DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-08-2020 16:30
SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.08.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Teils schwere Gewitter mit heftigem, teils extremen Starkregen in Kombination
mit einer starken bis sehr starken Wärmebelastung

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... strapaziert die Hitze den Körper schon ordentlich, doch nun kommt
auch noch die Schwüle hinzu und gibt ihm den Rest. Damit herzlich willkommen in
der Hitzeküche Deutschland.

Auch am heutigen Abend bestimmt weiter die in Schieflage geratene
Omega-Wetterlage die Höhenstrukturen. Dabei wird der Rücken, der sich von
Nordafrika über den westlichen Mittelmeerraum bis zur Ostsee erstreckt von dem
Langwellentrog über dem Atlantik und diesem über Südosteuropa in die Zange
genommen. Die Achse des Rückens verläuft dabei von Südwest nach Nordost über
Deutschland hinweg. Der Langwellentrog über dem Ostatlantik stützt bodennah eine
Tiefdruckrinne, die sich von der Iberischen Halbinsel bis nach Südengland und
den Beneluxstaaten zieht und sich allmählich in den Westen und Südwesten von
Deutschland verlagert. In die Tiefdruckrinne sind dabei konvergente bodennahe
Strömungsstrukturen eingebettet, die einen gewissen dynamischen Hebungsantrieb
liefern. Als zweiter vertikaler Antreiber soll sich in der Nacht allmählich ein
Kaltlufttropfen herauskristallisieren, der seine Anfänge an einem kurzwelligen
Anteil über dem Skagerrak hat und in der Folge über Südschweden und der Ostsee
südostwärts abzieht. Zusammen mit weiteren kurzwelligen Anteilen, die über
Ostdeutschland und Polen in die nördliche Grundströmung eingelagert sind, kann
der Kaltlufttropfen auch von der Elbe ostwärts Hebung induzieren und die
Troposphäre zusätzlich labilisieren. "The last but noch least" konnte sich
aufgrund der bodennahen Strömungseigenschaften auch hierzulande eine
Konvergenzlinie ausbilden, die etwa von Berlin bis zur Eifel und weiter bis Le
Havre für Aufsehen sorgt. An dieser prallt der teils mäßige Nordostwind auf eine
Schwachwindzone, die den wind staut und die Luft entsprechend hebt. Ausgehend
von den beschriebenen Hebungsimpulsen sind auch die teils kräftigen Schauer und
Gewitter zu verzeichnen. Von NRW bis nach Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
baut sich auch ordentlich CAPE auf. Verbreitet werden in dem Streifen zwischen
600 und 1500 J/kg erreich, lokal im Umfeld des Rothaargebirges auch bis 1800
J/kg. Auch der Wassergehalt der Luftsäule ist mit 25 bis örtlich 40 mm
ordentlich. Einzig die Scherung ist nahezu ein Totalausfall. Als Folgerung
stehen wenig dynamische, meist linienhaft organisierte Multizellen auf dem
Programm, die zudem auch verclustern können und nur eine geringe
Verlagerungstendenz aufweisen. Somit werden lokal die Schleusen geöffnet,
Regenmengen zwischen 30 und 50 l/qm in kurzer Zeit werden dann keine Seltenheit
sein. Zudem besteht aufgrund der hohen CAPE-Werte auch die Gefahr vor Hagel um 2
cm. Allerdings sollte auch der Wind nicht unterschätzt werden. Aufgrund der
trockenen Vorgeschichte zeigen die Aufstiege eine Inverse-V-Struktur, sodass das
Down Burst Risiko mit windspitzen bis 100 km/h eng begrenzt durchaus zuschlagen
kann. Erste Meldungen aus dem Sauer- und Siegen-Wittgensteiner Land bestätigen
die beschrieben Begleiterscheinungen eindrucksvoll.

Auch in der Nacht bleiben die skizzierten Strukturen und Prozesse erhalten,
allenfalls die nächtliche, leider meist nur mäßig ausfallende bodennahe
Abkühlung wirkt etwas stabilisierend. Insgesamt sollte die Gewitterneigung aber
nur zögernd nachlassen, wodurch regional die Gefahr vor Starkregen, dann auch im
mehrstündigen Zeitraum nicht gebannt wird. Vor allem CDE2 lässt von NRW bis nach
Brandenburg und Vorpommern die Gewitter längere bestehen oder neu entwickeln.
Durch die zahlreichen, mehr oder weniger dich ausgeprägten Wolken am Himmel,
kann es in der Nordhälfte nachts auch nicht wirklich abkühlen. Vielerorts dürfte
eine tropische Nacht zwischen 20 und 24 Grad folgen. Außen vor bei den
vertikalen Umlagerungen bleibt noch der Süden, wo die Luft auf der Vorderseite
der Rückenachse in einem trockenen Umfeld keine Impulse zum Aufsteigen verspürt.

Montag ... kann der Trog über dem Ostatlantik seine Amplitude weiter
vergrößern, und in der Folge sogar ein eigenständiges Höhentief abkoppeln. Durch
diese Entwicklungsprozesse regeneriert der Trog den vorübergehend schwächelnden,
West- und Mitteleuropäischen Rücken, der sich in der Folge wieder etwas nach
Norden ausdehnen kann. Die Rückenachse würde demnach vom westlichen
Mittelmeerraum über Benelux und den äußersten Westen Deutschlands hinweg bis
nach Norwegen liegen. Durch die Amplifizierung des Troges über dem Ostatlantik
verliert das Omega zudem die Schieflage und stellt sich richtig auf. Auch
bodennah bleibt vielen beim Alten. Dem kräftigen Hoch über Skandinavien steht
auf der Vorderseite des Troges über dem Ostatlantik weiter die Tiefdruckrinne
entgegen. Neu ist, dass diese sich etwas nach Osten verlagert und dem Westen und
Südwesten Deutschlands auf Tuchfühlung geht. Entsprechend schiebt sich auch die
konvergente bodennahe Strömung in der Rinne dichter an das Bundesgebiet heran.
Aber auch ohne entsprechende Hebungsimpulse geht es hierzulande regional erneut
hoch her. Die beiden Köche vom Vortag schwingen weiter ordentlich die Löffel und
quirlen die teils feucht heiße Luftmasse mächtig um. Sowohl der Kaltlufttropfen
in Kooperation mit einem durchschwenkenden kurzwelligen Anteil im Nordosten als
auch die Konvergenzlinie über die Mitte hinweg sorgen für Hebung und induzieren
erneut teils schwere Gewitter. Wie explosiv die Luftmasse zunehmend wird, lässt
sich auch an der CAPE-Entwicklung ablesen. Nach ICON sollen nahezu landesweit
500 bis 1500 J/kg vorliegen, im Nordosten erreichen die Werte bis 1800 J/kg und
an den Alpen lokal begrenzt sogar bis 2300 J/kg. Auch die Feuchte legt nochmals
zu und hat fast das ganze Land eingenommen. Für den hohen Wassergehalt zeugen
schließlich PPW-Werte zwischen 25 und 35 mm, lokal bis 40 mm. Allenfalls die
Scherung ist weiter etwas schwach auf der Brust. Daraus lässt sich wie am Vortag
folgern, dass erneut teils linienhaft organisierte, teils verclusterte
Multizellen im Fokus stehen, die wenig Verlagerungstendenz aufweisen. Damit wird
auch am Montag wieder der heftige, lokal auch extreme Starkregen sowie Hagel die
Gewitter begleiten. Die Temperaturen ändern sich gegenüber Sonntag nur
unwesentlich zu etwas niedrigeren Werten. Allerdings nimmt die Schwüle zu, was
die Wärmebelastung noch etwas steigen lässt.

In der Nacht zum Dienstag läuft an der Ostflanke des Keils mit der Achse über
Beneluxstaaten ein weiterer Kurzwellentrog nach Süden ab, der dann auch in den
unteren Troposphärenschichten etwas besser ausgeprägt ist. Daher sollten sich
einige, teils kräftige Gewitter vor allem nach Osten hin und hier besonders in
den östlichen Mittelgebirgen noch längere Zeit halten. Aber auch sonst sind im
Bereich der Strömungskonvergenz über die südliche Mitte hinweg einzelne,
kräftige Gewitter weiter möglich. Zudem blubbert es zunehmend im Alpenraum,
sodass diese Umlagerungen auch mal welche auf deutsche Seite schwappen können.
Durch die vielen Wolken am Himmel kühlt es erneut nur zögernd aus, sodass erneut
vielerorts eine tropische Nacht zwischen 20 und 24 Grad ansteht.
Dienstag ... verkürzt der Trog über dem Ostatlantik bei gleichzeitiger weiterer
Amplifizierung allmählich seine Wellenlänge. Das in den Trog eingebettet
Höhentief greift dabei auf die Iberische Halbinsel über. Da der Rücken mit
seiner Achse an der Westgrenze Deutschlands seine Lage kaum verändert und
allenfalls seine Wellenlänge ebenfalls etwas verkürzt, steilt sich die Strömung
weiter auf. Auf der Vorderseite des Troges und auf der Westflanke der
Rückenachse tummelt sich bodennah weiter die Tiefdruckrinne, die zeitweise auch
den Westen und Südwesten Deutschlands für sich beansprucht. Als Gegenspieler
weitet aber auch das Hoch über Skandinavien seinen Einflussbereich nach Süden
bis in den Nordosten von Deutschland aus. Nachfolgend fließt dort etwas
trockenere und stabilere Luft ein. Zudem gelangt der Nordosten rasch auf die
Rückseite eines nach Süden schwenkenden Kurzwellentroges. Resümierend kann
festgehalten werden, dass die Gewittertätigkeit von der Nord- und Ostsee bis
nach Brandenburg rasch abklingen soll. Der Schwerpunkt der vertikalen
Umlagerungen wird dagegen zunehmend in der Südhälfte des Landes erwartet, wo die
südlichen Winde auf der Vorderseite der Tiefdruckrinne auf die östlichen Winde
auf der Südseite des Hochs treffen. Entsprechend deutet sich eine
Konvergenzlinie vom Ärmelkanal bis nach Ostitalien an, in dessen Umfeld erneut
ausreichend Hebung generiert wird, um teils schwere Gewitter zu erzeugen. Ein
zusätzlicher Player in der Gewittermanege ist der Kurzwellentrog der südwärts
über den Osten und Südosten hinwegschwenkt und vorderseitig ebenfalls
Hebungsimpulse liefert. Von NRW bis zu den Alpen und dem Erzgebirge werden
schließlich auf die höchsten CAPE-Werte von den Modellen geliefert, die meist
zwischen 500 und 1200 J/kg, in Bayern und am Hochrhein örtlich bis 2200 J/kg
liegen und mit einem entsprechenden Hagelrisiko einhergehen. Abgesehen vom
Nordosten bleibt auch die feuchtheiße Suppe erhalten. Nicht nur, dass die
Wärmebelastung auf den Körper weiter stark bis extrem ist, der Wassergehalt in
der Luft sorgt bei kräftigen Gewittern auch für ein hohes Potential für
heftigen, teils auch extremen Starkregen.

In der Nacht zum Mittwoch schwächelt der Rücken etwas und zieht sich geringfügig
südwärts zurück, ohne jedoch die Lage zu verändern. Einhergehend verschiebt auch
das Bodenhoch sein Zentrum nach Südschweden und erweitert die seinen Einfluss
auf den gesamten Osten Deutschlands. Mit der östlichen bis südöstlichen Strömung
auf der Südflanke des Hochs wird auch die Tiefdruckrinne im Westen wieder etwas
westwärts gedrängt. Dennoch sollten die Schauer und Gewitter im Süden und
Südwesten nicht komplett zum Erliegen kommen, während im Osten und Südosten mit
Abzug des Kurzwellentroges etwa Ruhe einkehren sollte. Die in die Osthälfte
einfließende, trockenere und etwas kühlere Luft macht sich auch bei den
Tiefstwerten bemerkbar, indem dies wieder teils deutlich unter die 20-Grad-Marke
zurückgehen. Anders sieht es noch in der feuchtheißen Luft in der Westhälfte
aus, wo erneut vielerorts eine tropische Nacht mit Werten über 20 Grad ansteht.

Mittwoch ... ändert sich zunächst an den Strukturen wenig. Allerdings nimmt der
Trog inklusive Höhentief über dem nördlichen Bereich der Iberischen Halbinsel
langsam Fahrt auf und schwenkt stetig nordostwärts. Dabei wird der, weiter
nahezu ortsfeste, Rücken allmählich abgehobelt. Die Achse greift zudem langsam
auf den Westen und Südwesten Deutschlands über. Bodennah kann die Tiefdruckrinne
auf der Trogvorderseite nun signifikant Raum nach Osten gut machen und bis zum
Abend nahezu die gesamte Westhälfte einnehmen. Nachfolgend ist von NRW bis zu
den Alpen erneut das höchste Gewitterpotential zu verzeichnen. Da dort kein
Austausch der Luftmasse stattgefunden hat, sind auch zu den Vortagen
vergleichbare Begleiterscheinungen zu erwarten. CAPE-Werte bis 2000 J/kg und
PPW-Werte bis 40 mm lassen wie die Tage zuvor den heftigen, teils auch extremen
Starkregen sowie den Hagel erneut in den Vordergrund treten. Im Osten, Norden
und Teilen der Mitte ist dagegen in der trockenen und zunehmend stabil
geschichteten zunächst die "Luft" raus.

In der Nacht schwächelt der Rücken weiter, sodass die Westhälfte auf die
Trogvorderseite gelangt. Nachfolgend sollen sich von Südwesten kräftiger
Umlagerungen ins Land schieben und zunächst von der Eifel bis zum Hochrhein für
Schauer und Gewitter sorgen. Bei den Nachttemperaturen bleibt das
West-Ost-Gefälle erhalten. Im Westen steht also erneut vielerorts eine tropische
Nacht auf dem Programm.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle zeigen die großskaligen Strukturen vergleichbar. Allenfalls im
Detail gibt es gewisse Unterschiede, die sich schließlich in der räumlichen
Einordnung sowie Verlagerungsgeschwindigkeit der Niederschläge widerspiegeln.

Aufgrund der verschiedenen Parametrisierungen bezüglich der konvektiven
Prognosen werden zudem die Gewitterschwerpunkt sowie auch die Intensitäten
teilweise abweichend simuliert. Vor allem Euro4 und C-DE2 scheinen im Vergleich
der Anfangszustände den besten Riecher zu haben und sollten in der Kürzest- und
Kurzfrist bevorzugt betrachtet werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel