DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-08-2020 07:30
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 12.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SEa
Heute und am Donnerstag im Süden, Westen und in der Mitte kräftige Gewitter mit
Unwetterpotenzial vor allem aufgrund von Starkregen (extrem nicht
ausgeschlossen). Am Freitag allmählich etwas nach Nordosten ausgreifend.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... mag man beim Blick auf die Karte des 500 bzw. 300 hPa-Geopotenzials
kaum glauben, dass erneut ein wettertechnisch durchaus unruhiger Tag ins Haus
steht: Nach wie vor tront ein breit angelegter und durchaus auch kräftiger
Höhenrücken über Mitteleuropa, dessen Achse aktuell von Süd nach Nord über die
Westhälfte Deutschlands hinwegläuft. Der Rücken wird einerseits flankiert von
einem sich nur langsam ostwärts verlagernden Höhentrog über Nordost- bzw.
Osteuropa und einem Höhentiefkomplex über West- bzw. Südwesteuropa mit
Drehzentren westlich von Irland und über der Biskaya. Dieses Omega-artige Muster
erweist sich typischerweise als außerordentlich stabil und beherrschen unterhalb
des Höhenrückens sehr warme bis heiße und potenziell instabile Luftmassen
subtropischen Ursprungs das Wettergeschehen in weiten Teilen des
Vorhersagegebietes.
Im Tagesverlauf greift ein vom Höhentief über der Biskaya ausgehender und mit
einer negativen Achse ausgestatteter Höhentrog von Südwesten her auf
Südfrankreich über. WLA an dessen Nordflanke führt zu Geopotenzialaufbau über
der Nordsee und den Britischen Inseln, so dass der Höhenrücken mit seinem
Nordteil etwas nach Westen kippt. Für das Wettergeschehen hierzulande hat das
aber zunächst nur wenig Bedeutung.
Im Bodenfeld stützt der Rücken nämlich nach wie vor ein umfangreiches
Hochdruckgebiet über Skandinavien. An dessen Südflanke strömt von Osten her
verhältnismäßig trockene Festlandsluft in den Nordosten und Osten Deutschlands.
Dort steht somit erneut ein überwiegend sonniger Tag ins Haus und es bleibt
trocken. Im übrigen Land bleibt die potenziell instabile Luftmasse
wetterbestimmend. Mit der Trogannäherung verstärkt sich der tagesgangbedingte
Druckfall über Frankreich und eine flache Tiefdruckrinne kann sich bis nach
West- und Südwestdeutschland ausweiten. Dadurch kann sich der Gradient vor allem
im Nordosten des Landes im Tagesverlauf wieder etwas verschärfen und der Wind
frischt aus Ost auf. Für warnrelevante Böen (Bft 7) reicht es aber maximal an
windexponierten Küstenabschnitten, allerdings kann sich die trockenere
Festlandsluft mit Hilfe der etwas kräftigeren Grundströmung ein wenig weiter als
gestern nach Westen durchsetzen. Wo genau die Grenze liegt, ist aber unklar,
zumal der Übergang auch fließend ist. Sie wird wohl in etwa von Ostfriesland
über das mittlere und südöstliche Niedersachsen, Thüringen bis zum sächsischen
Vogtland verlaufen.
Südwestlich davon können im Tagesverlauf wieder - je nach Einstrahlung - etwa
1000 bis 1500 J/kg, vor allem im Westen und Süden auch örtlich über 2000 J/kg
ML-Cape generiert werden bei PPW-Werten meist zwischen 30 und 40 mm. Dynamischer
Hebungsinput aus der Höhe ist unterhalb des Rückens kaum vorhanden, am ehesten
noch durch den Eintrag von PVA im Bereich ehemaliger Gewittersysteme. So dienen
erneut überwiegend die Orographie bzw. lokale Bodenkonvergenzen als Trigger für
Auslöse innerhalb der im Tagesverlauf kaum mehr gedeckelten Troposphäre. Dabei
stehen grob zunächst einmal zwei Systeme im Fokus: Einerseits eine vom südlichen
Ruhrgebiet bis zum Westerwald bzw. Siegerland reichende Region, innerhalb der
aktuell bereits Schauer und Gewitter unterwegs sind, andererseits am Vormittag
vorübergehend absterbende Konvektion im Bereich der flachen Tiefdruckrinne, die
vom Nordwesten Frankreichs bis zur französischen Jura reicht und sehr zögerlich
nach Nordosten vorankommt. In der Peripherie beider Systeme dürfte es ab den
späten Vormittags- bzw. Mittagsstunden erneut zünden, daneben stehen allerdings
auch Einzelentwicklungen, vor allem im Bereich der Mittelgebirge, im Fokus. Die
Begleiterscheinungen ähneln derer der Vortage: Starkregen, Hagel und Sturmböen.
Mit der geringen Verlagerungsgeschwindigkeit der Zellen bzw. Multizellensysteme
und einer gewissen Tendenz zum "back-building" entlang lokaler Konvergenzen
steht warntechnisch natürlich der Starkregen im Fokus, wobei auch extreme Mengen
(über 40 mm in kurzer Zeit) kleinräumig möglich sind. Bei "frischen"
Entwicklungen kann es aufgrund der relativ hohen Cape auch mal größeren Hagel (2
bis 4 cm) geben, dazu vor allem dort, wo die Grundschicht noch recht trocken ist
(einige Temps weisen ein ausgeprägtes "inverted-V"-Profil auf und erneut werden
gebietsweise mehr als 1000 J/kg D-Cape simuliert)) auch schwere Sturmböen oder
gar mehr.
Scherung (außer bodennahe Richtungsscherung) ist nach wie vor kaum vorhanden, so
dass sich der Organisationsgrad der Gewitter in Grenzen hält.
C-D2-EPS simuliert die höchsten Wahrscheinlichkeiten für unwetterartige
Entwicklungen etwa entlang des Rheins von NRW bis nach Ba-Wü, auffällig dabei
eine Region mit sehr hohen Wahrscheinlichkeiten im Raum Aachen. Die
deterministischen Lösungen der einzelnen hochauflösenden Modelle weisen im
Detail durchaus Unterschiede auf, im Groben ähneln sich diese aber.
Inwieweit auch die zentralen (bis zum Westerzgebirge) und ostbayerischen
Mittelgebirge sowie der Alpenrand von kräftigen Einzelentwicklungen betroffen
sind, muss abgewartet werden, ein gewisses Minimum deuten die Modelle allerdings
in weiten Teilen Süd- und Ostbayerns an.
Die Wärmebelastung bleibt - außer im Nordosten und Osten sowie an den Alpen bzw.
in Teilen des Alpenvorlandes - stark, in den Niederungen West- und
Südwestdeutschlands auch extrem. Bei 850 hPa-Temperaturen zwischen 13 Grad auf
Rügen und 19 Grad im Südwesten dürften sich die Höchstwerte zwischen 30 und 36
Grad bewegen. Nicht ganz so heiß wird es dort, wo sich längere Zeit dichtere
Wolken halten und im Nordosten sowie entlang von Küstenabschnitten mit
auflandigem Wind, wo stellenweise kaum 25 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Donnerstag nehmen die Achsen des Höhenrückens bzw. des in der
Früh über Zentral- bis nach Ostfrankreich reichenden Troges eine zunehmend
negative Neigung an. Dabei geraten ausgangs der Nacht der äußerste Westen und
Südwesten des Landes ganz allmählich auf die Trogvorderseite und es kommt
eventuell auch schon etwas dynamischer Hebungsinput ins Spiel.
Die Tiefdruckrinne füllt sich zwar tagesgangbedingt ein wenig auf, kann aber
etwas weiter nach Osten ausgreifen. Somit ist auch die Nacht über hinweg mit
anhaltender Gewittertätigkeit zu rechnen, die sich nur langsam abschwächt, wobei
nach wie vor Unwetterpotenzial aufgrund von Starkregen gegeben ist, auch in der
zweiten Nachthälfte. Dabei gehen die Lösungen der hochauflösenden Modelle noch
deutlich auseinander. C-D2 lässt im aktuellen Lauf einen Multizellencluster bis
ins südöstliche Niedersachsen bzw. nach Sachsen-Anhalt ziehen, ähnlich (nicht
ganz so weit nach Osten) auch SuperHD, während EURO4 diesen über der Mitte
auflösen lässt. Im Westen könnte es kurzzeitig zu einer gewissen
Wetterberuhigung kommen, ehe es später mit Annäherung des Troges wieder losgeht.
MU-Cape ist auch dort jedenfalls genügend vorhanden, so dass auch unwetterartige
Entwicklungen bzgl. Starkregens nicht ausgeschlossen sind.
Wettertechnisch ruhig verläuft die Nacht dagegen im Nordosten, im
Einflussbereich der trockeneren Festlandsluft, aber wohl auch im Südosten.
Während im Westen zumindest in Ballungszentren und in mittleren Höhenlagen
erneut eine tropische Nacht ins Haus steht, kühlt es im Nordosten, aber auch an
den Alpen gebietsweise auf unter 15 Grad ab.

Donnerstag... schwächt sich der Höhenrücken weiter ab, übrig bleibt eine vom
Alpenraum über das Vorhersagegebiet hinweg bis zur Nordsee und nach Schottland
reichende Potenzialbrücke, die auch das Vorankommen des Höhentroges über
Frankreich blockiert. Abends reicht dieser mit seiner Achse in etwa bis nach
Rheinland-Pfalz. Somit kommt nun verstärkt dynamischer Hebungsantrieb (aufgrund
trogvorderseitiger PVA) ins Spiel. Die Tiefdruckrinne verstärkt sich und weitet
sich über die Mitte Deutschlands ostsüdostwärts aus, wobei sie im Tagesverlauf -
da sich das Hoch über Skandinavien allmählich abschwächt - ein wenig nach Norden
vorankommt. Abends reicht sie in etwa vom Emsland bis nach Sachsen bzw. nach
Ostbayern.
Im Bereich dieser Rinne befindet sich naturgemäß die instabilste Luftmasse,
wobei - Einstrahlung vorausgesetzt, und die ist aufgrund der Gewittersysteme aus
der Nacht nicht überall gegeben - eine ähnlich hohe Cape wie am Vortag (1000 bis
örtlich über 2000 J/kg) generiert werden kann. Das nun großräumiger konvergente
Windfeld führt zu einer verstärkten Feuchteflusskonvergenz, so dass die
PPW-Werte gebietsweise auf über 40 mm ansteigen, vor allem im Westen/Nordwesten.
Ausgehend von eventuellen nächtlichen Gewittersystemen, dürfte es nach
Durchschreiten eines gewissen vormittäglichen Minimums schon relativ frühzeitig,
am späten Vormittag bzw. um die Mittagszeit erneut vermehrt zur Auslöse kommen.
C-D2-EPS deutet die höchsten Wahrscheinlichkeiten in einem breiten Streifen vom
westlichen NRW/südliches Emsland über die breite Mitte Deutschlands bis nach
Bayern an, die deterministischen Läufe der Konvektion erlaubenden Modelle führen
zu ähnlichen Ergebnissen, allerdings mit unterschiedlicher räumlicher Verteilung
der konvektiven Aktivität innerhalb dieser Region. Die Begleiterscheinungen der
Gewitter ähneln denen der Vortage, vielleicht noch mit einem etwas erhöhten
Starkregenpotenzial (aufgrund der höheren PPW-Werte) und einer geringen
Wahrscheinlichkeit für Typ 2-Tornados, da mit der gut definierten Konvergenz
verstärkt Richtungsscherung gegeben ist bei nahezu nicht vorhandener
Geschwindigkeitsscherung.
In den äußersten Südwesten gelangen rückseitig der Rinne bereits nicht mehr ganz
so warme und somit auch etwas stabiler geschichtete Luftmasse, die die
Gewitteraktivität dort etwas dämpfen könnte. Im Einflussbereich der trockeneren
und somit ebenfalls stabileren Festlandsluft befindet sich nach wie vor der
Nordosten, grob in etwa die Regionen entlang und nordöstlich der Elbe. Dort
scheint überwiegend die Sonne und es bleibt weitgehend trocken.
Die Temperaturen erreichen wohl nicht mehr das Niveau der Vortage, vor allem im
Südwesten wird es nicht mehr ganz so heiß. Bei 28 bis 34 Grad - in Regionen mit
viel Bewölkung und an der Ostsee etwas darunter - bleibt die Wärmebelastung aber
vielerorts stark.

In der Nacht zum Freitag weitet sich der Trog von Frankreich her auf das
Vorhersagegebiet aus, verliert aber mehr und mehr an Kontur. Die Tiefdruckrinne
kommt geringfügig nach Norden voran und verläuft morgens in etwa vom westlichen
Niedersachsen bis zur Lausitz. Vor allem im Bereich der Rinne dauert die
Gewitteraktivität die Nacht über weiterhin an, Unwetterpotenzial besteht nach
wie vor in erster Linie aufgrund von Starkregen. Mit Annäherung eines weiteren
kurzwelligen Troganteils könnte später auch im Südwesten die Schauer- und
Gewitteraktivität wieder aufleben, mangels "Luftmasse" wohl aber mit etwas
"gebremsten Schaum" und somit eher geringem Unwetterpotenzial. Diesbezüglich
gehen die Modelle aber noch deutlich auseinander.
Dazwischen setzt sich mancherorts eine gewisse Wetterberuhigung durch, ein
lokales Aufleben der Gewittertätigkeit ist aber auch dort bei nach wie vor
vorhandener MU-Cape nicht ausgeschlossen. Trocken und oft gering bewölkt bleibt
es dagegen im Einflussbereich der trockenen Festlandluft ganz im Nordosten.
Insgesamt fällt die Nacht nicht mehr ganz so warm aus wie die vergangenen
Nächte, vor allem im Südwesten deutet sich bzgl. der Tiefstwerte doch eine
gewisse Entspannung an.

Freitag... bleibt das Vorhersagegebiet im Einflussbereich der flachen, von
Nordfrankreich und Belgien bis nach Süddeutschland reichenden, aber mehr und
mehr an Kontur verlierenden Potenzialrinne. Die Tiefdruckrinne im Bodenfeld
kommt über Norddeutschland kaum mehr nach Norden voran, postfrontal kann sich
ein flacher Höhenrücken von Frankreich her nach Süddeutschland ausweiten. Vor
allem im Südwesten und ganz im Westen sollte dieser für eine gewisse
Stabilisierung sorgen, so dass es dort nur noch einzelne Schauer und Gewitter
gibt mit eher geringem Unwetterpotenzial (aufgrund nach wie vor geringer
Zuggeschwindigkeiten am ehesten aufgrund von Starkregen).
Anders verhält es sich naturgemäß im Rinnenbereich und unmittelbar südwestlich
davon, also etwa in einem breiten Streifen von Niedersachsen über die "östliche
Mitte" bis nach Ost- und Südostbayern: Aufgrund der wohl meist dichteren
Bewölkung können nicht mehr ganz so hohe Cape-Werte wie an den Vortagen
generiert werden (ca. 1000 J/kg, punktuell vielleicht drüber), die PPW-Werte
liegen aber nach wie vor meist zwischen 30 und über 40 mm. Somit ist vor allem
in dieser Region erneut mit kräftigen Gewittern zu rechnen, dabei steht nach wie
vor der Starkregen im Fokus, mangels Zuggeschwindigkeit sowie einer nach wie vor
vorhandenen Tendenz zum "back building" bis in den Unwetterbereich, extrem nicht
ausgeschlossen. Das Potenzial für größeren Hagel ist vielleicht nicht mehr ganz
so hoch wie an den Vortagen und auch schwere Sturmböen sollten nicht mehr so
häufig auftreten. Der Organisationsgrad der Gewitter bleibt mangels Scherung
gering. Eventuell nimmt die in die Rinne eingelagerte Konvergenz auch zunehmend
Anafrontcharakter an mit schauerartig verstärkten, teils konvektiv durchsetzten
Regenfällen auf deren Rückseite, zumindest deuten dies einige Modelle, in erster
Linie über Teilen Bayerns, an.
Außen vor von dieser Entwicklung sind nach wie vor der äußerste Nordosten und
Osten, dorthin sickert weiterhin trockene Festlandsluft. Bei häufig sonnigem
Wetter werden dort Höchstwerte zwischen 30 und 33 Grad erreicht. Ansonsten kühlt
die Luftmasse auch niedertroposphärisch allmählich etwas ab, die 850
hPa-Temperatur liegt meist zwischen 12 Grad im Westen und 16 Grad im Nordosten.
Somit liegen die Höchstwerte - je nach Bewölkung - zwischen 24 und 30 Grad;
dort, wo es länger regnet, kann es auch etwas kühler bleiben. Die Wärmebelastung
geht somit allgemein zurück.

In der Nacht zum Freitag kommt die Rinne nach wie vor kaum nordwärts voran. Bor
allem im Norden und Osten (Ausnahme wohl noch immer die Ostsee und
Ostvorpommern), eventuell auch noch in Ostbayern gibt es somit nach wie vor
schauerartige, teils gewittrige Niederschläge mit einem nur allmählich
abnehmenden Unwetterpotenzial aufgrund von Starkregen.
Im Westen und Südwesten sorgt dagegen der Hochkeil für eine Wetterberuhigung;
eventuelle Schauer und Gewitter klingen ab und die Wolken lockern stärker auf.
Mit Tiefstwerten zwischen 18 und 12 Grad wird es endlich mal angenehm frisch.




Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine signifikanten
Modellunterschiede ausmachen. Im Detail ergeben sich naturgemäß Unterschiede,
was die räumliche Verteilung der konvektiven Niederschläge angeht.
Das höchste Unwetterpotenzial besteht dabei heute im Westen/Südwesten
Deutschlands, aufgrund der Kleinräumigkeit der Ereignisse wurde aber auf die
Ausgabe einer Vorabinformation verzichtet. Da sich für den morgigen Tag
eventuell etwas klarere Strukturen ergeben, wäre eine solche dann vielleicht
angebracht, aber das kann wohl erst innerhalb der morgigen Frühkonferenz
entschieden werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff