DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-08-2020 07:30
SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SEa
Im Norden und Nordosten mit der Zufuhr trockener Festlandsluft zunehmend
stabiler, sonst weiterhin "Gewittersumpf" mit Unwetterpotenzial vor allem
aufgrund von Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland weiterhin im Einflussbereich eines
Höhenrückens, der vom westlichen Mittelmeerraum über das westliche Mitteleuropa
bis nach Südskandinavien reicht und dessen Achse (über Benelux) kaum nach Osten
vorankommt. Er stützt nach wie vor ein umfangreiches Hochdruckgebiet über
Skandinavien. Dieses hat sich etwas verstärkt und an dessen Südflanke gelangt im
Tagesverlauf allmählich etwas trockene Festlandsluft in den Norden und Nordosten
des Landes. Bei vor allem ab den Mittagsstunden auffrischendem Ostwind (an
windexponierten Abschnitten der Ostseeküste mit Böen Bft 5 bis 6, ganz
vereinzelt vielleicht sogar mal eine Bft 7) scheint dort überwiegend die Sonne
und es bleibt trocken.
Der große Rest des Landes bleibt aber im Einflussbereich der potenziell
instabilen und vor allem sehr warmen bzw. heißen Luftmasse subtropischen
Ursprungs. Je nach Einstrahlung können dort im Tagesverlauf erneut 1000 bis 1500
J/kg, nach Lesart einiger hochauflösender Modelle im Süden und Südwesten
kleinräumig auch an die 2000 J/kg ML-Cape generiert werden bei PPW-Werten
zwischen 30 und 40 mm. Deckelung ist im Tagesverlauf kaum vorhanden und auch die
Auslösetemperaturen von gebietsweise unter oder um 30 Grad sind bereits um die
Mittagszeit vielerorts erreicht. Dynamischer Antrieb aus der Höhe ist allerdings
kaum bzw. nur wenig (hauptsächlich resultierend aus geringem Eintrag positiver
Vorticity durch ehemalige Gewittersysteme) vorhanden und somit müssen erneut die
Orographie bzw. konvergente Strukturen im Bodenfeld als Trigger herhalten.
Dabei kristallisieren sich aus aktueller (Modell)sicht grob zwei
Schwerpunktsregionen heraus: Einerseits im Einflussbereich eines ehemaligen
Gewittersystems, das in etwa vom Böhmischen Becken über das Westerzgebirge bzw.
Vogtland bis ins südöstliche Niedersachsen reicht, andererseits aber auch im
Bereich einer sich von Frankreich her West- bzw. Südwestdeutschland annähernden
flachen Tiefdruckrinne, innerhalb derer ein konvergentes Windfeld mit einer mehr
oder weniger ausgeprägten Feuchteflusskonvergenz (gut auszumachen auch anhand
der recht hohen Cape) simuliert wird. Nach wie vor findet die Konvektion in nur
schwach gescherter Umgebung statt (am ehesten noch ausgeprägte Richtungsscherung
in der niederen Troposphäre, aber kaum Geschwindigkeitsscherung). Somit ist zu
Beginn von Einzelzellen auszugehen, die sich dann im Laufe des
Nachmittags/Abends zu Multizellencluster organisieren sind, vor allem im
Südwesten simulieren die Konvektion erlaubenden Modelle auch teilweise
linienförmige Strukturen. Als Begleiterscheinungen stehen in erster Linie wieder
der Starkregen im Fokus, aber auch Hagel und - vor allem am Nachmittag - auch
Sturmböen. Mit der langsamen Verlagerungsgeschwindigkeit bzw. einer gewissen
Tendenz zum "back-bulding" bei Zellen entlang einer Konvergenz sind die
Unwetterwarnschwellen bzgl. Starkregens mal wieder rasch erreicht, auch extreme
Unwetter sind weiterhin nicht ausgeschlossen. Vor allem bei kräftigen
Einzelzellen kann im Anfangsstadium auch mal größerer Hagel (bis 3 cm) auftreten
und die noch immer mit einem hohen Spread ausgestattete Grundschicht lässt auch
Böen zwischen 80 und 100 km/h zu (D-Cape in einigen Regionen erneut um die 1000
J/kg).
Unklar ist, wie weit die Gewitter nach Norden und Osten vorankommen, aber in
etwa nordöstlich einer Linie Südbrandenburg - Westmünsterland sollte es
überwiegend trocken bleiben.
Zwar war gestern und vorgestern der Höhepunkt der Hitzewelle erreicht, dennoch
bleibt die Wärmebelastung aufgrund des erhöhten Feuchteeintrags außer im
Nordosten und ganz im Süden stark bis extrem (Westen, Südwesten). Die
Höchstwerte liegen zwischen 30 und 36 Grad. Nicht ganz so heiß wird es mit 26
bis 30 Grad an den Alpen und im angrenzenden Alpenvorland, im Nordosten sowie in
Regionen mit erhöhter Gewitteraktivität und somit weniger Einstrahlung. Auch an
auflandigen Küstenabschnitten bleibt es angenehmer.

In der Nacht zum Mittwoch kommt der Rücken zwar etwas weiter nach Osten voran,
so dass dessen Achse in etwa über den Westen des Vorhersagegebietes verläuft,
ansonsten ändert sich aber nur wenig an der Konstellation der
Geopotenzialfelder. Im Bodenfeld reicht die Tiefdruckrinne weiterhin bis nach
West- bzw. Südwestdeutschland. Dort kommt die Gewittertätigkeit somit nur sehr
zögernd zum Erliegen und dauert vereinzelt eventuell auch bis in die Frühstunden
an, wobei sich einzelne Multizellensysteme auch bis in die mittleren Landesteile
verlagern können. Ansonsten bleibt es im Norden und Nordosten überwiegend gering
bewölkt oder klar, in den übrigen Regionen unterschiedlich bewölkt, dort, wo es
Gewitter gegeben hat, können sich flache Nebelfelder ausbilden. Erneut kühlt es
an Hanglagen, in mittleren Höhenlagen sowie in den Ballungszentren vor allem
West- und Südwestdeutschlands nur auf 24 bis 20 Grad ab, während es im Nordosten
und in einigen Alpentälern mit teils unter 15 Grad angenehm frisch wird.

Mittwoch... greift von der Biskaya bzw. der Iberischen Halbinsel her ein
Höhentrog allmählich auf Westfrankreich über. Der vorgelagerte Höhenrücken kippt
somit durch WLA mit seinem Nordteil etwas nach Westen, dessen Achse verläuft
abends in etwa über die Schweizer Alpen und Südwestdeutschland nordnordwestwärts
nach England bzw. nach Südnorwegen.
Mit dem Übergreifen des Troges verstärkt sich über Südwesteuropa, ebenso, wie
über dem Vorhersagegebiet, der Druckfall. Dabei kann sich an der Südwestflanke
des umfangreichen, sich nur wenig abschwächenden Hochdruckgebietes über
Skandinavien die trockenere Festlandsluft noch ein wenig weiter nach Südwesten
durchsetzen. West- und Süddeutschland sowie weite Teile der Mitte bleiben aber
nach wie vor im Einflussbereich der potenziell instabilen Luftmasse. Dabei wird
nahe der sich etwas verschärfenden Tiefdruckrinne bzw. Feuchteflusskonvergenz
dort noch geringfügig höhere ML-Cape als am Vortag simuliert bei ähnlich hohen
PPW-Werten. Ansonsten ändert sich an den Parametern bzw. Zutaten gegenüber dem
Vortag nur wenig. Der dynamische Antrieb aus der Höhe bleibt gering, die
Deckelung schwach, als Trigger zur Auslöse dienen also erneut die Orographie
bzw. die Outflow Boundaries ehemaliger Gewittersysteme, eventuell auch eine von
einigen Modellen (vor allem vom SuperHD) simulierten Konvergenzlinie über dem
Südwesten. Im Detail sind die Schwerpunktsregionen konvektiver Aktivität
natürlich nur schwer abzuschätzen und werden von jedem Modell(lauf) auch wieder
leicht modifiziert simuliert, dennoch dürften erneut der Westen und Süden im
Fokus stehen, wobei einzelne Multizellensysteme auch auf die mittleren
Landesteile übergreifen bzw. es auch dort entlang der Mittelgebirge stellenweise
zur Auslöse reicht. Die Begleiterscheinungen ähneln der des Vortages, vielleicht
mit einem aufgrund der höher simulierten Cape leicht erhöhten Unwetterpotenzial.

Etwa vom Emsland bis zum Erzgebirge und weiter nordöstlich bleibt es im
Einflussbereich der etwas stabileren Festlandsluft wohl überwiegend trocken,
wobei AROME die Gewitter etwas weiter nach Nordosten vorankommen lässt als die
anderen hochauflösenden bzw. Konvektion erlaubenden Modelle. Auch der Osten
Bayerns scheint nach Lesart der meisten Modelle nicht unbedingt im Fokus der
Gewitteraktivität zu stehen.
Am Temperaturniveau ändert sich gegenüber dem Vortag nur wenig und auch die
Wärmebelastung bleibt aufgrund der relativ hohen Feuchte stark, im Westen
gebietsweise auch extrem.

In der Nacht zum Donnerstag kommt der Höhentrog mit stark negativ geneigter
Achse über Südwestfrankreich ein wenig nach Norden voran. Der vorgelagerte
Höhenrücken schwächt sich etwas ab, ändert seine Position (vom Schweizer
Alpenraum bis zur Nordsee reichend) aber kaum, vom Trog ausgehende dynamische
Hebungsprozesse können somit - wenn überhaupt - erst in der zweiten Nachthälfte
bzw. in der Früh im Westen/Südwesten wirksam werden.
Ein mit dem Trog korrespondierendes flaches Tiefdruckgebiet verlagert sich im
Laufe der Nacht über Zentralfrankreich ein wenig nach Norden, die bis nach
Westdeutschland reichende Tiefdruckrinne kann sich etwas nach Osten ausweiten,
füllt sich aber tagesgangbedingt ein wenig auf.
Somit dürfte sich die Gewitteraktivität im Laufe der Nacht zunächst abschwächen,
ob sie vorübergehend mal komplett zum Erliegen kommt, ist aber fraglich. Vor
allem SuperHD, aber auch das IFS-basierte SwissHD simulieren bereits im Laufe
der zweiten Nachthälfte von Frankreich und Belgien her auf den Westen des Landes
übergreifende Gewitter, teilweise auch als linienförmiger Multizellencluster
organisiert. Somit bleibt auch die Nacht über hinweg ein gewisses
Unwetterpotenzial, hauptsächlich aufgrund von Starkregen, erhalten.
Im Norden und Osten verläuft die Nacht dagegen gering bewölkt. Während es im
Westen und Südwesten erneut sehr mild bis warm bleibt, kühlt es im Nordosten,
aber auch in den östlichen und ostbayerischen Mittelgebirgen sowie in den
Alpentälern auf teilweise unter 15 Grad ab.

Donnerstag... erreicht die inzwischen zonal orientierte Achse des Troges im
Tagesverlauf Nordfrankreich. Der Höhenrücken wird weiter abgebaut, übrig bleibt
aber eine Potenzialbrücke, die von Schottland über die südliche Nordsee und das
Vorhersagegebiet bis in den zentralen Alpenraum reicht.
Im Bodenfeld weitet sich die ebenfalls zonal ausgerichtete flache Tiefdruckrinne
über die breite Mitte des Vorhersagegebietes ostsüdostwärts aus und verläuft von
Westdeutschland bis nach Ostbayern. An deren Nordostflanke gelangt nach wie vor
trockenere Festlandluft in den Norden und Nordosten des Landes, so dass dort
erneut ein wettertechnisch ruhiger Tag ins Haus steht.
Die Hauptgewitteraktivität spielt sich hingegen im Bereich des konvergenten
Windfeldes innerhalb der Rinne ab, also vor allem von den westlichen über die
mittleren Landesteile bis in den Südosten. In dieser Region wird erneut die
höchste Cape simuliert (1000 bis 1500 J/kg, punktuell auch bis nahe 2000 J/kg)
bei hohen PPW-Werten von 35 bis knapp über 40 mm. Nach wie vor findet die
Konvektion in nur schwach gescherter Umgebung statt, lediglich im Bereich der
Konvergenz ist eine ausgeprägte Richtungsscherung vorhanden, so dass vielleicht
auch vereinzelte Typ2-Tornados nicht ausgeschlossen sind. Ansonsten ähneln die
Begleiterscheinungen der Gewitter denen der Vortage mit einer vielleicht leicht
erhöhten Tendenz zu Multizellenclustern, oft auch linienförmig angeordnet. Wie
das Ganze letztendlich aber im Detail abläuft, sei mal dahingestellt. SuperHD
deutet z.B. nach Durchzug eines größeren Multizellensystems in den Morgenstunden
im Tagesverlauf erst einmal eine gewisse Wetterberuhigung an und erst am
Nachmittag/Abend ein Aufleben der Gewittertätigkeit an, während es nach Lesart
des IFS SwissHD bereits recht frühzeitig wieder zur Sache geht.
Am Temperaturniveau ändert sich gegenüber den Vortagen weiterhin nur wenig,
wobei es eventuell großräumiger als am Vortag Regionen geben wird, wo es längere
Zeit stark bewölkt bleibt und es mangels Einstrahlung somit nicht ganz so
warm/heiß werden kann, dennoch bleibt die Wärmebelastung stark. Im Norden und
Nordosten scheint dagegen überwiegend die Sonne und an Küstenabschnitten mit
auflandigem Wind bewegen sich die Temperaturen ebenfalls in einem angenehmeren
Bereich.

In der Nacht zum Freitag greift - ausgehend vom Trog über Nordfrankreich - eine
Potenzialrinne auf den Südwesten und Süden Deutschlands über. Auf deren
Vorderseite kann sich die Tiefdruckrinne über den mittleren Landesteilen noch
ein wenig etablieren und kommt etwas nach Norden voran. Im Bereich dieser Rinne
dauert wohl auch die Nacht über hinweg die Gewittertätigkeit an, wenngleich auch
mit etwas "gebremsten Schaum". Im Fokus der Begleiterscheinungen bleibt der
Starkregen, kleinräumig weiterhin mit Unwetterpotenzial. Rückseitig der Rinne
gelangen von Westen her etwas stabilere und kühlere Luftmassen in den
Westen/Südwesten und äußersten Süden des Landes, die dort endlich mal für etwas
angenehmere Tiefstwerte sorgt.
Der Nordosten bleibt dagegen weiterhin noch im Einflussbereich der trockeneren
Festlandsluft; dort bleibt es klar oder locker bewölkt und trocken bei ebenfalls
recht angenehmen Tiefstwerten.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterentwicklung ist unstrittig und wird von allen Modellen
ähnlich simuliert. Im Detail ergeben sich, wie bei solchen Lagen üblich, aber
durchaus Unterschiede, insbesondere, was die Schwerpunktsregionen konvektiver
Aktivität angeht. Diese hängen wiederum von der Orographie ab, vor allem aber
auch von kleinräumigen konvergenten Strukturen, resultierend teilweise aus
Resten ehemaliger Gewittersysteme und werden von Modell zu Modell leicht
unterschiedlich simuliert. Das Übergreifen der Tiefdruckrinne am Donnerstag
haben aber wiederum alle Modelle sehr ähnlich auf der Agenda.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff