschont. Allerdings behält das Tief
vorerst seinen warmen Kern, so dass im Norden, wenn auch bei nur leicht labiler
Schichtung, weiterhin Überraschungspotential hinsichtlich konvektiver (und sehr
wahrscheinlich eingelagerter) Umlagerungen geboten wird. Dann können auch dort
zumindest Böen wie bereits in den mittleren Teilen Deutschlands auftreten.
Schwere Sturm- und einzelne orkanartige Böen können im Falle konvektiver
Umlagerungen nicht ausgeschlossen werden. Etwas verschont von dieser Sturmlage
bleibt der Süden Deutschlands. Zwar muss auch dort mit Windböen und in freien
Lagen mit stürmischen Böen gerechnet werden; Sturmböen bleiben aber dort auf
höhere Mittelgebirgslagen und schwere Sturm- und orkanartige Böen auf
(exponierte) Berggipfel beschränkt. Im Süden und ganz im Osten ergeben sich
durch Absinken Auflockerungen und zum Teil auch längere sonnige Abschnitte, was
Tageshöchsttemperaturen zwischen 24 und (am Alpenrand) bis 28 Grad zur Folge
hat. In den anderen Gebieten sind dagegen 18 bis 23 Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das Sturmtief unter deutlicher
Auffüllung zu den Baltischen Staaten. Der Gradient flacht mit der Annäherung
eines Zwischenhochkeils ab. In der ersten Nachthälfte frischt aber der Wind an
der Nordseeküste noch einmal mit Böen bis Sturmstärke auf.
Im Nordosten muss jedoch bis in die Frühstunden des Donnerstags mit Windböen, an
der Ostsee und in den Hochlagen der östlichen Mittelgebirge mit Sturmböen
gerechnet werden. Zudem ist die Schichtung ganz im Nordosten noch leicht labil,
so dass vor allem an der Ostsee noch Gewitter auftreten können, die ebenfalls
mit Böen bis Sturmstärke einhergehen.

Donnerstag... setzt sich über Deutschland Zwischenhocheinfluss durch. Absinken
im Bereich dieses Zwischenhochs, das durch einen flachen Rücken gestützt wird,
sorgt in der Mitte für Auflockerungen und im Süden für längere sonnige
Abschnitte. Allerdings ist ganz im Nordosten die Situation noch nicht ganz
bereinigt. An der Ostflanke des flachen Rückens wird ein Kurzwellentrog
südostwärts gesteuert, der den Nordosten Deutschlands streift. Der
korrespondierende Bodentrog kann dort eine erneute leichte Gradientverschärfung
bewirken, so dass im Nordosten und in Teilen der Mitte der Wind, nicht zuletzt
gestützt auch durch den Tagesgang, noch einmal aufleben kann. Verbreitet sind
Windböen zu erwarten, in freien Lagen (auch abseits der Küste und der
Mittelgebirge) können stürmische Böen auftreten. In den höheren Berglagen der
östlichen Mittelgebirge sowie an der Vorpommerschen Ostseeküste muss mit
Sturmböen gerechnet werden. Zudem können an der Ostsee noch einzelne Gewitter
auftreten, die ebenfalls mit Böen bis Sturmstärke einhergehen können. Bis zum
Abend sollte aber auch dort Entspannung einsetzen und der Wind abflauen. Mit
Tageshöchsttemperaturen zwischen 18 und 24 Grad wird es nicht mehr so warm wie
am Vortag.
In der Nacht zum Freitag verabschiedet sich das Zwischenhoch zum südöstlichen
Mitteleuropa. Warmluftadvektion lässt im Nordwesten und Westen erneut
mehrschichtige Bewölkung mit skaligen Niederschlägen aufkommen, die nicht
warnrelevant sind. Im westlichen Bergland frischt mit dem Übergreifen eines
Tiefs auf Mittelengland der Wind auch wieder auf; wahrscheinlich aber ohne
Warnschwellen zu erreichen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Hinsichtlich der Strukturen im synoptischen Maßstab ergeben sich keine
prognoserelevanten Unterschiede zwischen den verfügbaren Modellen. Auch was den
Kerndruck und die Zugbahn des Sturmtiefs betrifft, unterscheiden sich die
Modelle nur um wenige (weniger als 5) Hektopascal bzw. weniger als 50 km.
Problematisch ist aber, dass dieses Tief von dem Trog, der die Entwicklung
dieses Tiefs zu einem Sturmtief einst getriggert hatte, entkoppelt wird. Auch
der warme kern dieses Tiefs bietet noch Überraschungspotential. In der sehr
zyklonal geprägten Frontalzone werden dann (bis Donnerstagmittag) mehrere
Kurzwellentröge nach Osten gesteuert, deren Intensität und Lage von Modelllauf
zu Modelllauf bzw. von Modell zu Modell unterschiedlich prognostiziert wird, die
aber entscheidend sind, ob hinsichtlich des Sturmfeldes eine Verstärkung der
Böen (um durchaus bis zu 2 Bft) durch konvektive Umlagerungen zustande kommt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann