DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-08-2020 08:01
SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 14.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SEa

Lokal Unwetter-Gewitter mit heftigem Starkregen, größerem Hagel und schweren
Sturmböen. Vereinzelt extremes Unwetter wegen extrem hefigem Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt Deutschland unter einer Geopotentialrinne in 500 hPa, die sich
von nahen Ostatlantik über den Ärmelkanal zum sudöstlichen Mitteleuropa
erstreckt. In diese eingelagert ist aktuell noch ein eigenständiges Höhentief
über dem westlichen Ärmelkanal zu finden, welches sich im Tagesverlauf
abschwächt und zum Tagesende nur noch als schwaches Residuum im Geopotentialfeld
zu erkennen ist. Stattdessen bildet sich laut ICON-deterministisch über
Mitteldeutschland ein sehr schwaches Höhentief aus, womit wir schon bei den
ersten Modellunterschieden wären, den zumindest der gestrige 12-UTC-Lauf von
EZMW hat dieses Tief nicht im Programm. Die Geopotentialgegensätze innerhalb der
Rinne und damit der Höhenwind in 500 hPa sind gering, so dass starke dynamische
Hebungsantriebe nicht zu erwarten sind. Im Bodendruckfeld korrespondiert mit der
Rinne ein flaches, amöbenartiges Tief, das sich von Seegebiet westlich der
Biskaya mit mehreren schwachen Kernen über den Süden Englands und den Ärmelkanal
bis nach Nordwestdeutschland erstreckt. Dort teilt es sich in zwei Äste auf,
wovon einer über Mitteldeutschland hinweg nach Südosten orientiert ist, der
andere hingegen nach Norden weist. Während sich die Westeuroparinne im
Tagesverlauf kaum bewegt, kommen die beiden Äste zögerlich nach Osten voran,
ohne ihren Einfluss auf unser Wetter zu verlieren. Sucht man nach
Hochdruckeinfluss, so wird man über dem Südwesten und Süden fündig, wo sich von
Frankreich her ein schwacher Keil hereinschiebt. Dieser kann aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass wir es insgesamt, wie schon an den Vortagen, mit einem
Tiefdrucksumpf zu tun haben, in dem sich verbreitet Gewitter entwickeln.

Beim Abschätzen des Gewitterpotentials kommt man schnell zu dem Schluss, dass
wieder verbreitet starke und gebietsweise auch schwere (Unwetter-)Gewitter zu
erwarten sind. Bezüglich des Regens ist auch extremes Unwetter mit über 40 l/qm
in kurzer Zeit zumindest lokal wahrscheinlich. Dies geben die PPW-Werte locker
her, die laut ICON-EU in einem Streifen vom Emsland bis zum Leipziger
Tieflandbucht und ins Thüringer Becken bei über 40 mm, lokal sogar bis an die 45
mm erreichen. Das bedeutet nicht, dass der Süden und Westen bezüglich Gewittern
außen vor sind. Dort liegen die PPWs durchweg in einem Bereich von 30 bis knapp
40 mm, was auch dort Unwettergewitter wahrscheinlich erscheinen lässt. Weniger
wahrscheinlich sind Gewitter nur im Küstenumfeld und im Nordosten, wo mit einer
östlichen bzw. nördlichen Strömung etwas trockenere Luft einsickert. Zwar zeigt
sich die Atmosphäre, zumindest mit Blick auf die Lapse-Rates, als nicht sehr
labil geschichtet (laut ICON-EU Werte um -0,6 K/100m), allerdings werden auch
heute die Auslösetemperaturen wieder erreicht und die Atmosphäre hat auch
bezüglich CAPE mit Werten von knapp über 1000 J/kg über dem Nordwesten und
Norden sowie im Südosten zumindest ein gewisses Maß an potentieller Energie zu
bieten. Das in der Höhe wie auch am Boden gradientschwache Umfeld zeigt wie an
den Vortagen auch nur gering Scherungswerte, so dass erneut mit langsam
ziehender, nur wenig organisierter Konvektion zu rechnen ist. Die hier
geschilderten ICON-EU-Werte bestätigen die externen Modelle wie GFS, EURO4 oder
EZMW weitgehend, ebenso wie z.B. COSMO-D2. Dabei sind gewisse Modellunterschiede
im Bereich des Normalen. Dazu gehört z.B., dass GFS den südlichen
CAPE-Schwerpunkt von ICON-EU deutlich schwächer ausgeprägt zeigt oder dass
COSMO-D2 im Norden CAPE-Werte von bis zu knapp 2000 J/kg simuliert. Letztendlich
muss aufgrund der geschilderten Rahmenbedingung mit Starkregen, lokal auch mit
heftigem oder extrem heftigem Starkregen gerechnet werden. Demgegenüber ist das
Sturmböenpotential geringer als noch an den Vortagen. Die durch die
zurückliegenden Gewitter angefeuchtete Grundschicht zeigt, wenn überhaupt, nur
noch in abgeschwächter Form eine inverse V-struktur, die Fallböen begünstigt.
Dennoch kann die eine oder andere Sturmböen nicht ausgeschlossen werden.
Bezüglich des Hagels gilt die Einschätzung der Vortage: Meist ist er klein,
sollten sich aber hoch reichende Zellen mit persistentem Aufwind bilden, ist
auch großkörniger Hagel denkbar.

Die die von den Modellen vorgeschlagenen Gewitterschwerpunkte folgen weitgehend
den CAPE- bzw. PPW-Mustern, liegen also in einem Streifen vom Nordwesten bis
nach Mitteldeutschland und im Süden. Aus der Rhein fällt hier von den genannten
Modellen nur COSMO-D2, dass am Vormittag- und Mittag die absolut betrachtet
kräftigsten Entwicklungen in einem Streifen von Rheinland-Pfalz bis nach Hessen
sieht. Möglicherweise ist die dem Nudging des Modells geschuldet, sind dort doch
aktuell noch teils kräftige Gewitter unterwegs. Am Nachmittag serviert COSMO-D2
dann einen Gewitter-Streusselkuchen ohne klar erkennbare Schwerpunkte, auch dies
ein alleinstellungsmerkmal. Letztendlich werden auch heute die Gewitter wieder
im Nowcasting verfolgt werden müssen, lokale Konvergenzen oder die Orografie
können bei der Auslöse die entscheidende Rolle spielen. Die höchsten
Gewitter-Wahrscheinlichkeiten liegen aber wohl in den angesprochenen CAPE- und
PPW-Schwerpunktgebieten.

Bei 850er Temperaturen von etwa 13 Grad bleibt es dabei hochsommerlich warm mit
MOSMIX-Maxima zwischen 23 und 29 Grad.

In der Nacht zum Samstag bleibt die Potenzialrinne erhalten, wird aber durch den
sich verstärkenden Höhenrücken über der Nordsee etwas nach Süden abgedrängt.
Somit kommt auch die Tiefdruckrinne wieder ein wenig nach Süden voran. Ansonsten
ändert sich nachts aber nur wenig. Die trockenere Luftmasse im Norden kann sich
allmählich etwas nach Süden vorarbeiten. Im Rinnenbereich und unmittelbar
südlich daran angrenzend, also in den mittleren Landesteilen bis in den Osten
Bayerns, spielt sich wohl weiterhin die stärkste konvektive Aktivität ab, wobei
der Starkregen im Fokus steht. Bezüglich der genauen Lage der Schwerpunkte tun
sich die Modelle weiterhin schwer. Bei ICON ist es der zentrale und östliche
Mittelgebirgsraum mit den deutlichsten Signalen im hessisch-thüringischen
Grenzgebiet, wobei sich von dort ein Streifen bis nach Ostbayern zieht. EZMW
dagegen sieht die kräftigsten nächtlichen Umlagerungen über Nordbayern und dem
angrenzenden Thüringen und Sachsen, wobei sich von dort ein Streifen bis in den
Nordwesten erstreckt. Und während COSMO-D2 den ICON-Schwerpunkt ebenfalls
herausarbeitet, sieht GFS ein deutliches Nachlassen des Niederschlags. Klar ist,
dass die Gewitter weiterhin Unwetterpotential besitzen. Letztendlich kann die
Gewitteraktivität bis weit in die Nacht anhalten, bei nachlassender
Blitzaktivität ist gebietsweise auch mehrstündiger Starkregen möglich, vor allem
im Bereich nachlassender, auseinanderlaufender konvektiver Systeme, die sich wie
die Gewitter nur langsam verlagern. Im Südwesten und im Norden dürfte es dagegen
kaum Schauer und Gewitter geben. Dort sorgt der Bodenhochkeil bzw. die
einsickernde trockenere Luft für etwas stabilere Verhältnisse, die Wolken
lockern stärker auf und örtlich bildet sich Nebel. Die Tiefstwerte liegen meist
zwischen 19 und 14 Grad, bei gering bewölktem Himmel im Südwesten vor allem in
den Mittelgebirgstälern und in einigen Alpentälern auch darunter.

Samstag... bleibt uns die Geopotentialrinne erhalten, sie verläuft, bei leicht
pulsierender Intensität, etwa von der Mosel bis zum Erzgebirge, wobei sich der
in ihr auszumachende quasistationäre Randtrog über dem Ostausgang des
Ärmelkanals und Belgien allmählich abschwächt. Nördlich der Rinne kann sich ein
Höhenrücken über der Nordsee verstärken und es schnürt sich eine eigenständige
Höhenantizyklone mit Schwerpunkt über der nördlichen Nordsee ab. Im
Bodendruckfeld ist im Mittel leichter Druckfall vorherrschend, wobei sich die
Änderung nur im Bereich einiger weniger hPa bewegt - wenn überhaupt. Diese
insgesamt nur geringen Veränderungen zum Vortag zeigen sich auch in der
Luftmasse. Weiterhin verläuft ein Streifen maximaler PPW-Werte vom Westen und
Nordwesten in den Osten und Südosten, wobei die Spitzenwerte um 40 mm verdrahtet
werden können. Am labilsten ist die Luftmasse über dem Nordosten, dies ist aber
der weiterhin einsickernden trockenen Kaltluft geschuldet, dort kommt es aller
Voraussicht nach nicht zu Schauern oder Gewittern. Im übrigen Land zeigt sich
die Atmosphäre wie schon am Vortag nur mäßig labil, aber erneut werden die
Auslösetemperaturen erreicht oder konvektive Umlagerungen werden von der
Orografie oder lokalen Konvergenzen angestoßen. Dabei simuliert ICON-EU die
höchsten CAPE-Werte mit über 1400 J/kg erneut über dem Nordwesten, in geringerem
Maße, sowohl was die Fläche als auch die Maximalwerte angeht, aber auch über dem
Süden. Entsprechend belegen die Globalmodelle wie GFS, EZMW oder ICON einen
breiten Streifen vom Nordwesten bis in den Südosten mit Gewittern, eine
Einschätzung, die auch EURO4 teilt. Im Südwesten ist die Gewitterneigung
aufgrund der insgesamt trockeneren (PPWs um 30 mm) und weniger Energiegeladenen
(CAPE maximal um 500 J/Kg) geringer, einzelne, auch kräftige Umlagerungen sind
aber auch dort nicht ausgeschlossen. Da sich im Vergleich zum Vortag auch die
Scherungswerte kaum ändern, ist der Gewittercharakter dem der Vortage sehr
ähnlich. Mithin gilt: Sturmböen und großer Hagel unwahrscheinlich, aber nicht
gänzlich ausgeschlossen, Starkregen bis in den extremen Unwetterbereich
zumindest lokal möglich. An den Temperaturen ändert sich gegenüber dem Vortag im
Großen und Ganzen nur wenig, weder in 850 hPa noch im 2 m Höhe. Im Nordosten
fällt die freundlicherem Wetter wohl die 30-Grad-Marke, sonst sind es wieder 23
bis 29 Grad.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich über Deutschland nur wenig an der
Konstellation der Geopotenzial- und Druckgebilde. Allerdings beginnt die
Tiefdruckrinne, sich über dem östlichen Mitteleuropa aufzufüllen. Nach wie vor
gibt es vor allem im Rinnenbereich gebietsweise Schauer und Gewitter mit
Starkregenpotenzial, wobei die Unwettergefahr bei deutlich sinkenden PPW- und
Cape-Werten weiter zurückgehen sollte, womit nachts das ungewittrige
Starkregenkriterium wieder Teil des Warnfokus wird. Im Norden und Osten bleibt
es dagegen teils gering bewölkt und auch im Südwesten und Süden zeigen sich
größere Lücken in der Wolkendecke, wobei sich dort stellenweise Nebel bilden
kann. Die Tiefstwerte liegen zwischen 19 und 14 Grad, im Südwesten und Süden
gebietsweise auch darunter.

Sonntag... und in der Nacht zum Montag werden die Boden- und Geopotentialrinne
von Osten her weiter abgebaut. Da sich der Höhenrücken über dem östlichen
Mitteleuropa kräftigt bzw. die Nordseeantizyklone in der Höhe eine Verbindung
mit einem flachen Rücken über dem Balkan aufnimmt, bildet sich ein Rücken aus,
dessen Achse in der Nacht zum Montag über Polen nach Norden weist. Da
gleichzeitig das Höhentief über dem Nordatlantik bis über den westlichen
Ärmelkanal zieht, liegt Deutschland komplett auf seiner Vorderseite.
Hebungsantriebe kommen dann nicht nur aus dem Haupttrog selbst, sondern auch
durch einen kurzwelligen Anteil, der auf seiner Vorderseite abläuft. Im
Bodenfeld bleibt von der Rinne nur noch ein kleines, flaches, weitgehend von
West nach Ost orientiertes Tief übrig, das im Bereich Nordfrankreich bzw.
Ärmelkanal zu finden ist. Zwar hat sich mit den geschilderten Prozessen die
synoptische Lage umgestellt, die Luftmasse bleibt aber die des Vortages. Somit
zeigen sich weiter, mit Ausnahme des Nordostens, PPW-Werte zwischen 25 und 40 mm
und CAPE-Werte bis 1500 J/kg. Die Scherungswerte bleiben aber niedrig.
Letztendlich muss also wieder mit Starkregengewittern gerechnet werden, die auch
in den Unwetterbereich gehen können. Mit dem Auffüllen der Tiefdruckrinne und
der Ausbildung des Langwellentroges kann von Süden wieder etwas wärmere Luft zu
uns einströmen. Die 850er Temperaturen steigen entsprechend im Süden wieder auf
Maxima um 18 Grad. Damit sind entlang des Rheins ebenso wie im Nordosten, wieder
Höchstwerte jenseits der 30-Grad-Marke zu erwarten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage sehr ähnlich - bezüglich
der synoptischen Situation ist das auch nicht ungewöhnlich, es passiert ja
praktisch nix! Die Gewitterschwerpunkte legen die Modele trotzdem leicht
unterschiedlich, einig ist man sich darin, dass der Nordosten wohl trocken
bleibt. Weitere Unterschiede, auch zu dem Gewitterparameter, wurden im Text
angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas